Warum Schiedsgerichte in CETA und TTIP

Kann mir jemand erklären, für was diese unabhängigen Schiedsgerichte gut sein sollen? Ich weiß, was sie machen sollen, mir wird aber einfach nicht klar, wieso gerade die das machen sollen.
Kanada, die USA und alle EU-Mitglieder sind Staaten die über eine funktionierende Judikative verfügen (zumindest so, wie sie sich selbst und gegenseitig sehen, bitte Diskussionen darüber auch woanders), wie kommen die verhandelnden Politiker da auf die Idee „Wäre doch super, das unserem eigenen Einfluss zu entziehen“. Wo werden die Vorteile gesehen?
Ich gehe davon aus davon, dass die entsprechenden Lobbies sich das einiges kosten lassen, aber irgendwie muss das ganze doch auch argumentativ untermauert werden, zB. in Interviews. Kennt da jemand ein paar Pro-Argumente? In den Medien habe ich leider noch keines gelesen.

PS: Allgemeine Verabscheuungen, Fanpost und sonstiges zu CETA und TTIP bitte woanders diskutieren. Genauso alles zur Rechts- oder Unrechtsstaatlichkeit der angesprochenen Staaten usw usw …
In diesem Thread bitte nur den Unterpunkt Schiedsgerichte im Blickwinkel der Abkommen angehen.

Hallo,

Kann mir jemand erklären, für was diese unabhängigen
Schiedsgerichte gut sein sollen? Ich weiß, was sie machen
sollen, mir wird aber einfach nicht klar, wieso gerade die das
machen sollen.

irgendwo im Fernsehen habe ich kürzlich, ich glaube heute, bin mir aber noch nicht mal da sicher, eine Erklärung gehört. Ich versuche mal sinngemäß wiederzugeben, was ich glaube, da verstanden zu haben.

Diese Schiedsgerichte wurden bei früheren Freihandelsabkommen installiert, als es da um Verträge mit Staaten ging, in denen von rechtsstaatlicher Zuverlässigkeit nicht auszugehen war. Scheinbar hat sich das aus der Sicht der USA so bewährt, daß sie an diesem System festhalten wollen. Warum etwas anders versuchen, wenn es bisher zur Zufriedenheit der USA funktioniert hat?

Ich sehe das etwas anders, aber das ist ein anderes Thema.

Gruß Chewpapa

Kann mir jemand erklären, für was diese unabhängigen
Schiedsgerichte gut sein sollen? Ich weiß, was sie machen
sollen, mir wird aber einfach nicht klar, wieso gerade die das
machen sollen.
Kanada, die USA und alle EU-Mitglieder sind Staaten die über
eine funktionierende Judikative verfügen

Die jeweilige staatliche Judikative richtet sich nach dem jeweiligen lokalen Gesetzen. Wenn die deutsche oder amerikanische Regierung einfach Gesetze ändern um sich selbst oder ihren Konzernen einen Vorteil zu verschaffen, dann bringt es recht wenig vor dem amerikanischen Supreme Court gegen die US Regierung zu klagen.

(zumindest so, wie
sie sich selbst und gegenseitig sehen, bitte Diskussionen
darüber auch woanders)
, wie kommen die verhandelnden Politiker
da auf die Idee „Wäre doch super, das unserem eigenen Einfluss
zu entziehen“. Wo werden die Vorteile gesehen?

Ich sehe schlichtweg gar keine andere Möglichkeit als ein paritätisch besetztes Schiedsgericht.

Ich gehe davon aus davon, dass die entsprechenden Lobbies sich
das einiges kosten lassen, aber irgendwie muss das ganze doch
auch argumentativ untermauert werden, zB. in Interviews. Kennt
da jemand ein paar Pro-Argumente? In den Medien habe ich
leider noch keines gelesen.

Wenn du dich wirklich damit beschäftigt hättest, hättest du schon viel darüber gelesen. Siehe die Reportagereihe der Süddeutschen.

PS: Allgemeine Verabscheuungen, Fanpost und sonstiges zu CETA
und TTIP bitte woanders diskutieren. Genauso alles zur Rechts-
oder Unrechtsstaatlichkeit der angesprochenen Staaten usw usw

Guter Hinweis normalerweise kommen in einem solchen Strang ja immer gleich USA USA böse böse böse Kinder aus ihren Löchern.

Moin auch,

Die jeweilige staatliche Judikative richtet sich nach dem
jeweiligen lokalen Gesetzen. Wenn die deutsche oder
amerikanische Regierung einfach Gesetze ändern um sich selbst
oder ihren Konzernen einen Vorteil zu verschaffen, dann bringt
es recht wenig vor dem amerikanischen Supreme Court gegen die
US Regierung zu klagen.

Dumme Sache, diese Gesetze. Vor alem, wenn man sich auch noch daran halten soll.

Ich sehe schlichtweg gar keine andere Möglichkeit als ein
paritätisch besetztes Schiedsgericht.

Dabei gäbe es eine so einfache Lösung: Die Bürger eines Landes halten sich an dessen Gesetze und Firmen, die in diesem Land Geschäfte tätigen, ebenfalls.

Ralph

Hi,

Dabei gäbe es eine so einfache Lösung: Die Bürger eines Landes
halten sich an dessen Gesetze und Firmen, die in diesem Land
Geschäfte tätigen, ebenfalls.

Die Problematik ergibt sich dann, wenn nach getätigten Investitionen der Staat einfach mal Gesetze abändert. Die nationalen Gerichte müssen sich dann an die geltende Rechtslage halten. Der Investor will aber eine von politisch initiierten Gesetzesänderungen unabhängige Instanz anrufen können, um darüber entscheiden zu lassen, ob ihm unrechtmäßig (gem. den geltenden Verträgen) ein Schaden entstanden ist oder nicht.

Gruß
vdmaster

Hi,

Der Investor will aber eine von politisch
initiierten Gesetzesänderungen unabhängige Instanz anrufen
können, um darüber entscheiden zu lassen, ob ihm unrechtmäßig
(gem. den geltenden Verträgen) ein Schaden entstanden ist oder
nicht.

Dann kann man sich ja gleich demokratische Wahlen u.ä. sparen und lässt alle Entscheidungen vom (von wem?) eingesetzten Schiedsgericht treffen.

Gruß
T.

Die Problematik ergibt sich dann, wenn nach getätigten
Investitionen der Staat einfach mal Gesetze abändert. Die
nationalen Gerichte müssen sich dann an die geltende
Rechtslage halten. Der Investor will aber eine von politisch
initiierten Gesetzesänderungen unabhängige Instanz anrufen
können, um darüber entscheiden zu lassen, ob ihm unrechtmäßig
(gem. den geltenden Verträgen) ein Schaden entstanden ist oder
nicht.

Das ist genau der Punkt, den ich nicht verstehe. Der Souverän in unsrem Staat ist nominal das Volk in dessen Vertretung die Regierung Gesetze erlässt. Diese Praxis hebelt beides aus:

  1. die Souveränität des Volkes (es kann in seinem Staat nicht mehr die Regierung dazu bringen, zu tun was es will sondern muss sich das Recht von ausländischen Konzernen erkaufen, sollten die Investitionen getätigt haben)
  2. die Macht der Regierung (sie kann nicht mehr wie sie Lust hast Gesetze im Namen des Souveräns erlassen sondern muss sich dieses Recht erkaufen wenn Investitionen getätigt wurden)

Nun sind die verhandelnden Politiker beides: Teil des Staatsvolkes und Teil der Regierung. Was bewegt sie dazu, so viel Macht abzugeben ohne politisch irgendwas dafür zu bekommen?

Ich dachte, dass hier eine Sachdiskussion erwünscht wäre.

Hallo,

Du irrst Dich, wenn Du unterstellst, dass das Volk die Politiker dazu bringen könne zu tun was es wolle. Ebenso können die Politiker nicht tun was ihnen beliebt oder was sie als des Volkes Wille erachten.

Beide sind an übergeordnete Systeme gebunden. Da wären bspw. die UN-Charta, die EU-Verträge und das GG.

Es muss sich auch niemand vom Investor etwas erkaufen. Er muss dem Investor nur zugestehen, dass dieser nicht an den nationalen Rechtsweg gebunden ist, falls er ihm Parteilichkeit unterstellen würde.

Die Mehrheit aller Streitigkeiten mit Fremdinvestoren (aus dem Ausland) würde genauso leicht beigelegt werden wie solche mit Inlandsinvestoren. Nur solche Streitigkeiten, bei denen der Fremdinvestor einen (tatsächlichen oder vermeintlichen) Nachweis erbringen kann, dass der Staat vertragsbrüchig geworden ist, würden vor ein Schiedsgericht gehen.

Hier hätte ich mal eine Dissertation zum ICSID. Da kannst Du Dich eingehend informieren. Wobei das Schiedsgericht, welches beim TTIP zum Tragen kommen würde, nicht das ICSID sein muss. Gut vorstellbar wäre die Schaffung eines eigenen Regulariums beider Vertragsseiten, die dem ICSID nur ähnlich (aber weiterentwickelt) ist.

Gruß
vdmaster

Moin auch,

wir reden aneinander vorbei. Jeder Bürger eines Staates und jede in diesem Staat ansässige Firma geht zwangsläufig das Risiko ein, dass ich die Gesetzeslage ändert und man dadurch sein Verhalten oder seine Geschäftsgepflogenheiten der neuen Gesetzeslage anpassen muss. Für eine Firma gehört das einfach zum unternehmerischen Risiko. Warum soll jetzt eine ausländische Firma dieses unternehmerische Risiko einfach ausklammern dürfen und vor irgendwelchen, angeblich unabhängigen Gremien gegen die Änderung eines Gesetzes klagen dürfen bzw. Schadenersatz verlagen dürfen nur weil das ursprünglich gewählte Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert?

Ich kann das ja verstehen in solchen Fällen (wie ursprünglich geplant), wo die Investition in Ländern getätigt wird, die kein funktionierendes Rechtssystem haben. Im Falle von Europa und den USA dürfte das aber nicht der Fall sein. Warum braucht man also für TTIP eine Paralleljustiz?

Ralph

Hi Data,

wat is ene Dampfmaschin? :wink:

Man stelle sich vor, dass Staat A wegen mieser Kassenlage mal eben beschliesst alle Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern verstaatlichen zu lassen. Es kommt zu einem Referendum bei dem 60% der Abstimmungsberechtigten diesen Entschluss billigen. Das Gesetz wird verabschiedet. Investor B verliert seine Firma und wird mit an den Haaren herbeigezogenen Entschädigungen abgespeist, die weit unter dem Firmenwert liegen.

Für D scheint dieser Fall weit hergeholt zu sein. Für alle EU-Staaten sehe ich das jedoch nicht so klar. Schon gar nicht in zehn oder zwanzig Jahren. In solchen Zeiträumen muss aber ein Investor durchaus rechnen.

Aber ich will hier auch wirklich keine Fundamentaldiskussion führen. Die hatten wir im Forum schon reichlich.

Gruß
vdmaster

Moin auch,

man kann natürlich unliebsame Entscheidungsversuche auch mit völlig realitätsfremden Argumenten durchdrücken.

Ralph

Beispiel aus der realität:

D steigt aus der Atomkraft aus, Investoren wie Vattenfall entstehen dadurch Verluste in Milliardenhöhe.
Da mag das linksextreme Herz schon höher Schlagen lassen, aber wenn man PV Investoren einfach mal auf die schnelle sagen würde „hey, das mit der garantierten Einspeisevergütung war doch Bockmist und eure Investition ist jetzt für den Arsch“ würden die lieben Weltverbesserer dann doch ganz schlimm finden.

Hallo,

Ich kann das ja verstehen in solchen Fällen (wie ursprünglich
geplant), wo die Investition in Ländern getätigt wird, die
kein funktionierendes Rechtssystem haben. Im Falle von Europa
und den USA dürfte das aber nicht der Fall sein.

das mit dem funktionierenden Rechtssytem ist so eine Sache, denn das liegt im Auge des Betrachters. Schon deutsche Staatsbürger haben ab und an Probleme mit Gesetzen, deren Auslegung und Gerichtsentscheidungen. Gelegentlich ist das Bundesverfassungsgericht der Ansicht, daß der Bundestag ein bißchen daneben liegt mit seiner Gesetzgebung, manchmal kassiert der Euopäische Gerichtshof deutsche Gesetze bzw. Passagen daraus und manchmal neigt das Bundesverfassungsgericht (zumindest meiner Meinung nach) zu Gefälligkeitsurteilen, insbesondere, wenn es um die großen europäischen Fragen geht.

Für einen Außenstehenden bzw. ausländischen Investor ist diese Gemengelage noch viel schwieriger zu verstehen und genauso geht es ausländischen Unternehmen in den USA. Auch dort ist es mitunter schwer zu unterscheiden, ob nur ein Gericht ein Gefälligkeitsurteil zugunsten eines inländischen Unternehmens gefällt oder ein Gesetz zugunsten von inländischen Unternehmen beschlossen wird.

Wenn man nicht gerade als Gerichtsstand Ouagadougou oder Pjöngjang vereinbart, kann man sich eigentlich nie sicher sein, daß man an (zwischen Europa und Nordamerika) neutrale Richter auf neutralem Boden gerät. Insofern ist schon nachvollziehbar, daß man eine an sich neutrale Institution bestimmt, die man im Streitfall anrufen kann.

Das ganze wird mit der internationalen Handelskammer in Paris übrigens schon sehr lange sehr erfolgreich praktiziert.

Gruß
C.

Ein sehr gutes Beispiel dafür, was auch in Deutschland passieren könnte. Ein aktuelles Beispiel wäre der Fall Yukos:
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schiedsgericht…

lg
Penegrin

Moin auch,

D steigt aus der Atomkraft aus, Investoren wie Vattenfall
entstehen dadurch Verluste in Milliardenhöhe.

Sagt Vattenfall (und EON usw). Was aber noch nachzuweisen wäre, zumindest in welcher Höhe diese Verluste wirklich anfallen. Und ob der Ausstieg aus dem Ausstieg wirklich rechtswidrig erfolgt ist, aknn man ja ebenfalls vor einem Gericht klären. Dessen ist sich Vattenfall natürlich auch bewusst, immerhin wurde auch Klage beim BVerfG eingereicht.

Da mag das linksextreme Herz schon höher Schlagen lassen, aber
wenn man PV Investoren einfach mal auf die schnelle sagen
würde „hey, das mit der garantierten Einspeisevergütung war
doch Bockmist und eure Investition ist jetzt für den Arsch“
würden die lieben Weltverbesserer dann doch ganz schlimm
finden.

Mit Sicherheit. Und würden, als Unternehmer, die sie ja jetzt sind, auch Klage beim BVerfG einreichen. Warum aber soll der Unternehmer Vattenfall andere Rechte haben als der Unternehmer Hubert Schmidt aus Kleinkleckersdorf? OK, Hubert Schnid ist deutscher, dann nehmen wir eben George Scott aus Newcastle, der eine PV-Anlage auf einem gepachteten Scheunendach in Kleinkleckersdorf hingestellt hat.

R.

Hallo,

wieso realitätsfern? Ich würde gerade einigen südosteuropäischen EU-Staaten so etwas zutrauen. Es müssen sich nur einmal die entsprechende Regierung in einer Konstellation mit wirtschaftlichen Not im Staate zusammenfinden und schon kanns passieren.

Da nehmen wir mal den Linksaußen in Griechenland oder unsere Linksaußen der Teil-Ex-SED als Blaupause zur Hand. In manch einer ehemaligen Sowjetrepublik kann sich so etwas auch schnell ergeben. Vorstellbar sind auch Gesetze gegen ausländische Firmen, die von Rechtsaußen in Gang gebracht werden.

Gruß
vdmaster

Warum aber soll der
Unternehmer Vattenfall andere Rechte haben als der Unternehmer
Hubert Schmidt aus Kleinkleckersdorf?

Für das Argument musst du doch eigentlich nicht mal auf Hubert Schmidt verweisen. Genau so kannst du fragen warum sollte Vattenfall mehr Rechte haben als RWE? Warum sollte Amazon klagen können wenn Deutschland den Onlinehandel verbietet, Zalando aber nicht?

Beide sind an übergeordnete Systeme gebunden. Da wären bspw.
die UN-Charta, die EU-Verträge und das GG.

Das GG kann geändert werden.
Die EU-Richtlinien können mitbestimmt werden und die EU steuert seit Jahrzehnten auf mehr demokratische Partizipation zu, was bei einem Handelsabkommen nicht zu erwarten ist. Insofern sehe ich das als Schwäche der EU, nicht als befürwortendes Argument für andere Institutionen.
Dass sich Regierungen an die UN-Charta halten müssen ist nicht direkt falsch aber auch nicht ganz richtig. Wäre sicher besser für alle sie täten es öfter, aber die UN ist und bleibt ein Papiertiger der wenig durchsetzen kann wenn sie nicht gerade Glück hat. Siehe versuchte Syrienresolutionen.

Die restlichen Sachen sind sehr gut erklärt, vielen Dank :smile:
Ich halte sie für nicht stichhaltig und sie werden ganz sicher nicht meine Zustimmung finden, aber mir ging es ja ums Argumente wissen und verstehen, nicht darum einen Glaubenskrieg zu entfachen :wink:

Schöne Grüße!

Hallo,

Beide sind an übergeordnete Systeme gebunden. Da wären bspw.
die UN-Charta, die EU-Verträge und das GG.

Das GG kann geändert werden.

Wobei dafür geradezu überwältigende Mehrheiten in zwei Institutionen nötig sind. Zudem wird so eine Änderung in aller Regel vom BVerfG geprüft.

Die EU-Richtlinien können mitbestimmt werden und die EU
steuert seit Jahrzehnten auf mehr demokratische Partizipation
zu, was bei einem Handelsabkommen nicht zu erwarten ist.

Zwischen mehr Parizipation (von wem eigentlich?) innerhalb der EU und einem Handelsabkommen (mit wem auch immer) besteht kein direkter Zusammenhang.

Die restlichen Sachen sind sehr gut erklärt, vielen Dank :smile:
Ich halte sie für nicht stichhaltig und sie werden ganz sicher
nicht meine Zustimmung finden

Damit werde ich leben müssen. So wie Du damit, dass Du (voraussichtlich) nicht gesondert zu einem Handelsabkommen befragt werden wirst, sondern hier nur über Deine Wählerstimme indirekten Einfluß nehmen kannst.

vdmaster