Warum schnell regelbare KW?

hallo,

ausgehend von der Diskussion um Desertec stellt sich mir die Frage, warum immer behauptet wird, man bräuchte schnell regelbare Reserve-KW, wenn man erneuerbare Energien einsetzt.
Dass Reserve-KW benötigt werden sehe ich ein. Aber Warum müssen sie schnell regelbar sein (wie ist schnell definiert? In einigen Minuten von 0 auf 100?).
ich kann mir nicht vorstellen, dass mit einem Schlag ganz Deutschland dunkel wird. Ebenso befällt nicht mit einem Schlag ganz Deutschland die Flaute. Wasserspeicher sind auch nicht plötzlich und unerwartet leer und Flüsse versiegen nicht in wenigen Minuten.
Eigentlich sind die regenerativen Energien recht gut vorausberechenbar. Wieso also schnell regelbare KW?

Gruß, Niels

Hallo,

Da stehen wohl Überlegungen zur Windkraft dahinter: WKW´s können, abgesehen von technischen Pannen, unvermittelt mit der Stromproduktion aufhören, wenn der Wind aussetzt. Dann ist schneller Ersatz gefragt, damit nicht netzweit Spannungsabfall unter die spezifizierten Werte auftritt!

Gruss von Julius

Moien

Dass Reserve-KW benötigt werden sehe ich ein. Aber Warum
müssen sie schnell regelbar sein (wie ist schnell definiert?
In einigen Minuten von 0 auf 100?).

Eine Kohlekraft braucht grob 2 Stunden um von 0 auf 100 zu kommen. Aber nur wenn es noch gut warm ist. Von ganz aus bis volle Leistung kannst du in Tagen rechnen. AKWs sind noch deutlich schlimmer.

Von 100 auf 0 kommt Windkraft binnen Minuten. Solar ist noch schneller.

Die einzigen 2 Kraftwerkstypen, die so schnell hoch kommen wie die alternativen runter, sind Pumpspeicher und Gasturbinen. Pumpspeicher sind recht schnell leer und schnell hochfahrende Gasturbinen nicht unbedingt günstig.

Ganz ohne ist das Problem also nicht.

cu

Hallo Niels,

„man bräuchte schnell regelbare Reserve-KW, wenn man erneuerbare Energien einsetzt“ ist kene Voraussetzung für erneuerbare Energien, das ist Alltag im Kraftwerksgeschäft, wo tagsüber 2-bis 3-mal mehr Leistung angefordert wird als nachts.

Strom kann kaum gespeichert werden, die Erzeugung muß daher gerade immer den Bedarf decken. Der Bedarf kann sich sprunghaft ändern: Um 11 Uhr beginnen die Hausfrauen zu Kochen, es setzt ziemlich schlagartig die Kochspitze ein. Besonders schlimm ist ein Montag vor Weihnachten: Die Geschäfte und Büros sind übers Wochenende ausgekühlt, gegen 8 Uhr kommn die elektr. Heizkörper in Einsatz und die Hausfrauen beginnen zeitgleich mit der Weihnachtsbäckerei.

Wie fahren die E-Werke die Spitzen ab? Das ist ein abgestuftes Konzept: Zurückfahrender Anlagen wenn der Verbrauchzurückgeht ist unproblematisch: die KW fahren zurück. Die kleinen Leistungsschwankungen werde ausgeregelt, indem man die Netzfrequenz (in sehr engen Grenzen) schwanken lässt. Zunahme des Verbrauchs können allerdings problematisc werden, je nach Änderung der Größe und Schnelligkeit der Leistungsanforderung. Kleine Spitzen werden abgefahren, indem man die Netzfrequenz etwas abfallen lässt, damit fällt die Drehzahl elektr. Arbeitsmaschinen und die Leistungsaufnahme geht zurück (Selbstregelung). Das ist aber über längere Zeit nicht durchführbar (den die nächste Spitze kommt bestimmt), man gewinnt aber Zeit um am Netz befindliche Stromerzeuger vorzufahren. Dazu werden größere Erzeuger-Einheiten nicht mit Vollast gefahren sondern vielleicht nur mit 80%, sodass man sogenannte Heissreserven in wenigen Minuten vorfahren kann. Ist das Lastdefizit so groß, dass das Netz überlastet werden könnte, werden schnellstarfähige Kaltreserven angefahren, wie z.B. Gasturbinen oder Pumpspeicher bzw. Wasserkraftwerke, die sind in spätestens 15 Minuten mit voller Leistung am Netz. Wenn das alles nichts nützt und das Netz dennoch zu Kippen droht, werden Stromvebraucher weggschaltet, z.B. Stadtteile mit überwiegend Wohnbevölkerung, ohne Industrien und öffentl. Versorgungseinrichtungen.

Es gibt vorhersehbare Spitzen (s.o.), auf die sich die Lastverteiler einrichten indem genügend Reserveleistung in laufenden KW-Anlagen bereitgehalten wird. Unvorhersehbare Spitzen, z.B. durch Ausfälle von Kraftwerksanlagen, Unwetter und drgl. sind gefürchtet, aber auch hier versuchen die Lastverteiler die Netze stabil zu halten. Ein Netz mit hohem Windkraf- oder Solarstromtanteil ist dann auch zusätzlich witterungsbedingt betroffen, solange aber der Anteil dieser Energien klein ist, ist das belanglos.

Das A-und O sind daher schnell regelbare Kraftwerke, die sind aber teuer und nicht sonderlich wirtchaftlich. Thermische Maschinen können nicht sprunghaft belastet werden, da die auftretenden Wärmespannungen sonst zu Verschleiß und Zerstörung führen. Indem ich eine Maschine nicht voll ausfahre, kann ich bei mäßigen Wärmespannungen die bereits durchwärmte Anlage recht zügig vorfahren, aber: es tut weh,eine solche Anlage nicht voll ausfahren zu können sondern im unwirtschaftlichen Teillastbereich, nur der Reserve wegen. Diese Maschinen in Heißreserve sind meistens hochwirtschftliche Grundlastmaschinen mit hoher Leistung, die ständig am Netz sind und auch die Netzfrequenz in einem zuässigen Frequenzbereich ausregeln. Gasturbinen sind schnellstartfähig gebaut, aber diese Anlagen kosten auch ihr Geld und stehen nur herum, um vielleicht jährlich 200 Stunden im Reservefall eingesetzt zu werden. Pumpspeicherkraftwerke bzw. Wasserkraftwerke sind in der Anschaffung fast so teuer wie Kernkraftwerke, auch hier tut es weh, wenn diese Anlagen nur zur Reservedeckung dienen. Daher werden auch diese Anlagen im Normalfall im Teillastbereich gefahren um wenigstens geringe Lastreserven vorzuhalten.

Die Kraftwerkgesellschaften helfen im Reservefall untereinander „nach Können und Vermögen“ aus, indem sie ihre Reserven und Reserveanlagen zur Verfügung stellen.

Wolfgan D.

Hallo Niels

1.Grundlastkraftwerke (Kernenergie, Braunkohle, Laufwasserkraftwerke) decken den immer vorhandenen Enregiebedarf ohne Spitzen ab. (Nahverkehrssysteme, Grundverbrauch der Industrie und der Öffentlichkeit, sowie den Basisverbrauch der Bevölkerung)
Sie sind vergleichbar mit Frachtkähnen, die zwar leicht zu steuern sind, aber kaum Gas geben können. Um Grundlast abzudecken kommen auch noch Gasmotoren im Verbund der Kraft- Wärme-koppelung in geringerem Maße zur Geltung (dezentral z. B. Saarbrücken Deutschmühlental; Kraftwerk Fürstenhausen über Grubengas - Sammelleitung bei Völklingen) wo Methan (Grubengas) austritt und eventuell Explosionen verursachen kann.

Als 2. haben wir die Mittellastkraftwerke. Die Energiekonzerne wissen ziemlich genau über die Lastkurven im Tagesverlauf bescheid. Dementsprechend werden die Steinkohlenkraftwerke zu bestimmten Tageszeiten hochgefahren, um zu erwartende Mehrbelastungen abzufangen. S-, U-, Strassenbahnen zu Rush Hour Zeiten.)
(Kaffeemaschinen, Toster, Licht, Wasserboiler etc. am Morgen, Mittags Elektroherde, abends Licht und Fernseher.)
Vergleichbar mit dem kleinen Ausflugsdampfer: kann gemütlich und ist innerhalb gewisser Grenzen auch fähig schneller zu fahren.

Als 3. Spitzenlastkraftwerke:
Gasturbinen, die innerhalb von einer Minute liefern können, Pumpspeicherkraftwerke, die innerhalb von Sekunden ins Netz reinpowern. Diese Kraftwerke haben sehr kurze Verfügbarkeitszeiten und werden zur Spitzenlastabdeckung gebraucht, bis die Mittellastkraftwerke angelaufen sind.
Das sind die Speedboats auf dem Energiefluss, die halt nicht so viel Sprit dabei haben, aber sehr schnell auf Touren sind.
Spitzenlastkraftwerke arbeiten zum Teil auch mit regenerativer Energie: Pumpspeicherkraftwerke wie Walchensee, Vianden und einige andere pumpen ihre Wasserpeicher mit Überschussenergie aus dem Netz wieder voll. Gasturbinen haben keine Verdichterstufen, sondern Luftkavernenspeicher, die den nötigen Druck zum Turbinenbetrieb bereitstellen. Die Kaverne wird auch durch Pumpen aus Überschussenergie wieder gefüllt.

Verbrennungskraftmotoren (Teuer und hoher Wartungsaufwand bei vergleichsweise geringer Leistung) modernerer Bauart werden nur selten eingesetzt, da auch sie Zeit brauchen um hochgefahren zu werden (Ausnahme: Krankenhäuser, Flughäfen u. ä.)

Wenn, was bei uns in Europa zum Glück selten passiert, ein Kraftwerk eine Havarie hat, müssen die anderen möglichst schnell das System stützen, denn das bricht rasch zusammen. Ein Grundlastkraftwerk in Portugal ist auch im europäischen Verbundnetz nicht so ohne Weiteres für den plötzlichen Ausfall eines Berliner Kohlekraftwerkes einsetzbar.
Wenn man mit der Bereitstellung der Energie fest rechnen kann, dann ist es kein Problem, die Netze stabil zu halten; wenn sich aber unsichere Kantonisten im Netz tummeln, wird es schon schwieriger, wenn plötzlich einige GW in den Hochspannungsleitungen vagabundieren. Auch Energiesparlampen und Computer sind bei Spannungsspitzen sehr ungnädig und stellen oft unter Abrauchen den Betrieb ein.

War wohl ein bischen lang, mein Exkurs, manches habe ich in der Kürze nicht erwähnt oder auch vergessen aber im Netz gibt es genügend tiefergehende Tabelle, Diagramme und Erklärungen, nach denen man suchen kann.
Viel Spaß dabei wünscht Dir
der Klugscheisser

Da stehen wohl Überlegungen zur Windkraft dahinter: WKW´s
können, abgesehen von technischen Pannen, unvermittelt mit der
Stromproduktion aufhören, wenn der Wind aussetzt.

und der Wind setzt schlagartig in ganz Deutschland aus? Oder es gibt in allen deutschen WKA (> 10.000) gleichzeitig eine Panne?

Von 100 auf 0 kommt Windkraft binnen Minuten. Solar ist noch
schneller.

auch hier: ist denn in ganz Deutschland mit einem Schlag der Wind weg? Oder die Sonne? Vom Anfang des Sonnenuntergangs im Osten Deutschlands bis zum Ende des Sonnenuntergangs im Westen der Republik dürfte mal mindestens eine Stunde vergehen.

Moien

ist denn in ganz Deutschland mit einem Schlag der
Wind weg?

Der schnellste Weg auf 0 ist ein Sturm. Wenn die Windgeschwindigkeit über einen kritischen Wert kommt schalten ganze Windparks ab und drehen die Rotoren aus dem Wind. Auf den Wegfall von einem Park muss man gut vorbereitet sein.

Oder die Sonne?

Die Sachsen sind dabei einen Solarpark mit 40MW installierter Leistung hinzustellen. Wenn da Mittags eine Sonne drüberzieht sind 3-5 MW einfachso verschwunden vom Netz (zum Vergleich: 1 MW sind 40 000 Laptops).

Vom Anfang des Sonnenuntergangs im

Osten Deutschlands bis zum Ende des Sonnenuntergangs im Westen
der Republik dürfte mal mindestens eine Stunde vergehen.

Abends ist kein Problem, abends kommt kaum was aus den Solarzelen raus. Das ist sehr schön planbar und mit konventionellen KW ausregelbar.

cu

Hallo,

Trugschluss! Auch der Ausfall von 1 WKW erfordert Kompensation, umso mehr eine Wndstille in einem WKW - Park, frag mal bei einem EVU.

Gruss von Julius

Hallo,

Auch der Ausfall von 1 WKW erfordert
Kompensation, umso mehr eine Wndstille in einem WKW - Park,

Ja. Aber das Ein- und Ausschalten einer großen Maschine unterscheidet sich nicht davon. Jeden Abend und jeden Morgen gibt es pünktlich zu Arbeitsbeginn bzw. Arbeitsende Schwankungen, die ausgeglichen werden müssen.
Und überleg mal, was passiert, wenn ein Kraftwerk selber mal ausfällt (Unfall/Defekt).
Deshalb ist es schlicht Unsinn, hier ein Problem zu konstruieren, das sich allein auf WKW bezieht.
Gruß
loderunner