Warum Senfkorn?

Hallo,

kann mir jemand sagen, warum das Gleichnis des Senfkornes genommen wird?

Im Archiv bin ich über eine Erklärung gestolpert, nach der es darum geht ein sehr kleiner Samen bringt viel Früchte.
Das wurde aber als Schul- Weisheit weiter gegeben…ob das nun stimmt, ist unklar.

Damit nun meine Frage „erneut“- evtl gibt es ja eine bekannte Erklärung dazu?

danke
kitty

Kein Senfkorn
Servus,

anhand der Beschreibung „kleiner als alle anderen Samen“, „wird ein Baum und Vögel nisten darin“ lässt sich sagen, dass es sich nicht um den Samen von Sinapis Alba oder Sinapis Arvensis handelt: Die Samen dieser Senfarten sind - z.B. im Vergleich zu Hafer und Gerste vor zweitausend Jahren - nicht besonders fein, und die Pflanzen erreichen auch bei günstigen Bedingungen nicht mehr als 60 Zentimeter Wuchshöhe.

Es ist also entweder „Senfkorn“ beim Weitergeben und Übersetzen des Textes für eine andere Pflanze eingesetzt worden, oder das Gleichnis bezog sich von Anfang an nicht auf reale Eigenschaften von Senf, sondern auf imaginäre, die ihm mythisch oder religiös zugeschrieben wurden.

Schöne Grüße

MM

Brassica nigra
Hi,

Es ist also entweder „Senfkorn“ beim Weitergeben und Übersetzen des Textes für eine andere Pflanze eingesetzt worden …

dazu gibt es keine Hinweise in den Papyrusfunden (was natürlich nichts bedeutet). In allen MS wird „sinapis“ genannt. Aber es ist auch weniger fragwürdig was gemeint war, wenn man auf die ältere Variante dieser parabolē zurückgreift, nämlich die bei Markus.

Mk 4.32
γινεται μειζον παντων των λαχανων …
„wird größer als alle die Kräuter … so daß Vögel … unter seinem Schatten nisten können.“

Da ist nicht von einem „Baum“ die Rede. Lachanon sind Gartenpflanzen, Gartenkräuter, Gartensträucher. Spezialisten, die sich mit der Identifizierung von Pflanzen und Tieren in AT und NT befassen, halten hier die Brassica nigra für das Modell in dieser parabolē. Sie kann bis 3m hoch werden, und muß damals eine Pflanze gewesen sein, die jeder kennt, oder sogar in seinem Garten oder Hinterhof hat. Sie hat btw. auch wenige mm große Samen.

Erst Matthäus und Lukas in ihrem, wie auch sonst, mit Pathos angereicherten Stil machen daraus in den Parallelstellen einen Baum.

Mt 13.32. „… und wird ein Baum, so daß die Vögel … in seinen Zweigen nisten.“
Lk 13.18. „… und wurde zu einem Baum, und die Vögel … nisten in seinen Zweigen.“

Gruß
Metpher

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„Weißt du, wohin du deine Brassica pflanzen kannst?“ (C. J. Caesar)
http://www.labunix.uqam.ca/~fg/MyFlora/Brassicaceae/…

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„Weißt du, wohin du deine Brassica pflanzen kannst?“ (C. J.
Caesar)

„hinstecken“ wäre meiner Meinung nach die bessere Übersetzung :wink:

Siboniwe

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„Weißt du, wohin du deine Brassica pflanzen kannst?“ (C. J. Caesar)
http://www.labunix.uqam.ca/~fg/MyFlora/Brassicaceae/…

Am letzten Tag der schönste Literaturhinweis des ganzen Jahres!
YMMD und zugleich YMMY :smile:

Und natürlich „*“

M.

Hallo M.,

schönen Dank - ich hatte bloß nicht geschrieben „Metapher weiß wohl Genaueres dazu“, weil es noch drei andere hier herum gibt, denen ich das zutraute.

Um auf die Fährte des Schwarzen Senfs zu kommen, muss man nicht bloß die Originale lesen können, sondern auch mit den „dicken Backen“ von Matthäus und Lukas vertraut sein - das wäre mir nicht eingefallen, dass der baumartige Wuchs und die Vögel in der Krone schlicht zum Stil ihrer „Werbetexte“ gehören.

Schöne Grüße

MM