Warum sind Lehrer so erschöpft?

Heute ist der internationale Tag des Lehrers! Laut einer aktuellen Studie zweifeln 60 Prozent aller Pädagogen, den Stress bis zur Rente durchzuhalten und rechnen mit einer Frühpension. Sind unsere Lehrer ausgebrannt? Was sind eurer Meinung nach die Ursachen für diesen Stress?

Ich selbst bin ein sehr aktiver Lehrer und arbeite an vielen Baustellen unserer Schule mit. Warum sind wir so erschöpft? Weil wir nur noch zu 30% mit Unterrichten beschäftigt sind! Wir kümmern uns darum Kinder zu erziehen (teils mit, teils ohne Hilfe der Eltern, teils gegen die Eltern - ist aber eher die Ausnahme), wir erstellen Konzepte für die neusten Trends des Ministeriums, die nach 2 Jahren wieder hinfällig werden, wir müssen im harten Wettbewerb zwischen den Schulen bestehen. Da kommt es auf die Außenwirkung an. Es müssen Artikel verfasst werden, Bilder gemacht werden, Aktionen geplant werden, Tag der offnen Tür, … Dann gibt es noch AGs, Ganztagsbetreuung, unterschiedliche Förderungskonzepte und und und. Ich komme häufig erst gegen 16 Uhr nach Hause und habe dann aber noch einen dicken Stapel Klausuren vor mir liegen. Ein zweiter muss über das Wochenende korrigiert werden.

Es gibt aber auch eine andere Seite. Wir haben einen tollen Beruf. Die Kinder sind größten Teils wirklich toll und bei weitem nicht so verzogen, wie alle behaupten. Wir haben recht lange Ferien, die die durchkorrigierten Wochenende wieder ausgleichen und vor allem einen total abwechslungsreichen Beruf, wo immer wieder was neues passiert.

Kurz: Ich will nichts anderes machen, aber mein Beruf bringt mich auch immer wieder an meine Grenzen.

Die Ursachen für den ganzen Stress liegen meines Erachtens darin, dass sich das Aufgabenfeld des Lehrers um einiges ausgeweitet hat.

Zwar bin ich noch Student, konnte allerdings schon unterrichten und verschiedene Schulen und Lehrer kennenlernen. Die angesprochene Thematik war auch für mich interessant, sodass es auch eine häufig gestellte Frage von mir war.

Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass mir ausnahmslos alle Lehrer gesagt haben, dass es heute leider so ist, dass das Unterrichten nur noch „Nebensache“ ist. Sie selbst finden diesen Umstand schade. Es gibt nebenher einfach zu viel Schreibkram zu erledigen, z.B. Anträge für Schüler finanziell schwach gestellter Familien, um nur ein Beispiel zu nennen.

Ich würde mir wünschen, dass die Lehrer wieder Zeit haben ihren Unterricht richtig gut vor- und nachzubereiten… denn wie soll denn sonst erfolgreiches Unterrichten gewährleistet werden?

Es ist kein Wunder, wenn die Qualität des Unterrichtes leidet, wenn der Lehrer nicht mehr „nur noch Lehrer“ sein kann!

Für mich liegt das auf der Hand. Kinder werden heute nicht mehr erzogen. Sie kommen ohne jeden Respekt, ohne einen Hauch von Disziplin in die Schule und die Lehrer müssen richten, was zu Hause verbockt wurde. Das zehrt. Sogar mein damals 15jähriger Sohn sagte einmal: mama…die Kleinen haben null Respekt vor den Lehrern…die tun mir voll leid!..und bei uns zu Hause muss niemand die Hände an die Hosennaht legen. Erziehung kann nicht erst in der Schule stattfinden.

Liebe Galileo-Redaktion,

ich bin Grundschulehrer mit Leib und Seele!
Trotzdem fordert mein tägliches Arbeiten immens viel: für die Kinder muss ich ständg da sein (fühle mich wie angeschaltet, sobald ich aus dem Auto aussteige, und das Abschalten funktioniert meist erst zu Hause…), und es gibt so viele Erwartungen und so viel Druck von Eltern, den Kollegen, dem Chef, dem Lehrplan und letztlich der Gesellschaft, die immer kritisch auf Schule schaut. Und lehrertypisch, zumindest an meiner Schule (private GS), ist ein eigener hoher Anspruch an die Arbeit.
Die Schweiz hat das Problem erkannt und stellt jeden Kollegen nach 7 Arbeitsjahren für drei Monate frei, sofern dieser das will. Genial!
Immerhin braucht Schule fitte Lehrer!

Libe Grüße von Katrin

Hallo!

Ich bin auch Lehrer (in der Schweiz) und habe jetzt schon 37 Jahre durchgehalten… Erschöpft war ich noch nie, aber ganz schön müde, das schon.

Das Unterrichten meiner 13- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schüler, das finde ich nach wie vor spannend. In den letzten 10 bis 15 Jahren haben aber u.a. Politiker und Erziehungsexperten (und solche, welche dies sein möchten) viele Reformprojekte auf die Schule losgelassen, und die Schule ist nicht besser, nur anstrengender geworden, vor allem für die Lehrerinnen und Lehrer. Es ist zunehmend schwieriger geworden, sich auf die eigentliche Kerntätigkeit, das Unterrichten, zu konzentrieren.

Könnte ich als „Schulkönig der Schweiz“ einige Änderungen einführen, dann wären das z.B. folgende:

  1. Nur noch eine Fremdsprache in der Volksschule, die aber so unterrichtet werden soll, dass die Schüler die Sprache wirklich lernen und doch ein bisschen Spass dabei haben. So wird das Erlernen einer Sprache zum positiven Erlebnis, und die Motivation fürs spätere Erlernen einer zweiten Fremdsprache ist dann wahrscheinlich. Diese kann während eines Aufenthaltes in einem entsprechenden Land in einem halben oder ganzen Jahr viel besser erlernt werden als in sieben Jahren an der Volksschule.

  2. Wir haben bei uns die „durchlässige“ Oberstufe mit drei Niveaufächern, wo man während des Schuljahres zu drei Zeitpunkten auf- oder abgestuft werden kann. Auch hier: Viel Aufwand, wenig Ertrag. Die Schule ist nicht besser geworden, nur stressiger, nervöser. Schülerinnen oder Schüler, welche von dieser Durchlässigkeit profitieren gibt es ganz, ganz selten. Und übrigens: Die zukünftigen Ausbildner unserer Schülerinnen und Schüler, die können die Zeugnisnoten kaum mehr interpretieren. Was ist wohl besser: Eine 5 im unteren Niveau oder eine 4 im oberen (6 ist bei uns die besten Note)?

  3. Bei ist die totale Integration von lernschwachen Schülern in die Regelklassen eingeführt worden. Auf den ersten Blick doch eine nette Idee! Aber sie bringt weder den Schülern der Regelklasse etwas noch den lernschwachen Schülern. Da ist viel Unruhe im Unterricht, die unterstützenden Lehrkräfte für die lernschwachen Schüler fehlen oft und was geschieht? Oft wird den lernschwachen Schülern der Stoff dann doch in Kleingruppen in einem anderen Raum vermittelt. Und das soll Integration sein?

Es sind solche Entwicklungen, die Lehrer müde machen können. Ich selber bin froh, dass ich viele Jahre hinweg „in Ruhe“ unterrichten konnte, ohne grosse Eingriffe von Behörden, Politik und Erziehungsgurus. Mir tun die jungen Lehrer heute ein bisschen leid, und ich verstehe, wenn sich der eine oder andere umsieht nach einer anderen beruflichen Tätigkeit.

Das wäre eine echte Herausforderung für Politiker: Was können sie tun, um den Lehrerberuf wieder attraktiver zu machen? Das müsste das Ziel sein, junge Lehrer, die in den Beruf einsteigen und nach fünf Jahren sagen können: „Ich habe den richtigen Beruf gewählt, ich mache weiter!“ Dann würde sich die Frage nach den Gründen für die Erschöpfung bei Lehrern wohl nur noch selten stellen.

So, jetzt will ich aber aufhören, sonst finde ich die Schreibbremse dann gar nicht mehr…

Herzliche Grüsse

Hans