Warum Spiritualität?

Was nützt Spiritualität? Für was soll sie gut sein, ist meine Frage zu den vorigen Threads. Bitte nur im außerreligiösen Sinne posten, sonst ist es wieder die alte theologische Propaganda, die sich seit Jahrtausenden in die Philosophie eingeschlichen hat, in verdeckter Mission.

Was wäre aus der Perspektive einer selbstkritischen, modernen und postmodernen Spiritualität zu sagen? Ich meine zum Beispiel im Sinne des „Neuen Atheismus“ oder im Sinne des Gegenwartsphilosophen Prof. Thomas Metzinger:

„Das Gegenteil von Religion ist…“???

CJW

Was nützt Spiritualität? Für was soll sie gut sein,

Die Spiritualität hat, im Gegensatz zur intelektuellen
Auseinandersetzung, den Vorteil, dass ein Interagieren
auf Augenhöhe möglich ist und man nicht mit überforderten
Energien konfrontiert ist.
Es ist diese immanente Tendenz zur Transzendenz von
Formen höherer Komplexität, die in jedem Leben steckt.
Vielleicht solltest du dir einmal selbst aus dem Weg gehen!

FAZIT
Entgegen vorherrschenden Ansichten, man könne Spiritualität nicht ohne einen religiösen Bezug erklären, sprechen neue wissenschaftliche Tatsachen. Es gibt seit einiger Zeit zahlreiche Forschungen, u. a. auch an deutschen Universitäten, die Probanden während einer Meditation unabhängig ihres weltanschaulichen Glaubens nach wissenschaftlichen Methoden erforschen und beschreiben. Zudem gibt es Bestrebungen, wie ich schon erwähnte, neue Begriffe einzuführen, z. B. atheistische Spiritualität, säkulare Spiritualität, soziologische Spiritualität, psychologische Spiritualität, pädagogische Spiritualität sowie auch philosophische Spiritualität, um sich bewusst gegen die Religionen abzugrenzen.

Darüber kann aber (auch im Zusammenhang mit dem „Neuen Atheismus“) nur dann vernünftig diskutieren werden, wenn diese real existierenden Phänomene überhaupt erst einmal zur Kenntnis genommen werden, sonst bleibt man gefangen in den Vorurteilen einer voraufgeklärten Zeit der Menschheitsgeschichte.

CJW

Wer den Hund Katze nennt…
…hat keine Katze Katze genannt, sondern einen Hund.

Gruss,
Mike

…hat keine Katze Katze genannt, sondern einen Hund.

Habe ich Katze zu einem Hund gesagt?

Wenn du mich einen Hund nennst, weiß ich dann, wer ich bin? Ich habe keine Ahnung wer ich bin, außer vielleicht „Gott“, sofern ich Spinozas Begrifflichkeit verwende. Will ich das? Nein, also geht es um die Sprache, was die bezweckt. Und wenn ich nicht weiß, wer ich wirklich bin, und ob es „Gott“ gibt und was der ist, halte ich es mit den Philosophen und Wissenschaftlern der Gegenwart, die diesen Begriff zur Erklärung real existierender Phänomene tunlichst vermeiden. „Gott“ ist die Domäne der Religion, und daran ist nichts falsch, wenn man das auch respektiert.

Man muss nicht um diesen Begriff, den die Religionen beanspruchen, konkurrieren.

Deshalb entspricht es reflektierender Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, an erster Stelle, zum Beispiel, von atheistischer bzw. agnostischer Spiritualität zu sprechen. Glaubt man nämlich an „Gott“, dann interpretiert man in der Mediation seine spirituelle Erfahrung damit. Glaubt man hingegen nicht an „Gott“, erfährt man menschlichen Geist in seiner reinen Substanz, wobei ich zugebe, dass es ein „Es“ ist, das bei der Reflexion erkennbar wird, was Mystiker eben „Gott“ nennen.

Aber, wie ich schon weiter unten sagte, kann man es auch anders nennen, wobei für mich eine der besten Erklärungen die des US-Philosophen und Psychologen William Jamens als Harvard-Prof. ist, der diese Phänomene jahrzehntelang erforschte: Ein kleines Selbst geht bei der spirituellen (höchsten) Gipfel-Erfahrung in ein größeres Selbst über. Nur das ist wissenschaftlich zu sagen, ohne den Glauben an „Gott“ von vornherein vorauszusetzen.

Gruss,
Mike

Claus

PS:
Mit „Es“ meine ich, dass etwas als spirituelles Phänomen real existiert. Dieses „Es“ meine ich nicht im Modell von Sigmund Freud, für den „Es“ kein spirituelles Bewusstsein, sondern allein nur ein Unterbewusstsein ist.

Hallo Claus,

schön, dass Du nach allem noch Überlegungen dazu hast. Da Du allerdings die „Theologiedebatte“ zum Vornherein ausgeschlossen hast, sage ich jetzt nicht alles dazu, was ich auch noch denke, um Dir nicht die Philosophie zu verderben.
Du wirst aber nicht darum herumkommen, dass der Schlüssel zu „Spiritualität“ der „Spiritus“ ist, der Geist - sei es ein relativer oder ein absoluter.

Gruss,
Mike

Du wirst aber nicht darum herumkommen, dass der Schlüssel zu
„Spiritualität“ der „Spiritus“ ist, der Geist - sei es ein
relativer oder ein absoluter.

So würde ich es stehen lassen, denn der Geist kann sowohl relativ als auch absolut sein. Der Anspruch auf das Absolute als „Wahrheit“ ist in der gegenwärtigen Philosophie (vgl. Tugendhat, Anthropologie statt Metaphysik) keine Option mehr wie früher. Heutige Philosophen sind skeptisch gegen die einzige und absolute „Wahrheit“, wenn sie sich mit theologischen Intentionen assoziiert. Und die Einzelwissenschaften, insbesondere die Nawis, halten sich schon lange nur noch an reduzierte Aussagen. Dass die meisten Menschen das nicht befriedigt, ist etwas anderes, deshalb ist „Gott“ nach wie vor eine tröstende Alternative. Und es ist sicher auch kein Zufall, wenn der religiöse Fundamentalismus boomt.

Gruss,
Mike

Claus

…und für unsere Frage…
Hallo Claus,

für Deine Fragestellung ergibt sich die Konsequenz:
eine rein „philosophisch“ statt religiös relevante Spiritualität wäre eine auf Relatives statt auf Absolutes gerichtete.
Wie gesagt, ich will nicht mehr viel Stellung nehmen dazu, werde also lediglich ein wenig den Rahmen aufzeigen, vor welchem sich meine Ablehnung ausdehnt.
Ich zweifle zwar nicht daran, dass eine solche „auf Relatives gerichtete Spiritualität“ existiert. Es ist eine Art doppelt-individualistische Spiritualität, die nicht nur in der Methode, sondern auch im Inhalt individualistisch geprägt ist und bleibt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sich über sie etwas Verbindliches aussagen lässt. Denn das Verbindliche tendiert ja gerade zum Nicht-Individuellen, nicht örtlich gebundenen, schlussendlich nicht zeitlich Gebundenen - kurz zum Absoluten hin, dies ist ja auch der Grund dafür, dass die Naturwissenschaften den Verbindlichkeitsgrad ihrer Aussagen immer wieder in verschiedene Richtungen hin verkleinern.

halten sich schon lange nur noch an reduzierte Aussagen

Richtig. Nur wird nun aber im Unterschied zu ihnen bei der Spiritualität keine solche „reduzierte Aussage“ möglich sein, sie wäre denn total individualisiert, sodass man statt von Spiritualität eben vom Menschen X zu sprechen hätte.

Gruss,
Mike

Verbindliche Aussagen
Hallo Mike, ja, einverstanden. Nimm aber zudem zur Kenntnis, dass das Verbindliche selbst dann möglich ist, wenn man einzelne Meditierende erforscht, mittels Gehirn-Tomographie usw., und dass die Aussagen auch verbindlich sind, unabhängig vom jeweils weltanschaulichen Glauben.
Gruß
Claus

…Sigmund
Freud, für den „Es“ kein spirituelles Bewusstsein, sondern
allein nur ein Unterbewusstsein ist.

Nö!

Nö?
Nö? Bekanntlich war Freud ein Gegner von Religiosität, die er für eine Zwangsneurose und für eine Rückentwicklung ins Kinderalter hielt. Auch wenn dein Kommentar sich auf eine immaterielle Psyche beziehen sollte (gewiss war Freud unter anderem auch vom griechischen Philosophen Platon beeinflusst), drücke doch bitte genau aus, was du überhaupt mit „Nö“ meinst!

drücke doch bitte genau aus, was du überhaupt mit „Nö“ meinst!

Ich habs doch extra markiert.
Das Freudsche Es ist kein „Unterbewusstsein“. Weder der Sache nach noch, und schon gar nicht, dem Begriff nach.

Gruß
Tyll

Bedürfnisse des ‚Es‘
Keine Ahnung, was du meinst. „Es“ verstehe ich bei bei Freud als Unterbewusstsein, das „Ich“ verstehe ich als Selbstbewusstsein und das „Über-Ich“ als kulturelle Normen, die natürliche Bedürfnisse des „Es“ unterdrücken.

Ziel der Psychoanalyse ist es, neurotische Verdrängungen des „Es“ zu therapieren, das heißt Verdrängungen bewusst zu machen und zu befreien (vor allem sexuelle), aber auch mit dem „Ich“ kompensieren zu kulturellen Leistungen. Noch klarer formuliert: Neurose ist nach Freud die Verdrängung des „Es“, dies bewusst zu machen, stärkt das „Ich“, das aber nicht Triebe unreflektiert ausagieren, sondern „Es“ kontrollieren soll (in der Nachfolge Freuds entstand vor allem in den USA die sogen. Ich-Psychologie).

Die Bedürfnisse des „Es“ aus dem Unterbewusstsein werden bewusst gemacht durch Spiegelung des Therapeuten als eine Übertragung auf den Patienten. Viele berühmte Freud-Nachfolger hatten jedoch ein ganz anders Konzept als der Meister (man höre und staune, dass Freud trotz aller berühmten Nachfolger und Kritiker an seinem Werk noch immer der meistgelesenste Psychologe der Welt ist, das ist deshalb erstaunlich, weil Freud als überholt galt und viele Nachfolger ihn vom Sockel stoßen wollten).

Keine Ahnung, was du meinst. „Es“ verstehe ich bei bei Freud
als Unterbewusstsein

Na, was DU verstehst, ist Freud vermutlich egal.
Freud selbst akzeptierte nicht einmal den BEGRIFF des Unterbewusstseins.

Gruß
Tyll

Keine Ahnung, was du meinst. „Es“ verstehe ich bei bei Freud
als Unterbewusstsein

Na, was DU verstehst, ist Freud vermutlich egal.
Freud selbst akzeptierte nicht einmal den BEGRIFF des
Unterbewusstseins.

Was du behauptest will ich aber dann bitte nur mit entsprechendem Beleg
glauben.

Gruß
Tyll

Claus

Keine Ahnung, was du meinst. „Es“ verstehe ich bei bei Freud
als Unterbewusstsein

Na, was DU verstehst, ist Freud vermutlich egal.
Freud selbst akzeptierte nicht einmal den BEGRIFF des
Unterbewusstseins.

Was du behauptest will ich aber dann bitte nur mit
entsprechendem Beleg
glauben.

Warum soll denn ICH was belegen?
Du hast doch Behauptungen aufgestellt :wink:

Aber gut, eine Passage aus der ‚Frage der Laienanalyse‘ ist schnell eingefügt:

»Ich will nicht leugnen, aber ich glaube, ich verstehe Sie endlich. Was Sie Ich heißen, ist das Bewußtsein, und Ihr Es ist das sogenannte Unterbewußtsein, von dem jetzt soviel die Rede ist. Aber wozu die Maskerade durch die neuen Namen?«
Es ist keine Maskerade, diese anderen Namen sind unbrauchbar. Und versuchen Sie nicht, mir Literatur anstatt Wissenschaft zu geben. Wenn jemand vom Unterbewußtsein spricht, weiß ich nicht, meint er es topisch, etwas, was in der Seele unterhalb des Bewußtseins liegt, oder qualitativ, ein anderes Bewußtsein, ein unterirdisches gleichsam. Wahrscheinlich macht er sich überhaupt nichts klar. Der einzig zulässige Gegensatz ist der zwischen bewußt und unbewußt. Aber es wäre ein folgenschwerer Irrtum zu glauben, dieser Gegensatz fiele mit der Scheidung von Ich und Es zusammen. Allerdings, es wäre wunderschön, wenn es so einfach wäre, unsere Theorie hätte dann ein leichtes Spiel, aber es ist nicht so einfach. Richtig ist nur, daß alles, was im Es vorgeht, unbewußt ist und bleibt und daß die Vorgänge im Ich bewußt werden können, sie allein. Aber sie sind es nicht alle, nicht immer, nicht notwendig, und große Anteile des Ichs können dauernd unbewußt bleiben.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/928/3

Es bleibt festzuhalten:

  • Das Es ist nicht gleich dem Unbewussten (sachlicher Aspekt)
  • es heißt „unbewusst“ und keinesfalls „Unterbewusstsein“ (begrifflicher Aspekt)

Gruß
Tyll

QUALITATIVES SELBSTBEWUSSTSEIN

Es bleibt festzuhalten:

  • Das Es ist nicht gleich dem Unbewussten (sachlicher Aspekt)
  • es heißt „unbewusst“ und keinesfalls „Unterbewusstsein“
    (begrifflicher Aspekt)

Ist klar, und ich habe ja auch so argumentiert, dass „für mich“ das „Es“ nicht nur aus einem „Unterbewusstsein“ besteht (in meinem spirituellen Modell). Du musst aber unterscheiden: Zuerst gab es bei Sigmund Freud, wie du das ja zitierst, ausschließlich nur diese zwei Dimensionen der Psyche, das Bewusste und das Unbewusste. Erst später, als er schon Jahre an seinem Lebenswerk gearbeitet hatte, entstand das „Über-Ich“.

Zuerst hatte Freud ein generelles Modell mit nur zwei Dimensionen, später aber dann mit drei Dimemsionen bzw. das „Über-Ich“ (die kulturellen Normen) versinken ebenfalls in das „Unterbewusstsein“ und sind zum weit größten Teil unbewusst. Und auch das „Ich“ ist vielfach unbewusst.

Es ist mir der Unterschied, auf den du speziell abzielst, nicht neu. Denn es ist selbstverständlich eine viel exaktere wissenschaftliche Aussage, dass es nur entweder Unbewusstes oder Bewusstes gibt (also nicht ein „Unterbewusstsein“ begrifflicher Konstruktion). Aber das Bewusste hat QUALITÄTEN wie auch das Unbewusste QUALITÄTEN hat. Deshalb gibt es ja auch das meist diskutierte Problem der gegenwärtigen Philosophie, das Problem der so genannten QUALIA, mit dessen „Einwurf“ Thomas Nagel argumentierte, in seinem berühmten Aufsatz „Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?“ Aber diese Argumentation von Nagel lässt Thomas Metzinger nicht gelten, er meint gegenüber Nagel, dass sich auch ein QUALITATIVES SELBSTBEWUSSTSEIN wissenschaftlich exakt formulieren lässt.

Gruß
Tyll

Claus

Hallo Claus,

>>>>:Was nützt Spiritualität? Für was soll sie gut sein, ist meine

Frage zu den vorigen Threads. Bitte nur im außerreligiösen
Sinne posten, sonst ist es wieder die alte theologische
Propaganda, die sich seit Jahrtausenden in die Philosophie
eingeschlichen hat, in verdeckter Mission.>>>:Was wäre aus der Perspektive einer selbstkritischen, modernen
und postmodernen Spiritualität zu sagen? Ich meine zum
Beispiel im Sinne des „Neuen Atheismus“ oder im Sinne des
Gegenwartsphilosophen Prof. Thomas Metzinger:>>>:„Das Gegenteil von Religion ist…“???