Warum werden beim Schach Frauen anders behandelt?

Hi,

der Titel verrät eigentlich schon fast alles. Ich spiele seit kurzem wieder Schach dabei viel mir folgendes auf:

  • verlässt man den Hobbybereich so werden Tuniere idR nach Geschlechtern getrennt gespielt.
  • Die Titel wie „Großmeister“ oder Internationaler Meister werden nach anderen Elo Zahlen vergeben.

Noch eine kleine Erklärung zu dem letzten Punkt. Die Elo Zahl eines jeden Spielers gibt seine Spielstärke wieder. Man berechnet sie aus der Elo Zahl des Gegners sowie der eigenen vor dem Spiel. Hat eine Frau nun eine Elo Zahl von 2300-2399 so wird sie als Schach Großmeisterin bezeichnet. Männer hingegen erwerben den Titel des Großmeisters erst bei 2500 ( bis 2699)

Da es beim Schach ja keinen körperlichen Vorteil gibt den man nutzen könnte, wie es bei der Leichtathletik der Fall ist finde ich diese Fakten sehr verwirrend.

Vielleicht kann ja einer von euch Licht in das dunkel bringen?
viiiielen Dank im vorraus
grüße

euer cologne

Hi cologne,

ich bin zwar selber kein Vereinsspieler aber recht ambitioniert im Hobbybereich tätig.

Die verschiedenen GM-Normen erkläre ich mir mit Blick auf die Elo-Weltrangliste. Ich habe die aktuellen Zahlen nicht genau im Kopf aber als ich das letzte mal darauf schaute befand sich die Spitze der Männerwelt bei bzw. über 2700.
Bei den Frauen dagegen waren es meines Wissens nach bis 2500 mit Ausnahme von Judith Polgár, welche auch bei den Herren schon bei 2700 war oder immernoch ist.
(analog dazu auch eine ähnliche Verschiebung in der DWZ-Rangliste)
Damit jedenfalls bleibt der absolute Elobetrag zwischen GM-Norm und Weltspitze bei Damen und Herren bei ca 200.

Das mathematische Prinzip der Elo-Berechnung basiert auf einem abgeschlossenen Raum. Alle in diesem Raum fangen bei dem gleichen Wert an. Wenn jemand gewinnt, erhält er einen Zuwachs in derselben Höhe wie der Verlierer Punkte abgibt.
Ich denke im Schach sind mehr Männer als Frauen aktiv, soll heißen, dass man hier durch viele Siege auch mehr Punkte von den zahlreicheren Gegnern erhalten kann. Bei den wenigeren Damen dagegen ist der Zuwachs nach der gleichen Anzahl Spiele geringer, weil der abgeschlossene Raum weniger Spielerinnen umfasst.

mfG Diplomfaulpelz

Hallo!

  • verlässt man den Hobbybereich so werden Tuniere idR nach
    Geschlechtern getrennt gespielt.

Das stimmt nicht. Fast alle Turniere stehen beiden Geschlechtern offen. Oft gibt es Sonderpreise für die beste Frau im Turnier (oft auch für den besten Jugendspieler, den besten Senior, den besten Spieler mit DWZ

Hallo Michael

erstmal vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

Das stimmt nicht. Fast alle Turniere stehen beiden
Geschlechtern offen.

Okay entschuldige meine Wortwahl, es geht nicht um den Ausschluss der „Zielgruppe Frau“, sondern um die Tatsache, das Ihre Meisterschaften seperat ausgespielt werden.

Ich bestreite gar nicht, dass es immer differenzieren kann und soll zwischen dem besten Mann und der besten Frau, vll auch Beste Europäerin beste Asiatin … Mir geht es darum das es zum Beispiel die Deutsche Meisterschaft gibt, an der sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen können, und dann erneut im gleichen Spielklasse der gleiche Titel nur unter Frauen ausgetragen wird.

Auch das stimmt nicht. Wenn eine Frau die geforderten Normen
für den Titel „Großmeister“ erfüllt, dann darf sie ein „GM“
vor dem Namen tragen. Zwar gibt es auch den Titel „WGM“, der
tatsächlich 200 Punkte unter dem „GM“ angesiedelt ist. Frauen
dürfen aber dennoch „männliche“ Großmeistertitel tragen. Die
bereits erwähnte Judith Polgar tut das auch.

Okay, Großemeister ist nicht das gleiche wie der WGM Titel der von den Vorraussetzungen zum Erwerb niedriger angesiedelt ist. Doch heißt für mich Woman Grand Master (WGM) Frauen Großmeister/Großmeister der Frauen …

Frauen dürfen aber dennoch „männliche“ Großmeistertitel tragen.

Und damit sind wir wieder bei dem was ich versucht habe zu beschreiben, eine solche Differenzierung zwischen WGM und GM wobei der eine ja eigentlich nur die weibliche Form ist (sein sollte) finde ich bemerkenswert.
Du sprichst vom schaffen von Erfolgsmöglichkeiten dies bezüglich. Das kann man so sehen jedoch muss ich sagen, ich für meinen Teil würde es irgendwie als abwertend empfinden, wenn es einen Titel gibt für mein Geschlecht, dieser allerdings weil ich eben Mann oder Frau bin einfacher zu erreichen ist als der „richtige“ (in diesem konkrete Fall: Frauen-) Titel.

Mir fällt leider kein guter Vergleich ist weil alle die mir in den Sinn kommen der Leitathletik entliehen wären indem ja der Männertitel in der Regel mit einer „größeren“ Leistung (absolut gesehen und nicht relativ zu den Fähigkeiten des Körpers) einhergeht.

Die Political Correctness gebietet, dass man davon ausgeht,
dass es diesen körperlichen Unterschied nicht gibt.
Andererseits ist bekannt, dass Frauen und Männer aufgrund
ihrer verschiedenen Hirnstrukturen ein unterschiedliches
räumliches Vorstellungsvermögen haben. Ich glaube jedoch
dennoch nicht, dass damit die geringeren Erfolge von Frauen im
Schach erklären lassen.

Lass das nicht meine Psychologie Professorin hören - die zerreißt dich dafür in der Luft :stuck_out_tongue:

Michael

grüße colgone

Hallo!

Du sprichst vom schaffen von Erfolgsmöglichkeiten dies
bezüglich. Das kann man so sehen jedoch muss ich sagen, ich
für meinen Teil würde es irgendwie als abwertend empfinden,
wenn es einen Titel gibt für mein Geschlecht, dieser
allerdings weil ich eben Mann oder Frau bin einfacher zu
erreichen ist als der „richtige“ (in diesem konkrete Fall:
Frauen-) Titel.

Das ist natürlich Geschmackssache. Es gibt tatsächlich auch Frauen, die das so sehen. Zu meiner Jugendzeit gab es zwei Mädchen in meinem Kreis. Bei den Kreisjugendeinzelmeisterschaften gab es einen Wettbewerb für Mädchen und fünf für Jungen (A-, B-, C-, D- und E-Jugend). Wenn es zu wenige Teilnehmer gab (was bei den Mädchen immer der Fall war), dann wurden die Spieler in eine andere Altersklasse hineingelost. Ich bin mir fast sicher, dass die gute Julia auf ihren 5. Platz bei der B-Jugend stolzer war, als den damit verbundenen Titel der Kreisjugendeinzelmeisterin.

Lass das nicht meine Psychologie Professorin hören - die
zerreißt dich dafür in der Luft :stuck_out_tongue:

Im Kandel (Principles of Neural Science) gibt es ein eigenes Kapitel darüber. Ich sehe also der bevorstehenden Zerreiß-Aktion gelassen entgegen :wink:

Michael

Um auf die Frage zurück zu kommen: Die Verbände sind sich
dieses unausgeglichenen Geschlechterverhältnisses durchaus
bewusst. Vielleicht möchten sie für Frauen
Erfolgsmöglichkeiten schaffen, indem sie das Erreichen von
Titeln oder das Gewinnen von Turnieren erleichtern?

Genau so ist es. Die Geschlechtertrennung um Schach ist dazu da, um den Frauen überhaupt eine Chance zu geben in den Top-Rängen spielen zu können. Selbst wenn Männer und Frauen gleich gut spielen würde, würde das krasse Mißverhältnis in den Spielerzahlen dazu führen, dass man weit oben praktisch keine Frauen mehr trifft.

Aus diesem Grund dürfen Frauen zwar bei Männerturnieren mitspielen aber nicht andersherum.

Also, wenn Frau Polgar eine DWZ von 2500 hat, dann wird mancher Mann gegen sie chancenlos sein. Das zur Frage ob Frauen schlechter Schach spielen. Eine Schachspielerin mit diesem Niveau braucht keine andere Behandlung; dies ist schlicht weg lächerlich. Ob eine Frau anders Schach spielt - vielleicht phantasievoller, unkonventioneller, mag sein. Das heißt aber nicht, dass sie schlechter spielt. Wenn man sich mit der Frage, Frauen und Schach, beschäftigt, dann muss man folgendes Wissen: Nur 12 % der Schachspieler sind Frauen oder Mädchen. Leider haben viele Mädchen kein Interesse an dem Schachspiel - aus welchem Grund auch immer - oder verlieren es - auch manche Jungen springen bei diesem Spiel im Laufe der Pubertät ab. Der deutsche Schachbund versucht deshalb gezielt Schach bei Mädchen zu fördern. Bei den Mädchen würde ich gegebenenfalls eine Mädchengruppe befürworten, weil manches Mädchen den Sport mit der Freundin ausüben will, wie mancher Junge mit dem Freund. Auf Mädchen muß man vielleicht auch anders eingehen als auf Jungen - auch in einer gemischten Gruppe. Aber später, wird eine Frau wohl kaum in einem Turnier einem Mann ausweichen. Auch in den Spieleabenden spielt jeder gegen jeden - nicht Frauen und Männer getrennt! Und das „Damenschach“ ist genausowenig eine andere Behandlung wie das „Seniorenschach“ oder ein Turnier mit DWZ ab „2000“ oder bis „2000“ oder ein Jugendturnier.