Warum wird der Bundestag nach jeder Wahl größer?

Hallo

so wie jedesmal vor der Wahl wird in der Presse gerne drüber Spekuliert um wieviele Leute der Bundestag dieses Mal anwachsen könnte, und daß er jedesmal größer wird. so als wäre das ein Naturgesetz.
Dann wird gerne erklärt wie Ausgleichsmandate entstehen, und warum es diese gibt.
Das klingt alles schön und gut. Was mir fehlt ist die Erklärung warum es dabei geradezu zwangsläufig mehr werden. aber da fehlt mir irgendwie der Zusammenhang.
Klar durch die Ausgleichsmandate werden es mehr Leute also die 598 die es regulär sein müssten. Das ist logisch. Aber warum müssen es zwangsläufig 2021 mehr sein, als 2017. Wenn es evtl für eine Partei die diese Legislatur mehr Direktmandate hat, und damit den anderen Parteien entsprechend Ausgleichsmandate „schenkt“, dann dieses Mal weniger Direktmandate gibt, könnte die Zahl der Ausgleichsmandate doch auch sinken?
Also ich weiss wie Ausgleichsmandate zustande kommen, und warum damit mehr als die vorgesehenen 598 Abgeordneten zusammenkommen, aber was mir nicht in den Kopf will ist: Warum es immer mehr werden (müssen)?
Kann das jemand schlüssig erklären?

Ist in dem Wiki-Artikel zu Überhangmandat gut unter „Ursachen“ erklärt.

Wenn Du Dir ansiehst, dass die Zahl der Parteien im BT über die Legislaturperioden zugenommen hat, die „großen Volksparteien“ längst nicht mehr den Abstand zum „Kleinvieh“ haben wie früher, wobei das „Kleinvieh“ üblicherweise keine Direktmandate erzieht und die Abstände zwischen mehr Parteien geringer geworden sind, dann ist das alles gut nachvollziehbar.

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Hallo,

das Grundsatzproblem ist, das Erst- und Zweitstimme immer weiter auseinander driften.

Früher wurden brav CDU und SPD mit Erst- und Zweitstimme gewählt. Heute wird in den Wahlkreisen immer noch CDU/SPD gewählt, weil sonst praktisch kein Kandidat eine Chance hat (First-Past-the-Post). Mit der Zweitstimme wird aber flexibler gewählt und das führt dann zu diesen Überhang-/Ausgleichsmandaten, die den Bundestag „aufblähen“.

Gruß,
Steve

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Eine deutlich größere Rolle dürfte allerdings spielen, dass ein Direktkandidate keine Mehrheit braucht, sondern nur die meisten Stimmen haben muss. Selbst wenn alle Wähler ganz brav bei Erst- und Zweistimme ihr Kreuz bei der gleichen Partei machen, kommt es dadurch zu Überhangmandaten, sobald die großen Parteien Erst- und Zweitstimmen an kleine oder neue Parteien verlieren.

Gruß,
Max

Weil selbst die stärksten Partei inzwischen nur noch irgendwo zwischen 20 und 30 Prozent der Stimmen bekommen. Damit stehen ihnen aber auch nur 20 bis 30 Prozent der Sitze zu. Bei den Direktkandidaten wird aber der mit den meisten Stimmen gewählt, das heißt, es genügt, die stärkste Partei zu sein, damit ein Kandidat in die Bundestag einzieht.

299 Abgeordnete sind Direktkandidaten. Gibt es keine Ausgleichmandate, ist das die Hälfte der Sitze. Wenn nun der stärksten Partei nur ein Drittel der Sitze zusteht, sie aber 299 Direktmandate ereicht, dann muss der Bundestag solange vergrößert werden, bis 299 ein Drittel der Mandate sind.

Kurz gesagt: Je mehr Parteien kandidieren und je geringer der Vorsprung der stärksten Partei gegenüber den anderen ist, um so mehr Überhangmandate.

Das Verteilen von Erst- und Zweitstimme auf verschiedene Parteien kann sogar einen gegenläufigen Effekt haben, wenn man z.B. mit der Zweitstimme die stärkste Partei wählt, mit der Erststimme aber einem ausichtsreichen Kandidaten einer anderen Partei zu einem Sitz verhilft.

Gruß,
Max

Weil die großen Parteien immer weniger (Zweit)Stimmen bekommen.

Würden AFD, Linke und Grüne dieses Jahr nicht antreten und 45% CDU, 45% SPD und 10% FDP wählen, dann würde man kaum Überhangsmandate ausgleichen müssen.

2017 entfielen auf die Erststimmen:

AfD 3 Bewerber
CDU/CSU 231 Bewerber
Die Linke 5 Bewerber
Grüne 1 Bewerber
SPD 59 Bewerber

Von den (eigentlich) 2 x 299 = 598 MdB hätte die CDU aber eigentlich nur 26,8% bekommen dürfen (Zweitstimmenanteil), also 160 Leute.
Du kannst aber die 71 Direktmandate, die zu viel da sind, nicht einfach wegfallen lassen.
Also schlägt man den anderen Parteien so lange weitere Mandate zu, bis das Verhältnis wieder passt.

Meiner Meinung nach müsste es bei der Besetzung des Bundestages nach den Zweitstimmen gehen, nach Parteien also. Wenn eine Partei X % der Stimmen erhält, dann ist auch ein Direktkandidat dieser Partei mit in diesem X % inbegriffen. Wenn eine Partei nicht über die 5% Hürde kommt, dann hat auch ein Direktkanditat dieser Partei im BT nicht zu suchen.

Ja. Genauso werden derzeit die Sitze vergeben.

Wie viele Abgeordnete mit Direktmandat sitzen derzeit im Bundestag, deren Partei an der 5%-Hürde gescheitert ist?
Und was schlägst du für parteilose Kandidaten vor?

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Das tut es ja!

Genau das wird ja so gemacht.

Und nun passiert es ganz regelmäßig, dass eine Partei nach den Zweitstimmen nur z.B. 196 Mandate bekommen darf, aber schon 231 Direktkandidaten im Bundestag hat.

Was nun? Das sind Kandidaten, die ihren Wahlkreis gewonnen haben. Das Wahlgesetz will, dass es für Wahlkreise lokale Vertreter im Bundestag gibt. Du kannst solche lokal gewählten Leute nicht einfach fallen lassen.
Beachte auch, dass es

geben kann.

Wenn man den Bundestag klein halten möchte UND eine gerechte (nach den Zweitstimmen) Verteilung der Sitze will UND man das Konzept der Direktkandidaten beibehalten will, dann geht das meines Erachtens nur über weniger Wahlkreise und somit weniger Direktmandate.

Das Prinzip der Wahlkreisabgeordneten ist gut. Ich habe schon zweimal „mein“ MdB angesprochen und die hat sich prompt gekümmert.

Nein, da kommen noch die Überhangmandate dazu.
Vielleicht habe ich mich nicht prezise genug ausgedrückt. Also: eine Partei erhält X% der Stimmen, im Verhältnis Y Sitze von den 599 im BT. Ich halte die Erststimmen für wichtig, weil ja eine persönliche Wahl ist. Also auf die Y Sitze kommen erst die, die direkt gewählt wurden. Sind es mehr, als der Partei zusteht, müssen sie auf die Warteliste, wie das bei der Parteilisten ist.

Ja, da müssten die Parteilosen zusammen eine Liste stellen.

Das korrekte Verhältnis kann meist nur durch Ausgleichsmandate erreicht werden.
Ohne diese könnte eine Partei 35% der Zweitstimmen haben und 42% der Abgeordneten stellen. Das darf nicht sein.

Man könnte ggf. diesen zu hohen Anteil durch Wichtung der Stimmen kompensieren, nur mal als Idee.

In welcher Reihenfolge? Die Direktkandidaten sind alle für einen bestmmten Wahlkreis gewählt. Wer entscheidet nach welchem Kriterium, welche Wahlkreise keinen Abgeordneten stellen dürfen? Und wer rückt dann von der Warteliste nach? Gibt es dann ein Ranking in wichtigere und weniger wichtige Wahlkreise?

Ich kann mir vorstellen, dass jeder Wahlkreis zwei Direktkandidaten nach Berlin schickt und fertig. Also die beiden mit den meisten Stimmen im Wahlkreis.

Oder: Die Hälfte der Abgeordneten sind Direktkandidaten aus den Wahlkreisen und die zweite Hälfte wird aus der Rangliste der Parteien besetzt in dem Prozent-Verhältnis der Zweitstimmen.

Kurti

Bei diesem Verfahren hätten CDU/CSU nach der letzten Wahl eine komfortable Mehrheit von 55 Prozent der Mandate gehabt: 329 statt 246. Und das, obwohl sie nur von knapp 33 Prozent der Leuten gewählt wurde … die Grünen hättten dagegen nur 4,5 Prozent der Sitze bekommen (27 statt 57), obwohl sie von 8,9 Prozent gewählt wurden.

Kurz gesagt, das wäre ein Wahlverfahren, das große Parteien begünstigen und kleine benachteiligen würde.

Gruß,
Max