Warum Zeitrechnung nach Christi Geburt?

Hallo! Wir haben uns gestern Abend angeregt unterhalten. Dann kam das Thema auf Religion. u. a. auch auf die Zeitrechnung. Ein Mann meinte, warum wird die Zeit weltweit nach der Geburt Christi angezeigt? Warum hat man nicht zu einer anderen Zeit irgendwo angefangen weltweit die Zeit anzugeben? Und wer hat diese Berechnung überhaupt eingeführt? Geht der Islam hier nicht auf die Barrikaden? Ich fand das Thema total interessant, weiß aber keine Antwort darauf.

Das wird doch vermutlich den gleichen Grund haben, wie die Tatsache, dass die Haupt-Weltsprache Englisch ist ( https://kritisches-netzwerk.de/forum/landkarte-des-tages-wo-die-briten-nie-einmarschiert-sind ).

Hallo!

Unsere Zeitrechnung hat sich weltweit etabliert, ja, aber das heißt nicht, daß sie die einzige (verwendete) ist.

Der Islam macht es ganz so wie das Christentum, und rechnet am Mohammet. Allerdings nicht ab seiner Geburt, sondern ab seinem Auszug aus Mekka. Das war gut 600 Jahre nach Christus, daher… leben die Muslime heute aus unserer Sicht im 15. Jahrhundert. Auf manchen arabischen Zeitungen und Münzen findet man daher entsprechende Jahreszahlen.
Ich vermute mal, in anderen Regionen der Erde gibt es auch andere Kalender, die noch halbwegs offiziell verwendet werden.

Naja, eigentlich schreiben wir gerade das Jahr 1440 d.h. 1440 Jahre nach dem ersten Neumond, den Mohammad (pbuh) nach seinem Umzug in Medina verbachte.

Der Rest der Welt marschiert nach christlicher Zeitrechnung. Weil … tja weil damals, so etwa im 8. Jhd die christliche Kirche im Zentrum der Welt den Ton angab. Es gibt aber durchaus andere Zeitrechnungen, bei Wikipedia kann man anfangen sich einzulesen. Ab so etwa 1000 n.Chr. war das dann in der westlichen Welt ein Selbstläufer, und da die Wirtschaftswelt auch heute noch eurozentrisch organisiert ist, bleibt man im Großen und Ganzen dabei.

Grüße
Siboniwe

Hallo,

es gibt doch sehr viele Kalendersysteme!

http://www.nabkal.de/kalrech2.html

Weltweit hat sich „unser“ Kalender durchgesetzt, er wird zumindest nebenher beachtet.
Warum?
Welthandel, Weltwirtschaft.
„Geld regiert die Welt“.

Guten Tag China2011,
Christliche Zeitrechnung:

Der skythisch-stämmige römische Mönch Dionysius Exiguus begründete 525 n. Chr. die christliche Zeitrechnung.

Für Details schau mal hier:

Gruß Walter VB

Salve Philippe,

was meinst Du mit

Niemand braucht eine Zeitrechnung, die von irgendwelchen abtrünnigen Pharisäersekten erfunden worden ist. Wir schreiben das Jahr 2771 a.u.c., und daran werden diese schrägen Vögel nichts ändern.

Schöne Grüße

MM

Kurze Antwort:

Im 6. Jahrhundert hat der römische Bischof diese Zeitrechnung eingeführt. Damit demonstrierte und vergrößerte er seine Macht. Zu dieser Zeit war Rom und das langsam sich auflösende, aber immer noch kulturell hochstehende römische Reich christlich. Die „Person“ Jesu war für die Menschen damals zentraler Fixpunkt ihres Lebens! Man wählte noch nicht wie heute individuell zwischen Christentum, Buddhismus, Islam, Atheismus oder anderem! Und die Geburt Jesu war damit für die Christen einer der wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte.

Da die römischen Bischöfe als Päpste ideologisch bis ca. 1500 ganz Europa beherrschten, wurde dort überall diese Zeitrechnung zur Norm.

Mit der Expansion Europas und seiner Beherrschung fast der ganzen Welt zwischen 1500 und etwa 1900 wurde diese Zeitrechnung eben zur wichtigsten und oft einzigen in der ganzen Welt!

Karl

Wie bei allen Diskussionen ist es sinnvoll, vorab zu klären, worüber man überhaupt sprechen will. Der Ausdruck „christliche Zeitrechnung“ ist irreführend, denn die gibt es gar nicht. Unter Zeitrechnung versteht man (im hiesigen Kontext)
1: die Einteilung der historischen Zeit in Jahre, Monate und Tage, zusätzlich meist in Wochen
2: Die Orientierung des Begriffs „Jahr“ entweder am Lauf der Sonne oder des Mondes

An beidem ist ganz und gar nichts „christlich“. Das Sonnenjahr definierte sich schon vorhistorisch an der Zeitspanne zwischen einem Frühlingspunkt (Tag-Nacht-Gleiche) und dem folgenden Frühlingspunkt. Das Mondjahr zählte die 12 Mondzyklen von je 30 Tagen innerhalb eines Sonnenjahres und passte meist die fehlenden Tage in verschiedener Weise an: Entweder durch Verteilung auf die „Monate“, oder durch Anhängen der Resttage ans Ende des 12x30-Tage-Zyklus.

Worum es dir hier geht, ist somit nicht die Zeitrechnung, sondern der Kalender. Kalender (von denen es viele gibt, sowohl Sonnen- als auch Mondkalender) unterscheiden sich voneinander nicht nur durch die Frage, wielange genau 1 Jahr dauert (wegen der Schwierigkeit, die Frühlingspunkt-Zeitspanne genaiu zu messen), sondern durch zwei andere Merkmale:
1: Was gilt als Beginn der Jahreszählung
2: Welches Datum ist der Jahresanfang

Der sog. christliche Kalender hat zur Grundlage den Julianischen Sonnen-Kalender, der im Jahr 45 v. Chr. durch Julius Caesar (auf der Basis vieler, vor allem ägyptischer Vorgänger) im römischen Reich eingeführt wurde. Die Verteilung der Monatstage auf die Monate war bereits die, die wir heute haben. Sowohl der Jahresbeginn als auch die Jahreszählung war ebendort aber sehr unterschiedlich. In Rom selbst galt bereits seit 153 v. Chr. der 1. Januar als Jahresbeginn, und jetzt wurden die Jahre (aber nur neben vielen anderen lokalen Varianten) nach der legendären Gründung der Stadt Rom (753 v. Chr.) gezählt. Daher immer mit der Angabe „a.u.c.“ (ab urbe condita) versehen.

Der christliche Kalender hat sogesehen also seine Vorrangstellung zunächst durch die Machtstellung des Römischen Reiches im Abendland und im Vorderen Orient in der Spätantike. Mit bedeutsamer Ausnahme des persischen Sassanidenreiches, wo ein anderer Kalender galt, und des (vorislamischen) alt-arabischen Raums, wo ein exklusiver Mondkalender verbreitet war. Bis auf den wichtigen Unterschied (der ja auch in deiner Fragestellung der wesentliche Punkt ist): Der Beginn der Jahreszählung.

Im Jahr 525 n. Chr. errechnete der christl. Mönch Dionysius Exiguus die Geburt Christi auf das Jahr 754 a.u.c. (s.o.). Aber erst im 11. Jhdt. wurde dies als Ausgangspunkt historischer Datierungen vielerorts im Abendland bzw. im Wirkungsbereich des westlichen (lateinischen) Christentums verbreitet. Bis dahin wurden nach verschiedenen Zählweisen jeweilige Spekulationen aus dem Alten Testament für das „Datum der Schöpfung“ als Anfangspunkt von Jahreszählungen genommen: So galt „3761 v. Chr.“ ab dem 4. Jhdt. n. Chr. für den jüdischen Kalender als maßgeblich, und „5508 v. Chr.“ galt noch bis Anfang des 18. Jhdts in Russland als Ausgangspunkt der Zählung.

Eine wesentliche Veränderung am Julianischen Kalender wurde 1582 durch den Papst Gregor XII initiiert. Dabei ging es um eine Korrektur an der Messung der Jahreslänge, die im Laufe der Zeit zu einer Verfälschung des Datums des 1. Frühlingsvollmodes geführt hatte. Dieses Datum war wichtrig für die Bestimmung des Ostertermins. Komplizierte Geschichte, die für die Frage nicht ganz so wesentlich ist, jedenfalls gilt diese Korrektur unter der Bezeichnung „Gregorianischer Kalender“ weltweit neben dem Julianischen Kalender. Beide unterscheiden sich durch 11 Tage. Im Gregorianischen Kalender fehlen 11 Tage in der Weltgeschichte. Der Jahresanfang und das Datum bedeutender Feste ist daher um 11 bzw. 12 Tage unterschiedlich.

In sämtlichen Staaten, die wesentlich vom Islam bestimmt sind, gilt neben einem islamischen Kalender problemlos auch der Gregorianische. Soviel zu deiner Ursprungsfrage.

Der islamische Kalender spielt nur in religiösen Kontexten eine wesentliche Rolle. Er ist ein reiner Mondkalender, der nicht (wie sonst fast alle Mondkalender) am Sonnenkalender korrigiert ist. Nach ihm bestimmt sich unter anderem das bedeutsame Datum des Beginns des Ramadan. In diesem Kalender, der bis auf die Jahreszählung der alt-arabische, vorislamische Mondkalender ist, wird die jeweilige Ersterscheinung des Mondes nach Neumond nicht berechnet, sondern nach visueller Beobachtung bestimmt. Das gibt Probleme bei der jährlich unterschiedlichen Zeitbestimmung. Und die Jahresdauer ist eh nicht mit dem Sonnenjahr ohne Korrekturrechnungen kompatibel. Die Jahreszählung bestimmt sich jedenfalls nach dem traditionellen Jahr der Hidschra Mohammeds im Jahr 622 n. Chr.

Gruß
Metapher

So wird es oft geschrieben und abgeschrieben. Es ist in dieser Formulierung „… begründete …“ aber eine urban legend. Und es geht dabei nicht um „Zeitrechnung“, sondern um den Ausgangspunkt der Jahreszählung. Der christliche Gelehrte Dionysius errechnete das Jahr der „Inkarnation“ (wie hier a.a.O. erwähnt) als „754 ab urbe condita“ und benutzte das als Orientierung für die Aufstellung seiner Listen der Mondzyklen, die für die Bestimmung der Ostertermine benötigt wurden. Später erst wurde sein Ausgangspunkt der Jahreszählung als „1. n. Chr.“ festgelegt. Darüber hinaus wurde diese Zählung noch lange Zeit nicht für historische Abhandlungen bzw. Ereignisse benutzt.

Als Ausgangspunkt für eine allgemeine historische Jahreszählung über diesen klerikalen Zweck hinaus wurde „1. n. Chr.“ nicht vor dem 10. Jhdt verwendet. Es verbreitete sich dann im Sacrum Imperium Romanum (später mit dem Zusatz „Nationis Germanicae“) in dessen abendländischem Machtbereich.

Gruß
Metapher