Hallo,
Licht (Sonne) ist als Zentralmetapher der Aufklärung Bild für die vernunftsmäßige Erschließung der Erscheinungswelt.
Doch dieses Licht erhellt nicht den gesamten Kosmos.
Vieles bleibt verborgen, muss verborgen bleiben. („Erschliessen“ hier also im Sinne von „erkunden“.)
Damit sind die Grenzen der Vernunft angezeigt (Vernunftkritik). Aus dieser grundsätzlichen Vernunftkritik folgt auch eine grundsätzliche Kritik an der Moral, die (nur) vernünftig sein will. Sie muss sich darüber im Klaren sein, dass ein analytisches Wahrnehmen der Welt eben nur in der Sprache vollzogen werden kann und als solche nur gleichnishaftes Reden sein kann.
"Denken wir besonders noch an die Bildung der Begriffe. … Jeder Begriff entsteht durch Gleichsetzung des Nichtgleichen. … Das Übersehen des Individuellen und Wirklichen gibt uns den Begriff,
wie es uns auch die Form gibt,
wohingegen die Natur keine Formen und Begriffe, also auch keine Gattungen kennt, sondern nur ein für uns unzugängliches und undefinierbares X. …
Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: Die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen, in Betracht kommen. … Nun vergisst freilich der Mensch, dass es so mit ihm steht; er lügt also in der bezeichnenden Weise unbewusst und nach hundertjährigen Gewöhnungen - und kommt eben durch diese Unbewusstheit, eben durch dieses Vergessen zum Gefühl der Wahrheit.
(Aus: Wahrheit und Lüge in außermoralischen Sinne 1; in KSA 1, München, 1988a: 879-882.)
Gruß CA