Was bedeutet "eindingen"?

Hallo zusammen;

in einem Bericht über Sitten und Gebräuche in einem schwäbischen Dorf aus dem Jahr 1900 heißt es:

" Die alten Leute bekommen von ihren verheirateten Kindern [Feld-]Frucht, Butter u. Milch, u. zwar wird in der Lieferung von Butter u. Milch wochen- oder monatweise abgewechselt. Die Güter werden hier unter die Kinder geteilt. Wenn die meisten Kinder verheiratet sind, so kommt es vor, daß die ledigen bis zu ihrer Verheiratung in das elterliche Haus eingedingt werden."

Wie ist das zu verstehen?

Für Eure Mühe im Voraus besten Dank!

Es grüßt Euch
Renardo

Hallo,

vermutlich wie im DWb unter 2 definiert:

etwas in einer rechtlichen abmachung als bedingung aufnehmen oder einschließen.

Siehe auch http://www.zeno.org/Pierer-1857/A/Eindingen → 1

Gruß
Kreszenz

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Der Text kommt mir widersprüchlich vor. „Die Güter werden hier unter die Kinder geteilt“? Meinst du, dass die Güter unter die Eltern geteilt?

bedingen – veraltet – Partizip „bedungen“
Ich vermute, dass sie verwandt sind. Vielleicht meint der Autor, dass die unverheirarteten Kinder die Feldfrüchte, Butter und Milch mit den Eltern teilen, dass die verheirateten Kinder den Eltern überlassen. Die unverheirateten Kinder profitieren von den Gaben

Grüße

Das dürfte wie „sich verdingen“ gemeint sein, siehe hier, Bedeutung 4:

Hallo KeinesHerrenKnecht;

Danke für Deine Antwort!

Aber was hieße das Folgende konkret in dem von mir zitierten Fall?

4. jmdn., sich, tiere verdingen, auch bildlich; seit dem späteren 19. jh. noch […] welcher yn dy czech auffgenommen will werden … eyn leriung sol eyngedyngt werden nach zech gewonheytt […] 1606 ein newes junges schülerlein / das wolt er euch ( dem schulmeister ) hie dingen ein […] (1832⟩ er hat mir schafe eingedungen

Welche Rechte, welche Pflichten hatten die nun erwachsenen, aber noch unverheirateten Kinder, die noch im elterlichen Haus lebten?

Hallo Nadja,

ich habe das korrekt zitiert.

Es geht hier um das Erbe:
Die Güter (Haus, Felder, …) werden unter den Kindern aufgeteilt, d. h. in dieser Region erbte nicht (wie in manch anderen Regionen) der Erstgeborene den Hof und die später Geborenen wurden „abgefunden“, sondern die Güter wurden unter den Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt. (Nachteil: die Felder werden von Generation zu Generation kleiner.)
Die Eltern zogen sich auf das Altenteil zurück und wurden dort von den erwachsenen Kindern, die den Hof übernommen haben, in der im Zitat beschriebenen Weise verköstigt.

Grüße
Renardo

Hallo,

okay - aber was hieße das denn konkret???

Gruß
Renardo

Hallo Renardo,

das ist, glaube ich, viel einfacher.

Das Altenteilerhäuslein, in dem die Eltern des Bauern nach der Hofübergabe wohnen, heißt Ausdinghäuslein oder Ausgedinge.

Damit ist das Eindingen das Gegenteil, nämlich die Zugehörigkeit zu Haus und Hof des Bauern, die unverheirateten Kinder haben das Wohnrecht, bekommen 's Ässa ond 's Häs und arbeiten im Gegenzug auf dem Hof mit.

Wohnrecht und Heimatrecht haben zu Zeiten in der Landwirtschaft eine bedeutende Rolle gespielt. In diesem Zusammenhang übrigens auch der einzige konkrete Begriff von Heimat, der ohne romantisierendes Pathos und Tränelein im Knopfloch auskommt: Der Hof, von dem eine eingeheiratete Bäuerin stammt und auf dem sie lebenslanges Wohnrecht (bei Verwitwung oder Trennung) behält, heißt im Seealemannischen Huamat - ich weiß nicht, ob es den Begriff so konkret auch im Schwäbischen noch gibt.

Schöne Grüße

MM

Nach meinem Verständnis: Dass nach dieser Versorgungsabmachung die bei den Eltern lebenden ledigen Kinder „Mit-Empfänger“ der Güter sind, die den Eltern von den verheirateten Kindern zur Verfügung gestellt werden.

Gruß
Kreszenz

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Hallo Aprilfisch! Ich verstehe „Knopfloch“ in diesem Zusammenhang nicht.
Hat „Huamat“ mit dem Heu zu tun, nach dem Motto „das Heu riecht nach dem Heimatboden“?

Grüße

Warum soll man im Knopfloch seiner Kleidung weinen? Waum ausgerechnet im Knopfloch? Das ist wirklich erstaunlich, dass man in einem Knopfloch weint. Gibt es nichts Besseres?

Stimmt, das könnte auch sein.
Ich hatte eher daran gedacht, dass die ledigen Kinder gegen Kost und Logis für den elterlichen Haushalt arbeiten, quasi als Knecht/Magd, und so ihren Teil zur Unterstützung beitragen.
Das würde die Motivation erhöhen, sich „freizuheiraten“.

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mit einer Träne im Knopfloch (veraltend scherzhaft: gerührt; scherzhafte Umdrehung von „mit einer Blume im Knopfloch und einer Träne im Auge“)

Gruß
Kreszenz

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Nein, eben nicht. Heimat ist in dieser Bedeutung etwas ganz Konkretes, ohne irgendwelchen Gefühlsüberschwang und ohne Blut und Boden. Ganz schlicht ein Hof, von dem die Bäuerin stammt und wo sie jederzeit wieder hinkommen darf, wenn es nötig ist.

Etymologisch gibt es keine Verbindung zu Heu, das sind verschiedene Wörter. Heimat althochdeutsch = heimôti, Heu altsächsisch = houwi. Heu als gemähtes Gras hängt wahrscheinlich mit hauen zusammen.

Schöne Grüße

MM

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'n Abend Aprilfisch;

vielen Dank für Deine Antwort!

Ja, das hört sich für mich sehr plausibel an. In diese Richtung waren auch meine Überlegungen gegangen.
Ausgedinge“ bzw. „ausdingen“ ist mir ein Begriff. Seltsam nur, dass man zu „eindingen“ nichts wirklich Brauchbares findet.

Das lebenslange Wohnrecht, von dem Du berichtest, war mir bislang nicht bekannt.

Beste Grüße

Renardo

Da muss man auch aufpassen - es könnte gut sein, dass es das in den Gebieten mit fränkischem Erbteilungsrecht wie dem von Dir bearbeiteten, wo der Hof (mitsamt Vieh, Fahrnis und Bewohnern) nicht so eine zentrale Bedeutung hat, nicht gegeben hat. Das machte es übrigens plausibel, dass das Eindingen der unverheirateten Kinder explizit erwähnt wird. Da hab ich beim Walter Achilles nicht recht aufgepasst, ist auch lange her…

Ich würde hier die Einräumung eines Wohnrechtes im Elternhaus und ggf. auch noch die Versorgung der nicht verheirateten Kinder durch die verheirateten Kinder sehen. Allerdings ist der Ausschnitt wirklich sehr kurz und die Darstellung sehr knapp. Aber durch die Darstellung, dass (nur) die verheirateten Kinder Versorgungsleistungen zu erbringen haben, würde es keinen Sinn ergeben, die unverheirateten Kinder hier gesondert darzustellen, wenn sie die gleiche Verpflichtung treffen würde. D.h. es muss hier um Unterschiede geben. Und ein solcher Unterschied lässt sich auch leicht begründen. Die verheirateten Kinder haben eigene Höfe, die unverheirateten nicht. Damit sie nicht wohnungslos werden, bekommen Sie das Wohnrecht im Elternhaus bis sie selbst heiraten und damit dann ein eigenes Dach über dem Kopf bekommen. Und mangels eigenen Hofes könnten sie sich bis zur Hochzeit auch nicht anderweitig versorgen. Insoweit würde die Einbeziehung der unverheirateten Kinder in die Versorgungsleistungen ebenfalls einen Sinn ergeben.

D.h. kurz und knapp modern formuliert: Die unverheirateten Kinder erhalten bis zu ihrer Heirat ein Wohnrecht im Elternhaus und nehmen Anteil an der Versorgung der Eltern durch die verheirateten Kinder.