Alkoholstörungen
Hallo Jan Oliver!
wir genau wirkt denn so ein zellgift?
Alkohol verändert die Beschaffenheit der Zellen, so daß diese nicht mehr richtig „funktionieren“ und schließlich zugrunde gehen. Es gibt einen Versuch mit Ratten, die 48 Wochen lang Alkohol konsumierten. Man fand den Verlust vieler Verbindungen im Zentralnervensystem, was auf die Perforierung des endoplasmatischen Reticulums von Neuronen zurückgeführt wurde. Durch die Perforierung wurden die Nervenzellen mit Calcium-Ionen überschwemmt (EPR ist der intrazelluläre Ca2±Speicher), was - wie Dir jeder Neurophysiologe bestätigen kann - die Funktionsfähigkeit der Zellen stark beeinträchtigt.
Literaturtipp für neurophysiologische Vorgänge:
Schmidt, R.F. (Hrsg.). Neuro- und Sinnesphysiologie. Berlin: Julius Springer.
du schreibst von „längerem missbrauch“.
Ich habe die kurzfristigen biochemischen Wirkungen eines einmaligen Alkoholkonsums im ersten Teil meines vorherigen Postings beschrieben. Im zweiten Teil sprach ich von längerem Mißbrauch, weil ein einmaliger Alkoholkonsum zwar eine so genannte Intoxikation bewirkt, jedoch nicht zu weiteren längerfristigen Folgen führt. Die genannten Störungen Alkoholdemenz, Korsakow-Syndrom, Leberzirrhose treten erst im „Endstadium“ der Alkoholkrankheit auf. Auf dem Weg dahin ist das Leben von „Alkoholikern“ durch viele Störungen gezeichnet, weil Alkohol so ziemlich alles kaputt macht: Es gibt durch Alkohol ausgelöste psychische Störungen, durch Alkohol verstärkte psychische Störungen, durch Alkohol erhöhte Risiken für körperliche Störungen (so erhöht Alkohol die Wahrscheinlichkeit für Lungenkrebs bei Rauchern drastisch), durch Alkohol direkt verursachte organische Störungen (Leberverfettung, Leberentzündung, Leberzirrhose). Es gibt durch Alkohol induzierte Amnesien, das Alkoholentzugssyndrom, die durch Alkohol bedingte Neuropathie, das Delirium tremens (woran früher 50% der PatientInnen im 2. Delir starben), die Alkoholhalluzinose, den Alkoholischen Eifersuchtswahn, die Wernicke-Enzephalopathie, das Korsakow-Syndrom und die Alkoholdemenz (keine vollständige Aufzählung!).
Die körperlichen Beeinträchtigungen stehen jedoch während der Alkoholkrankheit lange Zeit nicht im Vordergrund und sind auch gut kurierbar (nur zum Ende hin nicht mehr). Das viel größere Problem ist die Abhängigkeit, das Nicht-los-kommen-Können vom Alkohol. Das ist das Problem. Wenn erst einmal über längere Zeit kein Alkohol mehr konsumiert wird, dann erholt sich der Organismus auch wieder. Wichtig ist natürlich, daß die Abstinenz anhält, sonst tickt die Zeitbombe weiter.
das myelin, das die axone umwickelt, besteht doch aus einweiss, wird :das nicht nachgebildet?
Die Myelinisierung wird durch Glia-Zellen, die sich um die Axone wickeln, vorgenommen. Im Gegensatz zu den Neuronen können neue Glia-Zellen entstehen (Hirntumoren sind der pathologische Fall). Jedoch greift Alkohol ja auch die Glia-Zellen an. Wäre also günstiger für eine Erholung, wenn man den Alkohol wegläßt und den Organismus sich regenerieren läßt. Nur wenn die Nervenzellen kaputt sind (Korsakow-Syndrom: weit verbreitete Läsionen im limbischen System und im Hippocampus), ist Schluß.
ich verstehe einfach noch nicht, dass jeder vollrausch x nervenzellen :zerstört, die dann einfach weg sind…
Man kann nicht pauschal sagen, daß bei jedem Vollrausch x Nervenzellen zerstört werden. Das liegt einfach daran, daß unterschiedlich viel Alkohol konsumiert wird, die Menschen unterschiedlich und auch unterschiedlich vorgeschädigt sind.
Was ich jetzt nicht verstehe, ist, warum Du so ein Problem damit hast, daß Nervenzellen zugrunde gehen können. In Organismen sterben doch jede Sekunde Zellen ab (Hautzellen z.B.). Manchmal müssen eben ein paar Neuronen dran glauben. Schlimm ist das nicht, denn Menschen haben Hunderte von Millionen von Nervenzellen. Die Leberzellen z.B. stecken auch so einiges weg, bevor sie kaputt gehen. Deshalb braucht es ja auch seine Zeit, bis die körperlichen Schädigungen durch Alkoholmißbrauch zum Tragen kommen. Warum soll es mit den Nervenzellen anders sein? Leider ist es nun einmal so, daß längerer Alkoholmißbrauch ernsthafte körperliche Folgen nach sich zieht. Und wie gesagt: Lange Zeit stehen sie nicht im Vordergrund, sondern sind durch Abstinenz und medizinische Behandlung heilbar, aber irgendwann ist Ende (genau wie beim Rauchen: Wenn der Lungenkrebs erst gekommen ist, dann sieht´s meistens schlecht aus).
Grüße,
Oliver