Was bewirkt alkohol im hirn?

hi,

schätze, ich werde die frage mal präzisieren, bevor hier ne menge dumme antworten auf dumme fragen kommen… :wink:

es wird an karneval (ist ja grade vorbei) immer gern diskutiert, was denn der aklohol im detail im körper anstellt.

stimmt es wirklich, dass ein vollrausch mehrere tausend nervenzellen zerstört? soweit ich weiss, wachsen die ja nicht nach, wären also für immer verloren. also könnte man den zeitpunkt seiner eigenen verblödung im prinzip hochrechnen?!?

hab auch mal gehört, dass der alkohol nur die dendriten, also die „verbindungen“ zwischen den nervenzellen, zerstört. und da die wieder nachwachsen, wäre der schaden nur temporär.

was ist denn nun richtig?

prost,
oliver

Wirkungen von Alkohol
Hallo!

Ich will Deine Frage mal ausführlicher beantworten. Dazu werde ich erst auf die kurzfristigen Folgen des Alkoholgenusses eingehen.

Alkohol ist eine psychotrope Substanz, d.h. sie hat Auswirkungen auf Verhalten und Erleben. Alkohol ist auch ein Zellgift. Nach Einnahme einer gewissen Menge Alkohols kommt es zu einer Vergiftungserscheinung (Alkoholintoxikation), die gemeinhin als Rausch bezeichnet wird.

Alkohol wird vom Magen-Darm-System sehr schnell aufgenommen und gelangt schließlich ins Gehirn. Dort entfaltet es seine depressorische, sedierende (beruhigende) Wirkung innerhalb von Minuten. Bei kleinen Mengen Alkohols werden die hemmenden Synapsen zwischen den Nervenzellen im Zentralnervensystem gehemmt, was die Enthemmung des Verhaltens erklären soll. Später erfolgt auch die Hemmung der erregenden Nervenzellen durch verstärkte Bindung des Alkohols an bestimmte Neurotransmitter-Rezeptoren (GABA-Rezeptoren) und starker Hemmung des Hirnstamms. Wenn noch mehr Alkohol konsumiert wird, erfolgt auch eine Hemmung der erregenden Nervenzellen in der Großhirnrinde.

Außerdem scheint Alkohol über seine Abbauprodukte im Körper auch eine teilweise Wirkung über die körpereigenen Opiat-Rezeptoren zu haben. Beim Abbau von Alkohol in der Leber durch die Enzyme Alkohol-Dehydrogenase und Aldehydhydrogenase entstehen bestimmte Stoffe , die ins Gehirn gelangen und dort bei Anwesenheit von Alkohol mit anderen Substanzen (zentrale Monoamine) strukturell morphinähnliche Alkaloide bilden. Diese Stoffe (Abk. TIQ) wirken als „falsche“ Neurotransmutter und binden sich an Opiat-Rezeptoren.

Die Auswirkungen der kurzfristigen Alkoholwirkung kann man im EEG durch verlangsamte Wellen beobachten. Außerdem ist der Tiefschlaf vermehrt, die REM-Phasen sind unterdrückt und der Schlaf hat weniger erholsamen Effekt (Alkohol ist ein Betäubungsmittel!).

Das ist die biochemische Wirkung von Alkohol bei einmaligem Genuß.

stimmt es wirklich, dass ein vollrausch mehrere tausend
nervenzellen zerstört? soweit ich weiss, wachsen die ja nicht
nach, wären also für immer verloren. also könnte man den
zeitpunkt seiner eigenen verblödung im prinzip hochrechnen?!?

Da Alkohol ein Zellgift ist, führt der längere Mißbrauch zu Zerstörungen an Zellen und von Zellen, jedoch nicht nur im Gehirn. An Nervenzellen kommt es z.B. bei der Neuropathie zur Zerstörung der Myelin-Umwicklungen der Axone. Nervenzellen gehen auch völlig zugrunde. Schwerer Mißbrauch kann z.B. zu Alkoholdemenz (die von Dir angesprochene Verblödung) oder z.B. zum Korsakow-Syndrom (Harald-Juhnke-Syndrom) führen. Beim Korsakow-Syndrom sind die Schäden im Gehirn so stark, daß Einspeicherungen ins Gedächtnis nicht mehr oder nur noch äußert schwer möglich sind. Das darfst Du Dir aber nicht so vorstellen wie: Jetzt habe ich mal was vergessen, sondern die Patienten haben keine Erinnerung mehr an alles, was kurz vorher geschehen ist. Um die Gedächtnis"lücken" aufzufüllen, erfinden sie was (Konfabulation). So kann ein Patient z.B. behaupten, mit Dir erst gestern im Restaurant X um 20 Uhr das und das gegessen zu haben und wie gut es geschmeckt hat. Selbstverständlich hat das Essen niemals stattgefunden.

hab auch mal gehört, dass der alkohol nur die dendriten, also
die „verbindungen“ zwischen den nervenzellen, zerstört. und da
die wieder nachwachsen, wäre der schaden nur temporär.

Alkohol greift nicht nur die Dendriten an, sondern - wie gesagt - z.B. auch die Axone der Nervenzellen. Und es ist wahr: Über lange Zeit sind die körperlichen Schäden von Alkohol kurierbar, aber irgendwann ist Schluß: Leberzirrhose, Korsakow-Syndrom usw. sind nicht heilbar.

prost

Im Moment habe ich nicht so richtig Lust, was zu trinken.

Gruß,

Oliver

Da Alkohol ein Zellgift ist, führt der längere Mißbrauch zu
Zerstörungen an Zellen und von Zellen, jedoch nicht nur im
Gehirn. An Nervenzellen kommt es z.B. bei der Neuropathie zur
Zerstörung der Myelin-Umwicklungen der Axone. Nervenzellen
gehen auch völlig zugrunde. Schwerer Mißbrauch kann z.B. zu

wir genau wirkt denn so ein zellgift? du schreibst von „längerem missbrauch“.
das myelin, das die axone umwickelt, besteht doch aus einweiss, wird das nicht nachgebildet?

ich verstehe einfach noch nicht, dass jeder vollrausch x nervenzellen zerstört, die dann einfach weg sind…

grüssle,
oliver

Alkoholstörungen
Hallo Jan Oliver!

wir genau wirkt denn so ein zellgift?

Alkohol verändert die Beschaffenheit der Zellen, so daß diese nicht mehr richtig „funktionieren“ und schließlich zugrunde gehen. Es gibt einen Versuch mit Ratten, die 48 Wochen lang Alkohol konsumierten. Man fand den Verlust vieler Verbindungen im Zentralnervensystem, was auf die Perforierung des endoplasmatischen Reticulums von Neuronen zurückgeführt wurde. Durch die Perforierung wurden die Nervenzellen mit Calcium-Ionen überschwemmt (EPR ist der intrazelluläre Ca2±Speicher), was - wie Dir jeder Neurophysiologe bestätigen kann - die Funktionsfähigkeit der Zellen stark beeinträchtigt.

Literaturtipp für neurophysiologische Vorgänge:

Schmidt, R.F. (Hrsg.). Neuro- und Sinnesphysiologie. Berlin: Julius Springer.

du schreibst von „längerem missbrauch“.

Ich habe die kurzfristigen biochemischen Wirkungen eines einmaligen Alkoholkonsums im ersten Teil meines vorherigen Postings beschrieben. Im zweiten Teil sprach ich von längerem Mißbrauch, weil ein einmaliger Alkoholkonsum zwar eine so genannte Intoxikation bewirkt, jedoch nicht zu weiteren längerfristigen Folgen führt. Die genannten Störungen Alkoholdemenz, Korsakow-Syndrom, Leberzirrhose treten erst im „Endstadium“ der Alkoholkrankheit auf. Auf dem Weg dahin ist das Leben von „Alkoholikern“ durch viele Störungen gezeichnet, weil Alkohol so ziemlich alles kaputt macht: Es gibt durch Alkohol ausgelöste psychische Störungen, durch Alkohol verstärkte psychische Störungen, durch Alkohol erhöhte Risiken für körperliche Störungen (so erhöht Alkohol die Wahrscheinlichkeit für Lungenkrebs bei Rauchern drastisch), durch Alkohol direkt verursachte organische Störungen (Leberverfettung, Leberentzündung, Leberzirrhose). Es gibt durch Alkohol induzierte Amnesien, das Alkoholentzugssyndrom, die durch Alkohol bedingte Neuropathie, das Delirium tremens (woran früher 50% der PatientInnen im 2. Delir starben), die Alkoholhalluzinose, den Alkoholischen Eifersuchtswahn, die Wernicke-Enzephalopathie, das Korsakow-Syndrom und die Alkoholdemenz (keine vollständige Aufzählung!).

Die körperlichen Beeinträchtigungen stehen jedoch während der Alkoholkrankheit lange Zeit nicht im Vordergrund und sind auch gut kurierbar (nur zum Ende hin nicht mehr). Das viel größere Problem ist die Abhängigkeit, das Nicht-los-kommen-Können vom Alkohol. Das ist das Problem. Wenn erst einmal über längere Zeit kein Alkohol mehr konsumiert wird, dann erholt sich der Organismus auch wieder. Wichtig ist natürlich, daß die Abstinenz anhält, sonst tickt die Zeitbombe weiter.

das myelin, das die axone umwickelt, besteht doch aus einweiss, wird :das nicht nachgebildet?

Die Myelinisierung wird durch Glia-Zellen, die sich um die Axone wickeln, vorgenommen. Im Gegensatz zu den Neuronen können neue Glia-Zellen entstehen (Hirntumoren sind der pathologische Fall). Jedoch greift Alkohol ja auch die Glia-Zellen an. Wäre also günstiger für eine Erholung, wenn man den Alkohol wegläßt und den Organismus sich regenerieren läßt. Nur wenn die Nervenzellen kaputt sind (Korsakow-Syndrom: weit verbreitete Läsionen im limbischen System und im Hippocampus), ist Schluß.

ich verstehe einfach noch nicht, dass jeder vollrausch x nervenzellen :zerstört, die dann einfach weg sind…

Man kann nicht pauschal sagen, daß bei jedem Vollrausch x Nervenzellen zerstört werden. Das liegt einfach daran, daß unterschiedlich viel Alkohol konsumiert wird, die Menschen unterschiedlich und auch unterschiedlich vorgeschädigt sind.

Was ich jetzt nicht verstehe, ist, warum Du so ein Problem damit hast, daß Nervenzellen zugrunde gehen können. In Organismen sterben doch jede Sekunde Zellen ab (Hautzellen z.B.). Manchmal müssen eben ein paar Neuronen dran glauben. Schlimm ist das nicht, denn Menschen haben Hunderte von Millionen von Nervenzellen. Die Leberzellen z.B. stecken auch so einiges weg, bevor sie kaputt gehen. Deshalb braucht es ja auch seine Zeit, bis die körperlichen Schädigungen durch Alkoholmißbrauch zum Tragen kommen. Warum soll es mit den Nervenzellen anders sein? Leider ist es nun einmal so, daß längerer Alkoholmißbrauch ernsthafte körperliche Folgen nach sich zieht. Und wie gesagt: Lange Zeit stehen sie nicht im Vordergrund, sondern sind durch Abstinenz und medizinische Behandlung heilbar, aber irgendwann ist Ende (genau wie beim Rauchen: Wenn der Lungenkrebs erst gekommen ist, dann sieht´s meistens schlecht aus).

Grüße,

Oliver

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vielen dank für deine ausführliche antwort! hoffentlich behalt ich das auch alles bis zur nächsten diskussion… :wink:

viele grüsse,
oliver