Hallo nasziv,
ich weiß immer noch nicht, ob ich dich verstehe, aber irgendwie machts trotzdem Spaß!
Für mich gibt es zwei Motivationen für das Leben: Der
natürliche Selbsterhaltungsantrieb (die Notwendigkeit) und die
Erwartung (Angst bzw. Hoffnung) aus Unsicherheit über die
Zukunft (der selbstbestimmte Anteil, die Gefühlsebene).
Schon da steh ich glaub ich auf dem Schlauch… Mir kommt es ein wenig komisch vor, den Selbsterhaltungstrieb als Motivation für das Leben zu bezeichnen. Der Trieb ist ein Trieb und nicht dasselbe wie eine Motivation, oder? Aber vielleicht ist das nur Wortklauberei und im Moment völlig egal. Ich bin bei dir, wenn du einfach sagen willst, dass der Selbsterhaltungstrieb ein Grund (vielleicht der Grund) ist, warum wir Leben wollen, warum es den allermeisten Menschen trotz oft schrecklicher Schicksale, schwer fällt, oder unmöglich ist, sich selbst zu töten. Da mit hinein, spielt natürlich auch immer die Hoffnung, dass es doch noch irgendwie wieder gut wird. (Ich überlege grade, ob die Hoffnung nicht etwas ist, was sozusagen in den Selbsterhaltungstrieb integriert ist…)
Ich möchte das aber eigentlich ein wenig allgemeiner (oberflächlicher?) betrachten. Nicht nur in Bezug auf die Frage, warum wir überhaupt (normalerweise) leben wollen, und nicht lieber sterben, sondern allgemeiner. Was motiviert uns, dieses oder jenes zu tun? Und das ist sicherlich die Hoffnung, dass wir durch unser Tun Einfluss darauf haben, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen, bzw. die Angst, dass wir mit unserem Tun oder Unterlassen, das Gegenteil passiert.
Was mir auch nicht klar ist: Was genau meinst du mit dem Zusatz in Klammer „der selbstbestimmte Anteil, die Gefühlsebene“? Also erstmal versteh ich das so, dass die Zukunft zum Teil selbstbestimmt ist, dieser selbstbestimmte Anteil ist die Gefühlsebene. Richtig? Aber wie meinst du das? Dass man seine Gefühle selber bestimmen kann? Das stimmt ja so richtig m. E. nicht. Allerdings kann die einem natürlich auch niemand vorschreiben. Insofern hast du auch irgendwie Recht. Trotzdem versteh ich das im Zusammenhang deines Satzes nicht. Du benennst die zweite „Motivation für das Leben“ als die „Erwartung (Angst bzw. Hoffnung) aus Unsicherheit über die Zukunft (der selbstbestimmte Teil, die Gefühlsebene)“. Meinst du damit, dass nur die Unsicherheit über die Zukunft der Gefühlsebene solche (motivierenden) Erwartungen auslöst? Oder einfach, dass Angst und Hoffnung dieser Gefühlsebene angehören? (Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn mehr, oder?) Du siehst, ich steh echt auf dem Schlauch…
Was
würde sich ändern, wenn man die Zukunft weitgehend (oder ganz:
Klaus hat für den selbstbestimmten Anteil recht, für die
Gefühlsebene m.E. nicht) kennen würde? Die Notwendigkeit wäre
unverändert, aber Angst wäre ob der Gewissheit eigentlich
nicht mehr erforderlich. Und ich müsste nicht aus Erfahrung
heraus handeln (meine Ausgangsfrage).
Kathleen hat jetzt eine mögliche Antwort zur zweiten
Motivation geschrieben:
Denn diese Form des Wissens wird immer abstrakt bleiben, wenn
das Erleben fehlt!
Die Erwartung (Hoffnung) auf das Erleben, auf die eigene
Erfahrung wird eine Motivation sein.
(Angst und Hoffnung kann man sowieso nicht als sich
gegenseitige bedingende Gegenpole darstellen. Hoffnung wird
bleiben)
Ich zitiere obigen Abschnitt mal komplett, muss es aber (tut mir leid) doch noch ein wenig aufdröseln. Zuerst wieder das oben in Klammer „Klaus hat für den selbstbestimmten Anteil recht, für die Gefühlsebene m. E. nicht“. Also ganz anders, als ich es oben verstanden hatte? Die Gefühlsebene ist das Gegenteil zum selbstbestimmten Anteil?
Klaus schreibt:
Wenn man die Zukunft kennen würde und dann trotzdem jeder selbstbestimmt handeln KÖNNTE - würde man die Zukunft nicht kennen.
Du sagst, für den selbstbestimmten Anteil der Zukunft hat er Recht. Das heißt, du meinst dass wir die Zukunft dieses selbstbestimmten Teils nicht kennen können? Aber unsere Zukunft auf der Gefühlsebene können wir kennen, weil das der Möglichkeit selbstbestimmt zu handeln nicht widerspricht? Wenn ja, warum? (Mir scheint, ich hab noch gar nicht kapiert, was du mit „selbstbestimmtem Anteil“ und „Gefühlsebene“ eigentlich meinst…)
Weiter: Auf die Frage, was sich ändern würde, wenn wir die Zukunft weitgehend (was auch immer das heißt), kennen, sagst du die Notwendigkeit (Selbsterhaltungstrieb) wäre unverändert. Soweit klar. Aber „Angst wäre nicht mehr erforderlich“ find ich komisch. Schon die Wortwahl „erforderlich“ erstaunt mich. Erforderlich ist Angst m. E. höchstens als Warnsignal vor Gefahr. Aber sehr häufig, denke ich, ist Angst auch in Situationen da, wo sie eher hinderlich als erforderlich ist. Auch ohne erforderlich zu sein, ist sie häufig da. Ich schreib dazu weiter unten noch mehr.
Deine weitere Schlussfolgerung, mit Hinweis auf deine Ausgangsfrage lautet: „Und ich müsste nicht aus Erfahrung heraus handeln.“ Das stimmt natürlich unter bestimmten Voraussetzungen. Wir müssen (da wir die Zukunft nicht (genau) kennen), Erfahrungen sammeln, Dinge ausprobieren, von denen wir nicht ganz sicher sind, ob sie funktionieren um daraus zu lernen. Wir profitieren auch zu einem großen Teil von den Erfahrungen anderer (obwohl das nicht ganz dasselbe ist, wie eine Erfahrung selber gemacht zu haben…).Wenn wir um die Zukunft wissen würden, und diesem Wissen vertrauen würden (nicht so wie manchmal bei Erfahrungen anderer), müssten wir tatsächlich keine Erfahrungen mehr machen. Wir würden immer wissen, wie etwas gelingt. Du zitierst dann wieder Kathleen, dass diese Form des Wissens immer abstrakt bleiben wird, wenn das Erleben fehlt. Das ist wohl irgendwie das, was ich auch schon umständlich versucht hab, deutlich zu machen. Wenn wir wissen, dass dieses oder jenes Tun, zu dem gewünschten Ergebnis führt, würden wir es wohl tun. Aber das heißt vielleicht (je nachdem, wie dieses Wissen beschaffen ist) nicht, dass wir dann mit diesem ursprünglich gewünschten Ergebnis auch zufrieden sind, weil der Weg dorthin, das konkrete Erleben uns vielleicht so verändert hat, dass es nicht mehr richtig für uns ist.
Wenn man erfährt, das einem dieses oder jenes schlimme widerfahren wird, wird man davor mit höchster Wahrscheinlichkeit immer noch Angst haben.
Aber doch nur aus unserer jetzigen Situation der Unsicherheit
und fehlenden Erfahrung heraus. Wenn ich die Zukunft nach
diesem schlimmen Ereignis ebenfalls kenne, weshalb sollte ich
mich dann ängstigen? Die einzig nachvollziehbare Angst wäre
die vor dem Ableben.
Nein, das seh ich nicht so. Ganz banales Beispiel: Angenommen, ich weiß, dass ich Krebs bekommen werde, dass das aber frühzeitig festgestellt wird und ich dadurch nach langwieriger, schmerzhafter und anstrengender Therapie wieder gesund werde, kann ich doch vor dieser Erkankung trotzdem eine Heidenangst haben. Hätte ich zumindest ziemlich sicher.
Mir ist nicht so recht klar, was du damit eigentlich meinst…Wie kommst du darauf, und was soll das heißen, dass der Mensch wohl, wenn er seine Zukunft sicher kennen würde, entsprechende Anlagen und Voraussetzungen hätte?
Das sollte jetzt verständlicher sein?
Mit deinem Satz „er benötigt daher auch keine Ziele“, bestätigst du m. E. das was Kathleen geschrieben hat. Dass nämlich genau das eintritt, wenn man alles vorher wüsste.
Mir scheint es zu allererst wichtig zu sein, zu überlegen, ob die Zukunft, wenn wir sie kennen würden, determiniert wäre. Wenn ja, gäbe es m. E. tatsächlich keinen Anreiz, überhaupt
irgendwas zu tun.
Es verbliebe z.B. die Erwartung auf das Erleben als Anreiz.
Hm… Wenn uns aber klar ist, dass dieses Wissen um die Zukunft anders ist, als das Erleben, können wir uns auf dieses Wissen doch gar nicht verlassen. Ich kann dann nicht einfach gelassen sagen: „Ich weiß ja, dass alles gut wird.“ Weil ich eben nicht weiß, ob ich es bei oder nach dem konkreten Erleben immer noch so gut finde, wie beim abstrakten Vorauswissen.
Ich hab keine Ahnung! In mir macht sich bei dieser Vorstellung Resignation breit.
Weshalb?
Du lebst doch auch jetzt sehr häufig die Vorfreude. Eure m.E.
ungerechtfertigte Einschränkung auf negativ gefühlte Dinge
wieder aufnehmend: Auf einen schönen Abend mit jemanden, den
du magst, auf die Raftingtour, …
Den Grund für das Gefühl der Resignation hab ich bereits versucht, zu beschreiben:
Wenn wir wüssten, dass alles genau so kommt, wie vorherbestimmt, egal, was wir tun, was würden wir dann überhaupt noch tun? Ich hab keine Ahnung! In mir macht sich bei dieser Vorstellung Resignation breit. Aber diese Resignation hätte Null Wirkung und wenn das, was ich denke, fühle und tue überhaupt keine Wirkung hätte, dann wäre das m. E. in etwas gleichzusetzen mit Nichtexistenz.
Ich hatte das ja bezogen, auf die Vorstellung einer vollständig determinierten und deshalb wissbaren Zukunft. Wo da noch Platz für Vorfreude sein soll, wenn ich bei allem ganz genau weiß, dass es ganz genau so kommt, ganz egal, was ich tue oder lasse, weiß ich echt nicht. Kannst du das nicht nachempfinden? Wenn alles so passiert, wie es passieren muss, ganz unabhängig davon, was ich tue oder nicht tue, kann ich für nichts kämpfen, für nichts einstehen, es wäre sinnlos sich für irgendwas Mühe zu machen, weil der Erfolg davon unabhängig ist, weil es keinen Erfolg gibt. Alles wäre (aus heutiger Sicht) sinnlos. Natürlich kannst du Recht damit haben, dass wir evtl. diese Art von „Sinn“ dann gar nicht bräuchten, aber das erinnert mich dann eben eher an das Leben eines Tieres. Wären wir dann noch Menschen? Dieses Streben nach „mehr“, das Sammeln von Erfahrungen und das Wachsen daran, gehört für mich so essentiell zum Menschsein dazu, dass es mir nicht gelingt, mir vorzustellen, dass ICH (ich glaube, ich wäre dann keine ICH mehr) dieses Streben, nicht verspürte. Deshalb kann ich mir nur (todesähnliche) Resignation vorstellen.
Das andere wäre, dass wir alle Möglichkeiten und alle Folgen genauestens kennen würden, aber eben nicht festgelegt ist, was genau sein wird.
Ich bin mir momentan auch nicht so recht im Klaren, welche
Abgrenzungen oder Voraussetzungen gesetzt werden sollen. Jede
hätte sicherlich ihre eigenen Lösungen zur Folge. Dieser dein
Ansatz ist sehr interessant.
Damit hätte ich ganz allein alles in der Hand. Ich wüsste, was passiert, wenn ich dieses oder jenes tue und was daraus folgt und was wiederum daraus folgt usw. Ich könnte mein ganzes Leben bis zum Ende genauestens durchplanen.
Und auf was würdest du verzichten? Auf alles Unangenehme…
Paradiesische Vorstellung. Ich schließe mich an
Hm… Nein, irgendwie keine paradiesische Vorstellung… So sehr ich natürlich immer im konkreten Fall alles Unangenehme vermeiden möchte, so sicher bin ich mir, dass so ein Leben nicht erstrebenswert ist. Im Grunde bin ich froh, dass ich nicht alles weiß und alles planen kann. Es würde mir sicher nicht gelingen, bewusst irgendwelche Unanehmlichkeiten einzuplanen (wäre ja irgendwie auch Käse), aber ich bin eben auch sicher, dass ich mit einem Friede-Freude-Eierkuchen-Schlaraffenland unzufrieden wäre. Ganz abgesehen davon, dass es eben, wie schon erwähnt (vor allem von Kathleen), Dinge gibt, die man, hätte man sie genau gewusst, sicher vermieden hätte. Trotzdem ist man im Nachhinein froh, dass sie geschehen sind. Entweder im Sinne von „Lieber so als gar nicht“, oder sogar tatsächlich mit der Erkenntnis, dass der Schmerz unumgänglich notwendig war. Da kommt auch das wieder in Spiel, dass das Erleben anders ist, als das Wissen.
Aber kann ich denn da auch schon miteinbeziehen, zu wissen, wie ich mich entscheiden werde, wenn ich dieses oder jenes bereits erlebt habe? Angenommen, ich weiß von jetzt an, ganz genau, was alles passieren würde. Mit der ersten Entscheidung, die ich von da an treffe, ist wieder alles festgelegt, weil ich dadurch, dass ich weiß, was passiert, auch weiß, wie ich mich in Zukunft entscheiden werde. Damit ist es undenkbar, dass ich in einer späteren Situation anders handle, als ursprünglich gedacht, selbst wenn diese Möglichkeiten alle zur Auswahl standen, oder?
Eine unendliche Anzahl von Kombinationen/Möglichkeiten: Man
würde sich vermutlich nicht zu einer Entscheidung durchringen
können. Totale und ausschließliche Selbstbestimmung ==> Eremit
==> Keine Gesellschaft.
Wobei auch das eine Entscheidung ist…
Schön, dass ich nicht alleine mit spekulativen Gedankengängen
hier rumgeistere.
…
Spekulative Grüße
M.