Was denken die Griechen?

hallo

in deutschland hätten ja viele inzwischen nichts mehr dagegen, wenn griechenland aus dem euro austritt. egal was für folgen das hätte (kurzfristig hauptsächlich auf dem balkan/südosteuropa), ist es für viele auf dauer besser als ein rettungspacket nach dem nächsten…zudem die griechen ja anstatt massiv ihr verhalten zu ändern (korruption bekämpfenm, privatisierungen staatseigentum etc.), zu tausenden auf die strasse gehen und demonstrieren.
ich verstehe die wut auf seiten der griechen, weil ihre eigenen politiker unfähig sind und waren (aber sie haben sie ja selbst gewählt) und weil hauptsächlich mit dem geld die europäischen banken gerettet werden, welche auf haufenweise griechischer staatsanleihen sitzen.

als kleiner griechischer bürger käme ich mir auch verschaukelt vor. aber die wut auf deutschland kann ich nicht nachvollziehen. die wut sollte sich doch eher gegen ihre eigenen politiker und das finanzsystem richten.

und was mich interessieren würde: was denken die kleinen griechen von der strasse wie sie diese krise lösen können? sie werden massive kürzung von privilegien hinnehmen müssen. und sie werden auch einsehen müssen, dass sie extrem über ihre verhältnisse gelebt haben, ganz gleich, ob das geflossene geld unfair unter den griechen verteilt wurde (sind sie denn auch nicht extrem wütend auf die reichen griechen, die sich die taschen gefüllt haben?).

mir ist durchaus klar, dass die griechen zuerst an sich selbst denken (wie jeder, gesunder egoismus halt) und ihnen daher mehr oder weniger egal ist, was sie der europäischen idee und der europäischen integration für extremen schaden durch ihr handeln zugefügt haben.

ich sehe die massiven proteste und demonstrationen der griechen in den nachrichten. zumeist protestieren sie gegen die sparvorhaben der regierung und damit für einen fortbestand des status quo.

meine fragen (und nur dazu wünsche ich mir antworten, kein griechenbashing oder anderes!!) sind nun:
wollen die griechen im €-währungsraum bleiben und dafür auch viele opfer auf sich nehmen? wollen sie ihre einstellungen zu korruption, steuerehrlichkeit etc. fundamental ändern?
oder wollen sie aus dem euro austreten und die drachme wieder einführen?
aus deutschland kennt man ja die zahlen…72% gegen neue rettungspackete…für austritt griechenlands auch schon eine eideutige mehrheit…

meine frage an griechen oder griechenlandkenner hier im forum: was für zahlen und umfragen gibt es denn bezüglich der krise in den griechischen medien?
Über die wut und die demos wird viel berichtet. meine frage ist jetzt nicht wogegen der normale grieche ist, sondern wofür? was hält er für ein gutes vorgehen gegen die krise? er wird ja nicht ernsthaft denken, dass die übrigen eu-mitgliedsstaaten griechenland immer wieder kredite gewähren und sich dann nicht einmischen dürfen. irgendetwas muss griechenland im gegenzug anbieten (quid pro quo).

würde mich über antworten freuen, die einem helfen das innenleben des griechen verstehen zu können.

Mein Kollege sagt immer, die Griechen würden nach dem Motto leben, wenn Du mir Geld leihst, und ich nicht zurückzahlen kann, bist Du schuld.

Regt er sich immer drüber auf. Ich denke, irgendwo ist das doch richtig.

Wenn man überlegt, wie sehr man doch normaler Weise die Hosen runterlassen muss, um Kredit zu bekommen, kann ich doch auch erwarten, dass der Kreditgeber ordentlich meine Kreditwürdigkeit überprüft hat. Das gilt aber doch für jeden. Ich habe absolut kein Mitleid, z.B. für Leute, die glaubten, die Bank/Sparkasse in Deutschland sei ein Verbrecherladen, weil sie nur halb so viel Zinsen zahlt, wie die Isländische XY -Bank. Und wenn die dann Pleite geht, ist das geschreih groß.

Jeder , der Geld hat und das jemand verleiht , sollte eben eine gewisse Vorsicht walten lassen. Daher auch garnicht mal soviel Mitleid für die Deutschen, wenn sie in Griechenland Geld verlieren, nur weil sie ihre Exportgeilheit befriedigen wollten ( Der Anstieg der griechischen Nettoauslandsverschuldung entspricht den aufgelaufenen Leistungsbilanzdefiziten).

Was wollen die Griechen ? So viel wie möglich, ist doch klar und nachvollziehbar. Darin unterscheiden sie sich nicht grundsätzlich von den Deutschen.
Sprich der Lieblinsspruch von - ich glaube es war Westerwelle - „heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd andre an“ gilt dort wie hier.
Und letztendlich ist es dort so wie hier, dass es zwar eine Mehrheitsmeinung gibt, sich die Leute aber wohl kaum über die Konsequenzen dessen, was sie wollen im Klaren sind. ( Lass doch mal alle, die für einen Austritt Griechenlands sind, sagen, was und das kostet und beweisen (!) dass jede andere Alternative - wenn sie von den sicher mehr als 3 überhaupt alle in Betracht ziehen - teuerer sind ).

Wenn das, was „über den Verhältnissen“ ins Land gebracht wurde nur unter einigen wenigen Köpfen aufgeteilt wurde, geht der Protest derer, die nichts abbekommen haben, meiner Meinung nach voll in Ordnung. Allerdings stellt sich dann die Frage, wenn die Mehrheit beschissen wurde, warum sie dann nicht eine andere Regierung wählt…
sogesehen geht es doch ein wenig in die Richtung „selber schuld“

Grüßle

Eric

Wenn man überlegt, wie sehr man doch normaler Weise die Hosen
runterlassen muss, um Kredit zu bekommen, kann ich doch auch
erwarten, dass der Kreditgeber ordentlich meine
Kreditwürdigkeit überprüft hat.

Das kann er allerdings nicht, wenn der Kreditnehmer gefälschte Zahlen vorlegt. Genau das haben die Griechen gemacht.

Sprich der Lieblinsspruch von - ich glaube es war Westerwelle

  • „heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd andre an“
    gilt dort wie hier.

Ja, und dort ist es nicht einmal mehr nur eine Redewendung. Tatsächlich sind die Eigentumsdelikte im ersten Halbjahr 2011 in Griechenland gegenüber dem Vorjahr drastisch angestiegen (Einbruch, Diebstahl (je 30-40%), Raub 100%).

Gruß
C.

Hallo,

und was mich interessieren würde: was denken die kleinen
griechen von der strasse wie sie diese krise lösen können?

wie es immer ist: manche wissen, daß der Haushalt saniert werden muß und sind bereit, die Konsequenzen zu tragen, manche wissen es und wollen, daß andere die Konsequenzen tragen und manche machen alle anderen für die Haushaltslage verantwortlich und sehen keinen Grund für Veränderungen.

Das Problem ist, daß das ganze System total verquast ist. Natürlich hat in Griechenland nicht jeder so viel Steuern bezahlt, wie er hätte bezahlen. Das wurde aber natürlich auch bei der Lohnpreisfindung berücksichtigt. Wenn nun die Steuern erhöht und tatsächlich auch eingetrieben werden und gleichzeitig mit der Wirtschaft auch die Löhne schrumpfen, haben viele Menschen ein Problem.

Daß zu wenig Geld da ist, wird schon verstanden. Nur fehlt es bei manchen an der Einsicht, warum das so ist. Manche wissen, daß Geld fehlte, weil der Haushalt aus dem Ruder gelaufen ist und nun erst recht fehlt, weil die Wirtschaft schrumpft. Manche sind halt der Ansicht, daß Geld fehlt, weil diejenigen, die welches versprochen haben, nun nicht auszahlen wollen.

„Manche“ kann ich aber in keinem Fall mit Zahlen unterlegen; ich habe zwar schon von einigen Umfragen gehört, aber erstens widersprachen die sich und zweitens glaube ich nicht unbedingt jeder Zahl, die aus Griechenland kommt - und das beeinträchtigt mein Erinnerungsvermögen.

Gruß
Christian