Hallo Sausewind,
ich bin überrascht, jetzt noch eine Antwort zu erhalten, freue mich aber darüber - auch wenn heute dieser Begriff aus meinem „Fokus“ entschwunden ist, nachdem ich einige Monate lang in einem (sogar eher seriösen) Partnersuchforum immer wieder in den selbstausgefüllten Profilen bei einigen Frauen fand, dass sie „wertebewusst“ seien, während ich in dem Bereich „Worauf kommt es Ihnen bei Ihrer Partnerin an“ etwas völlig Anderes angekreuzt hatte: „Lebenslust“".
Nun - ich habe den Ausflug in diese Partnersuche ergebnislos beendet, denn nach entlichen Gesprächen, Telefonaten und so 150 bis 200 E-Mails kam ich zu dem Schluss: Völlig gleichgültig was wer angekreuzt hatte: Die Selbstwahrnehmung scheint sehr oft in die Irre zu führen. Mich selbst nehme ich da gar nicht aus! Resumee aus dem Ganzen ist für mich im Grunde das neue Bewusstsein eines Wertes:
Ich wurde mir bewusst, wie viel es mir wert ist, niemanden um mich zu haben, mit dem ich mich arrangieren oder gar herumstreiten muss, sondern dass ich als Single (bin jetzt 61) in und mit meinem Leben jederzeit tun und lassen kann, was ich will, ohne eine Partnerin nach ihrem Einverständnis fragen zu müssen und ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich „sowieso mache, wonach mir gerade ist“.
Das Bewusstwerden dieses bis dahin in mir unbewussten Wertes hat zu der für mich erstaunlichen Erkenntnis geführt, dass ich für diesen o.g. Wert bereit bin, Die manchmal auftretenden Zeiten empfundenen Alleinseins und eines mangelnden Gegenübers für kommunikativen Austausch (geistig und/oder körperlich) bewusst in Kauf zu nehmen. Vor dieser Werte-bewusstmachung habe ich mich darüber immer mal wieder ein bisschen gegrämt. Heute sage ich mir: „Du kannst nicht ALLES haben: Nicht die völlige Entscheidungsfreiheit, Selbstbestimmung UND eine Lebenspartnerin!“ Und ich weiß jetzt, dass mir ersteres viel wichtiger ist.
Im Zusammenhang mit der Partnersuche (bzw. mit der dort anzugebenden Selbsteinschätzung) bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die meisten der dort zu beantwortenden Kriterien völlig aus der Luft gegriffen sind, denn die meisten von uns glauben von sich selbst irgendetwas. Wenn sie dann aber auf engstem Raum zusammen mit dem anderen Geschlecht (auch) intim miteinander zurechtkommen müssen, zeigt sich - oft sehr schnell - dass so ziemlich alle Angaben in Partnersuchprofilen getrost überlesen werden dürfen! Die meisten haben nicht annähernd etwas mit der Realität des betreffenden Menschen zu tun. (Wie gesagt: Auch ich kann mich da nicht ausnehmen - habe ich dabei auch gelernt! Offenbar lernt der Einzelne erst in enger/intimer Interaktion mit anderen seiner selbst bewusst zu werden - und dessen, was ihm wichtig ist.
(Ein bisschen „off-topic“): Nicht mal den „harten Zahlen und Fakten“ darf man in Partnersuchanzeigen glauben. Selbst die sind oft ziemlich geschönt - ebenso wie die Fotos, die eventuell publiziert werden. Ich sage nur „Photoshop-Nachbearbeitung mit dem automatischen Kodak-GEM-Airbrushfilter“ - und man/frau sieht auf einen Schlag 10 bis 30 Jahre jünger aus! (Das ist die Technik mit der die Coverfotos von Hochglanzmagazinen im Endeffekt erzeugt werden. Was die Kamera des Fotografen tatsächlich gesehen hat, ist dabei völlig untergeordnet). Ungelogen!
Also: Ich werde (auch) den Rest meines Lebens allein verbringen. Ist vielleicht wirtschaftlich unsicherer, aber psychisch doch sehr viel entspannter. (Ich gehöre NICHT zu denen, die es lieben, sich mit dem Gegenüber zu streiten - aber es scheint nicht wenige zu geben, denen etwas fehlt, wenn sie das nicht täglich haben.)
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Zu Deiner Frage, was wir im Religionsunterricht (im Abendgmnasium) gemacht haben…
Nun, Abendgymnasium hieß bei uns, dass der Durchschnitt aller Schüler etwas älter war, als der Durchschnitt aller LehrerInnen. Und die Spanne war enorm: Die jüngste Schülerin mag so zwischen 25 und 30, die älteste weit über 70 gewesen sein. Wir waren extrem inhomogen - auch ethnisch!
Ergo: Ein durchschnittlich JÜNGERER Lehrer hat Riesenprobleme damit, einem durchschnittlich ÄLTEREN Schüler so etwas wie „Werte“ zu vermitteln. Und ma so nebenbei: Unser Deutschlehrer liebte es, am WOchenende manche Schüler und Freunde zu sich einzuladen - und dann verteilte er selbstgebackene Hasch-Kekse…
Unsere (extrem) junge Mathelehrerin war so knackig und prall - da haben zumindest alle Männer an ganz andere Dinge gedacht, als an „Werte“, die eine oder andere lesbische MitschülerIN auch (weiß ich aus Gesprächen mit denselben).
WENN sich uns im Bischöflichen (!) Abendgymnasium IRGENDEIN Wert vermittelt hat, dann war es TOLERANZ gegenüber ALLEM und JEDEM - auch was anders ist, als man selbst - mit Ausnahme der Toleranz gegenüber Gewaltbereiten oder Demokratiefeinden.
Religion…
Wir hatten einen lieben netten korpulenten (sichtbar sinnesfrohen) Pfarrer - ungefähr in meinem Alter. Es war eine LUST, mit ihm über Gott und die Welt zu reden, weil so völlig anders, als in meiner noch hitlergeprägten Grundschulzeit (1957-1961) in der die Kriegsväter noch das Sagen hatten. Die hatten entweder völlig falsche (immer noch nationalistische) oder gar keine Werte mehr.
Ach - unsere Abendgymnasiums-Religionsstunden waren einfach nur unterhaltsam. Aber frag’ mich bitte nicht, was davon bei mir hängen geblieben ist…
Doch - eines: Ich war der einzige in der Klasse, der eine transportable Heimorgel hatte und auf dieser auch (ein bisschen) spielen konnte. Ich war ganz stolz, einmal im Monat (da war in der Aula Schulmesse), meine Orgel da anschleppen und die musikalische Untermalung geben zu dürfen. Gut, da waren auch ein paar „echte“ Kirchenlieder (moderner Art) dabei. Aber was mir besonders gefiel, war, das mir und der gesangsgruppe gestattet war, auch zeitgemäße Songs (Pop), sofern sie im weitesten Sinne religiös verstanden werden konnten, zu spielen. („Morning has broken…“ u. ä.). Hach das war einfach nur eine schöne Zeit! Aber sie ist 20 Jahre vorüber. Kontakte zu den anderen habe ich keine mehr. Und aus der katholischen Kirche ausgetreten bin ich unmittelbar nach Abschluss des Abendgymnasiums, weil ich mich schwer geärgert habe, wie intolerant sie mit meinem tiefenpsychologisch gleichgesinnten Eugen Drewermann umgegangen war: Absolut INTOLERANT - also GEGEN meine Werte!
Das letzte, was Du schreibst, finde ich hochinteressant: Nein, ich denke nicht „Geiz ist geil“, zumal ich begriffen habe, dass es immer noch etliche (Besserverdienende) gibt, die eher nach dem Motto kaufen: „Was nix kostet, taugt auch nix“. Trotzdem kaufe ich nur noch „billiges Zeug“ bei bekannten Discountern - einfach, weil ich vor 4 Jahren mein Einkommen verloren habe (war und BIN immer noch Selbstständiger, hab’ aber aufgrund der ‚entlassungsbedingten‘ (Verlust meines Haupt-Auftraggebers) schweren Depression keinerlei Antrieb mehr, noch zu irgendetwas zu leisten. Leider habe ich für staatliche Hilfen immer noch zu viel (für’s ALter) Selbstgesparte. Aber: Ich kann mir einfach nichts mehr leisten. Nein, ich schäme mich also nicht, wenn ich die Margarine dort kaufe, wo ich für 500 Gramm nur 49 Cent bezahle! Aber das ist kein Geiz - das ist Sachzwang!
Und damit sind wir schon bei Deiner anderen Frage:
JA - ich lebe gezwungenermaßen (!) nach den Werten der Anderen (den Werten der Egoisten, die global das Geld und die Vermögenswerte an sich reißen und sogar mit Geld spekulieren - und dabei unsere ganze Welt kaputtmachen). Ich muss sicher nicht sagen, dass man sich in einer kapitalistisch strukturierten Welt diesen „wirtschaftlichen Sachzwängen“ nicht entziehen kann - es sei denn, man ist bereit, auf der Straße zu leben oder - wie Dionysos - in einer Tonne. Das bin ich aber nicht! Ich brauche ein Minimum an Komfort: Ein Dach über’m Kopf, ein Bett, was zu essen und Strom für meinen Computer. Das kann ich mir (so gerade eben) noch leisten, und ich tröste mich damit, dass ich diesen Zustand - statistisch gesehen - wahrscheinlich nur noch etwa 20 Jahre lang ertragen werden muss.
Mit anderen Worten: Meine eigenen WERTE haben sich auf die Grundbedürfnisse reduziert, wobei alles, was im weitesten Sinn mit Sinnlichkeit zu tun hat seit der Depri sowieso schon passé ist. Und was die Depri selbst nicht geschafft hat, haben die Antidepressiva geschafft. Meine Werte sind also seeehr bescheidener Natur.
Resumé:
Wenn jemand von sich behauptet, er oder sie sein „wertebewusst“, dann weiß ich genau so viel, als wenn er das nie gesagt hätte.
NOTWENDIGE Voraussetzung um etwas damit anfangen zu können: Er/Sie muss jeden einzelnen Wert dessen er/sie sich bewusst ist, explizit und eineindeutig beschreiben.
HINREICHENDE Voraussetzung: Er/Sie muss - über eine hinreichend lange Zeit - auch in Extremsituationen ganz lebenspraktisch beweisen, dass er/sie eben diese genannten Werte auch wirklich selbst lebt - auch wenn er/sie dabei vielleicht draufgeht (ich denke gerade an den Widerstand unter Hitler).
Ahnst Du schon meine damit gemachten Erfahrungen?
Genau: Die meisten reden nur schön. Handeln tun sie ganz anders. Und wenn sie unter irgendeinen Druck gesetzt werden, kommt sogar oft das Gegenteil zu Vorschein. (Letzteres nannte Carl Gustav Jung den „unbewussten Schatten“ und meinte damit all das, was ein Mensch AUCH ist, aber aufgrund irgendwelcher moralischen oder sonstigen Vorschriften glaubt, nicht sein zu dürfen.)
Herzliche Grüße
Fatz…*
*) Habe mich „umgetauft“ von Fatzikowsky in FatzManiac.