Was genau ist das Schlimme an einem Crash am Aktienmarkt?

Ich habe es noch nicht ganz verstanden, warum ein Crash an den Finanzmärkten so einen verheerenden Einfluss auf die Real-wirtschaft hat.
Liegt das grundsätzlich alles nur an den abverkauften Kursen?
Also, dass weniger Leute investiert sind und somit das Geld für Investitionen in einer Firma fehlt?
Oder gibt es da noch andere Aspekte?
Weil nach jedem Crash gingen ja die Arbeitslosenzahlen nach oben, also scheint es nach jedem Crash Probleme in der betroffenen Volkswirtschaft zu geben…
Und es wird ja oft davon gesprochen, dass Banken es in Krisen nicht leicht haben und kurz vor dem Bankrott stehen…wie steht das in dem Zusammenhang mit einem Crash?

Ich hoffe mir kann das jemand hier gut erklären…

MFG zuitt322

Hallo,

das ist eine einfache Frage mit einer komplexen Antwort. Ich werde mich mal daran versuchen.

Wenn der Kurs einer Aktien fällt (in einem Crash bspw. von 100€ auf 50€) ändert das ja nichts an der Anzahl der Aktien, die sich im Umlauf befinden. Die Aktien wechseln nun für weniger Geld den Besitzer, die Aktien an sich bleiben vom Kurs aber unberührt. Deshalb stimmen auch typische Börsenkommentare wie „die Anleger flüchten aus XY“ nicht, denn es gibt nachher noch genau so viel wie vorher, es haben sich nur die Besitzverhältnisse geändert.

Geld fehlt den Firmen per se auch nicht, denn wenn sie welches brauchen bekommen sie das entweder von einer Bank oder durch die Ausgabe einer Anleihe. Wenn der Anleihemarkt vom Crash ebenfalls betroffen ist hat das auch das noch keinen direkten Einfluss auf eine Firma, die Anleihen begeben hat. Anleihen sind letztendlich Schuldscheine, die Anfangs zum Ausgabewert verkauft werden (bspw. 100€ pro Stück). Sinkt der Kurs dieser Anleihe am Markt nun auf 50€, so ändert das nichts an der Situation der Firma, denn diese hat ja ihre 100€ bereits bekommen. Im Gegenteil, sie könnte sogar hingehen und ihre eigenen Schulden aufkaufen und so Geld sparen.

Das Problem eines Crashes hat zwei Seiten: Die Nachfrage-Seite und die Psychologie-Seite.
In den USA sparen Arbeitnehmer für ihren Ruhestand über den Finanzmarkt, während Deutschland ein umlagefinanziertes System (Einnahmen heute == Ausgaben heute, stark vereinfacht) hat. Crasht nun der Aktienmarkt so hat das ganz reale Auswirkungen auf das Rentenkonto vieler Amerikaner. Diese „entsparen“ im Ruhestand ihr Depot, in dem sie Stück für Stück die angehäuften Aktien und Anleihen verkaufen. Sind die Kurse nun im Keller, so sinkt das verfügbare Einkommen und damit der Konsum. Dann wird bspw. die Anschaffung eines neuen Autos auf die lange Bank geschoben.

Dieser Einfluss auf die Nachfrage hat natürlich Einfluss auf die zukünftigen Erwartungen und damit auf die Psychologie. Wenn die Konsumenten weniger Geld in der Tasche haben sinkt die Nachfrage. Sinkt die Nachfrage lohnen sich eventuell Investitionen (in neue Maschinen, etc.) nicht mehr. Somit sinkt die Nachfrage für neue Maschinen. Ein sich selbst vestärkender Kreislauf beginnt. Irgendwann erreicht dieser natürlich eine Talsohle, ab der es dann wieder bergauf geht.

Das ganze Thema ist noch deutlich komplexer und hat deutlich mehr Faktoren, ich wollte aber zumindest versuchen, eine Antwort zu geben.

Gruß,
Steve

Nein, das stärkste Gift ist die Verunsicherung und die resultierende Abwärtsspirale:
Sie führt zur Zurückhaltung beim Konsumenten, sinkenden Umsätzen und unterlassenen Investitionen bei den Unternehmen.
Bei fallenden Kursen sinkt auch die Möglichkeiten für Unternehmen, Investitionen über die Börse oder Kredite zu finanzieren. In solchen Phasen gehen dann auch immer wieder Firmen pleite, die vielleicht schon vorher auf wackeligen Beinen standen.

Solche Spiralen funktionieren natürlich auch umgekehrt und führen beim Platzen der Blase dann gerade zu diesen Crashs. Dabei ist es unerheblich, ob der Auslöser in der Finanz- oder Realwirtschaft entsteht.

Ciao, Allesquatsch

Haallo,
mal grundsaetzlich zu den Aktien. Sie entstehen, wenn eine Firma Aktien ausgibt, danach im Normalfall und sehr lange hat die Firma ihr Geld und die Aktionaere die Aktien plus jaehrlich Dividende.
Bei einem Crash aendert sich nicht die Anzahl der Aktien. (Anders als Du es oben wohl meinst.) Es sind nicht weniger oder mehr Aktien. Wenn Aktien verkauft werden, bleibt die Anzahl gleich.
Es haben nur andere Aktionaere dieselben Aktien.
(Wenn Du privat einen Gebrauchtwagen von privat kaufst, oder verkaufst, werden die Autos auch nicht weniger.)
Der Preis ergibt sich aus Angebot und Nachfrage. Wenn jemand eine Aktie Wecker-AG zu 100 Euro beim Crash fuer 12 Euro anbietet, und ein anderer meint, fuer 12 nehme ich die Aktie gerne mit, sie ist mir billig genug, dann kommt der Kauf / Verkauf zustande und der Kurs faellt von 100 auf 12. Natuerlich nicht wegen wenigen Aktien, sondern bei grosser Stueckzahl, aber im Prinzip. Starke Preisaenderung nach unten, bei vielen Aktien, nennt man dann als Beobachter „Crash“. Die Firma Wecker-AG hat mit dem Handel normal nichts zu tun, selten werden Aktien zurueckverkauft.
Gruss Helmut

Hallo,
ich versuch’s mal mit einer alternativen Erklärung. Es gibt zwei Voraussetzungen: Erstens, die Märkte sind effizient, d.h. niemand ist in der Lage künstlich zu teure oder zu billige Aktien, Renten, etc. auf Dauer anzubieten. Zweitens, in jedem Kurs sind alle bis zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Informationen „eingepreist“.

Wenn man diesen beiden Punkten glaubt, dann folgt daraus, daß mit einem Kursverfall plötzlich neue (negative) Informationen verfügbar geworden sind. Und zweitens folgt daraus, daß die Märkte eigentlich nur eine Art Barometer für Informationen sind, keine Aktie, keine Anleihe, kein Rohstoff verbilligt (oder verteuert) sich grundlos.

Von daher ist eigentlich nicht die Frage, daß/ob ein Crash etwas Negatives nachsichzieht, sondern das Negative ist bereits bekannt und infolgedessen stürzt der Markt ab. Wir beobachten also ein Ergebnis und schließen auf die Ursache, ganz ähnlich wie in der Physik, wo man oft nur die sogenannte Wirkung sehen oder messen kann.

Auf der anderen Seite solltest Du wissen, daß man in der Wirtschaft oft mit Erwartungen rechnet. Ein Kursverfall an einem Markt bedeutet also nicht, daß jetzt gerade etwas schlechtes geschehen ist, sondern daß sich die Erwartungen an die Zukunft (z.B. für morgen, für’s nächste Quartal oder für die nächsten 5 Jahre) negativ verändert haben. Und je mehr sich diese Erwartungen zu bestätigen scheinen, desto mehr preist der Markt die Korrektheit der Informationen ein. Das erklärt, warum der Markt nicht in einem Rutsch von, sagen wir, 10000 auf 2000 fällt.

Die Erklärungen, die auf die psychologischen Effekte abzielen sind ganz nett und auch nicht falsch, und auch die Nachfrageeffekte spielen sicherlich eine Rolle, wenn auch nicht unbedingt bei uns in Deutschland und auch nicht kurzfristig. Viel relevanter ist da ein ganz profanes Problem: die größten Aktionäre sind Unternehmen und darunter wiederum vor allem Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften (also die Ausgeber von Fonds), Kreditinstitute und andere Kapitalsammelstellen. Dort ergeben sich bei einem Absturz der Aktienkurse ein paar Probleme.

Erstens entsteht bei einem Wertverlust eine größere Lücke auf der Aktivseite, weil auf einmal Vermögen verschwunden ist. Das führt zu Verlusten, zumindest, wenn sich die Kurse bis zum nächsten Bilanzstichtag nicht wieder erholen bzw. wenn die Aktien verkauft werden, um weitere Verluste zu vermeiden. Zweitens, und das ist relevanter, müssen diese Unternehmen liquide bleiben. Da Aktien mit Verlust zu verkaufen nicht so erstrebenswert ist und sich auch aufgrund der Kursrückgänge auch nur ein geringerer Erlös erzielen läßt, kommen bei größeren Abstürzen am Aktienmarkt auch andere Vermögensklassen unter Druck und zwar vor allem jene, bei denen sich die größten Gewinne erzielen lassen (die dann die Verluste aus den Aktien kompensieren können). Je länger die Schwächephase am Aktienmarkt anhält, desto mehr Vermögensklassen werden davon auch betroffen - bis am Ende auch relativ illiquides Vermögen wie z.B. Immobilien (wenn diese nicht sogar Ausgangspunkt der Verluste bei Aktien gewesen sind) betroffen sind.

Wohlgemerkt: das obenstehende ist eine Art Blaupause. Jeder Crash ist anders - sowohl was die Ursachen als auch die Folgen angeht.