Was geschah mit den übrig gebliebenen Waffen- und Rüstungsbeständen der Wehrmacht nach 1945?

Hallo und Guten Tag,

nach der Kapitulation am 7. Mai 1945 waren doch noch jede Menge Waffen- und Rüstungsbestände in Deutschland übrig: Gewehre, Pistolen, Panzer, Munition, Kriegsflugzeuge, Kriegsschiffe, Flaks etc. pp…
Was geschah eigentlich damit? Wurden diese Waffenbestände nach der Kapitulation Deutschlands von den Alliierten verschrottet? Wo? Gab es da zentrale Plätze, wo z.B. Panzer und/oder Flugzeuge demontiert wurden? Was geschah mit dem Schrott danach? Und Kriegsschiffe? Wurden die einfach versenkt?

Oder wurde das Kriegsgerät, soweit noch funktionstüchtig, auch als „Beutegut“ für die jeweils eigenen Armeen beschlagnahmt? Und dann z.B. nach Großbritannien, Frankreich oder die Sowjetunion verfrachtet?

Und 1956 wurde dann ja in der Bundesrepublik die Bundeswehr gegründet. Wurde irgendwas aus Wehrmachtsbeständen in die Bundeswehr übernommen? Oder hat man bei der Bundeswehr von Grund auf alles neu gerüstet, in allen Bereichen? Wurden - zunächst - von irgendwas - z.B. Panzern, Gewehren, Flugzeugen, Schiffen - dann für die Bundeswehr zunächst die gleichen Modelle gebaut, oder hat sich die Bundeswehr von Anfang an mit neuer oder sogar alliierter Rüstungstechnik ausgestattet?

Vielen Dank für Antworten,

Jasper

Hallo Jasper,

eine äußerst komplexe Frage die Du da stellst. Ich versuche sie mal zu beantworten.

Wie Du zurecht beschrieben hast gab es mit der Kapitulation 1945 in Deutschland jede Menge Kriegsgerät was nicht mehr gebraucht wurde. Dieses wurde von den Siegermächten eingesammelt und alles was interessant war in die jeweilige Heimat verschifft (Flugzeuge, U-Boote, usw.)
Die USA beispielsweise, waren sehr an deutscher Flugzeugtechnologie interessiert und haben etliche Maschinen erbeutet und zu Forschungszwecken in die Heimat verschifft (Operation Seahorse). Außerdem haben sie das Segelschulschiff Horst Wessel übernommen. Dieses fährt noch heute als „Eagle“ und wird als Schulschiff durch die Coast Guard genutzt.
Die Sowjetunion hat das Wrack des Flugzeugträgers Graf Zeppelin beschlagnahmt und später als Zielschiff versenkt.
Einige Schiffe und U-Boote wurden auch durch die Marinen der ehemals von Deutschland besetzten Länder übernommen und noch viele Jahre genutzt.

Die Masse des Kriegsmaterials wurde aber zerstört.
In der Operation Deadlight wurden z.B. über 100 U-Boote versenkt. Die deutschen Vorräte an Giftgas wurden ebenfalls in der Ostsee versenkt. Einige Schiffe, darunter der Kreuzer Prinz Eugen, wurden außerdem im Rahmen der Atombombenversuche am Bikiniatoll versenkt.

Da es damals keine deutsche Rüstungsindustrie gab, wurde die Bundeswehr 1956 in der Masse mit gebrauchter Technologie der West-Allierten ausgestattet (Panzer M42, Zerstörer 1, F-86).
Allerdings wurden auch drei U-Boote der alten Kriegsmarine gehoben und wieder in Dienst gestellt (U-Hecht, U-Hai, U-Wilhelm Bauer).

Ich hoffe das hilft Dir weiter,

Dein
Ebenezer

Hallo,

Handfeuerwaffen wurden teils eingesammelt, teils zerstört. Zahlreiche der eingesammelten Waffen gelangten zu neuen Dienstherren. Die frühen Sicherheitskräfte der DDR nutzten den K98, das Stg44 sowie die P38 und die P08. Dabei wurden sie teils überarbeitet und mit neuen Stempeln versehen. Die sogennante „Vopo-08“ erkannte man zB an den veränderten Griffschalen mit dem Kreissymbol. Aber auch anderswo auf der Welt gab es Nachfrage nach deutschem Krieggerät. Siegermächte und andere Kriegsgegner Deutschlands bekamen einen Anteil. Norwegen zB erhielt grössere Mengen an K98 und rüstete diese auf das Kaliber .308 um. Auch Israel bekam K98, anfangs noch originale im Originalkaliber 8x57, später aus Beuteteilen zusammengesetzte und noch später Neufertigungen von FN aus Belgien, ebenfalls in .308. Syrien soll im 6 Tage Krieg auch Panzer IV eingesetzt haben.
Das Stg44 wurde sogar noch von der DDR nach Angola geliefert, soweit ich weiss, auch in einem anderen Kaliber. Der K98 ist heute noch Präsentierwaffe des Wachbattaillons der Bundeswehr.

Gruss Goetz

Das Gewehr 98k ist noch heute bei Präsentationen in Gebrauch.
Der Kampfpanzer „Tiger“ fuhr und schoß noch lange bei
den Finnen.

Antriebsmotoren der S-Boote der Marine liefen noch lange bei der Bundesmarine. Große Lager der Mercedes- und Maybachmotoren waren noch bei der Bundesmarine in Gebrauch.
Alles verziert mit Reichsadler und Hakenkreuz.

Hochseeminensuchboote (Kohle gefeuert) setzten nahtlos ihre Arbeit unter den Engländern
mit deutscher Besatzung fort.

Der Bundesgrenzschutz fuhr noch jahrelang mit original S-Booten (Nachbauten).

Nicht vergessen das menschliche Material ! Die älteren Herren hatten fast alle unter den Nazis gedient.

Globus

Tiger bei den Finnen? Sicher?

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Wäre mir auch neu. Afaik hatte Finnland nur zahlreiche Stug III und 15 (manche Quellen sprechen von 18) Panzer IV J erhalten.

Lg,
Penegrin

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Hallo,
abgesehen von den wenigen hier schon kolportierten Einzelfällen, in denen Großgerät intakt (!) oder zumindest wiederherstellungsfähig erbeutet (oder gleich direkt an Achsenmächte und Neutrale geliefert) wurde, wurde der weitaus größte Teil zerstört. Je größer, je öfter.

Selbstverständlich wurden unzählige erbeutete Handfeuerwaffen noch Jahre danach in mehr oder weniger großem Stil von den Alliierten exportiert (zB in der Tat nach Israel). Sieht man sich aber den irrwitzigen Abwehrkampf an, den die Deutsche Wehrmacht seit etwa Mitte 1943 geführt hat, kann man erahnen, dass da keineswegs soviel intakt war, dass noch ernsthaft größere Mengen an Großgerät „ganz“ blieb. Die Wehrmacht hinterließ eine Spur der Zerstörung, auch an eigenem Gerät, sei es durch absichtliche Zerstörung vor Erbeutung oder schlichtweg durch Kriegseinwirkung der Alliierten.

Das betraf selbst noch Handfeuerwaffen. Beispielhaft sei zB die Ausgabe von alten WKI-Karabinern in der Zeit nach der Operation Bagration zu nennen. An Großgerät kann man mal die Verlustzahlen die der Produktionszahlen des wichtigsten bzw. häufigsten Deutschen Panzers IV gegenüberstellen: In den Monaten ab Mitte 1943 übertrafen die summierten monatlichen Verluste zum Teil deutlich die Jahresproduktion.

Andere Modelle wie der Königstiger kamen gerade mal auf 30 bis 50 Stückzahlen pro Monat. Vergleicht man das mit den Verlustzahlen zB der Ardennenschlacht, in der von den 600 eingesetzten Panzern kaum einer (u.a. dank Selbstzerstörung nach Treibstoffmangel) „heil ins Reich“ zurückkehrte, kann man sich denken, dass der größte Teil des alliierten Beuteguts dem Bereich „Altmetall“ zuzurechnen ist.

Von daher beschränkten sich die wenigen „exportfähigen“ Waffen vorallem aus Direktlieferungen während des Krieges oder produktionsnahen Beständen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Rüstungsindustrie im Deutschen Reich schlagartig am 8. Mai 45 oder bei vorheriger Eroberung bzw. Befreiung die Produktion beendete (da zB massiv von Zwangsarbeitern abhängig).

Das traf nicht in den vormals besetzten Gebieten zu. Hier wurde tatsächlich noch Jahre nach Kriegsende deutsche Rüstungstechnologie „dreist kopiert“ (siehe zB die ME109 der Avia-Werke).

In der Bundeswehr der jungen Bundesrepublik waren zunächst praktisch nur Waffen aus US-Beständen opportun, allein schon aus Gründen der NATO-Vereinheitlichung. Vereinzelte Ausnahmen wie das an NATO-Muntion angepasste MG42 bestätigen da eher die Regel.

Erst ab den späten 1950ern kamen Eigenentwicklungen dazu wie das G3. Großgerät wurde bis auf das schon erwähnte U-Boot nicht weiterverwendet - bedenkt man den zeitlichen Abstand und die Weiterentwicklung seit Kriegsende - zB in der Luftfahrtindustrie oder der Raketentechnik - , ist das auch kein Wunder.

Allerdings erinnerte sich die Deutsche Rüstungsindustrie ziemlich schnell wieder an die „praktischen Erkenntnisse“ aus der Zeit des WKII und begann ab Anfang der 1960er einen entsprechend rasanten Aufstieg - mit zahlreichen Anlehnungen an frühere „Wehrmachtspitzenmodelle“… (siehe „Luchs“ oder „Kanonjagdpanzer“)

Gruß vom
Schnabel

(Zahlenquellen Wikipedia)