Was ist das für ein Dialekt?

Johannisbeeren
Ahea, Martin,
jetzt hoscht misch was gfrogt.

aber noch nicht so arg lang. Sowohl das heutige Baden, als
auch BaWü sind Kunstprodukte.

Stimmt. Aber ich bin halt vom Alter her als „Badnerin“ (oder Badenserin, in der Kurpalz darf man das sagen) sozialisiert. Geographisch gehört Weinheim zu Hessen (ist ja praktisch eingekreist), politisch zu Baden, und sprachlich am ehsten noch zur Palz.

Schönen Dank übrigens für das „hebb ich gewissd“ - ich war der
festen Überzeugung, das hieße bereits ab Sandhofen „honn ich
gewissd“, und das „hebb“ täte bei Lampertheim aufhören.

Jetzt wo ich das von dir geschrieben sehe, muss ich allerdings eine Einschränkung machen. Es geht im Woinemer Dialekt mehr in Richung „des heww isch gewisst“. Mer hewwe dehoam Woinemerisch geredd (in Richtung Karlsruh „schwätze“ se, im Ourewald, im Hessische, werd „gebabbelt“, awer mer redde).

Aber
gescheit Zuhören wird halt mit einsetzendem Altersstarrsinn
schwieriger,

Uffbasse! - du bischt immer noch e Johr jinger wie ich!

und wie 95% der Filsbächer bin ich halt auch
zugezogen – So daß man als Leitfossil zwischen Lampertheim
und Sandhofen eher die unterschiedliche Konjugation von haben
= Hilfsverb und haben = besitzen annehmen könnte? Oder gibts
die parallele Verwendung von gehebbd und gehadde auch noch in
den vorgeschobenen kurpälzer Stellungen?

Im Woinemer Dialekt ist es so (und bitte: das betrifft die sogenannte „Altstadt“, die eigentlich die Neustadt ist, und nicht die Nordstadt, die eigentliche Altstadt :wink: :
Mer hewwe am Samsdag Grießknepp g’hatt. (das „g’h“ fast als K ausgesprochen).
Mer wern am nägschde Samsdag Dampfnudel hawwe.
Isch heb gedenkt, mer hewwe heit uf Bsuch gehn wolle.

Beiläufig ein Abschwiff in eine ganz andere Richtung: Als
Spezialistin für das Gebiet ab Weinheim Richtung Limes wird
Dir vermutlich ein Begriff schon begegnet sein, den ich vor
drei Tagen das erste Mal gehört habe - „Kanztrauwe“ für (rote)
Johannisbeeren, gesprochen von einem Urgestein aus dem
Richtung HD orientierten Teil des Odenwalds.

So un jetzat kimmts.

Kannst Du (oder
irgendein interessierter und versierter Mitleser) etwas zu
Verbreitung und Ethymologie dieses Namens sagen?

Damit ich hier nicht nur so durch die Gegend palaver (möchte ich doch den Satz „hier kann jeder Experte sein“ in die Richtung biegen, dass das zwar jeder sein kann, aber man was dafür tun muss, auch als solcher gesehen zu werden) habe ich in meinem Bücherregal gekramt und den „Weinheimer Wortschatz“ von Heinz Schmitt, Weinheim, Ed. Diesbach, 4. Aufl, 2001, hervorgekramt.* Und nach „G’honstrauwe“ (dazu unten mehr) gesucht — und NICHT gefunden.
Das ist eindeutig ein Fehler, denn in Weinheim heißen die kleinen roten und auch die schwarzen Johannisbeeren wirklich G’honstrauwe (wobei das „o“ in Richtung „a“ ausgesprochen wird, was du weißt, aber nicht alle, die hier mitlesen).
Jetzt hast du allerdings „Kanztrauwe“ geschrieben und da wird es interessant. Denn gerade die „Kanstrauwe/G’honstrauwe“ waren ein Unterscheidungsmerkmal an der Bergstraße entlang zwischen Hemsbach über Sulzbach, Weinheim, Lützelsachsen, und Hohensachsen bis nach Großsachsen und Leutershausen (für diejenigen, die diese Strecke nur vom Vorbeirauschen auf der A5 kennen: Großsachsen und Leutershausen sind seit 1975 als Hirschberg bekannt und eine sobenamste Autobahnab/auffahrt).
Der Leutershausener Dialekt weicht in vielen kleinen Aussprachedetails von der Sprache der umliegenden Dörfer ab. Eines davon ist eben „Kanstrauwe“ mit einem harten K und einem viel offeneren „a“ als das „G’honstrauwe“, wie es in Weinheim ausgesprochen wird.

Es gibt bei uns den Ausspruch „Die Haisemer Landplog mit der Ojerpann“ und daran, wie offen das „a“ in Land und wie „rund“ das „o“ in „plog“ und vor allem an dem „o“ bei Ojer (sonst eher „ajer“ oder „aier“) erkennt man sofort den Haisemer. Ein Ort weiter in Schriesheim ist das schon wieder weg.

Zur Ethymologie kann ich nur meine Google-Künste anbieten:
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu…
Wenn man diesem „Pfälzischen Wörterbuch“ folgt, dann kommt Kanz/Kans/Gans von Gehannes = Johannes, was durchaus Sinn machen würde. Es gibt dann einen Verweis zu einem „Lothringischen Wörterbuch“:
http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu…
Wobei ich meine eigene Schreibweise „G’honstrauwe“ vom „g’hatt“ herleite, aber die Ethymologie (wenn sie denn stimmt) bestätigt mich hier.
Und im Gästebuch einer inzwischen leider sehr vernachlässigten Site
http://www.woinem.de/gaestebuch/guestbook.html
wird auch von „Kanstrauwe“ geschrieben. Wobei ich weiß, wie die Schreiberin spricht und das „K“ hätt eher ein „G’h“ sein sollen, aber es ist halt so ein Zwischenlaut.

So und zum Abschluss noch was Lustiges, weil ich grad in Kroatien rumgefahren bin und es so schön passt. In Österreich heißen die Johannisbeeren, zumindest die roten: Ribisl.
Und auf Kroatisch? Ribizl (eventuell mit zwei z, weiß ich nicht mehr so genau).

Jetzat longts awer, schunscht wer’isch heit nemmeh fäddisch.

Allah d’onn
Elke

*hierzu eine Anmerkung: Über dieses Buch habe ich mich vor einigen Jahren mit Fritz auseinandergesetzt - er hatte natürlich recht, viele der darin aufgelisteten Worte sind nicht speziell Woinemerisch und kommen aus einem weiteren Umkreis. Dennoch halte ich solche ganz speziellen Wörterbücher als Sammelbecken für Ausdrücke für wichtig und nützlich, weil sie gerade die Verbreitung bestimmter Wörter dokumentieren.

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Hi,

gerade fiel mir noch was auf:

„‚N bissche‘ ruhischä da obbe, ja?“

Je südlicher das Hessen, desto weniger passts:
„e bissje“ ist Hessisch, im Kurpfälzischen heißt es schon: e bissl.
Und da wäre es auch, anolog zum „hebb“, „da owwe“.

Gruß
Elke

Wenn man diesem „Pfälzischen Wörterbuch“ folgt, dann kommt
Kanz/Kans/Gans von Gehannes = Johannes, was durchaus Sinn
machen würde.

Hallo mitnand!
Gestattet, dass ich jetz auch noch meine Senf dazudrück,
als Nicht-Pälzer, aber einer, der viel in HD und drüben im Hermannshof unterwegs ist:
Die G’hannes-Version geht wohl bis ins Ostfränkische. In Oberfranken, der Oberpfalz und dem Egerland sind die Johannesbeeren „Konasbierla“ (nasaliertes offenes langes o), und es ist jedem klar, dass er damit von „Johannes-Beerlein“ spricht.
Gruß!
Hannes

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Etz sage niats meh…

Das zu Lesen hat ein richtiges gepflegtes Vergnügen gemacht!

Für die Erbauung dankt

MM

Servus Hannes,

schönen Dank auch Dir!

Ein interessantes Phänomen, angeblich (ich habs nicht überprüft) allgemein verbreitet: Daß die Ausprägungen eines Dialektes oder einer Sprachfamilie an den Grenzen der regionalen Verbreitung untereinander ähnlicher sind als jeweils zum Kern.

Den H-Anlaut zum G verschoben hätte ich von Adelheid, gebürtig in den äußersten Vorposten des Fränkischen zu Schläbbich (= Bergisch Gladbach) eigentlich kennen können.

Schöne Grüße

MM

Hallo Martin,

dieses „H wird zu G“ kommt nicht nur im Anlaut und auch nicht nur im Deutschen vor:

ich sehe - bayrisch: I sig
Du siehst - Du sigst

gej, do schauGst - (für Nichtbayern: Nicht wahr, da schau(H)st Du aber!) - Das Klammer-H deshalb, da es natürlich in der Schriftsprache ohne H geschrieben wird, ist schon klar…

Im Anlaut im Slawischen:

hradu = Burg = gradu; daher übrigens der Name der Städte Graz und Belgrad (= Weißenburg) im Vergleich dazu der Prager Hradschin (= Burg).

Ist also ein allgemeines Sprachphänomen und weit verbreitet

Zum Wechsel „G zu J“ siehe „ganz“ = berlinerisch „janz“. damit ist dann auch wieder das G’ bzw. K- der dialektalen Johannisbeeren klar.

schönen Abend

Alexander

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Hallo Alexander,

dieses „H wird zu G“ kommt nicht nur im Anlaut und auch nicht
nur im Deutschen vor:

Was du schreibst ist interessant, nur trifft das auf die Beispiele aus dem Kurpfälzischen nicht zu.
Da wird aus gehannes ein G’hons (Kans), aus gehabt ein g’hatte (katte).
Ich zitiere hier nochmal das Woinemer Wörterbuch:
„Das gilt […] für den g-Laut vor a und o wie in Wage (Wagen) und Boge (Bogen) vorkommt. Seine Aussprach liegt zwischen ch (wie in ach) und dem Gaumen-r.“ (Hervorhebung vom Verfasser)

Zum Wechsel „G zu J“ siehe „ganz“ = berlinerisch „janz“. damit
ist dann auch wieder das G’ bzw. K- der dialektalen
Johannisbeeren klar.

Auch hier ist es umgekehrt und das Wort „G’honstrauwe“ kommt wohl über den Umweg von „Gehannes“ zustande und nicht durch eine direkte Verbindung von J und g’h.

Gruß
Elke

Ourewellerrisch
Odenwälder Mundart :wink:

Hallo,

halte ich für die Südpfalz. Das „Bissche“ passt sehr gut. Mich stört dafür nur ein wenig „drangewese“, das wäre in der Landauer Ecke „droagewese“. Aber wie gesagt: ein Dialekt schriftlich ist immer schwierig.

Andreas

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Hallo,
das sehe ich genau so wie Simi.
Bin zwar nicht aus Mannheim, sondern eher schwäbischer, aber ich habs auch verstanden und gedacht, dass es aus der Ecke Mannheim, vielleicht sogar Baden kommen könnte.

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Ich tippe auf Pfalz!

Hallo Melissa,
ich tippe mal auf das Südhessische im Raum Frankfurt/Main, Offenbach.
Hört sich für mich so an

Gruß Uwe

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