Leider ist die Erklärung hinter dem Link wegen Kleinschreib nicht zu lesen - zumindest für mich. Schade, wenn jemand in die Tasten haut und nicht daran denkt, dass das Schreiben nicht fürs Schreiben gemacht ist, sondern fürs Lesen.
Ja, die Noten haben zwar alle vor sich, aber trotzdem ist jeder Ausführende - ob im Chor, im Orchester oder als Solist - ein Individuum. Synkopen, Hemiolen, Pausen, Einsätze usw. werden unterschiedlich interpretiert.
Deshalb wird jemand benötigt, der als „Alpha Tier“ seine Interpretationen vorgibt und die auch deutlich anzeigt. Das muss nicht der Dirigent sein, das kann auch der Schlagzeuger oder der Rhythmusgitarrist oder jemand anders mit Chefstellung einer Band sein (man denke an Malcolm Young von AC/DC oder an Barry Gibb, die auf jeweils ihre Weise den nächsten Einsatz vorgaben).
Wer beispielsweise das Deutsche Requeim von Brahms kennt, kennt die Stelle „Aber des Herrn Wort---- bleibet…“. Das ist ein Einsatz nach einer Generalpause. Ohne ein Zeichen des Dirigenten wird aus dem „Aber“ ein A-A-A-A–Aber", weil jeder wann anders anfängt.
Oder das „Dies irae“ von Verdis Requiem…
Man kennt das ja auch aus den Chören, wo sich alle mit ihren Augen am Klavierauszug festklammern und der Dirigent nur noch am Fuchteln ist. (Chorsänger! Lernt eure Stimme auswendig! Die Klavierauszug braucht ihr nur, um die Stelle zu finden, wo ihr wieder einsetzen müsst. Den Einsatz zeigt euch der Dirigent schon an.)
Und auch beim „Let There be Rock“ von AC/DC müssen der aktuelle Schlagzeuger, der aktuelle Rhythmusgitarrist und Angus alle auf den Punkt einsetzen - sonst jubelt das Publikum nicht.
Also: So wie der Klavierspieler alle seine Tasten unter Kontrolle haben muss, so muss der Dirigent sein Orchester als das Instrument begreifen, auf dem er spielt.
Warum sonst gibt es so viele Versionen von „Kommt ihr Töchter, lass uns klagen“, obwohl Johann Sebastian Bach doch nur eine Kupferplatte von dem Stück geschnitten hatte?