Salve.
Ursache sei ein Erdschluss gewesen. Nach Recherche
erfuhr ich, dass das eine Art Kurzschluss sein
soll, wo eine Stromleitung Kontakt zur Erde bekommt.
Du mußt unterscheiden zwischen Erdschluß und Erdkurzschluß. Ein Erschluß ist nicht notwendigerweise ein Erdkurzschluß. Die Art der Sternpunkterdung des Netzes bestimmt, welche Fehler überhaupt entstehen können. Man spricht in diesem Zusammenhang z.B. von wirksam oder nicht wirksam geerdeten Netzen.
Nicht den Kopf zerbrechen; Elektrotechnikstudenten kämpfen mit dem Fachgebiet Erdung und Fehler im Drehstromnetz meist erheblich, weil das, sofern man Energietechnik vertieft, relativ umfangreich ist und man eine Weile braucht, die Vielzahl an technischen Lösungen zu verstehen.
Kurzschluss ist, wenn der Strom gewissermaßen den kürzesten Weg nimmt
Nein.
Nun leitet doch der Boden keinen Strom, oder?
Ein ganz klares Jein. Die Erde hat eine endliche Leitfähigkeit, von unglaublich schlecht bis wahnsinnig gut. Zu DDR-Zeiten hätte ich Dich jetzt verwiesen auf die Normen TGL 200-0603 verwiesen, oder auch TGL 200-0616.
Bei den gebräuchlichen Leitern in der Elektrotechnik, mit denen sich auch die Studiosis, Phasenkasper und studierten Schlosser typischerweise rumschlagen, das heißt so ein Leiter wie Du und ich, bei diesen Leitern ist die Länge gegenüber der Querschnittsfläche sehr viel größer. Der Erdboden hingegen ist ein Leiter groooooßer räumlicher Ausdehnung, dem der Strom über Elektroden (hochleitfähige, metallische Flächen) zugeführt wird und aus dem der Strom über Elektroden wieder austritt, wenn der Erdboden teil des Stromkreises ist.
Zwischen den Elektroden entsteht ein Strömungsfeld. Die Feldlinien/Stromfäden drängen sich an den Elektroden, die in der Erdungstechnik als „Erder“ bezeichnet werden, da für den Stromübertritt nur die verhältnismäßig kleine Berührungsfläche zwischen Erder und Erdboden zur Verfügung steht. Im Gebiet zwischen den Elektroden (Elektrode, Gegenelektrode) sind die Stromfäden deutlich weiter voneinander entfernt, denn: Der Strom kann sich im Erdboden über einen praktisch unendlich großen Querschnitt ausbreiten. Die Abstand der Elektoden muß nur so groß sein, daß sie sich nicht durch irgendwelche Leitungsvorgänge/Entladungen gegenseitig beeinflussen.
Die Topologie des Erders spielt bei der Auslegung von Erdungsanlagen eine erhebliche Rolle, denn bevor der komplizierte Leiter Erdboden die Stromleitung übernimmt, muß zunächst der Erderstrom vom linienhaften elektrischen Leiter (Seil, Kabel, Schiene) über den Erder irgendwie in den Erdboden. Das ist eine halbe Wissenschaft für sich.
Man unterscheidet z.B. zwischen Erdboden und Erdreich. Erdboden ist die Ortsbezeichnung der Erde; Erdreich ist die Bezeichnung des Stoffs (Lehm, Kies, Gestein etc.). Die Leitfähigkeiten bzw. die spezifischen Widerstände des Erdbodens hängen von der Beschaffenheit des Erdreich ab. Messungen legen einen Würfel von 1 m Kantenlänge zugrunde, so daß die Einheit Ohm mal Quadratmeter durch Meter = Ohmmeter ist. Entscheidend beeinflußt wird der spezifische Widerstand von der Menge und den Eigenschaften der wäßrigen Elektrolyte, vom Bodendruck (Sedimentationsalter), der Temperatur, und der Lage der flüssigen und gasförmigen Anteile zum Grundwasserspiegel und Erdoberfläche.
Dann kriegt man so Zeug wie Erdungsimpedanz, Potentialanhebung, Strombelag (Stommaustrittsdichte am Erder), Wenner-Anordnung, Schlumberger-Anordnung, geometrischer Ausbreitungswiderstand, Vertikalerder nach Schwarz, Horizontalerder nach Laurent, Maschenerder nach Oslon, Banderder nach Bewley und zig Erderformen wie Tiefenerder, Flacherder, Strahlenerder, Pyramidenerder, Kombinationserder, Ringerder, Halbkugelerder, Kugelerder blablabla. Wichtig ist: Die Erde kann ein elektrischer Leiter sein, weil ihre Querschnittsfläche gegen unendlich geht.
Wieso schaltet sich dann das Netz dann weiträumig ab, anstatt
dass einfach der Teil, der „hinter“ dem Leiter
Es gibt verschiedene Netztopologien, d.h. Schemata, wie die Leitungen angeordnet und verbunden bzw. getrennt werden können. Im Niederspannungsnetz ist bspw. das Strahlennetz vorherrschend. Darüber hinaus gibt es noch Ringnetze, offene Ringe und Maschennetze. „Weiträumig“ ist im Übrigen relativ. Was Dir weiträumig vorkommt, ist für Deinen Netzbetreiber auf seinen SCADA-Bildschirmen vermutlich „lokal“.
http://www.attivissimo.net/antibufala/blackout_itali…
Ist der „weiträumige“ Stromausfall auf dem italienischen Stiefel „weiträumig“? Im Maßstab des UCTE-Verbundnetzes nicht so. Da ist das lokal.
Wie weiträumig „weiträumig“ ist, hängt auch an der Anzahl und der Dichte von Trafo- bzw. Schaltstationen. Kostensparen ist im Energiesektor kein Fremdwort mehr. Die Unmenge an Häuptlingen mit Entscheidungsbefugnis aber ohne jedweden technischen Hintergrund kostete schon manchen Leistungsschalter das Leben und manchen Trafo die verdiente Ablösung nach 50 Jahren. Streichen, Weglassen, Weiterbetreiben auf Biegen und Brechen. So scheffelt man Kohle, Kohle, Kohle mit ewig abgeschriebenem Mist von vorgestern. „Brauchen wir den Schalter dort wirklich? Wenn was passiert wird schon irgendein anderer abschalten.“.
Man kann bloß froh sein, daß meine Generation und die Altvorderen keine Computer hatten. Die mußten komplizierte Anlagen mit der Hand berechnen und zogen mit einem Sammelsurium dicker Formelbücher in den Krieg gegen den Kurzschluß. Stichwort Astronomische Sicherheitsfaktoren und „Überbemessung“ bis in teilweise lächerliche Ausmaße.
Heutzutage optimiert man Trafos & Co. bis aufs Prozent am Computer und die Typprüfungen in den Prüffeldern werden „iterativ“ bestanden; zuerst macht das Teil spektakulär die Grätsche und fliegt in die Luft, im zweiten Versuch geht es kaputt, bleibt aber in einem Stück, im dritten Versuch wird bestanden/zertifiziert, im vierten Versuch wird gegebenenfalls wieder verschlankt und gespart („Vielleicht brauchen wir diese Verstrebungen und Schaubbolzen da nicht.“).
Ist selbstverständlich nur die halbe Wahrheit. Heutige Energietechnikingenieure wissen deutlich mehr über Phänomene im Elektroenergiesystem und nicht jede Maßnahme, die von den Altvorderen kommt, erwies sich als klug oder sinnvoll. Der betriebswirtschaftliche Druck ist aber ein großes Problem und führt mehr und mehr zu technisch ungünstigen Lösungen. Ergo, Dein weiträumiger Stromausfall ist vielleicht nicht die Schuld des Ingenieurs sondern des BWLers.
Last not least: Fehler im Drehstromnetz führen zu unterschiedlichen Beanspruchungen der vorgelagerten oder nachgelagerten Betriebsmittel. Es gibt Fehlerzustände, die lassen sich ohne Probleme über Stunden strecken, bevor man jemanden hinschicken muß oder bevor man abschalten muß. Es gibt aber auch Fehlerzustände, die man unmittelbar abschalten muß, wenn eine automatische Wiedereinschaltung wieder zum Fehler führt. Manche Fehler verlöschen nämlich nach Auftreten, wenn kurzzeitig abgeschaltet wurde.
Tschö
reinerlein