Hallo noch mal,
zunächst ein großes Dankeschön für Deine ausführliche und
informative Antwort. Schon jetzt hast Du mir weitergeholfen
Gerne geschehen
Ist das wirklich so, dass das im
Lastenheft/Ausschreibungsunterlage formulierte Governance
Modell rechtlich so bindend ist? Ich dachte bisher immer, dass
letztendlich der Vertag mit seinen Inhalten verbindlich ist
und das GM (Governance Modell) im Lastenheft die Vorstellung
des Auftraggebers darstellt. Meine Vorstellung war also
bisher, dass im Lastenheft die Vorstellung des Auftraggebers
steht (quasi Verhandlungsgrundlage) und im Rahmen der
Bieterkreise ein GM beiderseitig committet wird. Dies steht
dann im Vertrag.
Es kommt so ein wenig auf die Situation der beteiligten Unternehmen und der ggf. eingesetzten Berater an. Um eine möglichst gute Vergleichbarkeit der Angebote bei gleichzeitig kurzer Vergabedauer zu erreichen hat es sich (leider oft nicht wirklich sinnvoll) gerade bei Großunternehmen eingebürgert, dass der AG im Rahmen eines Ausschreibungsbaukastens auch das Governance-Modell vorgibt, und dann Zustimmung zu x diesbezüglichen Einzelpunkten erwartet. Abweichungen werden dann als „Punktabzug“ in der Bewertung des Angebots vorgenommen, bzw. der Anbieter wird aufgefordert für ihn kritischen Punkten zunächst zuzustimmen, und die Zustimmung monetär zu bewerten, und als Aufschlag in sein Angebot einzupreisen .
Das setzt aber natürlich voraus, dass der AG/sein Berater wirklich die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, und sich seines Governance-Modells absolut sicher sein kann. Tatsächlich sind oft aber die AN viel erfahrener in diesen Dingen, und dann kommt man schnell an den Punkt, wo es kurios wird. D.h. der AN hat den eigentlich besseren, erprobten Vorschlag, und bekommt dafür dann einen Punktabzug/muss sich preislich damit rausschießen.
Insoweit sollte man als AG - zum eigenen Vorteil - eine gewisse Offenheit für abweichende Vorschläge mitbringen, und nicht jede Abweichung vom eigenen Vorschlag gleich negativ bewerten. Klar, das kostet etwas mehr Zeit, wenn man so das Governance-Modell gemeinsam voran bringt. Aber die lohnt sich mE immer.
Egal wie es dann zum abgestimmten Modell kommt, es wird dann zum Vertragsbestandteil. Und das macht man, indem man hierauf einfach als Anlage zum Vertrag verweist. Sinnig ist hierbei mE, dass man sich grundsätzlich vorab hierüber dann bereits verständigt hat, z.B. indem man vom AN die Zustimmung verlangt hat, und dann im Rahmen der finalen Preisverhandlung dann noch mal die für den AN kritischen Punkte unter finanziellem Gesichtspunkt betrachtet. D.h. was ist der AN bereit noch nachzulassen, wenn der ein oder andere für ihn kritische Punkt in seinem Sinn gelöst wird?
ITIL ist mir durchaus bekannt und auch bei uns ein Begriff.
Allerdings ist unser „ITIL-Reifegrad“ doch sehr weit unten.
Wir sind gerade dabei die Prozesse Incident Management, Change
Management, Asset Management einzuführen bzw. unsere bisherige
Arbeit dabei auszurichten.
Von daher haben wir und sind gerade dabei die für uns
relevanten Rollen zu definieren.
Ich habe mir jetzt zum Thema GM folgendes vorgestellt:
1. Wir definieren eine Verantwortlichkeitsmatrix. Auf der
seinen Seite stehen die Services (z. B. Unix-Server aber auch
Change Management) und auf der anderen Seite die ITIL-Rollen
bzw. die Rollen durch unsere Organisationsstruktur (Leiter
usw.). Die Matrix fülle ich dann entsprechend (wer ist
verantwortlich für die Durchführung, für den Prozess, wer muss
informiert werden usw.
So eine RACI-Matrix ist immer gut. Sollte dann aber eben nicht nur die Verantwortlichkeit definieren, sondern auch wer zu informieren ist, mit wem man sich abstimmen muss, … eben RACI. Das ist aber, wenn es in die einzelnen technischen Aufgaben geht, weniger ein Teil des Governance-Modells, sondern eher etwas, das man mit in den Vertrag oder einen einzelnen Leistungsschein unter einem Rahmenvertrag aufnimmt.
- Dann möchten wir von unten (operativ) bis nach oben
(strategisch) alle Kommunikationsebenen festhalten und
beschreiben. Wer setzt sich zu welchem Thema an einen Tisch
und wie oft passiert das.
Ja, das sollte sich im Governance-Modell aber dann vorrangig auf die Rollen nach ITIL beschränken. D.h. es gibt z.B. ein Change Advisory Board, in dem sich primär die beiden Change-Manager treffen, die sich vorab bereits mit den Systemverantwortlichen ihrer Seiten jeweils schon abgestimmt haben. Die kann man dann im Einzelfall mal beiladen, wenn ein Change eben ein konkretes System betrifft. Das CAB sollte aber keine Technikerrunde sein, in der sich jetzt die UNIX-Server-Verantwortlichen die Köpfe wegen der richtigen Reihenfolge von zwei Scripten einschlagen, während die Windows-Server-Verantwortlichen dabei sitzen, und Däumchen drehen oder sich bereits der nächsten Diskussion um ein eigenes Thema widmen.
- Zuletzt beschreiben wir dann die Schnittstellen zu anderen
Abteilungen (themenbezogen)
ITIL ist ja prozessorientiert. Insoweit sehe ich hier nicht in erster Linie die Abteilungen, sondern die Prozesse. D.h. wenn sich aufgrund eines Changes z.B. geänderte Ressourcen-Anforderungen ergeben, dann lautet die Schnittstelle hier nicht „Abteilung IT-Einkauf“, sondern „Capacity Management“
Was hältst Du aus Deiner Erfahrung davon? Ist das der richtige
Weg und was würde da noch fehlen?
Das klingt doch für den Ansatz schon mal ganz gut. Der Appetit kommt dann beim Essen Ich bin zwar ein großer Fan von Prozessorientierung, schlage auch beinahe täglich mit ITIL- und CMMI-Vokabular um mich, habe selbst da aber - ganz bewusst - nie irgendwelche Zertifizierungen oder Lehrgänge gemacht, weil das immer zu einer gewissen „Vergötterung“ der gelernten Methodiken führt. Die sind aber natürlich immer nur Werkzeug, und sind in ihrer reinen Definition natürlich für ein „optimales“ Unternehmen gedacht. Diese gibt es aber natürlich in freier Wildbahn nicht, und so muss man mE nicht immer auf Teufel komm raus versuchen, irgendetwas passend zu machen, damit es 1:1 zum Vorlagensatz aus dem Lehrbuch passt, damit man sein eigenes Köpfchen nicht zu sehr anstrengen muss. Vielmehr halte ich sehr viel davon, in verschiedene Ansätze durchaus auch etwas tiefer einzusteigen, und dann den eigenen Grips zu gebrauchen, was wo passt, was man selbst ergänzen muss, weil mal irgendwo die ein oder andere „reine Lehre“ nicht passt, …
Gibt es eigentlich auch so was wie ein Betriebszeiten Modell?
Aber selbstverständlich. Auch das gehört als Anlage zum Vertrag. Darin kann man dann z.B. verschiedene Betriebszeitmodelle wie Gold, Silber, Bronze definieren, die man dann wiederum einzelnen Services zuordnet. Da gehört dann z.B. rein, wann ein System für den Anwender zur Verfügung zu stehen hat (Betriebszeit), was es für Wartungsfenster gibt, in welchen Zeiträumen bedienter Betrieb mit Serviceleveln angeboten wird (Servicezeit), was man mit laufenden Serviceleveln am Ende der Servicezeit macht (Aussetzung oder Bearbeitung bis Abschluss), wann nur eine Bereitschaft für Fehler mit hoher Priorität geleistet wird, wie man mit Wochenenden und Feiertagen umgeht, …
Ach ja, das mit den externen Beratern … Du kennst meinen
Chef nicht
Da sollte sich Cheffe aber mal besser umorientieren. Denn das in diesem Bereich eingesetzte Geld ist üblicherweise sehr gut angelegtes Geld. Wenn ich einen richtig knackigen Vertrag mit meinem DL schließen kann, kann sich alleine aus den Pönalen aufgrund von SL-Verletzungen jeden Monat anständiges Geld verdienen lassen. Ebenso, wenn ich anständige Korridore für die Abnahme der Leistung vereinbare, … Ich mache das jetzt ja schon einige Jahre (auf DL-Seite), und kämpfe natürlich dafür, dass man als DL auch in Zeiten von Managed Services noch überleben muss. Aber ich sehe natürlich auch, welches Sparpotential da noch in vielen Unternehmen drin steckt, das ein Fachmann da recht schnell heben kann.
Gruß vom Wiz