Was ist ein Problem?

Hallo,
 
folgende Frage hatten wir nun im Freundeskreis:
Ist ein Problem immer nur ein Problem in Bezug auf ein System?

Sehr einfach, wenn man sich anschaut, daß Person A mit Person B ein Problem hat und sie streiten.
Ebenso, wenn man diesen inneren Konflikt nur in sich hat-- dennoch ist ja eine andere Person dann beteiligt.

Natürlich gehts auch um Begrifflichkeit- ich würde nun sagen, daß eine eigene Krankheit und Schmerzen durchaus ein Problem sein kann und man in so einem FAll dann ein Problem NUR mit sich hat und kein System weiter daran beteiligt ist.
Man könnte natürlich auch von einer Befindlichkeit dann sprechen…die in so einem Fall dann wenig gut ist.

Wir waren uns also nicht einig.
Ist JEDES Problem systemisch ?

Was ist Eure Meinung dazu`?
LG und ein Danke
kitty

Liebe Kitty

Eine sicherlich spannende Diskussion, die ihr das geführt habt. Ich finde es eine plausible These, dass sich ein Problem immer nur innerhalb eines Systems als Problem darstellt.

Ein Problem ist doch eigentlich ein Hindernis, eine Abweichung von einem (Normal-)Zustand. Und solch eine Abweichung kann sich ja nur in einem System abspielen. Denn es geht hier um Relationen - man misst den Zustand einer Sache an der Norm oder je nachdem auch an einem Ideal, das hängt etwas vom entsprechenden Rezipienten ab und wie hoch seine Erwartungen sind. Norm und Ideal können sich hierbei auch vermischen.

Da wir uns z.B. in einem (idealerweise gesunden) System „Körper“ „befinden“, kann jede Krankheit/Behinderung oder einfach nur jeder Schmerz als Problem, also Hindernis, Unregelmässigkeit oder nicht-idealer Zustand innerhalb dieses Systems betrachtet werden. Genauso verhält es sich auch mit Problemen in einer Partnerschaft, die idealerweise ein intaktes Beziehungssystem ist. Für manch einen, der ein übertriebenes Harmoniebdürftnis hat, ist vielleicht schon ein kleiner Streit ein Problem, da er sehr hohe Ideale in ein Beziehungssystem hineinprojeziert. Für jeden ersichtlicherweise ein Problem wäre aber ein Vorgang in einer Beziehung, der das gesamte System Beziehung gefährdet (z.B. Fremdgehen eines Partners).

Interessant wird es, finde ich, da, wo kulturelle Unterschiede den einen etwas als Problem erscheinen lassen, den anderen aber nicht. Ein Klassiker in der Psychologie (sage ich als Laie, wohlgemerkt, aber ich diskutiere viel mit einem Psychologen) ist die „Fahrstuhl-Phobie“. Diese wäre in unserer Gesellschaft ein Problem, da in unserer Lebenswelt, unserem „System“ also Fahrstühle in der Regel zum Alltag gehören. Für irgendeinen traditionell lebenden Stammesangehörigen aus Kenya hingegen wäre solch eine Phobie kein „Problem“, da Fahrstühle gar nicht in seinem System vorhanden sind.

Vielleicht könnte man also ein Problem als eine unerwünschte oder hinderliche Abweichung eines Faktors innerhalb eines normalen und/oder idealen Systems definieren. Und weiter, dass diese Abweichung irgendeine Beeinträchtigung (der Lebensqualität, des Glückes, des Wohlbefindens) oder gar eine Gefährdung des gesamten Systems zur Folge hat.

Liebe Grüsse

Aesta

Hi kitty

Ist JEDES Problem systemisch ?

Nein.
Jede therapeutische Schule ist natürlich relativ stark an ihre Theorie gebunden.
So wird ein Systemiker vielleicht dazu neigen, die Frage mit „ja“ zu beantworten.
Wenn er ein guter Therapeut ist, dann aber eher nicht, weil gute Therapeuten nicht in geschlossenen Systemen denken. (Jetzt meinte ich System auch theoretisch. Die Psychoanalyse ist z.B. ein offenes System.)
Man kann auch nicht alles zu 100 % auf das umgebende System der Kindheit zurück führen. Manche Menschen kommen eben mit einem „aggressiveren Temperament“ auf die Welt und werden, selbst bei sanftmütiger Umgebung, eher Konflikte verursachen.
Gruß,
Branden

Hallo Branden,

könntest Du mir dazu ein Beispiel bringen?
Etwas Praxisbezogenes, welches diese Theorie nun weiter erklärt?

Was wäre also ein Problem, welches sich nicht in ein System gliedern lässt sondern komplett für sich steht?

LG kitty

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Hallo,

der Fahrstuhl wäre für mich nichts anderes als es im Alltag oft ist…Person A hat ein Problem mit Person B, die aber wiederum davon aber nichts weiss weil für sie da kein Problem sichtbar ist.

Die Vielfalt der Problemursache liegt in unendlicher Größe vor und wird an kulturellen Unterschieden sehr schnell deutlich.
LG kitty

Hallo Kitty

Es ging mir bei dem Beispiel nur darum, die Relation zwischen Problem und möglichem System zu zeigen. Und ich glaube, „Ich habe ein Problem mit xy“ heisst in diesem Fall einfach „ich mag sie nicht, sie ist mir unsympathisch“. In meinem Beitrag ging es um die Umreissung des Begriffes „Problem“ und dessen Bedeutung im eigentlichen und nicht im übertragenen Sinn.

Aber wie es aussieht, hast du mit deiner Frage sowieso eher nach praxisbezogenen Konzepten in der Psychologie fragen wollen und nicht nach einer adhoc-philosophischen Einordnung der Zusammenhänge, wie ich es versucht habe. Insofern hat sich dieser Unterthread jetzt wohl eh erledigt :smile:

Liebe Grüsse

Aesta

Hallo,

naja- philosophisch wird das Ganze auch ein Stück weit sein, denn so wie es aussieht hat es auch viel mit Definition zu tun.
Insofern- ist und bleibt es ein spannendes Thema…

Danke und LG
kitty

Hallo,

ein Problem entsteht immer im Kopf und ist sehr subjektiv. Das gilt sowohl für die Wahrnehmung, dass überhaupt ein Problem vorliegt, bis über wie man mit dem Problem umgeht bis hin zur Lösung / Bewältigung.

Ein Problem ist im Prinzip nichts anderes als eine Beurteilung einer Situation. Sie ist nicht nur systembezogen, sondern auch situativ, zeitlich und Personenbezogen - wobei sich alles auch miteinander kombinieren lässt.

Viele Grüße

Nur ein Zitat
Hallo kitty,

folgende Frage hatten wir nun im Freundeskreis:
Ist ein Problem immer nur ein Problem in Bezug auf ein System?

zu all dem habe ich nur ein Zitat beizutragen, weiß nicht mal, woher’s kommt.

Aber wenn ich mir deine „Ergüsse“ näher anschaue, bestärkt es mich, dies mal loszuwerden:

Früher hatten die Leute Sorgen, heute haben sie Probleme. Der Unterschied ist der, dass Sorgen vergehen, Probleme nie.

Gruß, Zoelomat

Hi

Was wäre also ein Problem, welches sich nicht in ein System
gliedern lässt sondern komplett für sich steht?

Nun ja, normalerweise leben wir alle in einem sozialen Bezugssystem.
Aber nehmen wir z.B. die Schizophrenie. Man sieht sie heutzutage als eine zum Teil genetische, zum Teil umwelterworbene Erkrankung an.
Vor 100 Jahren wurde sie als fast ausschließlich angeboren gesehen, in den 60er Jahren führte man sie auf häufiges double-bind in der Familie zurück und heute würde man sie als eine Mischung von angeborener und erworbener Störung betrachten.
Die Schizophrenie tritt zu etwa 1 % in allen Kulturen und zu allen Zeiten auf.
Natürlich gehen unterschiedliche Kulturen unterschiedlich mit dieser Erkrankung um.
Aber sie ist ein Stück weit jenseits eines bestimmten Systems zu erkennen.
Es grüßt dich
Branden

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Ein unerwünschter (OT)
Zustand oder Prozess.

Hallo,

und es gibt einen Beobachter oder „Problemfeststeller“. Er kann sich selbst beobachten (z.B. Erkrankung und daraus resultierende Einschränkungen) oder andere mit einbeziehen (z.B. Streit mit jemand anderen). Und er kann nur andere(s) beobachten und das zugehörige Problem feststellen (z.B. ein Projektteam arbeitet nicht erfolgreich oder die zuerst genannten Beispiele).

Das ist das System *. Der direkte Bezug und Zusammenhang zwischen Problem und „Feststeller“. Es kann um weitere Teilnehmer erweitert werden, aber es ist stets abgrenzbar innerhalb des Teilnehmerkreises **.

Ist ein Problem immer nur ein Problem in Bezug auf ein System?

Daher ja. Genauer: Ein Problem ist stets innerhalb eines Systems.

Ist JEDES Problem systemisch ?

Demzufolge ja.

Gruß
nasziv

* Systemtheorie, Spieltheorie, Chaostheorie wären übergeordnete Disziplinen für statische/dynamische Systeme/Probleme und deren Lösungsansätze.

** Tatsächlich ist es theoretisch viel komplexer, anhand eines sehr einfachen Beispiels dargestellt: Eine gemauerte Wand ist ein (statisches, unbewegtes, interaktionsfreies) System aus Mauersteinen und Mörtel. Eine schief gemauerte Wand ist weiterhin ein statisches (im Sinne naturwissenschaftlich Statik) Problem in sich *** und ein weiteres für einen Beobachter. Dein Beispiel A hat Streit mit B ist nicht „einfach“, sondern sehr komplex, spätestens wenn es um Lösung des Problems geht.

*** das ist jetzt Nonsens :smile:

Hallo kitty40,

für mich ist das eine pragmatische Frage ohne großartigen geistigen Überbau.
Deshalb hier meine pragmatische Antwort.

Dies hier z. B. sind Probleme:
Liebe ich ihn oder liebe ich ihn nicht (mehr)
Gibt mir dieser Beruf Befriedigung oder nicht.
Will ich ein Kind oder nicht.
Will ich heiraten oder nicht.
Will ich eine Zeit im Ausland verbringen und wenn ja wie lange oder für immer.
Liste nach Belieben fortsetzen.

Alles was danach kommt, sind technische Schwierigkeiten und die sind in aller Regel lösbar. Probleme nicht immer.
Seit ich das entdeckt habe, und Probleme und technische Schwierigkeiten nicht mehr in einen Topf schmeiße und zu einem unverdaulichen Brei verkoche, löse ich die Probleme in meinem Leben leichter und schneller.

Ich bin allerdings nicht sicher, ob das die/eine Antwort auf deine Frage ist.

Liebe Grüße
MissSophie

Hallo nasziv,

Danke- es betrifft tatsächlich die Systemtheorie.

Ganz sicher kann man philosophisch unterschiedliche Gedanken verfolgen und wird dann möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Mir war nun nur nicht deutlich, ob man ein Problem immer in ein System einbetten kann.
Es gibt ganz sicher Probleme, die nicht so offensichtlich einem System zugehörig erscheinen.

Was mir als Idee nun gekommen ist- ist die Aufstellung…und damit müsste dann ja auch jedes Problem „stellbar“ sein!?
Mal ganz unabhängig von der Wirksamkeit von so einer Intervention.

LG kitty