Damit ich nicht nur „Horrorbeispiele“ bringe,
möchte ich mich zur Diskussion einmal positiv ausdrücken.
Diese Ideen, basierend auf Klaus-Jürgen Tillmann konnte ich noch in den 90ern ziemlich weit umsetzen,
sie sind mein berufliches Credo:
Fragt man die Lehrlinge danach, was für sie eine gute Schule ist, so hören wir
· eine gute Schule muss Spass machen
· eine gute Schule darf mir nicht Angst machen
· sie ist gut, wenn viel Unterricht ausfällt
· sie liefert gute Zensuren
· auf einer guten Schule erreiche ich meinen Abschluss
· und noch häufiger: Weiß ich nicht – was traurige Rückschlüsse zulässt
Fragt man die Eltern danach, so heißt es oftmals,
· dass in einer guten Schule der häusliche Erziehungs-Stil fortgesetzt werden soll oder das, womit die Eltern überfordert waren, erreicht wird
· dass es entweder genauso oder ganz anders sein soll als während der eigenen Schulzeit
· dass die Eltern am Schulleben beteiligt werden möchten oder aber ganz damit in Ruhe gelassen werden möchten.
Fragt man die Meister, was für sie eine gute Berufsschule ist, so wird gesagt,
· eine gute Schule lehrt die theoretischen Inhalte, die gerade in der Praxis vermittelt werden
· eine gute Schule lehrt vor allem Fachzeichnen, Fachrechnen und ist ansonsten nicht so wichtig
· eine gute Schule gleicht das aus, was der spezialisierte Betrieb nicht vermittelt
· eine gute Schule lässt den Lehrling im Betrieb, wenn er dort benötigt wird
· eine gute Schule sucht den Kontakt zu den Ausbildern und stimmt sich mit ihnen ab
Auch wir Lehrerinnen und Lehrer möchten an einer Schule arbeiten, die eine gute Schule werden will. Ich möchte hier aus meiner Sicht aufzählen, ohne zu beweisen und begründen, was für mich eine gute Schule ausmacht.
· Gute Schulen sind solche, in denen sich Lehrkräfte und Schüler über eine längere Zeit kennen, in denen gegenseitige Besonderheiten und Eigenheiten wahrgenommen und respektiert werden.
· Gute Schulen werden von Gremien getragen, die nicht von unüberbrückbaren Fraktionen, von Kämpfen bis aufs Messer gekennzeichnet sind.
· In guten Schulen dominiert nicht eine Gruppe von Lehrkräften in weltanschaulicher Selbstgewissheit. Das selbstgefällige „Wir´ sind eigentlich
die´ Schule“ einer Gruppe drängt die Anderen an die sozialen Ränder.
· Chaos, Strukturlosigkeit, Vandalismus, Rohheit, Gleichgültigkeit und Verantwortungsentzug kennzeichnen schlechte Schulen.
· Gute Schulen sind gestaltende Schulen, im sozialen wie im räumlichen Bereich. Sie sind keine Wartesäle dritter Klasse, keine Notunterkünfte und Kasernen.
· In guten Schulen passiert etwas; es ist viel los. Feste werden gefeiert, Ausflüge organisiert, Ausstellungen arrangiert – die jeweilige Vorbereitung ist fast wichtiger als die Durchführung.
· In guten Schulen herrscht keine miese Stimmung unter den Mitarbeitern, Unzufriedenheit und Gereiztheit sind nicht chronisch.
· In guten Schulen herrscht keine aggressive Stimmung gegen die Schüler, es wird nicht ausschließlich dauernd über „Schrott“, „Dünnbrettbohrer“ und „Pfeifen“ gesprochen, die seit Aristoteles immer dümmer und fauler werden. Hausbau, und Ferien bilden nicht das zweite zentrale Gesprächsthema.
· In guten Schulen haben die Lehrkräfte Zeit für die Schule. Sie kommen nicht erst kurz vor Unterrichtsbeginn und verlassen die Schule nicht fluchtartig nach dem Klingelzeichen. Freudlosigkeit, Langeweile und Konzeptionslosigkeit sind in schlechten Schulen zu finden.
· Gute Schulen sind nicht überbürokratisch, sie verschüchtern die Lehrkräfte und die Schüler nicht, sie ersticken nicht die Aktivitäten in Regelungen und Ängstlichkeiten.
· Das Gefühl, ohnehin nichts tun zu können, also Stimmungen der Ohnmacht und Resignation, kennzeichnen schlechte Schulen.
· Projektmethode, Handlungsorientierung und ähnliche Konzepte und Methoden machen allein, nur weil sie zur Zeit als Fortschritt modern sind, noch keine gute Schule. Unterrichtsansätzen und Konzeptionen, die von innen heraus aus einer pädagogischen Haltung gelebt werden, sind auch vermeintlich veraltet besser als moderne Konzepte, die lediglich als „Kochrezept“ verwendet werden. Es kommt darauf an, die eigenen Ansätze zu leben.
· In guten Schulen fühlen sich Lehrkräfte und Schüler angenommen, akzeptiert. Eine wichtige Grundstimmung lautet: Ich bin da und die anderen wissen das -oder- Ich bin o.k. und du bist o.k. .
· In guten Schulen sind die Lehrkräfte zugleich kritisch beobachtend, handlungsbereit und zufrieden.
· In guten Schulen lassen sich die Lehrkräfte nicht von den Schülern tyrannisieren – aber sie wollen auch nicht herrschen.
· In guten Schulen ist eine freundliche, lockere Atmosphäre spürbar. Die Lehrkräfte sind gern dort, die Schüler fühlen sich wohl und die Eltern/Ausbilder haben den Eindruck, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind hier gut aufgehoben; sie werden sehr wohl gefordert, allerdings ohne überfordert zu werden. Sie gehören dazu, ohne in allem besser sein zu wollen, sie entwickeln sich, sie wachsen für das Leben.
Um aber als gute Schule arbeiten zu können, wird die Bereitstellung der entsprechenden Rahmenbedingungen durch den Schulträger und die Landesregierung benötigt. Dazu gehören beispielsweise:
· Keine Klassenfrequenzen, die pädagogisch sinnvolles Arbeiten verunmöglichen. Gruppenarbeit, Werkstattunterricht, offener Unterricht, Förderungsmaßnahmen sind nur in kleinen Gruppen denkbar.
· Die Bereitstellung von Finanzmitteln, die nicht nur auf das unbedingt notwendige (minus 10%) reduziert werden, sondern die Spielraum lassen für flexibilisierende, differenzierende Maßnahmen.
· Die Zuweisung von Kollegen, die nicht nur erwerbstätig sein wollen, sondern engagierte Kollegen, die in das „Kollektiv“ passen und selbstständig, eigenverantwortlich ihre Schule mitgestalten wollen.
· Schulinterne Lehrerfortbildungen, deren Themen als aus dem Kollegium heraus formuliert und gewollt werden, vielleicht sogar entwickelt und selbst organisiert werden; die viel Zeit lassen für die kritische Analyse der eigenen Arbeit, intensive Auseinandersetzung mit aktuell pädagogisch innovativen Themen, auch außerhalb des Schulgebäudes
Häufig hören wir
auf das Schulklima, auf das Lehrerethos käme es an, ob eine Schule gut arbeiten könne. Die materielle Ausstattung sei demgegenüber eher zweitrangig.
Mit diesem Argument wird versucht, die Diskussion um Sachmittel, Klassenfrequenzen und Lehrer-Arbeitszeit als nebensächlich abzuqualifizieren. Manchmal muss jedoch ein seriöser Umgang mit dem Problem eingeklagt werden:
Richtig ist, dass z.B. eine teure Video-Ausstattung den Unterricht nicht besser macht, wenn sie nicht benutzt oder gar wirklich benötigt wird.
Aber – wenn in einer Schule wie der unseren das Kollegium zu dem Schluss kommt, dass an der eigenen pädagogischen Praxis gearbeitet werden soll, dass offener Unterricht und Projekttage versucht werden sollen, dass behinderte Kinder, Lernbeeinträchtigte, Verhaltensgestörte, Legastheniker, kurz Benachteiligte gefördert werden müssen, dann erfordert dies nicht nur pädagogisches Engagement der Betroffenen, sondern auch sehr viel Zeit und reichliche materielle wie personelle Unterstützung, manchmal auch Anleitung und Hilfe.
So bedarf es zu einer guten Schule vielerlei außerschulischer Hilfen. Zentrale Faktoren bleiben dabei allerdings unser Engagement und unser Lehrerethos, die durch eine derartige Unterstützung abgesichert werden sollten.
Wir sollten nie so vermessen sein, eine gute Schule sein zu wollen. Wir sollten erst recht nie sagen, schon jetzt sind wir eine gute Schule. Die ständige Veränderung in den uns anvertrauten Schülergenerationen lassen dieses Ausruhen gar nicht zu. Wir sollten uns daher ständig darum bemühen, eine gute Schule zu werden. Der Weg ist das Ziel.
Herzlichst
Ole