Was ist eine (naturwissenschaftliche) Theorie

Was ist eine Theorie?

Eine Theorie ist in der Naturwissenschaft ein Gedankengebäude, das einen definierten Teilbereich der Natur zu beschreiben versucht. Sie muss in sich widerspruchsfrei und innerhalb ihres Geltungsbereichs mit anderen Theorien verträglich sein.

Sie bedient sich in der Regel mathematischer Mittel. Sie stellt Regeln auf (so genannte Naturgesetze). Aufgrund dieser Regeln lassen sich Voraussagen machen, die sich durch Beobachtungen und Experimente überprüfen lassen. Stimmt eine Beobachtung mit den Voraussagen der Theorie nicht überein, dann muss die Theorie angepasst oder – falls dies nicht möglich ist – verworfen werden. Noch so viele experimentelle Bestätigungen der Theorie führen jedoch niemals zu einem endgültigen Beweis.

Eine Theorie ist dann eine gute Theorie, wenn sie präzise ist, wenn sie einen großen Geltungsbereich hat und wenn sie mit wenigen, möglichst einfachen Annahmen auskommt.

Wird eine alte Theorie durch eine neue ersetzt, dann muss die neue Theorie in diesem Sinne besser sein als die alt, und mindestens alle Aussagen der alten Theorie mit enthalten.

Was ist eine Theorie nicht?

  1. Eine Theorie ist nicht wirklichkeitsfern.
    Der Begriff „Theorie“ hat zwei Bedeutungsebenen, die man nicht verwechseln darf. In der Umgangssprache ist eine Theorie etwas abgehobenes, von der Praxis losgelöstes, unwirkliches, … Man sagt z. B.: „Theoretisch weiß ich wie es geht, aber in der Praxis kriege ich es nicht hin.“ In der Fachsprache muss aber die Theorie zwingend einen direkten Bezug zur Wirklichkeit haben. Hätte sie den nicht oder würde sie sich als fehlerhaft erweisen, dann müsste man sie verwerfen. Deshalb formulierte schon Kirchhoff: „Es gibt nichts praktischeres als eine gute Theorie.“

  2. Eine Theorie ist nicht ungewiss.
    Das Wort „Theorie“ sagt überhaupt nichts über die Gewissheit der Erkenntnis aus. Viele Menschen glauben, man sei sich nicht sicher, ob die Evolutionstheorie richtig sei, weil sie ja „nur eine Theorie“ sei. Tatsächlich wird in der Naturwissenschaft jedes Erklärungsmodell, das so funktioniert wie oben beschrieben, als Theorie bezeichnet, auch wenn es schon lange als quasi unumstößlich gilt (z. B. die spezielle Relativitätstheorie). Wenn ein Wissenschaftler sagt, dass eine Beobachtung „in der Theorie“ verstanden sei, so ist das nicht einschränkend gemeint, sondern bekräftigend, weil man sie dadurch in einen weiteren Zusammenhang stellen kann. Vorläufige Behauptungen, die noch als ungesichert gelten, werden nicht als Theorie, sondern als „Hypothese“ bezeichnet. Wurde eine Hypothese hinreichend oft empirisch bestätigt, kann sie selbst in den Rang einer Theorie erhoben werden.

  3. Eine Theorie ist nicht beweisbar.
    Dass eine bestimmte Theorie nicht bewiesen werden kann, ist jedoch
    kein Mangel dieser Theorie, sondern hängt zwingend mit der erkenntnistheoretischen Grundlage von Theorie zusammen. Es ist also ein Wesenszug aller Theorien.

  4. Ene Theorie beantworter nicht die Frage nach dem „Warum?“.
    Theorien erklären nicht, sondern sie beschreiben. D. h. das Thema einer Theorie ist nicht der Urgrund eines Phänomens, sondern seine Eigenschaften und die Zusammenhänge zu anderen Phänomenen. z. B. stellt die Urknall-Theorie fest, dass sich das Universum seit einer Singularität an seinem Anfang fortwährend ausdehnt. Diese Singularität wird Urknall genannt. Warum es einen Urknall gegeben hat, beantwortet die Urknalltheorie jedoch nicht.

  5. Eine Theorie ist streng genommen weder wahr noch falsch.
    Ihre Qualität äußert sich darin, dass sie auf konkrete Probleme
    anwendbar ist und zutreffende Vorhersagen macht.

  6. Eine bewährte Theorie „stirbt“ nicht, wenn eine neue Theorie aufgestellt wird.
    Eine Theorie, die sich in einem bestimmten Bereich als zuverlässig erwiesen hat, verliert nicht automatisch ihre Gültigkeit, wenn neuere Beobachtungen außerhalb dieses Bereichs ihr zu widersprechen scheinen. Dadurch wird nur die Grenze des Gültigkeitsbereichs schärfer definiert. Bsp.: Die Newtonsche Mechanik wurde nicht falsch, als man die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie aufstellte. Für makroskopische Körper und geringe Geschwindigkeiten gilt sie wie eh und je.