Was ist holzfreier Wein?

zum Beispiel hier:

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.03.2009
Die Carraros sind echte Pioniere des brasilianischen Weinbaus, sie betreten Neuland und liefern mit ihren konsequent holzfreien Rotweinen großartige Beweise für die Qualität ihres Weinlandes.

Der Tagesspiegel, 11.07.2003
Er keltert deshalb auch einen holzfreien weißen Beaujolais aus Chardonnay, der an jeder aktuellen Mode vorbeigeht - und einen verlockenden Pinot Noir.

Der Tagesspiegel, 10.01.2003
Er schmeckt gänzlich holzfrei und zeigt dennoch ein breites Spektrum von Frucht und Würze, hohen Extrakt und tiefrote Farbe, die er der klassischen Maischegärung verdankt.

Da geht es um den Geschmack nach Holz, nicht um den Inhaltsstoff Holz. Irgendwann Ende der 90er kamen einige Produzenten auf den Gedanken, ihre an sich belanglosen Weine durch die Lagerung in Holzfässern („Barrique“) bzw. die vorrübergehende Beimengung von Holzchips aufzupeppen.

Der belanglose Wein blieb auch nach dieser Behandlung belanglos, verfügte aber über eine mehr oder weniger deutlich wahrnehmbare Holznote, was bei manchen Konsumenten als Qualitätsmerkmal wahrgenommen wurde. Da das zeitweilig echt Überhand nahm, freuten sich manche Kritiker, wenn ein Wein NICHT nach Holz schmeckte.

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Man hat Wein traditionell in Holz ausgebaut, bis dann irgendwann die Stahltanks aufkamen, die deutlich billiger sind und größere Volumina für wenig Geld in standardisierter Form mit genormten Anschlüssen, … erlauben. D.h. es geht hier um Stahltanks anstelle von Holzfässern. Und während Holz Aroma auf den Wein überträgt, ist der Stahl neutral. Beides hat Vor- und Nachteile, und wie @C_Punkt schon angesprochen hat, gab und gibt es da durchaus auch Kuriosa, um billig in Stahltanks ausgebauten Wein, Holznoten mitzugeben, was allerdings vielfach daneben geht, und aus einem billigen Wein ohne viel eigenen Ausdruck dann ein billiger Wein wird, der so schmeckt, als ob man auf einem Stück Holz kaut.

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Danke euch beiden!

Ich erinnere mich an den Hype, jeder hat dich mit der Bemerkung das ist ein Barrique Wein genötigt, Ahhh und Ohhh zu staunen. Wenn ich dann meine Meinung kundtat, der zieht einem aber das Hemd hinten rein, waren künftige Einladung passé.

Genau. Ganz schlimm war das, als der Chardonnay-Hype mit dem Barrique-Hype kollidierte und man gerade in Restaurants diese dünnen Chardonnay-Süppchen mit der Hauptnote Holz aufgedrängt bekam. Es muss so um 1997 oder 1998 gewesen sein, als in der SZ-Kostprobe ein „special“ zum Thema Chardonnay erschien, in dem das auch thematisiert wurde.

Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass ich 2005 mit @Neuner_Reiseservice, @Mummel_451840 und dem vor knapp 15 Jahren leider verstorbenen Martin Geiger (mhg) im damals noch existierenden und rätselhafterweise mit zwei Sternen garnierten Restaurant Tristán auf Mallorca saß und der Kellner dem Weinkenner Martin einen Chardonnay mit viel Holz zum Probieren einschenkte. Martin kommentierte diesen seinem typisch fränkisch-grantelnden Tonfall mit „das tut man einem Chardonnay nicht an“, ließ den Kellner mit der Bemerkung einige Sekunden verdutzt stehen und forderte ihn dann mit einer Handbewegung dazu auf, den Wein auch den restlichen Gästen am Tisch einzuschenken.

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Wobei man den Barrique-Ausbau auch nicht grundsätzlich verteufeln sollte. Er passt gut zu diversen Weinen. Aber wie so oft, wenn etwas aus guten Gründen hier und da eingesetzt wird, und der Name dann eine gewisse Prominenz erreicht, die Mehrerlöse verspricht, springen halt windige Typen auf so einen Zug auf.

Du meinst Ende der 90er des 14. Jahrhunderts?

Nein, meinte ich nicht. Was ich meinte, ist recht einfach nachzulesen.

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So war das auch mit dem Dornfelder. Als der allgemein „aufkam“ ein einfacher, leckererer Wein für alle Tage. Hat keine 3 Jahre gedauert, konnten man den nicht mehr trinken, zumindest was allgemein als Dornfelder vertrieben wurde.
Wir waren vor 2 - 3 Jahren in der Pfalz, ein paar Tage die Seele baumeln lassen. Außerhab der üblichen Saison, als wir in dem Weingut Wind (Ort muss ich nachschauen) eine Weinprobe machten. Die Mutter des Hauses offeriert uns einen Dornfelder, worauf meine Frau fast erschreckt ablehnt. Nach gutem Zureden haben wir den dann doch probiert, und was soll ich sagen, lecker! Die Mutter des Hauses hat sich dann ausgelassen über die Art wie die Gierhälse die Rebsorte verhackstückt haben um Masse zu machen.

Ich als absoluter Wein"un"kenner kann da nur drüber lachen.
Für mich ist das Zeug nur süß oder sauer und macht ab einer gewissen Menge gesundheitliche Probleme.
Einen Abgang habe ich zwar auch gelegentlich, aber definitiv nicht in der Kehle.
Es gibt bestimmt noch mehr Banausen wie mich, die aber mit ah und oh so tun, als hätten sie den absoluten Geschmack.
Selbiges bei den schärferen Sachen. Die kratzen mir einfach nur in der Kehle.

Vor ein paar Jahren wurden im Fernsehen C-Promis zu einer Weinprobe eingeladen. Ausgeschenkt wurden wurden verschiedene Rotweine deuscher Anbaugebiete in Blindverkostung. Die „Tester“ überschlugen sich mit Sprüchen, wie beerige Note, sanfter Abgang, Bla Bal Bla. Dann würde ein Weißwein mit Lebensmittelfarbstoff in Rotwein verändert. Einer der Tester, der sich mit seinen Bewertungen schon zuvor recht zurückgehalten hatte, musste zu seiner Bewertung regelrecht aufgefordert werden. Nachdenklich sagt er: „Wenn ich nicht sehen würde, dass das ein Rotwein ist, würde ich sagen das ist ein Weißwein!“ Der einzige, der ein wenig Ahnung hatte.

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Btw da gibt es ja noch den köstlichen „Frühroten“!
Ich kann mir nie merken, ob der jetzt zu Rot-oder Weissweinen gezählt wird.

Zu den Weißweinen.

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Ich meine mich zu erinnern, dass Martin meinte: „Zu Ihrem Essen wird er schon passen“, nachdem der Ober meinte, die Temperatur sei vielleicht doch nicht ganz optimal.
Unvergessen an dem Abend auch der Versuch, uns eine Flasche Mineralwasser von den Osterinseln zu verkaufen - im Wert eines Kleinwagens :smiley:

Übrigens, guck mal, wen ich entdeckt habe: https://pletademar.com/restaurant.php

Ja, das war der zweite Faux Pas und ich meine, dass das auch der Wein gewesen wäre, der nicht rechtzeitig zum Essen am Tisch war. Unvergessen auch der schwankende Boden, der lautstark flatternde Windschutz aus Plastik und der Umstand, dass wir nach dem Zahlen der Rechnung komplett ignoriert wurden.

Ja, das war mehr oder weniger der erste Eindruck.

Im Reads war ich ein oder zwei Jahre später noch einmal, danach war es dann geschlossen. 2009 machte Fosh dann das Simply Fosh in Palma auf. Bis dahin habe ich es aber noch nicht geschafft. Das Reads war aber wirklich toll und an die Abende dort denke ich immer wieder mal und vor allem gerne zurück.