Was ist Religion?

Hi!

Bei einer Diskussion über Relgionen kam die Frage auf, was Religion eigentlich ist, also welche Bestandteile zwingend vorhanden sein müssen, damit eine Weltanschauung als Religion und nicht als Philosophie o.ä. bezeichnet werden darf.

Gibt es z.B. anerkannte Religionen, die ohne einen „Gottesbegriff“ auskommen, also ohne den Bestandteil einer selbstständig denkenden und agierenden, den Menschen übergeordnete Kraft?

Wie sieht das aus mit Glaubensgemeinschaften, die auf einen Gottesbegriff verzichten, an dessen Stelle aber eine Art ewig gültiges Prinzip stellen - also keine selbstständig agierende Kraft, sondern ein System, das selbst im Falle völliger Zerstörung weiterhing Gültigkeit hat?

Wie sind die asiatischen „Religionen“ (bewusst in Anführungszeichen gesetzt) zu sehen, die auf Lehren von Denkern beruhen, etwa Buddha oder Konfuzius oder der Taoismus von Lao-Tse?

Wo liegt die Grenze zwischen Religion und Philosophie?

Grüße
Heinrich

Wie sind die asiatischen „Religionen“ (bewusst in
Anführungszeichen gesetzt) zu sehen, die auf Lehren von
Denkern beruhen, etwa Buddha oder Konfuzius oder der Taoismus
von Lao-Tse?

Die Grenzen sind beim Buddhismus (Schule des reinen Landes mal ausgenommen) fließend, ich denke aber eine Religion grenzt sich gegenüber reinen philosophischen Denkrichtungen darin ab, das Leben nach dem Tod zu erklären.

mfg
Simon

zum Begriff der Religion
Hi Heinrich,

das ist ein bombastischer Fragenkomplex, den du da anreißt. Und dennoch gehört dies zu den Fragen, die ja hier immer wieder im Hintergrund stehen. [Deshalb bin ich auch dabei, zu diesem Thema ein FAQ zu basteln].

Was ist eigentlich Religion überhaupt (bzw. wie ist der Begriff „Religion“ zu bestimmen) und was ist - im Unterschied dazu - eine Religion: Diese Fragestellung bietet sich hier ebenso an, wie im Gebiet der Philosophie bezüglich des Begriffs „Philosophie“ (wo sie auch schon mal im Grundriss beantwortet wurde - siehe Brettbeschreibung dort).

Die Frage ist ja Gegenstandsbereich und erstaunlicherweise zugleich Ausgangspunkt und Zielpunkt sowohl in der Vergleichenden Religionswissenschaft als auch in der Religionsphilosophie. Und genau dabei wird ein Zirkel sichtbar: Um den Gegenstand von Religionswissenschaft gegen andere Wissenschaft abzugrenzen, müßte der Begriff „Religion“ schon definiert sein. Um aber eine Definition zu finden, muß man empirisch durch alle religiösen Phämomene der gesamten Kulturgeschichte gehen. Um dies aber wieder zu tun, bräuchte man ein Kriterium der Unterscheidung, was ein religiöses und was ein nicht-religiöses Phänomen ist … usw.

Um zu einer deiner Fragen zu kommen: Ja, es gibt „Religionen“, in denen ein Gottesbegriff keine Rolle spielt: Die bekanntesten Beispiele sind die, die du teils schon erwähntest: Daoismus, Yoga, Buddhismus, Ch’an (Zen) … aber vor allem wären unzählige Kulte zu erwähnen, die man aus bestimmten Gründen als „primitive Religionen“ bezeichnet(e), bei denen eine präzise Unterscheidung zwischen „Göttern“ und „Dämonen“ sehr schwierig ist (und das hängt wieder davon ab, wie man den Begriff „Gott“, „Götter“ bestimmt).

Aber auch bei den erstgenannten gibt es „populäre“ Varianten, bei denen man durchaus kultisches Verhalten (Ahnenkulte, Personenkulte usw.), rituelle Praktiken (magische Praktiken, Heilungsrituale usw.) findet, die sich kaum von Erscheinungen unterscheiden, in denen auch Götter oder Dämonen eine Rolle spielen.

Aber hier sieht man schon das Problem:

a. wenn wir sie trotzdem als Religionen bezeichnen, haben wir damit bestimmt, daß Gottesbegriffe für den Begriff „Religion“ nicht zwingend seien.
b. wenn wir sie deshalb nicht als Religionen bezeichnen, haben wir damit bestimmt, daß Gottesbegriffe für den Begriff „Religion“ zwingend seien.

Im Übrigen wären jedenfalls als wesentliche Bestandteile einer Religion zu nennen:

1. Ein Bestand an Mythen und (damit eng zusammenhängend) Ritualen. Mythen (insbesondere kosmogonische = Schöpfungs-Mythen) haben dabei den Zweck, auf rituellem (bzw. zeremoniellem) Wege aktuelles Handeln und Geschehen zu „legitimieren“. Eine aktuelle Handlung, Beschlußfassung, „Weihe“ gewinnt ihre Gültigkeit (und damit ihre reale Relevanz) erst durch einen Zusammenhang mit einem kosmogonischen Präzedenzfall: Totenkulte, Eheschließungen, Königs- und „Priester“-weihen, Grundsteinlegungen, Gesetzgebungen, Initiation in die Stammesmitgliedschaft usw.

Die Legitimation bzw. Güligkeit gewinnt eine rituelle Handlung dabei durch eine Identifizierung („identification magique“) des Hier & Jetzt mit dem kosmogonischen Akt.

2. Eine soziale Relevanz der mythischen und rituellen Vorstellungen: Sie definieren den Stamm (z.B. durch Bezug auf den mythischen Stammesgründer , der tatsächlich gar nicht notwendig als historische Person gedacht wird/wurde) oder in größeren Gesellschaften die „Gemeinde“ und die Zugehörigkeit des Individuums zu ihr. In diesen Kontext gehören nicht nur ethische Normen, sondern auch konkretere Verhaltensnormen wie Kleidung, Eßgewohnheiten usw.

In diesem Komplex fällt auch alles das, was man im weitesten Sinne als Heilslehre bezeichnet: Die mythischen Grundlagen haben eine Grundbestimung vom Wesen des Menschen geliefert, und die Heilslehre bestimmt, wie der Mensch dieser seiner Grundbestimmung angemessen werden könne. Daß der Mensch es nicht mehr ist seit einem „Bruch“, einem Widerspruch gegen die Idee seines Wesens, der unmittelbar bereits im mythischen Schöpfungsgeschehen verankert gedacht wird, scheint ein durchgängiges Gedankengut aller religiöser Erscheinungen (gewesen) zu sein. Lebensziel ist daher - so kann man generalisiert formulieren - die Rückkehr in den Zustand der Schöpfung und der urspünglichen Wesensbestimmung des Menschen.

3. Ein Bereich, den ich unbedingt separat mit hinzunehme, der aus bestimmten begriffshistorischen Gründen als Mystik zu bezeichnen wäre: Es ist eine Komponente, die erst deutlich zutage tritt, wo die Gesellschaft sich so weit entwickelt hat, daß der Individualität der Einzelperson eine besondere Rolle zugeordnet wird. Hier geht es um die Beziehung zwischen dem Einzelnen (und seinem Verhalten während der Lebenszeit) und dem, was als Grundprinzipien im Hintergrund steht: Bei theistischen Religionen sind das natürlich der Gott oder die Götter, bei nichttheistischen ein anderes, nicht personal gedachtes Grundprinzip.

Die mystische Beziehung des Individuums mit diesem kosmischen Grundprinzip ist hier nicht mehr auf die Zukunft ausgerichtet, sondern wird im Hier & Jetzt aktuell erfahren ( unio mystica ). Diese ausschließlich individuelle"Erfahrung" (es ist prolematisch, ob dieser Ausdruck dafür zutreffend ist) ist natürlich jeweils anders näher zu bestimmen, je nachdem, um welche Religion es sich handelt. Die Konzeptionen können sich dabei sehr extrem unterscheiden. illuminatio heißt es bei Augustinus, und sonst finden wir Begriffe vor wie z.B. buddhi, dao, satori usw. Hierher gehören u.a. auch bestimmte Formen der Initiations erfahrungen sibirischer Schamanen, ebenso wie die der israelitisch-jüdischen Propheten.

Eine Abgrenzung gegen den Begriff „Philosophie“ ist einfach, wenn man diesen im Sinne der griechisch-europäischen Philosophiegeschichte verwendet (andernfalls wirds schwierig). Religion, Gottesbegriffe, ethische Normen usw. sind darin natürlich auch ein Thema, aber nur unter anderen Theman. Rein methodisch und begrifflich geht es aber um etwas ganz anderes.

Schwieriger ist es, eine Abgrenzung gegenüber „Psychologie“ und Psychotherapie zu bestimmen. Denn zumindest der unter 1. umrissene Themenkomplex kann durchaus als frühe historische Vor-Form (bei den sog. „primitiven“ Religionen ist dies ja die einzige Ebene) von Psychotherapie incl. psychologischer „Theorie“ (Krankheitstheorie: Die jeweiligen Definitionen, wann eine „Seele“ krank ist und wie sie geheilt werden kann) aufgefaßt werden.

Soweit einige Kernpunkte zu der Ausgangsfrage.

Gruß

Metapher

Noch komplizierter… Wikipaedia
Es ist noch komplizierter, es gibt nicht
nur Religion und Philosophie, sondern auch
noch „Kult“, „Animismus“, „Esoterik“, „Schamanismus“
,…

Zwischen allen diesen Begriffen ist der Übergang
fließend, und es gibt fast immer ein Beispiel,
bei dem man dann doch nicht genau entscheiden
kann, obs nun Religion, Phiolsophie oder sonstwas
ist.

Guck mal bei wiki nach. Das ist zumindest mal ein
guter Startpunkt.

Gruss, Marco

Hallo Heinrich

Gibt es z.B. anerkannte Religionen, die ohne einen
„Gottesbegriff“ auskommen

Selbstverständlich: der Buddhismus.

Gruß,Branden

Selbstverständlich: der Buddhismus.

Jedenfalls das Hinayana. Vom Mahajana kann man das nicht sagen.

Gruß, Fritz

Wo liegt die Grenze zwischen Religion und Philosophie?

Philosophie beschäftigt sich mit dem Sein, Religion mit dem Sinn.

Gruss
Schorsch

Hi!

Die Grenzen sind beim Buddhismus (Schule des reinen Landes mal
ausgenommen) fließend, ich denke aber eine Religion grenzt
sich gegenüber reinen philosophischen Denkrichtungen darin ab,
das Leben nach dem Tod zu erklären.

Eine interessante Aussage. Vor kurzem habe ich nämlich einen Artikel über die zwei grundlegend unterschiedlichen Ausrichtungen von Religion gelesen:

Da gibt es einerseits die linear ausgerichtete Religion (ich nenne das jetzt einfach mal so), die einen konkreten Anfang kennt (die Weltenschöpfung) und ein konkretes Ende (die Apoklaypse oder das Jüngste Gericht), und dazwischen bewegen wir uns, zwischen Anfang und Ende. Diese Art der Religion, auch bekannt als abrahamitische Religion, wird hauptsächlich durch Judentum, Christentum und Islam vertreten.

Das Gegenstück dazu ist eine zirkuläre Religion, die keinen Anfang und kein Ende kennt, sondern einen ewigen Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt (lat.: reincarnatio, nicht: regeneratio). Diese Art der Religion ist deutlich älter als die abrahamitische Religion (vgl. Naturreligionen). Es stellt sich dabei die Frage, ob „Wiedergeburt“, also ein neues Sein in der hiesigen Welt, ein Leben nach dem Tod ist. Oder ob der Tod nur eine Art „Wartezeit“ ist zwischen den einzelnen Leben (danach wäre eine Definition von Religion über das Leben nach dem Tod hier nicht gegeben).

Schwieriges Thema.

Grüße
Heinrich

H!

Heißt das, es gibt keine Philosophie, die nach dem Sinn des Lebens fragt? Meines Wissens gibt es sehr viele Philosophen, die den Sinn des Lebens zu ergründen versucht haben, z.B. Kant, Kierkegaard, Adorno.

Grüße
Heinrich

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Heißt das, es gibt keine Philosophie, die nach dem Sinn des
Lebens fragt? Meines Wissens gibt es sehr viele Philosophen,
die den Sinn des Lebens zu ergründen versucht haben, z.B.
Kant, Kierkegaard, Adorno.

Kierkegaard und Theodor Wolkenbruch kenne ich nicht, auch mein Wissen über Kants Werk ist unterhalb der Stufe des Dilettantismus. Aber hat Kant wirklich ‚den Sinn des Lebens‘ zu ergründen versucht? Hat er nicht eher versucht, Erkenntnisfähigkeit, die Voraussetzung zur Erlangung von Erkenntnis zu ergründen?

Erkenntnis des Seins ist die unabdingbare Voraussetzung, einen Sinn ergründen zu können. Das ist Thema der Philosophie.

Religion hingegen „[…] musste das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen“. Religion versucht, ohne Erkenntnis des Seins einen Sinn zu finden; wenn sie mit der Philosophie verwandt wäre, wäre sie die denkfaule Schwester, die den Tand, nicht den Verstand liebt.

Gruss
Schorsch

Kann es sein das die Menschen zuviel Zeit damit verschwenden nach den Sinn des Leben zu forschen. Satt sich damit abzufinden das sie nun mal da sind und versuchen sollten das beste daraus zu machen.
Was ich damit meine ist das jeder was erreichen kann, damit meine ich jetzt nicht Familie und Beruf (das ist immer für den einzelnen wichtig) .

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

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Hi!

Kierkegaard und Theodor Wolkenbruch kenne ich nicht, auch mein
Wissen über Kants Werk ist unterhalb der Stufe des
Dilettantismus. Aber hat Kant wirklich ‚den Sinn des Lebens‘
zu ergründen versucht? Hat er nicht eher versucht,
Erkenntnisfähigkeit, die Voraussetzung zur Erlangung von
Erkenntnis zu ergründen?

Kants Philosophie befasst sich mit drei Kernfragen:

  1. Was kann ich wissen (Problem: Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens, z.B. kann ich Gott begreifen)?

  2. Was soll ich tun (Problem: Moral, Ethik, Freiheit und Verantwortung, eben die Kernaussage des „kategorischen Imperativs“)?

  3. Was darf ich hoffen (Problem: Sinn des Daseins)?

Kants Philosophie geht also durchaus über die Erkenntnisfähigkeit hinaus.

Grüße
Heinrich

Wenn mir eine Religion sagt was passieren wird wenn ich gestorben bin ist das eine Erklärung des „Lebens nach dem Tod“ im Wortsinne. Damit bleibe ich zu 100% bei meiner Aussage. Wiedergeburt ist schließlich auch ein Vorgang nach dem Tod.

mfg
Simon

erklären?

ich denke aber eine Religion grenzt
sich gegenüber reinen philosophischen Denkrichtungen darin ab,
das Leben nach dem Tod zu erklären.

Dann wäre ja, das Judentum keine Religion.

Das kanns also nicht sein, nicht wahr?

Gruß

Metapher

lineare ud zyklische Kosmologien
Hi

Artikel über die zwei grundlegend unterschiedlichen
Ausrichtungen von Religion gelesen

Natürlich gibt es zyklische und lineare (mythische!) Kosmologien (siehe meine Antwort an dich oben). Aber dadurch allein ist eine Religion noch nicht bestimmt, es betrifft nur den mythologischen Anteil an ihnen.

Und das ist richtig: Die israelitische Religion bzw. das Judentum enthält eine lineare Kosmologie, und sie ist religionshistorisch wohl die erste dieser Art. Zyklische Kosmologien finden sich z.B. in verschiedenen hinduistischen Ausrichtungen.

Gruß

Metapher

Hallo Heinrich

ich versuche mal meine Deutung :wink:

Bei einer Diskussion über Relgionen kam die Frage auf, was
Religion eigentlich ist, also welche Bestandteile zwingend
vorhanden sein müssen, damit eine Weltanschauung als Religion
und nicht als Philosophie o.ä. bezeichnet werden darf.

„Religion“ hat immer den Aspekt der Menschenführung und Erziehung,
„Philosophie“ nicht. Alle Religionen liefern „Handlungsanweisungen“
und bedeuten daher ökonomischen Vorteil bei der Menschenführung.

Eine Religion entsteht imho dann, wenn charismatische
Führer, die aus eigener Autorität führen können, weg-
fallen und die soziale Struktur mit „Metabefehlen“
auf dem gewohnten Level gehalten werden muss. Die
Rolle des Führers übernimmt dann eine „personifizierte“
oder ubiquitäre Macht.

Dann gibt es noch Religionen der „Götterdämmerung“, die
entstehen, wenn die „alten“ Religionen an Macht verlieren,
den Menschen ihre Handlungsanweisungen glaubhaft zu machen.
Diese sind entweder kohärent und bauen weiter - oder sie
entstehen aus einer „Anti“-Bewegung.

Kernpunkt der Religionen ist also der erzieherische und
politische Aspekt, dieser fehlt bei Philosophieen.

Grüße

CMБ

Charismatiker
Hi CMБ

„Religion“ hat immer den Aspekt der Menschenführung und Erziehung,

Das würde allerdings nur auf ganz wenige Religionen zutreffen, und auch bei denen wäre es bestenfalls ein geringer Teilaspekt (siehe meine Statements zum Begriff „Religion“ weiter unten)

Alle Religionen liefern „Handlungsanweisungen“

Das ist ganz und gar nicht der Fall. Höchstens könnte man sagen, daß einige Religionen ethische Normen setzen. Und ich wüßte darüber hinaus auch nicht, welchen ökonomischen Vorteil diese bringen bzw brachten.

Eine Religion entsteht imho dann, wenn charismatische
Führer, die aus eigener Autorität führen können, weg-
fallen und die soziale Struktur mit „Metabefehlen“
auf dem gewohnten Level gehalten werden muss.

Es gibt und gab hunderte von Religionen, aber nur bei maximal einer handvoll kann man von „charismatischen Führern“ reden, die dann meist erst posthum(!) eine Gründerrolle spielen. Als bewußte, eindeutige „Neuinszenierer“ könnte man bestenfalls (Echnaton ist ja gescheitert) Zarathustra und Mohammed sehen. Was historisch nach dem Islam kam, kann man kaum in irgendeinem Sinne unter den Begriff „Religion“ fassen.

Aber du hast insofern Recht, als die meisten Charismatiker, die als „Gründer“ fungieren, diese Rolle für sich selbst gar nicht hatten: Lao Zi, Kung Zi, Gotama Shakyamuni, Bodhidharma, Moses, Jesus … sie waren Charismatiker, Neuerer innerhalb von schon bestehenden religiösen Konzeptionen (Zarathustra im Grunde auch und auch Mohammed hatte Bestehendes als Ausgangspunkt).

Die Rolle des Führers übernimmt dann eine „personifizierte“ oder ubiquitäre Macht.

Das würde besten falls theistische Religionen betreffen. Es gibt aber nur eine einzige, in der eine neue „personifizierte“ Macht konzipiert wurde (Zarathustra mit Ahura Mazda).

Darüberhinaus ist über die „Entstehung“ von Religionen (man mßte genauer von „Kulten“ sprechen) so gut wie gar nichts bekannt. Darüber von heute aus zu spekulieren, wäre recht sinnlos.

Dann gibt es noch Religionen der „Götterdämmerung“, die
entstehen, wenn die „alten“ Religionen an Macht verlieren

Dann gibt es zunächst einmal ein konzeptionelles Chaos: So im römischen Reich der ersten Jhdte u.Z. (Separationen und Synkretismen) oder im heutigen Europa mit dem konzeptionellen Sammelsurium, das unter dem völlig irreführenden Namen „Esoterik“ zusammengefaßt wird.

Gruß

Metapher

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Halle Methapher,

„Religion“ hat immer den Aspekt der Menschenführung und Erziehung,

Das würde allerdings nur auf ganz wenige Religionen zutreffen,
und auch bei denen wäre es bestenfalls ein geringer Teilaspekt
(siehe meine Statements zum Begriff „Religion“ weiter unten)

Ich denke, Du irrst hier. „Religion“, wie ich sie verstehe,
ist ein Phänomen der Sozietät und hat insofern
immer einen soziostrukturellen Footprint. Ansonsten ist
es (imho) keine Religion, sondern ein Sub-Kult oder
eine private Hobbybeschäftigung.

Alle Religionen liefern „Handlungsanweisungen“

Das ist ganz und gar nicht der Fall. Höchstens könnte man
sagen, daß einige Religionen ethische Normen
setzen. Und ich wüßte darüber hinaus auch nicht, welchen
ökonomischen Vorteil diese bringen bzw brachten.

Auch hier: Aus meiner obigen Spezifizierung sollte
klar sein, warum ich das so sehen muss.

Eine Religion entsteht imho dann, wenn charismatische
Führer, die aus eigener Autorität führen können, weg-
fallen und die soziale Struktur mit „Metabefehlen“
auf dem gewohnten Level gehalten werden muss.

Es gibt und gab hunderte von Religionen, aber nur bei maximal
einer handvoll kann man von „charismatischen Führern“ reden,
die dann meist erst posthum(!) eine Gründerrolle spielen. Als
bewußte, eindeutige „Neuinszenierer“ könnte man bestenfalls
(Echnaton ist ja gescheitert) Zarathustra und Mohammed sehen.
Was historisch nach dem Islam kam, kann man kaum in
irgendeinem Sinne unter den Begriff „Religion“ fassen.

Mohamed ist imho ein Kompilator von Vorhandenem, genau
wie Marx auf seinem Gebiet. Zarathustra kommt in Frage.
Echnaton ist afaik ein „auf-die-spitze-treiber“ von
vorhandenen Inhalten, also ein Weiterentwickler eines
religiösen Teilaspekts. Aber Du bist der Fachmann hier :wink:

Aber du hast insofern Recht, als die meisten Charismatiker,
die als „Gründer“ fungieren, diese Rolle für sich selbst gar
nicht hatten: Lao Zi, Kung Zi, Gotama Shakyamuni, Bodhidharma,
Moses, Jesus … sie waren Charismatiker, Neuerer innerhalb
von schon bestehenden religiösen Konzeptionen (Zarathustra im
Grunde auch und auch Mohammed hatte Bestehendes als
Ausgangspunkt).

Das schwebte mir vor. Und diese Bewegungen waren auch
als „noch-nicht-Religion“ bereits „politisch“ und
generierten zumindest formale Handlungsanweisungen.

Die Rolle des Führers übernimmt dann eine
„personifizierte“ oder ubiquitäre Macht.

Das würde besten falls theistische Religionen betreffen. Es
gibt aber nur eine einzige, in der eine neue „personifizierte“
Macht konzipiert wurde (Zarathustra mit Ahura Mazda).

Ich meinte nicht die „konkrete Figur“ sondern die Metasymbolik
dieser „Person“ oder „Allmacht“. Ob eine Figur nun herumschwirrt
oder „in allem steckt“ ist zweitrangig. Das ist lediglich eine
Frage des Geschmacks. Was bleibt, sind (politische und
erzieherische) „Richtlinien“ zum richtigen Umgang mit
dem jeweiligen Wesentlichen.

Darüberhinaus ist über die „Entstehung“ von Religionen (man
mßte genauer von „Kulten“ sprechen) so gut wie gar nichts
bekannt. Darüber von heute aus zu spekulieren, wäre recht
sinnlos.

Finde ich nicht. Warum soll man keine plausiblen
Varianten diskutieren?

Dann gibt es noch Religionen der „Götterdämmerung“, die
entstehen, wenn die „alten“ Religionen an Macht verlieren

Dann gibt es zunächst einmal ein konzeptionelles Chaos: So im
römischen Reich der ersten Jhdte u.Z. (Separationen und
Synkretismen) oder im heutigen Europa mit dem konzeptionellen
Sammelsurium, das unter dem völlig irreführenden Namen
„Esoterik“ zusammengefaßt wird.

Ja, aber es bleibt eine Übertragung der politischen und sozialen
Funktion der wieauchimmer gearteten „aussersinnlichen Welt“
auf ein aussersinnliches Ersatzsystem. Genau die Funktionen,
die in der Philosophie keine Rolle spielen. Das war ja das Thema.

Grüße

CMБ

Jedenfalls das Hinayana. Vom Mahajana kann man das nicht
sagen.

Hallo Fritz,
einen ‚Gottesbegriff‘ im abendländisch-theologischen Sinne gibt es weder im Hinayana noch im Mahayana.

Die Existenz von Göttern an sich wird im Buddhismus nicht grundsätzlich angezweifelt - allerdings unterscheidet sich dieser ‚Gottesbegriff‘ ganz erheblich von dem der monotheistischen Religionen. Eine ‚Rolle‘ in der Lehre spielen diese Götter allerdings nicht - allenfalls eine marginale. Götter sind für einen Buddhisten schlicht uninteressant. Der Dharma (die buddhistische Lehre) kann daher widerspruchsfrei auch von einem Atheisten angenommen und gelebt werden. Bei westlichen Buddhisten ist dies wohl auch der Regelfall.

Zum Thema Götter und Buddhismus hier ein aufschlussreicher Artikel von Thomas Lautwein:
http://www.zenforum.de/modules.php?op=modload&name=N…

Dein Verdikt über das Mahayana zeigt mir, dass Deine diesbezüglichen Kenntnisse doch sehr dünn sind. Hinter einem Konzept wie ‚Buddhanatur‘ oder ‚Dharmakaya‘ einen Gottesbegriff zu argwöhnen, ist mE schon recht abwegig - da ist wohl etwas vorschnell und ohne eingehende Auseinandersetzung in eine scheinbar passende Schublade abgelegt worden.

Freundliche Grüße,
Ralf

„Religion“ ist eine Art des „Gottes dieser Welt“ (2.Kor.4,4), die Menschheit zu verführen (Offb.12,9). Die andere „Glaubensrichtung“ ist in Ps.53,2 beschrieben.
„Gottes Wort“ allerdings ist die Wahrheit, welche etliche nicht „glauben“ wollen (Eph.2,2; Röm.3,3).