Was ist von UL zu halten?

Hallo,
im Umfeld habe ich einige Leute die der „Sekte“ UL = Universelles Leben anhängen.

Was ist davon zu halten?

Bitte keine platten Erkenntnisse, die man über deren Website nachlesen kann…

Ist das eine geschickt getarnte Gehirnwaschanstalt, ähnlich wie Scientology, ist das vielleicht sogar ein Teil davon?

Oder meinen die es wirklich so gut, wie sie sich darstellen?

Gruß

Hummel

Was ist davon zu halten?

Vorab: Die Frage ist, wenn man objektiv sein möchte, schwer zu beantworten, da es nur wenige Nicht-UL-ler geben dürfte, die tatsächlich Kenntnisse aus erster Hand haben. Die, die ausgestiegen sind, hätten sie zwar, sind aber eindeutig befangen, und die, die drin sind, logischer Weise erst recht.

Die überwiegende Mehrheit in Deutschland (darüber hinaus spielt das UL meines Wissens eine noch geringere Rolle als ohnehin schon) dürfte dem UL kritisch gegenüberstehen, aber es gibt nachweislich auch Befürworter. Was „man“ davon halten soll, muß „man“ für sich selber entscheiden.

Ist das eine geschickt getarnte Gehirnwaschanstalt,

Das UL spricht Menschen an, die im Leben etwas vermissen, die sich in dieser Gemeinschaft wohlfühlen und ihrer Botschaft etwas Positives abgewinnen können. Wenn man Berichten z.B. Ausgestiegener glauben darf, setzt dann irgendwann die Phase ein, in der die Welt nicht mehr nur klar in weiß (die Guten = UL) und schwarz (die böse Welt = alle anderen) unterteilt wird, sondern in der eine Absonderung der UL-Mitglieder von der Welt stattfindet. Damit ist dann natürlich auch die Trennung von der Familie oder Freunden, sofern diese nicht im UL sind, verbunden. Wer diesen Schritt erst einmal getan hat, hat kaum mehr Kontakte zur Außenwelt, was es natürlich auch schwer macht, Alternativen zum UL zu finden oder ihm gar den Rücken zu kehren.
Ob’s zur „Gehirnwäsche“ reicht, kann ich nicht beurteilen. Aber daß man dort stärker als in den meisten anderen Religionsgemeinschaften und erst recht beim Kaninchenzüchterverein beeinflußt wird, davon kann man schon ausgehen. Die Offenheit gegenüber Andersdenkenden ist beim UL (wie bei vielen Sekten) sicher nicht besonders stark ausgeprägt.

ähnlich wie Scientology

Was die Methoden angeht, könnte man das sagen, die (pseudo-) religiöse Lehre ist eine andere. Und das UL ist längst nicht so groß aufgestellt. Außerhalb (Unter-) Frankens sind sie, soweit ich weiß, kaum wirklich bedeutsam vertreten.

ist das vielleicht sogar ein Teil davon?

Ziemlich sicher nicht.

Oder meinen die es wirklich so gut, wie sie sich darstellen?

Meinen mögen sie es vielleicht, und es gibt sicher Menschen, denen es damit gut geht. Problematisch wird es aus meiner Sicht da, wo auf Drängen des UL die Kontakte „nach draußen“ (Familie, Freunde…) abgebrochen werden; und für die, die eines Tages merken, daß das UL nicht ihr Weg ist. Aussteiger und Kritiker sieht man nicht gerne.
Zu den ökologischen Einstellungen des UL kann man sicher auch geteilter Meinung sein. Aber auch hier würde ich nicht pauschal unterstellen, daß die Ökomasche nur Show nach außen ist, sondern durchaus gut gemeint.
Aber „gut gemeint“ ist halt nicht gleich „gut gemacht“.

Ich persönlich wäre daher bei der ganzen Angelegenheit eher skeptisch. Das Problem ist nur, daß Sie dann als Kritiker genau das bestätigen, was man im UL über Außenstehende sagt: Daß sie zu den „Bösen“ gehören, die gegen das UL hetzen. Je weniger man vom UL weiß, desto schwerer fällt es, diese Fallstricke zu sehen. Da wird Kritik, die darauf hinweist, schnell als völlig überzogen zurückgwiesen. Je mehr ein Mensch in diesem System drin ist, desto deutlicher wird er das Gefühl bekommen, daß solche Kritiker nicht gut für ihn selbst und für das UL sind. Und das wiederum wird es ihnen leichter machen, am Ende die Kontakte abzubrechen.

Eine hilfreiche Ansprechstelle für kompetente (aber natürlich nicht neutrale) Beratung sind die Sektenberater der Kirchen.

Gruß Martinus

Methodischer Wahn
Hi.

Oder meinen die es wirklich so gut, wie sie sich darstellen?

Da fällt mir sofort das Bonmot ein:

_Was ist das Gegenteil von ´gut´?

´Gutgemeint´._

Die Stifterin dieser Organisation leidet vermutlich unter Wahnvorstellungen, die ihre sozialen Kompetenzen aber nicht einschränken, welche zweifellos in hohem Maße gegeben sind. Ihre ´Lehre´ ist ein sehr simplifizierendes Gemenge aus Gnosis, Hinduismus und Vulgäresoterik.

Folgendes Zitat von Gabriele Wittek stammt aus Walter Hofmanns Buch „Ein ehemals geistig unwissender Mensch auf dem Pfad zu Gott“ (Quelle ganz unten):

Nach dem 4. oder 5. Tag meldete sich Jesus Christus, sinngemäß mit den Worten: Ich bin Jesus Christus, der Welten Erlöser! Ich erschrak und wollte den inneren Strom unterbinden. Daraufhin kamen die liebevollen Worte: Fürchte dich nicht. Ich begleite dich während deines ganzen irdischen Lebens. Du standest immer in meiner Obhut. Denn du bist ausgegangen, um Mein Wort aufzunehmen und es der Welt wiederzugeben.

Das ist typisch für eine Konfusion von subtiler (feinstofflicher) Wahrnehmung und mythogischem Denken, ermöglicht durch eine fundamentale Kondionierung des Unbewussten auf die Inhalte einer bestimmten Mythologie. Diese Inhalte verselbständigen sich, wenn es zu einem visionären Zustand kommt, zu scheinbar realen Figuren, deren Projektionscharakter für den Erlebenden nicht erkennbar ist.

Die Formel „Fürchte dich nicht“ bzw. „Fürchtet euch nicht“ erscheint im AT etwa 20 Mal und im NT 30 mal. Dass sie dann auch in der Vision der Wittek auftaucht, kann nicht überraschen, sie hat sich durch die vorausgehende Bibellektüre tief in ihr Unbewusstes eingegraben.

Teresa von Avila berichtete im 16. Jh. von folgender Vision:

Unmittelbar neben mir sah ich einen Engel in vollkommener körperlicher Gestalt. Der Engel war eher klein als groß, sehr schön, und sein Antlitz leuchtete in solchem Glanz, daß er zu jenen Engeln gehören mußte, die ganz vom Feuer göttlicher Liebe durchleuchtet sind; es müssen jene sein, die man Seraphe nennt. In der Hand des Engels sah ich einen langen goldenen Pfeil mit Feuer an der Spitze. Es schien mir, als stieße er ihn mehrmals in mein Herz, ich fühlte, wie das Eisen mein Innerstes durchdrang, und als er ihn herauszog, war mir, als nähme er mein Herz mit, und ich blieb erfüllt von flammender Liebe zu Gott. Der Schmerz war so stark, daß ich klagend aufschrie.

An anderer Stelle heißt es in Witteks Buch:

Etwa 6 Monate nach dem Durchbruch des Inneren Wortes klärte mich Jesus Christus auf, wer der Bruder Emamuel ist. Er sagte, Bruder Emanuel sei einer seiner sieben Cherubs, [Dazu in einer Fußnote ergänzt: „Die sieben Cherubs sind die sieben Gesetzeshüter Gottes. Sie stehen jeweils einer der sieben Grundregionen der Schöpfung vor.“] und zwar der Cherub der Göttlichen Weisheit. (…) Als ich von dem Cherub hörte, von dem Gesetzesengel der Weisheit, wurde mir sehr bange. Ich hatte Bruder Emanuel als meinen Lehrer ins Herz geschlossen. (…) Als ich aber von dem Gesetzesengel gehört habe, da wurde mir Angst und Bange. Ich versuchte, mit Emanuel keinen Kontakt mehr aufzunehmen. Das wurde auch respektiert. Ungefähr ½ Jahr lang belehrte mich dann ausschließlich Christus, der Sohn Gottes.

Das klingt alles recht detailliert, was der Wahnvermutung aber nicht widerspricht. Ich kenne einen Vietnamesen, der unter der Wahnvorstellung von drei Personen leidet, die ihn fast ständig begleiten und völlig realistisch wirken. Manchmal warten sie in der Küche auf ihn, wenn er nach Hause kommt, und verwickeln ihn in eine Unterhaltung. Oder sie laufen an seinem Arbeitsplatz zwischen seinen Arbeitskollegen herum. Natürlich nimmt er Tranquilizer, um damit umgehen zu können.

Chan

Quelle für Wittek-Zitate:

http://www.michelrieth.de/gabi1.htm

Hallo!

Teresa von Avila berichtete im 16. Jh. von folgender Vision:

Unmittelbar neben mir sah ich einen Engel in vollkommener
körperlicher Gestalt. Der Engel war eher klein als groß, sehr
schön, und sein Antlitz leuchtete in solchem Glanz, daß er zu
jenen Engeln gehören mußte, die ganz vom Feuer göttlicher
Liebe durchleuchtet sind; es müssen jene sein, die man Seraphe
nennt. In der Hand des Engels sah ich einen langen goldenen
Pfeil mit Feuer an der Spitze. Es schien mir, als stieße er
ihn mehrmals in mein Herz, ich fühlte, wie das Eisen mein
Innerstes durchdrang, und als er ihn herauszog, war mir, als
nähme er mein Herz mit, und ich blieb erfüllt von flammender
Liebe zu Gott. Der Schmerz war so stark, daß ich klagend
aufschrie.

Das klingt alles recht detailliert, was der Wahnvermutung aber
nicht widerspricht.

Man muss nicht Dan Brown und seinen Illuminati-Schmöker lesen, es reicht, in der S.-Maria-del-Popolo-Kirche in Rom die Statue der von dieser Vision verzückten Teresa anzuschauen, um zu ahnen, dass hinter dem Wahn etwas (un)ziemlich Reales steckt.

Freundlichen Gruß!
H.

L’estasi di santa Teresa
Hallo Hannes,

es reicht, in der S.-Maria-del-Popolo-Kirche in Rom die Statue der von dieser Vision verzückten Teresa anzuschauen,

Du meinst doch gewiß diese großartige Carrara-Statue → „Estasi di santa Teresa“ von Bernini. Die steht aber nicht in Santa Maria del Popolo, sondern in der Cornaro-Kapelle von Santa Maria della Vittoria.

um zu ahnen, dass hinter dem Wahn etwas (un)ziemlich Reales steckt.

Die zweifellos erotische Attitüde in Teresas vielfältigen Beschreibungen ihrer Exstasen ist aber nicht nur ihre persönliche Eigenart. Es ist eine Eigenart überhaupt der europäischen Frauenmystik. Sie findet sich in „Das fließende Licht der Gottheit“ der Mechthild v. Magdeburg bis hin zu den autobiographischen Schriften der Thérèse de Lisieux.

Dies mit dem allein schon sprachlich kuriosen Kokolores der Wittek in einen Topf zu schmeißen, ist eine Geschmacklosigkeit, (…)

Freundlichen Gruß
Metapher

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Vielen Dank für die Antworten!
Da habt ihr mich wirklich weitergebracht! Abgesehen von den persönlichen Meinungen gibt der Link aus Michelrieth auch viel spannendes Lesematerial her.

Zur Erklärung:

Ich verbringe viel Freizeit in der Umgebung vom „UL-Land“ und nutze Gelegenheiten, ab + zu in deren Einkaufszentrum Altfeld zu gehen, und mit den Leuten zu plaudern.

Und ich kenne auch sonst hier einige Leute, die sich eindeutig zu UL bekennen, mit denen ich aber ganz normal beim Schoppen zuammensitzen kann ( wobei da schon meine erste Verunsicherung anfängt, da UL es wohl nicht so mit Alkohol hat ).

Normalerweise fällt es mir leicht mit Sektenanhänger - gleich welcher Couleur - prächtig zu streiten, da Schwachpunkte bekannt und einfach zu auszuhebeln sind.

Bei UL ist mir das zu diffus ( gewesen ), denn außer, dass eine wohl durchgeknallte Tucke Visionen hatte, fand ich keine richtige Angriffsfläche, um bewährte Argumente gegen Sekten einzusetzen.

Aber mit dem Lesestoff aus Michelrieth wird das wohl einfacher

Gruß
Hummel

Hallo!

es reicht, in der S.-Maria-del-Popolo-Kirche in Rom die Statue der von dieser Vision verzückten Teresa anzuschauen,

[…]Die steht aber nicht in Santa
Maria del Popolo, sondern in der Cornaro-Kapelle von Santa
Maria della Vittoria.

Damit hast du Recht. Ich danke für die Berichtigung. Das ist mir in der Erinnerung durcheinandergekommen. (Vielleicht doch wegen des Dan-Brownschen Habakuk?)

um zu ahnen, dass hinter dem Wahn etwas (un)ziemlich Reales steckt.

Die zweifellos erotische Attitüde in Teresas vielfältigen
Beschreibungen ihrer Exstasen ist aber nicht nur ihre
persönliche Eigenart. Es ist eine Eigenart überhaupt der
europäischen Frauenmystik,

die mir in manchen Äußerungen nicht sonderlich sympathisch ist.

Dies mit dem allein schon sprachlich kuriosen Kokolores der
Wittek in einen Topf zu schmeißen

Tat ich das? Es gibt recht unterschiedliche Interpretationen dieses Kunstwerks.

Freundliche Grüße!
H.

Hi,

Es ist eine Eigenart überhaupt der europäischen Frauenmystik,

die mir in manchen Äußerungen nicht sonderlich sympathisch ist

die aber - angesichts der paulinischen Exkommunikation der Sexualität - einen unbestreitbaren Stellenwert in der Theologiegeschichte hat. Margareta Porete nicht zu vergessen: „Es gibt keinen noch so hohen Kleriker auf der Welt, der Euch davon etwas zu sagen wüsste.

Dies mit dem allein schon sprachlich kuriosen Kokolores der Wittek in einen Topf zu schmeißen

Tat ich das? Es gibt recht unterschiedliche Interpretationen dieses Kunstwerks.

Nein, nicht du tatest das, sondern ein anderer Threadbeitrag. Durch die nicht von mir erfolgte Löschung eines Halbsatzes ist das leider mißverständlich geworden. Sorry.

Ich meine damit auch die Gleichrangigsetzung frauenmystischer Literatur mit den Texten der Wittek. Nicht die Bernini-Skulptur. Daß diese kunsthistorisch strittig ist, ist mir präsent. Um ebenfalls eine persönliche Anmerkung dazu zu machen: Die Bernini-Interpretation der Figur der Terasa sehe ich mit ihren Tagebucheinträgen durchaus kompatibel (nicht zuletzt der meisterhafte Faltenwurf als Psychogramm). Entsetzlich dagegen die albern-kitschige Putte, die sich in ihrem Aufzeichnungen ja auch gar nicht findet.

Schönen Gruß
Metapher

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… beata Ludovica Albertoni.
Das nämliche Sujet behandelte Bernini übrigens noch ein zweites Mal: die weniger bekannte Darstellung der genannten Seligen in der Kirche S. Francesco a Ripa, ein Spätwerk des Meisters.
Mir ist aber nicht bekannt, ob diese, eine (besonders nach dem Sacco di Roma) caritativ tätige Franziskaner-Tertiarin, etwas geschrieben hinterlassen hat.

Beste Grüße!
H.

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… beata Ludovica Albertoni.
die weniger bekannte Darstellung der genannten Seligen in der Kirche S. Francesco a Ripa, ein Spätwerk des Meisters.

Ah ja. Danke für den Hinweis. Hier ist sie:
http://www.heiligenlexikon.de/BiographienL/Ludovica_…

Mir ist aber nicht bekannt, ob diese, eine (besonders nach dem Sacco di Roma) caritativ tätige Franziskaner-Tertiarin, etwas geschrieben hinterlassen hat.

Es sieht so aus, daß von ihr nur Legendäres (Armenfürsorge, Wunder, Levitationen) überliefert ist.

Schöne Grüße
Metapher

Teresa, Lacan und die Mystik
Hi.

Man muss nicht Dan Brown und seinen Illuminati-Schmöker lesen,
es reicht, in der S.-Maria-del-Popolo-Kirche in Rom die Statue
der von dieser Vision verzückten Teresa anzuschauen, um zu
ahnen, dass hinter dem Wahn etwas (un)ziemlich Reales steckt.

Ich habe diesen „Schmöker“ nicht gelesen, habe das Zitat also nicht daher, wenn du das meinst. Übrigens macht die Bernini-Statue den Originalbericht weder überflüssig, noch weist beides auf irgendetwas hin, dass man so ohne weiteres „real“ nennen könnte, ohne diesen Begriff zu präzisieren. Deine Formulierung „(un)ziemlich Reales“ ist zwar geistreich, aber völlig unklar.

Es handelt sich bei Teresas Bericht um eine ekstastische Halluzination, die ein mythologisches Szenario erzeugt, in der sich das eigentlich Reale, die ekstatische Wonne, manifestiert. Irreal also ist das Szenario, „real“ die Wonne.

Das „Reale“ ist in der Theorie des strukturalistischen Psychoanalytikers Lacan eng verbunden mit dem „Genießen“ (jouissance). Mit Realität hat das Reale nicht zu tun. Es entspricht einer mystischen Wirklichkeit hinter den Erscheinungen, deren Erfahrung in vielen mystischen Berichten als ekstatisch beschrieben wird. Freilich ist echte Mystik gänzlich formlos, also unmythologisch. Ihr Hauptmerkmal besteht ja gerade im Transzendieren der Subjekt-Objekt-Spaltung. Von daher ist Teresas Vision keineswegs Mystik im eigentlichen Sinne, sie bildet eine Vorstufe, auf der Subjekt und Objekt noch getrennt sind.

Zudem ist Teresas Wahrnehmung in einem Maße auf den Wonneaspekt konzentriert, das die Vermutung nahelegt, dass dahinter ein verdrängtes sexuelles Begehren als antreibender Motor steckt. Verblüffen kann das angesichts der Sexualmoral jener Jahrhunderte nicht.

Lacan schrieb über die Statue:

Sie brauchen sich nur in Rom die Statue von Bernini anzusehen, um sofort zu begreifen, dass sie genießt, da gibt es keinen Zweifel… Diese mystischen Ergüsse, das ist weder Geschwätz noch Wortmacherei, das ist in summa, was man lesen kann vom Besten… Was versuchte wurde am Ende des letztlen Jahrhunderts, zur Zeit Freuds, was sie suchten, all die guten Leute in der Umgebung Charcots und der anderen, das war… die Mystik auf Fickgeshichten zurückzuführen. Wenn Sie da näher hinschauen, ist es das ganz und gar nicht. Dieser Genuss, den man empfindet und von dem man nichts weiß, ist es nicht das, was uns auf den Weg der Ex-istenz bringt? Und warum nicht einen Seite des Andern interpretieren, die Seite Gott, als getragen durch den weiblichen Genuss?

Chan

Erotische Mystik
Hi.

Dies mit dem allein schon sprachlich kuriosen Kokolores der
Wittek in einen Topf zu schmeißen, ist eine
Geschmacklosigkeit, (…)

Wenn der Topf ausreichend groß ist, nicht. Ich kenne Teresas Vision schon lange, und mir liegt jeder Gedanke fern, sie vom Kunstwert des Textes her mit Witteks Erzeugnissen auf eine Stufe zu stellen. Und doch gehört beides in die gleiche Grundkategorie „religiöse Vision“. Ich sehe keinen zwingenden Grund, der Teresa´schen Vision inhaltlich einen höheren Wert beizumessen als der Wittek´schen. Beide sind mythologisch und damit… falsch. Bist du dir sicher, dass es nicht einfach nur der erotische Aspekt ist, der dir die Vision Teresas kostbarer erscheinen lässt als die von Wittek? Was hat dieser Aspekt mit wahrer Mystik zu tun? (siehe meine Antwort an Hannes)

Aber man weiß ja: Sex sells :smile:

Chan

Schrieb Lacan so?

was uns auf den Weg der Ex-istenz bringt?

Hallo Meister Chan, schrieb Lacan „Ex-istenz“ oder ist es nur ein Schreibfehler?

Gruß
Claus

Ein Fall von Hierogamie
Hi Claus.

schrieb Lacan „Ex-istenz“ oder ist es nur ein Schreibfehler?

Mir sind Tippfehler unterlaufen, aber das war keiner. Ex-istenz steht hier lacanianisch für „Heraus-Stehen/Getretensein“ (lat. exsistere - entstehen, heraustreten). In Lacan Theorie ex-sistiert das wahre Subjekt (des Menschen) unbewusst, es ist ex-zentrisch, außerhalb des Zugriffs des Bewusstseins, also des (nach Lacan) rein imaginär strukturierten Ego. Lacan meint an dieser Stelle, dass der ekstatische Zustand einen Zugang zu dieser unbewussten Subjektivität ermöglicht, allerdings vorsichtig in eine Frage gekleidet.

Der Visionsbericht stammt übrigens aus Teresas selbstverfasster „Lebensgeschichte“. Die unten zitierte Passage findet sich in ihrem Werk „Die innere Burg“ und verdeutlicht den Zusammenhang von „Gott“, „Vereinigung“ und „Entzücken“. Die Religionswissenschaft reiht Teresas Schilderungen dieser Vereinigung in die verschiedenen Erscheinungsformen des hieros gamos (Heilige Hochzeit) ein, der seit den Sumerern praktiziert wurde, u.a. in Griechenland, Rom und bei den Kelten. In Babylon geschah dies durch die jährliche rituelle (und öffentliche) Vereinigung des Königs mit der Hohepriesterin, welche in diesem Akt die Göttin Innana repräsentierte.

Aus der „Inneren Burg“:

Diese geheime Vereinigung vollzieht sich in
der allerinnersten Mitte der Seele, also an dem Ort, wo Gott
selber weilt. Und er bedarf, wie ich glaube, keiner Türe, um
dort einzutreten … Was der Herr hier der Seele in einem
Augenblick mitteilt, ist ein so großes Geheimnis und eine so
hohe Gnade, und das Entzücken, das die Seele dabei empfindet,
ist so übermächtig, daß ich es mit nichts anderem vergleichen
kann als der Seligkeit im Himmel.

Chan

Mir sind Tippfehler unterlaufen, aber das war keiner.

Interessant, Meister Chan! Deshalb meine Frage…

Ex-istenz steht hier lacanianisch für
„Heraus-Stehen/Getretensein“ (lat. exsistere - entstehen,
heraustreten). In Lacan Theorie ex-sistiert das wahre Subjekt
(des Menschen) unbewusst,

Natürlich weitgehend unbewusst!

es ist ex-zentrisch, außerhalb des
Zugriffs des Bewusstseins, also des (nach Lacan) rein imaginär
strukturierten Ego.

Ego ist nur imaginär? So einfach sehe ich das nicht, bedenke doch mal die „Realität“, wenn du zum Beispiel lange gearbeitet hast, weil du im „Flow“ warst, vergessen vom Ego, aber plötzlich das „Es“ oder das „Reale“ immer deutlicher in dein Bewusstsein tritt, was du vielleicht ständig unterdrückst. Doch plötzlich drängt das Gefühl des Hungers so mächtig an die Oberfläche, dass du zu deinen Kollegen sagst: „Ihr könnt weiter machen, aber ICH muss jetzt unbedingt, sonst sterbe ICH!

Lacan meint an dieser Stelle, dass der
ekstatische Zustand einen Zugang zu dieser unbewussten
Subjektivität ermöglicht, allerdings vorsichtig in eine Frage
gekleidet.

Da hat Wilber aber meiner Meinung nach ein sehr viel besseres Erklärungsmodell!

Der Visionsbericht stammt übrigens aus Teresas
selbstverfasster „Lebensgeschichte“. Die unten zitierte
Passage findet sich in ihrem Werk „Die innere Burg“ und
verdeutlicht den Zusammenhang von „Gott“, „Vereinigung“ und
„Entzücken“. Die Religionswissenschaft reiht Teresas
Schilderungen dieser Vereinigung in die verschiedenen
Erscheinungsformen des hieros gamos (Heilige Hochzeit) ein,

In der Mythologie der antiken Griechen eine „Hochzeit von zwei Göttern“, äh… Nun ja, selig sind die, die daran glauben… wobei ich immer noch nicht weiß, wie religiöser Glaube funktioniert, außer Humes Erklärung!

Schöne Grüße
Claus

Hierogamie in der Gottheitsmystik

Natürlich weitgehend unbewusst!

Laut Lacan komplett unbewusst. Leider gehört das aber nicht unmittelbar zum UP-Thema. An passenderer Stelle können wir das gerne ausdiskutieren.

Da hat Wilber aber meiner Meinung nach ein sehr viel besseres Erklärungsmodell!

Wem sagst du das. Wilber unterscheidet zwischen Naturmystik, Gottheitsmystik, kausaler Mystik und nondualer Mystik. Teresas Zustände rechnet er der Gottheitsmystik zu. Hier ein Beispiel:

Aus: Was ist integrale Spiritualität? (2005)

Zu diesen Zustands-Stufen, die sich grundsätzlich von grobstofflicher Erfahrung zu subtiler Erfahrung zu nondualer Erfahrung bewegen, kann man praktisch ein jedes Handbuch der Meditation oder Kontemplation, Ost oder West,
aufschlagen und wird eine Beschreibung meditativer oder spiritueller Erfahrungen finden, die sich im wesentlichen in dieser Reihenfolge entfalten, mit ziemlich genau diesen grundsätzlichen Charakteristika. Man denkt sofort an die Innere Burg der hl.
Teresa von Avila, die außerordentlichen Kartographien des hl. Johannes vom Kreuz und jene der Kirchenväter – wie der hl. Gregor von Nyssa, Origenes, der hl. Dionysius Areopagita (dessen „Weg der Reinigung“, „Weg der Illumination“ und „Weg
der Vereinigung“ eine der kürzesten und präzisesten Zusammenfassungen ist, die man finden kann: reinige den grobstofflichen Körper durch Disziplin und beruhige den grobstofflichen Geist durch Konzentration; finde subtile innerliche Illumination; lass sogar die Illumination zurück in einem Gebet der Stille und des göttlichen Nicht-
Wissens; dadurch finden die Seele und Gott Einheit in der Gottheit, eins mit der strahlenden Alleinheit).

In der Mythologie der antiken Griechen eine „Hochzeit von zwei
Göttern“, äh… Nun ja, selig sind die, die daran glauben…

Dann mache ich dich gleich selig: Der Hochzeit von Zeus und Hera wurde ein spezieller Kult gewidmet, ebenso der zwischen Demeter und Iasion.

Meine Fantasy-Version einer Heiligen Hochzeit zwischen dem Sonnengott Re und der Lichtgöttin Barbelo habe ich übrigens im Story-Brett gepostet. Da geht´s dann auch ziemlich zur Sache.

Chan

Ein Fall von Hierogamie??
Hi,

Die Religionswissenschaft reiht Teresas Schilderungen dieser Vereinigung in die verschiedenen Erscheinungsformen des hieros gamos (Heilige Hochzeit) ein

also „Die“(sic!) Religionswissenschaft pflegt sich vor solchen Begriffsverwirrungen (wie hier zwischen „Hierogamie“ und „mystischer Hochzeit“), und sogar Kategorienverwechslungen (ein Ritual bzw. ein Mythos ist etwas ganz anderes als eine Exstase) zu hüten.

Es wäre daher interessant, wenn du mir einen profilierten Religionswissenschaftler, oder vielmehr einen mit diesem Spezialgebiet befaßten Religionspsychologen benennen könntes, der Teresas Exstasen als „Hierogamie“ typisiert. Am besten natürlich mit Quellenangabe für deine hier proklamierte These.

Danke im Voraus
Metapher

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