Was ist zuerst da- Gefühl oder Bewertung?

Hallo,

nachdem es verschiedene Ansätze gibt, wie man handelt wollte ich hier mal um Eure Meinungen bitten.

Es gibt ja den Ansatz, daß es ein Ereignis gibt- dieses wird bewertet- und dann folgen Emotionen.
Für mich, schwer zu verstehen, denn eine Bewertung kann doch erst durch ein Wertesystem entstehen und wird das nicht immer emotional sein?
Ich sag mal- ganz archaisch in letzter Instanz als „Lust“ oder „Unlust“ gegliedert?

Und Lust wird mit angenehmen Gefühlen gekoppelt sein- Unlust mit dem Gegenteil.

Wenn Gefühle aus der Bewertung kommen…also umgekehrt als es mir einleuchtet…wo kommt dann die Bewertung her? Und woran orientiert sich dann dieses Wertesystem?

LG kitty

Ich würde es eher umgekehrt interpretieren. Zu einem bestimmten Ereignis entsteht ein Gefühl und daraus resultiert die jeweilige Bewertung. Denn das Gefühl, das sich einstellt bewertet die Situation ja dann auch erst negativ oder positiv. Und das sicher bei jedem Menschen anders.

Hallo,

gute Frage… ich glaube aber , es ist oft ein Kreislauf, oder Bewertungen kommen aus Zusammenhängen, die mit der eigentlichen Situation nichts zu tun haben.

Beispiel: Nimm an, du möchtest gerne schlank sein, weil du das als schön, fit, modern, jung aussehend usw. empfindest.(Bewertung).

Nun nimmst du 5 kg zu und fühlst dich schlecht, dick, als Versager.
Da kommt das Gefühl doch aus einer Bewertung, oder?

Würdest du mollig als schön bewerten, wären deine Gefühle sicher andere…

Gruß von Bixie

Hallo,

vorweg zu den Begriffen Gefühl, Emotion: Gefühl ist Teil der Wertung, Emotion der daraus resultierende Ausdruck (Affekt).

Das Schema ist stets:

Ereignis - Wahrnehmung - Wertung - Emotion

Erstes Beispiel:

  1. Du stehst so rum, hinter dir ein in Betrieb befindlicher Wärmestrahler (Ereignis), den du weder optisch noch akustisch noch sonstwie erkennst.
  2. Du nimmst eine physiologische Veränderung durch „Wärme“ wahr.
  3. Du wertest bzw. vergleichst mit früheren Erfahrungen als angenehm oder nicht
  4. Du empfindest dein zitiertes Lust-Unlust.

Zweites Beispiel:

  1. Du stehst so in der Sonne rum, suchst auf dem Boden nach seltenen Gräsern, vor dir am Horizont entstehen erste Gewitterwolken.
  2. Du siehst auf, nimmst die Wolken optisch wahr.
  3. Du wertest/vergleichst mit früheren Erfahrungen in gut oder böse.
  4. Du fürchtest dich mehr oder weniger.

Wenn Gefühle aus der Bewertung kommen…also umgekehrt als es mir einleuchtet…wo kommt dann die Bewertung her? Und woran orientiert sich dann dieses Wertesystem?

Jetzt wirste aber pingelig :smile:

„Emotionen“ wie Hunger, Ängste etc. berufen sich grundsätzlich auf genetische „Erfahrungen“. Viele davon (wie Ängste) werden verstärkt oder gemildert durch die „Lebenserfahrung“. Andere bleiben weitgehend unberührt (Hunger).

Gruß
nasziv

Weder noch?
Hi kitty,

Es gibt ja den Ansatz, daß es ein Ereignis gibt- dieses wird
bewertet- und dann folgen Emotionen.

ich will jetzt nicht auf die Feinheiten des Unterschieds zwischen Gefühl und Emotion eingehen.

Sondern darauf, dass es zwei verschiedene Art der Bewertung gibt, die bewusste und die Unbewusste. Wenn nur wenige Fakten oder Faktoren zu berücksichtigen sind, ist die bewusste oft die bessere. Wenn es dagegen zig oder hunderte sind, kommst du ohne Hilfsmittel wie Tabellen, Schemata, Berechnungen usw. kaum aus. Das ist die Domäne des Unbewussten. Alles was wahrnimmst, geht dorthin, und alles was du schon weißt, ist schon dort. Dann wird fleißig gerechnet, und am Ende „fühlst“ du dich gut oder mulmig oder wer weiß was.

Da gehen auch Faktoren ein, von denen du vielleicht gar keine Ahnung hast, dass sie eine Rolle spielen.

So kommt es zustande, dass man etwas „im Urin“ hat, oder ein „Bauchgefühl“.

Ich hab ja lange als Programmierer gearbeitet. Nur mit diesem Bauchgefühl kann man Aufwandsschätzungen machen, weil die Infos recht dürftig sind. Wenn ich dann in mein Excel-Sheet „3 Tage“ eintrage, grummelt es, bei „20 Tage“ muss ich schmunzeln, und weil wir ja Konkurrenz haben, tippe ich „5 Tage“ und fühle mich gut.

Auch bei komplexere Fragestellungen hilft das Bauchgefühl. Während die meisten Kollegen dachten ein Projekt scheitert, fühlte ich auf meinen Bauch. Nix kribbelt, also schaffen wir’s.

Dazu ist natürlich eine gehörige Portion Erfahrung nötig. Denn da gehen auch Faktoren ein, die mir nur teilweise bewusst sind, sehr verallgemeinernd als „Stimmung“ zu bezeichnen.

Für mich, schwer zu verstehen, denn eine Bewertung kann doch
erst durch ein Wertesystem entstehen und wird das nicht immer
emotional sein?

Letztlich ja. Auch hohe Werte wie Freiheit beruhen ja auf schlechten Erfahrungen mit der Unfreiheit, usw.

Will mal hoffen, dass mein Beispiel nicht zu pragmatisch war, aber auch da geht es um einiges. Ob zig Leute 6 Monate mit Spaß anner Freud „ranklotzen“ oder sich 12 Monate krankschuften.

Ich sag mal- ganz archaisch in letzter Instanz als „Lust“ oder
„Unlust“ gegliedert?

Und Lust wird mit angenehmen Gefühlen gekoppelt sein- Unlust
mit dem Gegenteil.

Ich bin da Spitzfindigkeiten gegenüber eher abgneigt. „Lust“ ist ein angenehmes Gefühl, oder ein Sammelbegriff dafür. Ich „gehe mit Lust an die Arbeit“, oder ich hab Spass dran. Egal.

Und Emotion heißt doch „Herausbewegung“, als auf deutsch eher „Ausdruck“ eines Gefühls. Man drückt ein Gefühl aus, oder geht aus sich heraus. Dass ist m.E. der einzige Unterschied zwischen Gefühl und Emotion, dass man es zum Ausdruck bringt.

Wenn Gefühle aus der Bewertung kommen…also umgekehrt als
es mir einleuchtet…wo kommt dann die Bewertung her? Und
woran orientiert sich dann dieses Wertesystem?

Das Gefühl ist die Bewertung, so zumindest meine Behauptung, und zwar durch das Unterbewusstsein. Mag sein, dass wir Mitteleuropäer die Gewohnheit haben, es als „von außen kommend“ zu betrachten, von außerhalb unseres Kopfes. Wir „haben“ ja eher Kopfschmerzen, als dass uns etwas im Kopf weh tut.

Hoffe, du kannst mir meinen Ausführungen was anfangen, Zoelomat

Hello Kitty,

aus der kognitiven Verhaltenstherapie kenne ich den Dreiklang Ereignis => Bewertung => Emotion.
Um unerwünschte/unpassende Emotionen bei wiederkehrenden Ereignissen zu verändern, greift die Therapie bei der Bewertung ein. Indem sie diese hinterfragt und durch neue Bewertungen ersetzt, haben die Patienten dann weniger Angst oder Wut oder welche Emotion gerade stört.

Was so einleuchtend klingt und oft in der Praxis auch funktioniert, ist aber nicht die ganze Wahrheit, denn es gibt meiner Meinung nach auch Emotionen, die sich instantan und ohne Bewertung einstellen. Der Schreck wäre ein Beispiel. Jemand geht die Straße entlang, hängt seinen Gedanken nach, und plötzlich bellt neben ihm ein böser Hund hinter dem Zaun, an dem er gerade vorübergeht. Sofort verspürt der Mensch heftige Angst.

Nun wird die Theorie scheinbar dadurch gerettet, dass der Schreck nicht als Emotion anerkannt wird oder dadurch, dass eine sehr schnelle und kurze unbewusste Bewertung stattfindet.

Auch andere Ängste treten oft unmittelbar und körperlich auf, z.B. auch die Angst des Schüchternen. Meiner Ansicht nach erlebt er z.B. seiner Angebeteten ansichtig sofort körperliche Angstsymptome und dann erst beginnt er den inneren Dialog, dass er unattraktiv sei usw.

Ein Argument dafür, dass der Emotion oft keine Bewertung vorangeht, sind die Emotionen der Tiere und Säuglinge. 

Kurz: Ich teile deine Zweifel.

Tychi

Guten Morgen,

ich möchte zu deinem Beitrag hier grundsätzliche Anmerkungen zur Diskussion stellen. Zum Thema Zeitfaktor (Schreck) und einer fehlenden Komponente (Dreiklang).

Emotionen, die sich instantan und ohne Bewertung einstellen. Der Schreck wäre ein Beispiel.
Jemand geht die Straße entlang, hängt seinen Gedanken nach, und plötzlich bellt neben ihm ein böser Hund hinter dem Zaun, an dem er gerade vorübergeht. Sofort verspürt der Mensch heftige Angst.

Emotionen ohne Bewertung kann es meiner Ansicht nicht geben.

Die völlig unbewusste Wertung findet in diesem Beispiel in quasi vorgegebenen und fest verankerten Schaltkreisen im limbischen System statt. Sie reagieren sehr sehr schnell auf das Ereignis, dennoch findet eine „Wertung“ statt, die zu bestimmten Aktionen führen. Beispielsweise löst sie physiologische Veränderungen aus (Blutdruck, Hormone, Bewegung etc.), die nicht verhindert werden können. Auch wenn der Zeitfaktor gegen Null tendiert, eine gewisse Zeitspanne und damit Wertungszeitraum sind vorhanden.

aus der kognitiven Verhaltenstherapie kenne ich den Dreiklang Ereignis => Bewertung => Emotion.

Mir fehlt hier stets die Wahrnehmung als Voraussetzung und Auslöser. Ein Ereignis wie dein genanntes, welches nicht wahrgenommen wird, löst keine Reaktion aus. Wird etwas wahrgenommen, folgt die Wertung, um eine bestimmte Aktion auszulösen.

Oder Autismus als Beispiel, fehlende Wahrnehmungsmöglichkeit …

Im Grunde genommen könnte/sollte man auch bereits im Bereich Wahrnehmung ansetzen und damit Einfluss auf die Wertung ausüben.

Gruß
nasziv