Was kennzeichnet die dt. Küche?

Dank und Kommentar
Danke für Eure Meinungen zum Thema!

ganz zufällig bin ich nicht drauf gekommen, habe nämlich vor kurzem ein TimeLife - Buch aus den 60ern über die dt. Küche ertrödelt. Es beginnt mit den Worten „…nicht so schlecht wie ihr Ruf“.

Spannend zu lesen, wie man vor etwa 50 Jahren die dt. Küche betrachtete, noch dazu mit dem Blick des Außenstehenden.

Einiges kann ich noch heute oftmals wiederfinden

  • es werden sehr große mengen verzehrt, zumindest serviert (ich mein jetzt nicht den Schickemickiladen, sondern halt „deutsche Küche“, in Gaststätte oder daheim)
  • Fleisch ist zentraler bestandteil der Mahlzeit
  • Brot in Scheiben mit Butter zubestreichen und zu belegen
  • Wurst in vielerlei Variation und ständiger Präsenz
  • hemmungslose Verwendung von Importfrüchten
  • milde Küche (Man kann sie auch fad nennen)
  • Neigung zu dicken saucen ums gemüse
  • Viel Sahne am Kuchen, Milchprodukte bei den Nachtischen

Was ich heute nicht mehr häufig finde

  • viele pikante gerichte mit Obst
  • Pilze, Pilze, Pilze
  • Ausflugslokale für die Familie mit selbst (!) hergestellten gerichten (statt Gastroconvenience) der Region (die heißen heut MacD… und wäremn nur noch fertig…)
  • ganze Tiere / große Stücke (Gans, Schinken,…)
  • Sauerkraut und Kohl in großen Mengen
  • Hülsenfrüchtegerichte
  • Bratwürste an jeder Ecke

Wenn ich meine eigenen beobachtungen hinzufügen darf:
die dt. Küche

  • neigt zu großen Einheiten (türkische Ravioli sind kirschgroß, deutsche heißen Maultasche und sind handtellergroß…)
  • füttert körperlich schwer Arbeitende, aber nicht den menschen mit leichten Füßen und leichtem Kopf
  • würzt selbst mit einheimschen Gewürzen sehr wenig, Ausnahme Würste. Wobei ich auch hier eine ungute Neigung entdecke, lieber alles Würzige wegzulassen, als einen Kunden zu vergrämen, der grad keinen Majoran oder Kümmel mag
  • Speck oder Wurst muss anscheinend sein, auch bei Arme-Leute - Gerichten, eher kocht man Wurstgulasch als fleischfrei
  • „Grobes“ Essen mit Kohl und Kraut und Hülsenfrüchten wird zunehmend vermieden
  • legt eher Wert auf Geschirr und Deko als auf Zutatenqualität (ich habe schon Supermarktfleisch auf Viller…- und Bo… - geschirr vorgesetzt bekommen)
  • Eine Mahlzeit ohne Fleisch wird nicht als richtige Mahlzeit angesehen
  • das Essen ist sehr rituell, man ist superpünktlich und beginnt sofort und gleichzeitig mit dem Essen, das eine Folge hat

Positiv sehe ich in allen regionalen Küchen die verwendung regionaler Lebensmittel, die kreativitätsfördernd ist. Aber auch das scheint vergangenheit. Bei uns wachsen Weizen, Zuckerrüben und Energieraps- und mais. Buchweizen wird nur als Wildfutter angebaut, Hirse nicht, Kartoffeln wenig, Gemüse kaum, Obst vergammelt an Straßenrändern. (Milch)-vieh gibt es auch kaum, da die Böden für Weiden zu wertvoll sind. Aber das brauchen wir ja auch alles nicht, gibt es ja im Supermarkt, da kommt alltäglich ein LKW von irgendwo und bringt uns all das leckere und fertige, nicht wahr?

Es ist schon ein Spagat, deutsche Küche bzw. deren internationalisierter Abgesang für alltags schmeckt nicht so recht (gegen einen Wildschweinbraten mit Rotkraut, Steinpilzen und Klößen hätte ich natürlich nichts, auch nichts gegen Rheinlachs :wink:oder Spargel mit luftrockenem Schinken vom freilaufschwein), Convenience- und Instant kommt mir aus elitären Gründen nicht in die Küche, orientalisch und indisch braucht viele ortsfremde gewürze (geht ja noch), italienisch und anderes Südliche erfordert viel Tomate und andere Gemüse, die der garten nur an einigen Monaten des Jahres liefert.

Für die leckeren kleinen Mahlzeiten kommt man wohl um Italien und Griechenland, Türkei und Frankreich nicht drumrum. Wär ja auch schade!

Das war jetzt viel meinung und wenig Inhalt. Für eure Meinungen noch einmal: Danke!

dalga

Hallo,

ich finde es interessant, mit was für negativen Attributen da die deutsche Küche und ihre Eigenheiten belgt werden.

Fleisch als wünschenswerter Bestandteil einer Mahlzeit ist natürlich historisch bedingt - Dinge die sich nicht jeder leisten kann, sind immer erstrebenswert und so kam der Idealzustand von einem Hauptgericht bestehend aus Fleisch, Sättigungsbeilage (Kartoffeln, Knödl) und Gemüse auf. Wer eine Phase der Entbehrung hinter sich hat (Krieg, Nahrungsmittelzuteilung nach dem Krieg), der träumt davon. In diesem Zustand waren natürlich die USA nicht. Guck Dir traditionelle Mahlzeiten in den Südstaaten an - denen gings nach dem am. Bürgerkrieg ähnlich und da ist ein dick mit Fleisch belegtes Sandwich ein traditionelles Gericht (Poo`Boy).

Butterbrote sind sicher sehr deutsch - auch dänisch, schwedisch etc…

Wurst in Variation und Präsenz - finde ich einen sehr Positiven Aspekt!

Viel Sahne am Kuchen, Milchprodukte bei den Nachtischen
Klar - ne Kuh gabs auch oft - vor allem wurde bei uns Milchvieh gehalten - und nicht die Konzentration auf Fleischrassen wie in USA.
Ohne Fleisch war früher Milch der günstigste Proteinlieferant - und dann hieß es quasi „Mach was draus“.

Kohl erlebt doch durchaus eine Renaissance - gerade Wirsing ist in neueren zarteren Sorten wieder „alltagstauglich“. Sonst ist es bei Kohl da Problem: Bereite mal 1 Kohlkopf zu - da ißt Du als Singlehaushalt 1 Woche dran! Und das gilt, egal ob der Kohl weiß oder rot ist :smile:

Gebundene Saucen sind sicher hier geläufiger - ich kenn das von mir - ich mag das auch lieber, wenn zu den Beilagen ne sämige Sauce kommt (ja - seufz - ich bin ein Saucenkind). Ich mag die gerne aus püriertem mitgeschmorten Gemüse…

Ich denke, die deutsche Küche hat eine regionale Vielfalt, die sich nicht verstecken muß - und Einflüsse aus anderen Ländern gab es immer und überall - das macht es interessant (die Nudel ist ja auch nicht in Italien erfunden worden…)

Gute Appetit - wir kochen freitags immer in der Clique - bin gerade auf dem Sprung - heut passen wir übrigens voll in Dein Klischee:
Speckkuchen als Vorspeise, Putengeschnetzeltes mit selbstgemachten Spätlze und als Dessert Marillenknödel mit selbstgemachter Vanille-Sauce (OHNE Päckchen…)

Wendy

Hi,

ganz zufällig bin ich nicht drauf gekommen, habe nämlich vor
kurzem ein TimeLife - Buch aus den 60ern über die dt. Küche
ertrödelt. Es beginnt mit den Worten „…nicht so schlecht
wie ihr Ruf“.

So eines mit diesen herrlichen Farbfotos, wo dann Schnittchen en masse und Russisch Ei verzehrt werden?
Herrlich! Fand sowas auch kürzlich.

Spannend zu lesen, wie man vor etwa 50 Jahren die dt. Küche
betrachtete, noch dazu mit dem Blick des Außenstehenden.

Außen? Ich kenne das noch, als ich klein war!

Einiges kann ich noch heute oftmals wiederfinden

  • es werden sehr große mengen verzehrt, zumindest serviert
    (ich mein jetzt nicht den Schickemickiladen, sondern halt
    „deutsche Küche“, in Gaststätte oder daheim)

Es war in der Tat mal „Mode“, dahin zu gehen, wo die Schnitzel am größten waren. Mittlerweile scheint mir der Trend eher zu Kneipen zu gehen, wo etwas mit „chen“ „an“ „Carpaccio“ gereicht wird.
„Kartoffeltälerchen an Saumagencarpaccio“.

  • Viel Sahne am Kuchen, Milchprodukte bei den Nachtischen

Das finde ich im Ausland (Schweiz, Frankreich) wesentlich schlimmer!

Was ich heute nicht mehr häufig finde

  • viele pikante gerichte mit Obst

War auch Mode in den '60ern. Furchtbar. Ein jeder Wirt dachte, mit einem Dosenpfirsich oder eine Banane auf dem panierten(!) Schnitzel wird das Ganze zu was Besonderem.

  • ganze Tiere / große Stücke (Gans, Schinken,…)

Liegt an der Bevölkerungsstruktur. Immer mehr „nur Paare“, immer weniger größere Gesellschaften.

  • Sauerkraut und Kohl in großen Mengen

Fahr mal an die Weinstraße. Da gubt es überall Sauerkraut. Und Kohl gibt es im Gemüseladen/beim Bauern auch überall. Die Leute, die das nicht kaufen sind selber schuld.

  • Hülsenfrüchtegerichte

Muß man Einweichen.

  • Bratwürste an jeder Ecke

Weinstraße. Da gibt es sogar zwischen zwei Ecken noch ne Bratwurst. Obwohl man mittlerweile selbst bei Weinfesten das Angebot auf „Lachs mit Creme-irgendwas“ ausweitet.

So, Deine Kommentare möchte ich mal nicht kommentieren, ich muß noch kochen:

Pfälzer Spargel, Pfälzer Kartoffel und Schinken (sollte auch aus der Pfalz sein, wenn ihn der Metzger nicht importiert hat).

Viele Grüße
HylTox

1 Like

hallo reni,

Kennst Du panierte Raner (rote Beete) mit Quark und
Kartoffeln?

erbitte rezept! :smile:

hallo Reni
Für mich bitte, bitte auch das Rezept.
Danke Sonja