Den Anfang der These halte ich für Unsinn. Streichen wir mal den ganzen Teil mit der Linken, denen das revolutionäre Subjekt verloren gegangen ist und die sich dann angeblich auf die Muslime gestürzt haben - in den 80ern und 90ern? Nonsens. Genauso fatal halte ich es, daraus abgeleitet die „Schuld“ damit nur bei den Linken zu suchen. Das ist genauso ein Unsinn.
Was ich sehe, sind Fehler in beiden Richtungen und beider Seiten. Wir haben schlecht integriert und zu wenig eingefordert. Und vor allem: Das Ganze nicht nur über Muslime abzuarbeiten!
Es geht hier nämlich nicht um Muslime, sondern es geht um Migranten und unserem Umgang damit. Wir Deutschen können nicht gut integrieren. Integration ist etwas, das nur funktioniert, wenn zwei Seiten integrationsbereit sind. Da vergessen die Lager bei uns gerne mal die Verantwortung jeweils einen Teils.
Wenn der junge Mann, dessen Großeltern Deutsche geworden sind und dessen Eltern bereits als Deutsche geboren wurden, immer noch „der Türke“ ist, nur weil er mit türkischem Namen auftritt, dann ist das zunächst einmal ausschließlich ein Problem der aufnehmenden Seite. Wenn der dann automatisch als Muslim gedacht wird, dann ebenfalls! Dann reden wir sogar von einem massiven Problem auf der aufnehmenden Seite.
Ich hatte kürzlich noch zwei Diskussionen im privaten Kreis:
mit der künftigen Schwiegertochter samt Familie, polnischstämmig. Obwohl als Deutsche geboren, denken die Eltern jetzt darüber nach, mit Eintritt ins Rentenalter nach Polen zu gehen, trotz der schwierigen politischen Lage, die ihnen Angst macht. Der Grund: sie werden nicht als Deutsche voll akzeptiert, haben immer wieder im Alltag mit Anfeindung zu tun.
Die zweite Diskussion mit einer Türkin, die vor 30 Jahren mit zwei Kindern als Alleinerziehende nach Deutschland kam. Sie und ihre Kinder haben mit dem Islam nix zu tun. Sie lebt eine Haltung, die allen Glaubensrichtung gegenüber offene Haltung. Der Sohn konnte gerade so deutsch, da hat er im Seniorenheim die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. Und dennoch sieht sie sich ständig ausgesetzt, Türkin zu sein, und soll sich für einen Glauben rechtfertigen, den sie gar nicht hat oder soll diesem abschwören, sich abgrenzen. Diese Frau hat die meiste Zeit ihres Lebens in Deutschland gelebt, ist hoch emanzipiert (das war ihre Mutter schon). Dass sie mit dem Sultan vom Bosporus ihre Probleme hat, braucht man nicht zu erwähnen. Doch auch sie zieht es immer öfter und immer länger wieder in die Türkei zurück.
Hier geht es viel um Identität. Es gibt viele Deutsche, die wollen nicht zulassen, können nicht akzeptieren, dass jemand nicht nur eine Identität in sich tragen kann. Wobei sie genau genommen kein Problem damit haben, das zu akzeptieren, wenn diese Identität die eines Franzosen, Niederländers oder US-Amerikaners ist. Aber der Türke oder der Iraker darf das nicht. Wenn aber selbst dann, wenn die Menschen nur oder überwiegend die deutsche Identität leben, sie immer noch als Türken UND Muslime gesehen werden, bin ich treibende Kraft, dass man sich der anderen Identität stärker verbunden fühlt.
Last not least dann noch ein Satz zum Kopftuch. Ich bin davon überzeugt, dass die Zunahme des sichtbaren Kopftuchs zu einem Großteil darauf zurückgeht und ein Stückweit Stinkefinger ist. Wenn ich sowieso als Muslima gelte, dann bin ich es auch. Wenn man nun den Fokus auf Demokratie, Rechtsstaat und Gleichberechtigung setzen würde, dann würde man eine Gesellschaft vorleben, in der es egal ist, ob jemand Kopftuch trägt: Wichtig ist nur, dass es die höchstpersönliche und freie Entscheidung ist! Stattdessen überladen wir das Kopftuch politisch-ideologisch und verraten unsere eigenen Werte! WIR verraten unsere Werte, in dem wir plötzlich legitim finden, Frauen zu etwas zu zwingen, nämlich das Ding abzulegen, anstatt andere Wege zu gehen.
Genau in dem Punkt ist es dann Schwarzer, die selbst ziemlich inkonsequent ist, um nicht verlogen zu sagen.
Wen Schwarzer mit „wir“ meint, musst du sie selbst fragen. Ich würde mit „wir“ die westliche Gesellschaft, zumindest teilweise Europa, Deutschland und die deutschen Regierungen meinen. Die Abendländische Kultur mit Sicherheit nicht. Die gibt es nicht. Das ist ein dumpfbackiger politischer Kampfbegriff.