Was reinkarniert im tibetanischen buddhismus ?

Ich habe mit Interesse die Forum-Diskussion gelesen bzgl. „Seele“ und „Reinkarnation“ im Buddhismus. Gem. den Erklärungen von „Marion“ ist die Reinkarnation im Buddhismus kein bewusstseinszentraler Prozess. Ich möchte nun wissen, ob dies auch für den tibetanischen Buddhismus zutrifft. Falls die Geschichten der Wahl des Dalai-Lamas, auf Grund der Identifikation früherer Inkarnationen des Lamas stimmen, so muss man unterstellen, dass ein individuelles Bewusstsein (Seele) reinkarniert. Oder noch, wie erklären sich die katharsischen Traumataheilungen in der Regressionstherapie, wenn nicht durch ein zentrales Bewusstsein (Seele) welches viele Leben durchläuft ? Gibt es hierzu eine Antwort. Danke im voraus.
Paolo

Hallo Paolo,

gute Frage. Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen. Allerdings schon länger nicht mehr intensiv, wodurch meine Antworten vielleicht nicht 100% befriedigend sein werden…Ich versuchs trotzdem mal…

Die Antwort darauf wirklich zu verstehen, bedeutet der Erleuchtung sehr nahe zu sein denke ich oder anders gesagt: Verstehen bedeutet Erleuchtung. Warum? Weil man sich für das Verstehen von der Vorstellung des Ich lösen muss.

Letztlich, so lehrt es auch der tibetische Buddhismus, existiert kein abgetrenntes Ich, auch wenn uns unsere Bewusstseinsabläufe genau das vorspiegeln oder vorspielen. Tibetische Lehrer erklären die Wiedergeburt oft mit einem Turm von Reisschalen, wobei die oberste dein jetziges Leben verkörpert. Keine der Schalen könnte ohne die darunter liegende existieren - sie bauen aufeinander auf. Die Taten, Aktionen, Denkweisen, Energien, das WESEN der einen baut auf denen der unter ihr liegenden auf, ist unmittelbar mit ihr verknüpft.

Insofern kann man sagen, dass es das Wesen oder anders gesagt die Essenz einer Lebensform ist, die sich wiederverkörpert. Dabei geht es aber nicht um eine feste Subsatnz oder dergleichen. Vielmehr ist es die mehr oder weniger kultivierte Anlage auf bestimmte Bedingungen in einer bestimmten Form zu reagieren. Das nennt man auch karma. Latente Gewohnheiten, Handlungsweisen, Einstellungen, Muster…

Letztlich ist es DAS Bewusstsein, was sich wiederverkörpert - nur eben aufgeladen mit einem bestimmten Energiepotential, mit einem bestimmten karma.

Die tulku-Tradition im Tibetischen Buddhismus hinsichtlich ihrer tieferen Wahrheit zu beurteilen fällt mir schwer. Man sollte bedenken, dass es wohl oft einfach auch sehr weltliche Gründe hatte, den Sohn einer bestimmten Familie als wiedergeborener Lama und damit als Feudalherr über große Ländereien anzuerkennen. Hier findest Du gute Texte zu dem Thema. http://de.wikipedia.org/wiki/Tr%C3%BClku

Hoffe ich konnte Dir weiterhelfen :smile:.
Viele Grüße
Dirk

Hallo Dirk,
vielen herzlichen Dank für Deine Erklärung, die mir gut gefallen hat. Daraus entnehme ich vor allem:

  1. Für das „Verstehen muss man sich von der Vorstellung des ICH lösen“, was für uns nicht-orientale immer sehr schwierig ist.

  2. Du sagst, es ist, „anders gesagt, die Essenz einer Lebensform, die sich wiederverkörpert.“ - Nanu, dies klingt mir sehr nach der traditionellen Vorstellung, wonach sich ein Ich-Bewusstsein bewahrt und wiederver-
    körpert, ob man nun es Geist, Seele, Ka oder what ever nennen will. - (Ein paar Zeilen später erwähnst Du ja auch „Letztlich ist es DAS Bewusstsein, was sich wiederverkörpert…“)

  3. Ich bin hinsichtlich der tibetischen Traditionen viel zu wenig versiert. Mein grosses Interesse um Reinkarnation wird eher von der Lektüre von neuzeitli-
    chen, westlichen Forschern und Regressionstherapeuten angespornt. Allerdings möchte ich annehmen, dass tibetische Mönche, mit ihrem jahrelangen Meditations-Training und ihren Astralreisen das Ich-Bewusstsein desinkarnierter Lebewesen identifizieren können.

  4. Ich danke Dir auch für den Wikipedia-Link. Werde mich gelegentlich „dort tummeln“ soviel ich kann.
    Beste Grüsse,
    Paolo

Hallo Paolo,

zu 1)Naja ich würde mich nicht darauf ausruhen ein Nichtorientale zu sein. Es ist eine Frage des Geistestrainings sich von seinem gedanklichen Ich zu lösen. Für Orientale wie für Oxidentale.

zu 2)Mit Essens meine ich die Essenz Deiner Persönlichkeit also Deiner Angewohnheiten auf bestimmte Bedingungen auf eine bestimmte Art und Weise zu reagieren = karma.

Wie gesagt, dass wirklich zu verstehen, setzt vorraus, dass Du ein gehöriges Mass an Nicht-Ich verwirklicht hast. Das ist nur jenseits des verstandesmässigen Verstehens, weil das Egobasiert ist möglich. Das Ego steht immer zwischen dem subjektiven Verstehen und dem absoluten. Du stehst Dir dabei also selbst im Weg :smile:.

Free Yourself!
Dirk

Hallo Dirk,

Danke bestens für Deine prompte Antwort und Deine Empfehlungen. Du hast sicher recht, der erste Schritt um sich seines Karmas entledigen zu können ist die Überwindung des Ego. Hierzu vielleicht die gute Orientierung von Eckhart Tolle (Awakening to a New Earth) mit seinem Begriff „pain body“.
In diesem Sinne, „let us free ourselves“…
Paolo

Genau!

Bin grosser Fan von Herrn Tolle. Halte ihn für den klarsten aller Lehrer, die im Moment so auf Erden umherwandeln…jedenfalls von denen die mir so untergekommen sind…

Alles Gute!
Dirk

Leider kenne ich mich mit tibetischem Buddhismus nicht gut genug aus um dir das direkt zu beantworten. aber ich empfehle dir das Buch „Die Vier Edlen Wahrheiten“ des Dalai Lama. Darin gibt es auch ein Kapitel zu Karma, das ja durch die Reinkarnation zumindest vermittelt werden kann. Allerdings sieht der Buddhismus das weniger „materiell“ wie der Hinduismus, soweit ich das verstanden habe :smile:

ahja, und auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Reinkarnation

Viele Grüße, Lilian

Hallo Lilian,
habe besten Dank für Dein Email und Deine Empfehlungen.
Ich werde „Die Vier Edlen Wahrheiten“ besorgen. Im übrigen habe ich eine sehr interessante Antwort von John Fischer (Dirk) erhalten und mit ihm über dieses Thema Gedanken ausgetauscht. Also nochmals besten Dank und
viele Grüsse,
Paolo

Hallo Paolo,
Danke für das Vertrauen in mir, diese Frage zu beantworten.
Dazu gibt es zwei Antworten aus meiner Sicht. Der tibetische Buddhismus basiert auf Reinkarnation. Die Ursache der Reinkarnation ist das individuelle Karma. Aus diesem Grunde ist Reinkarnation sehr wohl ein bewußtseinzentraler Prozess. Den durch Ursachen (meine Handlungen) schaffe ich Bedingungen, diese führen mich zu meiner nächsten bedingten Bewußtseinserfahrung(Geburt). Erschaffe ich kein Karma mehr, trete ich aus dem Prozess endlicher nichtgewollter Wiedergeburten heraus.(Ein Erleuchtestes Wesen (z.B. ein Lama) kann seine Wiedergeburten etc. frei wählen). Allerdings hat Buddha Shakyamuni nie direkt den Begriff Reinkarnation verwendet. Dieser ist viel alter und entstammt dem Hinduismus(Upanishaden).
Im Buddhismus gibt es den Begriff Seele nicht, sondern nur den Geist. Dieser ist allerdings aus verschiedenen Teilen und aus Grund von Bedingungen zusammengesetzt. Deswegen kann von einer Seelenwanderung nicht gesprochen werden.

Zu deiner Frage regressive Therapie. Im Buddhismus gibt es verschiedene Bewußtseinsschichten.Das 8 te Bewußtsein heißt Vijnana oder auch Speicherbewußtsein. Dort werden alle Eindrücke, Erfahrungen etc der Lebewesen gespeichert und überdauern die Lebensspanne.d.h. , ich greife bei dieser Therapie in tiefere Bewußtseinsschichten. Da der Geist ein Kontinuum ist, ein ewiger Fluß der zum Ozean fließt, gibt es keinen Abriss mit dem Tod oder Geburt und alle Eindrücke vergangener Leben sind , sofern nicht aufgelöst,dort enthalten.

Die zweite Antwort. Das ganze Dilemma ist nur das festhalten an ein aus sich selbstexitierenden Ich. Überwinde ich diesen festhalten, kann ich der Wirkung des Karmas entziehen, wirkliche Freiheit erlangen.

Zum Punkt individuales Bewußtsein , reinkarniert. Die Informationen werden in einen anderen „Code“ gespeichert. Mit dem Tod des Gehirn erlöschen nur die Fähigkeiten der Sinne, nicht deren hinterlassenen Eindrücke. Beispiel Schlaf. Im Traum entsteht ein Traumkörper der anders ist wie dein normaler Körper.

Leider nur eine kurze Antwort auf die komplexen Fragen. Du darfst gerne noch konkret Fragen.
email [email protected]
gruss Karl

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Hallo Paolo,
Danke für das Vertrauen in mir, diese Frage zu beantworten.
Dazu gibt es zwei Antworten aus meiner Sicht. Der tibetische
Buddhismus basiert auf Reinkarnation. Die Ursache der
Reinkarnation ist das individuelle Karma. Aus diesem Grunde
ist Reinkarnation sehr wohl ein bewußtseinzentraler Prozess.
Den durch Ursachen (meine Handlungen) schaffe ich Bedingungen,
diese führen mich zu meiner nächsten bedingten
Bewußtseinserfahrung(Geburt). Erschaffe ich kein Karma mehr,
trete ich aus dem Prozess endlicher nichtgewollter
Wiedergeburten heraus.(Ein Erleuchtestes Wesen (z.B. ein Lama)
kann seine Wiedergeburten etc. frei wählen). Allerdings hat
Buddha Shakyamuni nie direkt den Begriff Reinkarnation
verwendet. Dieser ist viel alter und entstammt dem
Hinduismus(Upanishaden).
Im Buddhismus gibt es den Begriff Seele nicht, sondern nur den
Geist. Dieser ist allerdings aus verschiedenen Teilen und aus
Grund von Bedingungen zusammengesetzt. Deswegen kann von einer
Seelenwanderung nicht gesprochen werden.

Zu deiner Frage regressive Therapie. Im Buddhismus gibt es
verschiedene Bewußtseinsschichten.Das 8 te Bewußtsein heißt
Vijnana oder auch Speicherbewußtsein. Dort werden alle
Eindrücke, Erfahrungen etc der Lebewesen gespeichert und
überdauern die Lebensspanne.d.h. , ich greife bei dieser
Therapie in tiefere Bewußtseinsschichten. Da der Geist ein
Kontinuum ist, ein ewiger Fluß der zum Ozean fließt, gibt es
keinen Abriss mit dem Tod oder Geburt und alle Eindrücke
vergangener Leben sind , sofern nicht aufgelöst,dort
enthalten.

Die zweite Antwort. Das ganze Dilemma ist nur das festhalten
an ein aus sich selbstexitierenden Ich. Überwinde ich diesen
festhalten, kann ich der Wirkung des Karmas entziehen,
wirkliche Freiheit erlangen.

Zum Punkt individuales Bewußtsein , reinkarniert. Die
Informationen werden in einen anderen „Code“ gespeichert. Mit
dem Tod des Gehirn erlöschen nur die Fähigkeiten der Sinne,
nicht deren hinterlassenen Eindrücke. Beispiel Schlaf. Im
Traum entsteht ein Traumkörper der anders ist wie dein
normaler Körper.

Leider nur eine kurze Antwort auf die komplexen Fragen. Du
darfst gerne noch konkret Fragen.
email [email protected]
gruss Karl

Ich habe mit Interesse die Forum-Diskussion gelesen bzgl.::„Seele“ und „Reinkarnation“ im Buddhismus. Gem. den
Erklärungen von „Marion“ ist die Reinkarnation im Buddhismus
kein bewusstseinszentraler Prozess. Ich möchte nun wissen, ob
dies auch für den tibetanischen Buddhismus zutrifft. Falls die
Geschichten der Wahl des Dalai-Lamas, auf Grund der
Identifikation früherer Inkarnationen des Lamas stimmen, so
muss man unterstellen, dass ein individuelles Bewusstsein
(Seele) reinkarniert. Oder noch, wie erklären sich die
katharsischen Traumataheilungen in der Regressionstherapie,
wenn nicht durch ein zentrales Bewusstsein (Seele) welches
viele Leben durchläuft ? Gibt es hierzu eine Antwort. Danke im
voraus.
Paolo

Hallo Karl,
habe herzlichen Dank für Dein Email mit Deiner vielschichtigen Antwort auf meine Fragen - sind sie überhaupt beantwortbar ? Interessant ist Dein Beitrag im 2. Abschnitt, bzgl. der 8ten Bewusstseinsschicht - Vijnana - dort wo °alle Eindrücke, Erfahrungen etc. der Lebewesen gespeichert werden und welche die Lebensspanne überdauern° - °Da der Geist ein Kontinuum ist, ein ewiger Fluss der zum Ozean fliesst, gibt es keinen Abriss mit dem Tod oder Geburt usw.° - Dies ist zweifellos hinduistisch und klingt nach °Akasha -Archiv°. Die Frage bleibt jedoch bestehen: wenn der überlebende °Geist° mitsamt den Eindrücken vergangener Leben sich im °ewigen Fluss der zum Ozean fliesst°, auflöst, wird da nicht auch das Ich-Bezogene aufgelöst und ist dann dieses Vijnana (8. Bewusstseinsschicht) mit dem Begriff des °Kollektiven Unbewussten° gem. C.G. Jung eins und dasselbe ? Meine Kernfrage bleibt irgendwo unbeantwortet, scheint mir. Die Regress-therapie würde also demnach zu °irgendwelchen Lebenserfahrungen° führen, und nicht notgedrungen zu den ichbezogenen des Patienten ? - Ich danke Dir, Karl, für Deine °inputs° und meine, dass diese Fragen selbstverständlich °ein lebenslanges Suchen und Nachfragen° verdienen, oder ?
Herzliche °Sucher-Grüsse°
Paolo

Hallo Paolo,
wie Du schon schriebst, ein unerschöpfliches Thema, allerdings auch sehr kompliziert und deswegen können sich leider auch leicht Ungenauigkeiten einschleichen. Ich möchte mich nochmals präzise Ausdrücken.
Vijnana, ist rein buddhistisch und beschreibt den Aufbau oder Modell des Geistes. Das 8te Bewußtsein (Alayavijnana) ist nicht hinduistisch und hat keinen Bezug zur Akasha Chronik. Diese hypothesiert ein Weltgedächnis (Wissensbiblothek?), wo hingegen Alayavijnana das individuelle Speicherbewußtsein beschreibt.
Das Speicherbewußtsein hat auch nichts mit dem kollektiven Unbewußten von C.G.Jung zu tun. Denn Jung bezieht sich auf die manifestierten Grundmuster(Archetypen), die durch die Evolution der Menschheit den jetztigen Menschen latent inne wohnen.

Die innewohnende Ich-bezogenheit ist meiner Meinung hier der Dreh- und Angelpunkt. Da lt. Buddhismus kein Ich existiert, ist die Annahme dieser Existenz das Hindernis bzw. der Grund allen Leidens und Unfreiheit.Das Wort „auflösen“ ist hier sehr negativ, da sich nichts auflöst, sondern es geht um das Erkennen der wahren Natur.
Regressive Therapie. Ich denke, dass es sich hier um Tiefenpsychologie handeln und eine Form der Behandlung ist um traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Die Vermischung mit Reinkarnation und Eindrücke aus vergangen Leben finde ich hier nicht sinnvoll. Es gibt sicherlich eine Korrelation, aber um hier einen gemeinsamen Nenner zu finden, müssen erst die Fachbegriffe ausführlich geklärt werden um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu analysieren.
Zum Abschluß, Der Weg ist das Ziel. Danke für die interessante Diskussion!
Grüsse Karl

Hallo Karl,
danke dir fuer deine Replik, die mir wieder weitergeholfen hat: zweifellos ist es fuer mich als „Abendlaender“ nicht leicht, vom Ich-Bewusstsein wegzukommen, woraus eben die Fehlschluesse hinsichtlich des Buddhismus entstehen. - Andererseits glaube ich, dass bzgl. der Regressions-Therapie ein Missverstãndnis vorliegt. Ich meine damit „Past Life Therapy“: vielleicht gibt es auf Deutsch einen anderen Ausdruck. Es besteht ueberhaupt kein Zweifel, dass in der „Past Life Therapý“ (s.z.B. Dr. Brian Weiss, oder James Moody, usw.)das Bewusstsein des Patienten sich zurueckversetzt in seine persoenlichen Lebens-
erfahrungen aus der „aktuellen Geburt“ und hinueber in jene seiner vorherigen Geburten. Ob dabei das 8. Speicherbewusstsein „angezapft“ wird oder nicht…dazu kann ich nichts sagen. Ich danke nochmals fuer Deine Antworten und unsere anregende Diskussion.
Gruesse,
Paolo