Was sagt der Denkmalschutz über den Erhalt von alten Häusern mit Holzschindelfassade?

Hallo!

Ganz selten sieht man in Deutschland Häuser mit einer Holzschindelfassade. Nach meiner Einschätzung entstanden diese Häuser gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Der Erhalt einer Holzschindelfassade ist vermutlich sehr problematisch, und deshalb fallen diese Häuser oft dem Abriss zum Opfer. In meiner Region soll ein ziemlich geschmackvolles Häuschen mit Holzschindelfassade und Türmchen, errichtet um die Jahrhundertwende herum, einem funktionalen Neubau in Modul-Bauweise weichen.

Das alte Häuschen erinnert mich vom Stil her an ein Schweizerhaus. Ein belesener Mann gab mir den Tipp, es handele sich um ein Haus im Stil der Neorenaissance.

Stehen solche Gebäude nicht unter einem besonderen Schutz?

Servus,

sowohl einzelne Objekte als auch ganze Stadtviertel können unter Denkmalschutz gestellt werden. Wenn nicht, dann nicht.

Übrigens sind Häuser mit geschindelten Fassaden in den Mittelgebirgen, in denen sie schon lange vor der Belle Epoque üblich waren, zumindest in Neufünfland, wo nicht mit aller Gewalt überall Eternitplatten drangeklopft werden mussten, keine besondere Rarität; z.B. in Thüringen und Sachsen-Anhalt gibt es reichlich und unbemessen davon, aber auch in den Mittelgebirgen im Süden und Südosten Sachsens sind sie nicht so sehr selten. Die, die tatsächliche Raritäten sind, stehen nicht selten unter Denkmalschutz - teils zum großen Verdrießen der Eigentümer, die je nach Ausrichtung der örtlichen Behörde ihre liebe Not z.B. mit Fenstern haben.

Unabhängig davon gibt es Möglichkeiten, gegen Bauvorhaben wie das von Dir beschriebene vorzugehen - dazu ist es aber notwendig, die örtlichen Gemeinderats-, Stadtrats- oder Magistratssitzungen mit Akribie zu verfolgen, so langweilig sie auch sein mögen, weil die möglichen Instrumente, gegen z.B. eine Änderung eines Bebauungsplanes vorzugehen, viel früher ansetzen müssen als beim Aufhängen des Roten Punktes und Anrücken der Bagger.

Schöne Grüße

MM

Hallo!

Ganz selten sieht man in Deutschland Häuser mit einer
Holzschindelfassade. Nach meiner Einschätzung entstanden diese
Häuser gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Holzschindeln für Dächer und Fassaden sind je nach Region keineswegs selten, werden sogar heute noch für Neubauten genutzt. Die ältesten Schindelfunde in D sind um die 3.000 Jahre alt.

Stehen solche Gebäude nicht unter einem besonderen Schutz?

Durch Tätigkeit der unteren Denkmalschutzbehörde, zuweilen initiiert von privater Seite, können Sachen als besonders erhaltenswert unter Schutz gestellt werden. Von alleine und nur aufgrund der Bauweise steht kein Haus unter Denkmalschutz.

Anmerkung: Als Betrachter findet man den Abriss so manchen alten Hauses schade. Als Betrachter ist man aber nicht in der Situation, den schön anzusehenden alten Kasten nutzen, unterhalten und die damit entstehenden Kosten tragen zu müssen. Es liegt auch nicht im Interesse des Denkmalschutzes, Gebäude unter Schutz zu stellen, für die sich kein tragfähiges Nutzungskonzept oder wenigstens Liebhaber finden. Dann verfällt so ein Gebäude, bis nichts Schützenswertes mehr dran ist.

Gruß
Wolfgang

In Thüringen und Sachsen-Anhalt findet man solche Häuser häufig?

Wurden die Häuser dort auch im Neorenaissance-Stil erbaut?

Historismus
Servus,

die Silbe „Neo-“ in Verbindung mit einer historischen Stilepoche weist auf den Historismus hin: Die Stilepoche vor dem Jugendstil, die in ihrer Ausprägung in Deutschland keinerlei eigene baukünstlerische Entwicklung gezeigt hat, sondern nur - und im Gegensatz zu z.B. Viollet-le-Duc bei Nachbars - versucht hat, bereits früher Erschaffenes mit den neuen technischen Mitteln des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu kopieren. Die Epoche, die dabei jeweils kopiert wurde, sollte dabei thematisch zur Funktion des Gebäudes passen: Neogotische Kirchen, neoromanische Brauereien, neobarocke Irrenhäuser, Rathäuser in Neorenaissance, neoklassizistische Artilleriestellungen usw.

Da sehr wenig künstlerisch-architektonisch Eigenständiges daran ist, findet man aus dem Historismus auch kaum Gebäude, die als Denkmäler erhaltenswert sind,

Rein technisch betrachtet sieht das anders aus: Wände von sechzig Zentimeter Ziegel oder Buntsandstein wurden in Wohnhäusern nach der Götterdämmerung der Moderne 1914-1918 nie wieder gebaut.

Häuser mit solchen Maßen brauchen aber keinen Denkmalschutz, um erhalten zu werden.

Schöne Grüße

MM

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Denkmalschutz im Ensemble
Servus nochmal,

da hab ich Dir noch ein Exempel für ein kunsthistorisch/architektonisch an sich „wertloses“ historisierendes Gebäude von 1900, das durch seinen Zusammenhang im Ensemble einen eigenen Wert gewinnt: http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/klo…

Das einzelstehende Haus, das in der Verlängerung des Kirchenschiffs im Bild Richtung links unten steht, wurde als Wohnhaus für Bedienstete des damals in Teilen des Klosters untergebrachten psychiatrischen Krankenhauses gebaut, es wurde historisierend versucht, es an den spätbarocken Stil des etwa zur Hälfte fertiggestellten Klosterneubaus aus dem 18. Jahrhundert anzupassen.

Von der Ästhetik und seinem kunsthistorischen Wert für sich alleine ist es ziemlich grausig, aber in diesem besonderen Zusammenhang eines Klosters, an dem zwischen dem zwölften und dem neunzehnten Jahrhundert immer stückchenweise weitergebastelt wurde und von dem aus allen Epochen dieses Zeitabschnittes Teile erhalten sind, passt es als Ergänzung sehr gut in das hübsch im Ensemble aufgereihte Sammelsurium der Stile und Bauepochen rein.

Ob dieses Haus heute unter Denkmalschutz steht, weiß ich nicht - glaub eher nicht. Jedenfalls gab es in den 1970er Jahren, als ich drin wohnte, Pläne, es schlicht abzureißen, um die barocke Klosteranlage von diesem Kitsch zu „befreien“. Dass das dann nicht geschehen ist, ist sicher ein Vorteil - aber nicht unbedingt kunsthistorisch, sondern wegen der prachtvollen richtig dicken Ziegelmauern, aus denen das Haus gebaut ist: Da braucht man nicht viel mit irgendwelchen Dämmmaterialien herumdoktern, das hält auch so dicht.

Schöne Grüße

MM

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