Hallo Ihr lieben,
ich brauche Rat und ein paar offene, virtuelle Ohren… Danke…
Ich bin seit 8 Jahren mit meinem Freund zusammen, wir lieben uns sehr, er bedeutet mir alles. Vor etwa anderthalb Jahren wurde bei seiner Mutter Brustkrebs festgestellt – sie kontaktierte mehrere Ärzte und entschloss sich schließlich für eine eher unkonventionelle Behandlungsmethode: die „neue deutsche Medizin“ nach Dr. Hamer.
Schon damals gab es viele Diskussionen über dieses Thema, aber sie ist sehr stur (liegt wohl in der Familie und lässt sich in nichts reinreden. Sie besuchte keine „normalen“ Ärzte mehr, und fühlte von da an mit der Hand nach dem Zustand ihres Knotens. Allerlei für uns seltsame Dinge schienen von da an zu ihrer „Therapie“ zu gehören: Bäder in Salz, eine bestimmte Ernährung, Eiweiß in rauen Mengen usw. Sie las wie eine verrückte über diese neue deutsche Medizin und Dr. Hamer.
All unser Bitten dass sie zumindest zusätzlich regelmäßige Checks beim Arzt machen sollte blieben fruchtlos. Und zunächst schien es auch erfolgreich – sie sagte, sie könne fühlen dass der Knoten sich verkleinere etc. Also legte sich das Thema nach einer Weile, sie selbst sah sich wohl als geheilt an. Mein Freund und ich haben es daraufhin dann irgendwie aus den Augen verloren, sie wollte nie darüber sprechen und wir waren ja froh, dass nun scheinbar alles wieder gut war. Naiv, und blöd war das, jetzt weiß ich es L
Vor ein paar Monaten klagte sie dann immer wieder über Schmerzen, und die Stelle an der vorher der Knoten war schwoll an. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie wahnsinnige Schmerzen. Ich bin nie darauf gekommen das das etwas mit Krebs zu tun haben könnte – ich wusste nur dass sie Schmerzen im Rücken hat. Eines Tages erklärte mir mein Freund dann, sie hätte ihm gesagt dass ein Allgemeinmediziner diese Schmerzen höchstwahrscheinlich als Metastasen in den Knochen deuten würde – ich war so geschockt. Auf einmal machte alles Sinn – die Schmerzen etc. Sie hatte sich ja auch nie weiter um eine Behandlung gekümmert. Trotzdem, es hat mich total gelähmt.
Innerhalb der letzten Wochen hat sich ihr Zustand immer nur verschlechtert, es ging nie nach oben. Sie hält noch immer an dem Hamer-Zeugs fest, isst Eiweiß und nimmt keinerlei Schmerzmittel weil sie davon überzeugt ist dass diese sie umbringen würden. Meiner Sicht nach ist alles was sie tut zuhause leiden. Ohne Aussicht auf Besserung – Schmerzmittel sind ja bei Hamer nicht erlaubt. Trotzdem, seitdem sie die Schmerzen so sehr zermürben haben wir Angst dass selbst ihr letzter fester Glaube (und damit ihre Hoffnung und Kraft) schwindet und sie bereut, was sie noch vor anderthalb Jahren so leicht entschieden hat. Dr. Hamer hat ihr wohl selbst dazu geraten, sich auf keinen Fall nun in die Hände von normal Medizinern zu begeben, denn dass würde sie nur „total demoralisieren zu sehen wie ihr Körper voller Metastasen ist“. Aber nach Hamer gibt es ja auch keine Metastasen – ebenso wenig wie Krebs eine Krankheit ist, er ist ja „nur“ ein Sonderprogramm der Natur, dass durchgestanden werden muss.
Nun liegt sie zuhause, kann sich kaum noch bewegen, schläft kaum, isst immer weniger, und wir sind völlig hilflos. Sie will partout nicht ins Krankenhaus, aber wer weiß auch ob das überhaupt noch etwas bringen würde. Das ist ja Teil des verflixten – wir wissen ja eigentlich gar nicht genau, was mit ihr los ist! Es ist so unendlich schwer so leiden zu sehen. Mein Freund versucht alles um ihr beizustehen, aber natürlich ist er auch kein Krankenpfleger oder so, und wenn es darum geht seiner Mutter Windeln anzulegen bricht wohl fast jeder daran denke ich. Wir werden uns jetzt bemühen, ihr eine Krankenpflege zu besorgen, aber das dauert alles so lange.
Ich muss ehrlich gestehen dass ich langsam sooo wütend auf sie werde! Und auf diesen Dr. Hamer auch. Aber nun ja, sie hat ihre Entscheidung getroffen, und es ist IHRE, und nur ihre, aber wer muss letztlich damit leben? Ihr eigener Sohn muss sie langsam dahinsiechen sehen und sie hat alle Verantwortung abgegeben – so dickköpfig und rücksichtslos finde ich das. Aber natürlich, es ist ihr Leben, trotzdem ist es verdammt unfair. Im Krankenhaus wäre wenigstens für sie gesorgt, auch wenn sich das jetzt so egoistisch anhört… Ich meine es nicht so, aber ich verstehe auch einfach ihren Weg nicht….
Ich könnte nie einfach nur leiden anstatt etwas zu tun. Und diese neue deutsche Medizin hat durchaus Ansätze die ich bemerkenswert und richtig finde – eine Konfliktlösung hilft sicher fast immer – aber es ist so schwer. Ich liebe sie auch, aber ich will einfach nicht dass meinem Freund solcher Schmerz zugefügt wird und ich weiß nicht wie wir das aushalten sollen. Wie soll ich ihn je auffangen können wenn sie stirbt? Und wie lange zieht sicher Kampf hin, und was sollen wir tun wenn sie nicht mehr selber entscheiden kann?
Und wie sollen wir die kommenden Monate aushalten in denen es ihr immer schlechter geht und sie immer noch nicht ins Krankenhaus will? Sie sich immer noch den Schmerzmitteln verweigert? Für mich ist da alles so masochistisch. Wenn ich schon sterben müsste an einer Krankheit, dann würde ich doch wenigstens meine letzte Zeit ohne Schmerzen und einem halbwegst normalen Leben nutzen wollen! Aber sie glaubt ja noch immer daran dass das alles, die Schmerzen etc, Teil der Heilung ihres Körpers sind und das sie nach der Krankheit, dem „Sonderprogramm“ doppelt so stark ist wie vorher. Ich hoffe es, ich hoffe sosehr dass wir uns alle irren und dieser Dr. Hamer etwas weiß das dem Rest von uns bisher verschlossen blieb – nur habe ich einfach nicht mehr soviel Hoffnung und fürchte mich vor den Konsequenzen ihrer Entscheidung.
So, Mann, das musste wohl alles mal raus – kann ich eigentlich jemandem zumuten dass hier alles zu lesen? Wenn es jemand getan hat, tausend Dank. Und wer Erfahrungen mit Hamer und der neuen deutschen Medizin gemacht hat, ich freue mich sehr über einen Austausch. Eventuell kann mir jemand Mut machen? Ich weiß einfach nicht mehr was ich tun soll.
Danke…
Gute Nacht,
Jessica