„das Gewissen die Funktion hat, dem Einzelnen seine Individualität zurückzugeben die er an die jeweilige Institution im Sinne Arnold Gehlens abgegeben hat“…ich bin an der stelle etwas verloren, könntest du das erklären?
Hallo lenacéline,
dahinter steht ein Verständnis von Gewissen, das mit Gemeinschaft zu tun hat. Ausgangspunkt ist die Auseinandersetzung mit einer bestimmten Mehrheit von Personen, die bestimmte Gedanken gemeinsam zu bewerten scheinen. D. h. ein Gewissen informiert sich nicht nur durch „den Menschen schlechthin“ zusammen mit bisheriger eigener Erfahrung, früher gefasstem Glauben, Vorstellung von „Gemeinwohl“ (einer bestimmten Gemeinschaft) und eigenen Gedanken, sondern auch nach einer Nachfrage, was denn die (bestimmte bzw. gerade zu bestimmende) Gemeinschaft ihrerseits dazu sagt und von den „Gemeinwohl“-Vorstellungen des Einzelnen ihrerseits hält.
Da der Mensch gemäss Gehlen (in der Tradition Herders) gezwungenermassen auf Entscheidungen geworfen ist, stellt sich die Frage, worauf er besondere Rücksicht nehmen soll. Sofern er nun einer Gemeinschaft (in deren strengem Sinn) angehört, liegt nahe, dass seine Rücksicht auf diese geht. Jedoch reicht die Rücksicht auf das, was er von der Gemeinschaft ahnt bzw. zu wissen glaubt, nicht eindeutig zur Entscheidung aus, sondern eine volle Rücksicht bei einer Gewissensentscheidung kann auch erfordern, die Gemeinschaft zu dieser Entscheidung noch einmal anzuhören, bevor der Mensch die Entscheidung souverän trifft.
Da ist dann also eine Kompetenz zunächst einer Gemeinschaft
abgegeben
und wird vom Gewissen erst in dem Moment zurückgeholt, wo auch schon die Entscheidung getroffen wird; das (hoch ausgebildete) Gewissen fällt also zwar im allerletzten Moment die Entscheidung individuell, jedoch nur mit ganz konkreter Rückversicherung bei andern Menschen. Die Güte seiner Entscheidung bemisst sich somit nicht nur durch seine Gedanken, sondern auch durch bestimmte Personen.
Gruss,
Mike