Hallo Lidscha,
um Deine Frage erschöpfend zu beantworten, müsste ich bis morgen früh schreiben…
Deshalb nur vergleichsweise(!) kurz:
In den Sozialwissenschaften ist ja immer wieder die Rede von
„Arbeitern“
wenn heute in den Sozialwissenschaften von „Arbeitern“ gesprochen wird, dann meist nur noch als Übernahme des „native terms“, also der Selbstbezeichnung der Untersuchungsobjekte.
Arbeiterklasse,
ist dem Kern nach ein marxistischer Begriff; die marxistische Sozialstrukturanalyse unterteilt die Bevölkerung nach der Stellung im Produktionsprozess, also nach Besitz/Nicht-Besitz der Produktionsmittel;
die beiden (Haupt-)Klassen waren demzufolge Bourgeoisie (Kapitalistenklasse) vs. Arbeiterklasse;
Arbeiterkind
dieser Begriff ist schon weit unpräziser, weil er im Normalfall kein terminus technicus ist;
er mag marxistischen Ursprungs sein, ist aber darauf keineswegs beschränkt;
Ein Arbeiterkind ist schlicht eine Person, die der Klasse/Schicht/Milieu „Arbeiter“ zugerechnet wird, und entsprechend dieser Herkunft sozialisiert ist;
„Arbeiterkind“ ist im Grunde die Bezeichnung für eine bestimmte Weltsicht, Mentalität, Stock von Deutungs- und Handlungsmustern, etc.
Insgesamt aber ein „schwammiger“ Begriff, der in unterschiedlichen Theorien unterschiedlich gebraucht wird, besser vielleicht: wurde.
, Arbeiter- und
Bauernstaat
Ist ganz was anderes;
entspringt natürlich auch dem Marxismus;
schon bei Marx war es nicht klar, welcher der beiden Klassen die „Bauern“ zuzuordnen wären;
im Rahmen der russischen Revolution 1905/17 ist diese Frage von den Granden viel diskutiert worden, weil natürlich problematisiert wurde, auf welche Seite sich die Bauern in der proletarischen Revolution schlagen würden.
Vielleicht weil man sich nicht einigen konnte, kam es zur Kompromißformel „Arbeiter und Bauern“, weil man diese zwar irgendwie auf einer Seite stehend sah, dennoch aber Unterschiede nicht verwischen wollte.
Was aber genau
ist ein Arbeiter? Was unterscheidet ihn vom Angestellten im
soziologischen Sinn?
Man kann nicht vom „soziologischen Sinn“ sprechen; die Soziologie ist grundsätzlich theoriepluralistisch, d.h. es stehen eine Vielzahl von Theorien gleichberechtigt nebeneinander.
Wo also die einzelnen Theorien Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten machen (und ob sie sie überhaupt machen) hängt vom kategorialen Aufbau der Theorie ab, und ist daher höchst verschieden.
Z.B. gibt es den neo-marxistischen Ansatz von Draper, der so macht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeiterklasse
oder den neo-marxistischen Ansatz von Bourdieu, der es wieder ganz anders macht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bourdieu#Forschung
oder den Ansatz des „Postmaterialisten“ Schulze:
http://www.soziologie.uni-rostock.de/berger/sozialst…’
oderoderoder.
Denn im Grunde ist doch auch jeder Arbeiter ein Angestellter,
oder?
… oder jeder Angestellter ein Arbeiter …
Wenn Du mit Freunden diskutieren möchtest, ob Angestellte auch Arbeiter sind, oder Arbeiter auch Angestellte, dann könnt ihr natürlich hin- und herwägen wie es euch beliebt.
Wenn Du aber sozialwissenschaftlich an diese Unterscheidung herangehen willst, dann musst Du Dir erst klar werden, nach welchen Kriterien Du diese Unterscheidung treffen willst, also wie Du die Begriffe definieren willst;
erst dann kannst Du sehen, ob Du sie gleichsetzen kannst oder nicht.
Nochmal zu oben: Draper setzt sie nicht unmittelbar gleich, aber doch mittelbar, Bourdieu setzt sie eher nicht gleich, aber doch teilweise wieder schon, Schulze setzt eher noch ältere Arbeiter mit älteren Angestellten gleich, als jüngere Arbeiter mit älteren Arbeiter, undundund.
Viele Grüße
franz