Jetzt hab ich sie endlich, meine perfekte Klobürste! Heute Morgen habe ich sie gesehen in einem Supermarkt. Und sofort gekauft. Sie ist schlank. Die Borsten weiß und fast doppelt so hoch wie normale Bürsten. Und der Griff. Der ist der Hammer. Aus gebürstetem Edelstal. Mit einem Knopf am Ende. So dass sich diese Luxus-Bürste angenehm in der Hand anfühlt, und man sie wegen diesem Super-Gefühl nur ungern wieder wegstellen möchte…
Ich bin begeistert, eh! Das hat der Philosoph Dr. Karl Marx nicht bedacht. Dass man sich im Kapitalismus so happy fühlen kann. Und he, da philosophiert Marx von Selbstentfremdung, ha! Meine Klobürste bewirkt das Gegenteil. Es ist eine Erhöhung meines Selbstbewusstseins. Denn es ist ja wohl nicht verboten, sich mit einer idealen Klobürste selbstbewusster zu fühlen als ohne diese. Das tun doch die meisten Menschen auch mit der Mode. Und wie heißt es so schön im TV:
"Wir sind es uns wert.“
Der Preis spielt überhaupt keine Rolle, bei höheren Bedürfnissen. Ein Bedürfnis sucht nach einer Lösung. Charles Wilp lehrte: „Bedürfnisse muss man erst mal wecken, mit einer gezielten psychologisch kreativen Werbung.“ Und die hat mich unterschwellig angeturnt. Die ideale Klobürste gesehen. Und sofort gekauft. Weil für mich die perfekte Klobürste das Wichtigste im Leben überhaupt ist, hat es auch mein Selbstbewusstsein erhöht. Geschätzt um gefühlte hundert Prozent. Ich bin also doppelt so selbstbewusst wie zuvor. Wie ist so ein Gefühl möglich? Ein deutscher Schlager-Sänger kommt mir in den Sinn. Wie singt er???
"Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben, tralalala…"
Jedenfalls habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nie so voll strotzendem Selbstbewusstsein gefühlt, wie mit dieser Klobürste. Manche werden vielleicht jetzt denken, ach was! Geh mir doch aus der Sonne, mit deiner Luxus-Klobürste! Und sie würden mir vielleicht entgegnen wollen: Schau mich an! Ich bin ein Mensch, wie mein großes Vorbild, der griechische Philosoph Diogenes. Kommt ein König (wie z. B. zu seiner Zeit Alexander der Große, der zum Philosophen kam), der sich mir gegenüber wichtiger vorkommt, nur weil er an eine Klobürste glaubt, dem sage ich: „Geh mir aus der Sonne, du Fetischist! Ich brauche als Diogenes-Nachfolger keine perfekte Klobürste, ich erhalte mein Selbstbewusstsein durch andere WERTE!“ (Und womöglich braucht er gar keine Klobürste zum geschäftlichen Glück? Es könnte ja sein, dass er einer ist, wie der indische Guru „Oshi“ seinen religiösen Glaubensanhängern lehrte, sie sollten statt Papier die eigene Hand benutzen, das sei natürlicher als sich von der Industrie andauernd unsinnige Konsumprodukte aufschwätzen zu lassen, die man nicht wirklich braucht. Der KAPITALISMUS würde ja doch nur eine zwanghafte „Selbstentfremdung“ züchten, sozusagen nützliche Konsum-Sklaven, wie das auch schon Karl Marx gelehrt hatte).
Warum sollte man sich nicht selbstbewusst fühlen mit einer neuen Klobürste, wenn andere Konsumenten sich auch so selbstbewusst fühlen mit einem neuen Auto oder einer Luxus-Villa oder einfach nur durch den Trend einer neuen schicken Mode???
Das ist meine Frage: Was macht ein Selbstbewusstsein denn überhaupt aus? Was sagen denn die Experten dazu (der deutsche Philosoph Manfred Frank denkt darüber schon gut vierzig Jahre lang nach, als emeritierter Professor an der Uni Tübingen. Erst kürzlich hat er sich mit amerikanischen Philosophen zu einem grundsätzlichen Austausch über diese Frage des Selbstbewusstseins und seiner sogenannten „Selbstreferenz“ getroffen).
Frage: Wie ist es überhaupt möglich, dass man viele Leute allein durch den Konsum selbstbewusst fühlen? Oder durch einen Titel? Und was ist mit meiner alten Freundin, der Klofrau Ilse vom Berliner Hauptbahnhof, der ich, wenn ich in Berlin bin, aus reiner Höflichkeit die Toilette besuche, ihr einen Zehner in ihren Ausschnitt stecke, weil ich denke, das die Ilse das allemal WERT ist, wenn sie den angeblich „höheren“ Menschen die Sch… weg schrubbeln muss, mit nicht so einer Luxus-Bürste, wie ich sie womöglich nur deshalb kaufte, um mich durch ihren Besitz selbst aufzuwerten?
Nachdem meine Frau verstarb, suchte ich eine neue Frau, in einem Internet-Forum. Ich kontaktete mit einer Professorin, die mich ganz „selbstbewusst“ fragte, an welcher Uni ich denn als Philosoph lehre? Sie hätte an mehreren Elite-Unis in Deutschland und Amerika gelehrt, wörtlich schrieb sie dann diesen zentralen Satz:
"Und darauf bin ich stolz!"
Ich schrieb zurück, dass es ihr in ihrem STOLZ eventuell darum ginge, ein Überlegenheitsgefühl zu empfinden. Dazu konnte sie aber nichts sagen, denn dieses Gefühl war ihr gänzlich unbewusst. Sie schrieb nur, das sei für sie ein „spannendes Thema“. Ich schrieb ihr dann zurück, dass ich nicht wert auf Titel legen würde, sondern auf die weiblichen Vorzüge des Körpers, wie 160 cm groß, 50 Kilo schwer (ich bin 1,87 cm und so dünn, wie eine Zaunlatte) und ich mich auch in eine Friseuse verlieben würde, die über diese weiblichen Vorzüge verfügen würde. Daraufhin hörte ich nichts mehr.
Sie war in ihrem Selbstbewusstsein als Professorin gekränkt. Für ihr Selbstbewusstsein galten also andere Werte als für mich…
Das, was ich bis jetzt hier geschrieben habe, hat jeder einzelne Satz mit dem „spannenden Thema“ Selbstbewusstsein zu tun. Dazu habe ich schon früher in diesem Brett gepostet, zum Beispiel: „Gibt es Selbstbewusstsein?“ oder „Was ist Selbstbewusstsein?“ oder „Klobürste mit Musik?“ (suchst du diese Threads, allerdings unter einem anderen Nick. Bekannter als diese drei angeführten Threads war ich unter dem richtigen Namen, Claus J. Walz, Kürzel CJW, zu einer Zeit, als der „Metapher“ noch MOD war und der „Chan“ als „Meister“ mit dem „Balacz“, „Junktor“ und dem „Branden“ und wie sie alle hießen, sich geistige Gefechte lieferten).
Die Frage ist: Was ist überhaupt Selbstbewusstsein, was wissen die Soziologen, die Psychologen und die Philosophen darüber? Nietzsche lässt zum Beispiel im Zusammenhang mit dieser Frage den Sokrates in seiner Vorstellung durch Athen spazieren und dabei die Mächtigen des Staates beobachten, wie sich Sokrates seine Gedanken darüber macht, mit der Erkenntnis, die sowohl Sokrates wie Nietzsche als grundsätzlich für die abendländische Philosoph erachtete: Die Machthaber dieser Welt WISSEN ja gar nichts wirklich! Sie glauben ja alle nur an die absurdesten Dinge, als ein EINGEBILDETES Selbstbewusstsein. Wobei Sokrates dagegen das philosophische WISSEN bzw. die WISSENSCHAFT von einem politisch mündigen Bürger ebenso wie Kant forderte, an dem die Philosophen sich bis heute sich gegenüber einem bloß EINGEBILDETEN Selbstbewusstsein abarbeiten. Nur ein Beispiel ist der Bestseller-Philosoph David Richard Precht, mit seinem Buch „Wer bin ich…“, das über eine Million Mal verkauft wurde. Das ist eine Sensation für ein philosophisches Buch, was zeigt, wie interessiert das allgemeine Publikum an diesem Thema des Selbstbewusstseins ist. Die Frage lautet: Was wird mit dem Begriff verknüpft?
Als Anregung zu meiner Frage ein Zitat nach Michael Pauen (Prof. für Philosophie an der Uni Magdeburg): „Immer noch ist offen, was man sinnvollerweise unter diesem Begriff … verstehen kann.“ Ich frage die EXPERTEN, was ist das, was wir Menschen allgemein mit dem Begriff des Selbstbewusstseins verbinden, wenn man es allein schon durch den banalen Konsum glaubt verwirklichen zu können??
Noch 'ne Anmerkung: Mir hat ein Kritiker in meinem erwähnten Thread „Klobürste mit Musik?“ wörtlich „philosophischen Schluckauf“ vorgeworfen. Das ist korrekt. Andere Kritiker meinten, meine Posts seien - wörtlich - „überflüssig, wie ein Kropf“. Ja, gut, aber es gibt sie ja, die unliebsamen Kröpfe. Vielleicht generell, ist ja das Leben auf diesem Planeten ebenfalls „so überflüssig, wie ein Kropf“???
Ich halte diese „Psychoanalyse“ von einem „philosophischen Schluckauf“ durchaus für eine treffende, oder besser, zutreffende Metapher. Aber es geschieht ja ohne bewussten Willen, so ein Schluckauf. Ebenso, wie das Leben ohne Begriffs-Fuzzelei geschieht, ist es mehr als nur ein braver schulischer Glaube an Begriffe. Vielleicht ist es sogar noch treffender, wenn nicht nur vom Schluckauf geredet wird, der unbewusst an die sprachliche Oberfläche des Selbstbewusstseins gelangt, sondern wenn sogar von philosophischen Blähungen gesprochen wird. Sie sind zwar für andere, die sich mit einem Philosophen im gleichen Raum befinden, eventuell unangenehm riechend, aber es sind echte PHÄNOMENE…