Hallo,
derzeit gestaltet es sich so: Betreiber von z. B. Kohlekraftwerken machen enorme Gewinne weil der Strompreis extrem hoch ist.
(Das liegt natürlich daran, dass z. B. in Frankreich einige AKW stillstehen und die Erdgaskraftwerke viel höhere Rohstoffkosten haben - aber die Gründe sollen hier gar nicht das Thema sein.)
Da die Nachfrage vorhanden ist, können alle Anbieter von Strom (also auch Kohlekraftwerksbetreiber) Preise verlangen die dem Lieferanten mit dem höchsten Verkaufspreis entsprechen.
Beispiel: Ein Land braucht 1000 Einheiten Strom und kauft dies an einer Strombörse. Es werden dort 1100 Einheiten angeboten. 200 Einheiten Strom werden von Erdgaskraftwerken angeboten und kosten 50 Cent pro kWh; der Kohlekraftwerksbetreiber weiß, dass 1000 Einheiten gebraucht werden und die letzten 10 % dieser Strommenge 50 Cent pro kWh kosten wird. Also kann er auch 50 Cent pro kWh verlangen, weil das Land welches die 1000 Einheiten braucht keine Alternative hat.
Was wäre nun, wenn alle Stromerzeuger in öffentlicher Hand wären und keine Gewinne erwirtschaften dürften? Dann würde der Kohlekraftwerksbetreiber eben keine 50 sondern nur 5 Cent pro kWh verlangen und nur die restlichen 10 % des Bedarfs müßten für den hohen Preis von 50 Cent gedeckt werden. Der Preis für den Endkunden wäre damit nur bei rund 10 Cent und nicht gleich bei 50 Cent. (Die Preise sind nur zur Erläuterung gedacht und nicht real.)
Was spricht gegen staatliche Energieversorger bzw. gegen eine Verstaatlichung aller Unternehmen die für die Versorgungssicherheit essentiell sind?
In der Theorie ist es so, dass Unternehmen in privater Hand wirtschaftlicher arbeiten und damit in der Lage sind, ihre Produkte preiswerter auf den Markt zu bringen. Außerdem sind die innovationsfreudiger, vorausgesetzt, die Innovation führt zu einer Steigerung der Gewinne.
Es gibt allerdings Sektoren, da ist es meines Erachtens nicht sinnvoll, diese so ohne weiteres in den Dienst der kapitalistischen Verwertungslogik zu stellen - Energie, Wasser, Gesundheit, Transport - alles wäre in gesellschaftlicher Hand besser aufgehoben.
Dann sollte man dringend das Straßennetz verstaatlichen. Wenn ich sehe, wie die priavten Straßenanbieter in den letzten Jahrzehnten das Netz verrotten ließen…
Mal zurück zum Ernst: Der Staat verpennt halt regelmäßig, sich um klare Vorgaben zu kümmern.
Gutes Beispiel, wie man etwas verschlafen kann.
Weiß jemand, seit wieviel Jahren es in Deutschland einen Anspruch auf einen Internetanschluss gibt, der geschmeidiges Arbeiten im Netz erlaubt?
Spoiler
Eine von den Flachleuten der BNetzA fälschlicherweise als „Bandbreite“ bezeichnete Datenübertragungsrate von 10 / 1,7 Mbit/s (Downlink / Uplink) ist seit Juli 2022 der Mindestanspruch.
Recht gut ist ja die Förderung des Netzausbaus. Na ja, man hätte es vielleicht nicht Stadt- und Kreisratsmitgliedern gesetzteren Alters überlasssen sollen, sich um die Förderung zu kümmern. Und man hätte den „oppen access“ vielleicht nicht nur als pauschale Forderung festlegen sollen, sondern auch an regulierte Preise binden müssen.
Der Staat soll gefälligst saubere Regeln aufstellen und es dann den Firmen überlassen, mit möglichst geringem Aufwand (also größtmöglichen Gewinn) die Regeln zu erfüllen.
Hm ja, man kann ja in anderen Ländern sehen, wie gut Gesundheit und Transport laufen, wenn sie in staatlicher Hand sind. Großbritannien fiele mir da als erstes ein.
Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, einige Jahre meines Lebens für staatliche Kreditinstitute gearbeitet zu haben und hatte darüber hinaus Kontakte zu etlichen anderen, die sich ebenfalls in staatlicher Hand befinden bzw. befanden.
Neben allen bekannten Vorzügen staatlicher Verwaltung wie Ineffizienz, Bürokratie, Planwirtschaft bemerkte ich eine Denkweise, die ich von privaten Banken nicht kannte: es wird mit dem Geld anderer Leute gearbeitet. Ist es weg, wird von Sparkassen und Bundesländern einfach neues verlangt. Naja, zumindest so lange, bis die EU dazwischen haut.
Der Staat kann nur dann erfolgreich unternehmerisch handeln, wenn er unternehmerische Strukturen schafft. Im Versorgungsbereich sehen wird das ganz gut: die Stadtwerke sind unternehmerisch ausgestaltete Unternehmen, die für sich jeweils recht erfolgreich sind. So erfolgreich, dass sie meistens unter einer gemeinsamen Holding mit den hochdefizitären Verkehrs- und Bäderbetrieben hängen und diese quersubventionieren.
Im übrigen sind es ja gerade nicht die Versorger, die in der Kritik stehen, sondern die Importeure und Erzeuger und in dem Kontext stellt sich mir dann eine Frage: wieso sollte der Staat als Unternehmer hier besser (im Sinne der Verbraucher) handeln, wenn er schon nicht einmal schafft, entsprechende, den Markt besser regulierende Regeln zu schaffen?
Der Staat hätte schon in der Vergangenheit, spätestens aber seit März oder so Gesetze verabschieden können, die den Markt so regulieren, dass sich die Lage besser darstellt. Dafür, dass das nicht geschehen ist, kann es wieder nur drei Erklärungen geben: er wollte nicht, er konnte nicht oder das Problem ist nicht über nationale Gesetzgebung zu lösen.
In keinem dieser drei Fälle wären wir jetzt besser dran, wenn der Staat nicht nur als Regulierer, sondern auch als Unternehmer eingriffe.
im Sektor Energie kann man derzeit bei Nachbars in Frankreich beobachten, dass bereits 80 % Staatsbeteiligung dafür ausreichen, dass die pro forma AG Electricité de France ihre Funktion nach Art einer Behörde ausübt: Es ist vom zuständigen Minister keine Weisung ergangen, Kernkraftwerke in ausreichendem Umfang betriebsfähig zu halten, also gab es für die EDF keinen Anlass, das zu tun. Und jetzt hammer den Salat.
Genau darin sehe ich aber das Grundproblem. Wenn der Staat seine Einrichtungen privatisiert, gibt er in der Praxis auch die Kontrolle darüber ab. Ich gehe sogar soweit und behaupte, dass die Privatisierung gar nicht funktionieren würde, wenn man an die privaten Betreiber hohe Maßstäbe anlegen würde.
Als Beispiel möchte ich die Privatisierung im Mutterland des Manchester-Kapitalismus anführen. Bei denen wurde das Wasser- und Abwassersystem unter Thatcher privatisiert. Seitdem wurde es auf Verschleiß weiter betrieben und die Fäkalien fließen noch immer durch ein System, das seit der viktorianischen Zeit zum großen Teil unverändert ist. Der Erfolg: wenn man in den letzten Wochen im Atlantik baden wollte, hat man gerne mal „alte Bekannte“ wiedergetroffen. Gleichzeitig haben die privaten Betreiber aus diesem Sektor aber Dutzende Milliarden Gewinne gezogen, die typischerweise nur einem kleinen Teil der Gesellschaft überproportional zur Verfügung stehen. Seit einigen Jahren nun schon bemüht man sich immer mal wieder das System zu verstaatlichen um es dann mit staatlichen Geldern (also Steuergeldern) endlich auf das Niveau eines modernen Industriestaates zu heben.
Ähnlich sieht es bei den britischen Bahnen aus. Gewinne in phantastischem Ausmaß, während die Leistung zunehmend schlechter wird.
Aus den Erfahrungen der letzten 4-5 Jahrzehnte verschiedener Länder mit der Privatisierung kann man aus meiner Sicht den Schluss ziehen, dass es nur in sehr wenigen kleinen Bereichen einen gesamtgesellschaftlichen Vorteil gibt. In der Regel bleiben die Kosten für die Gesellschaft hoch oder steigen sogar stärker als in der Zeit davor, die Qualität steigt nicht oder nimmt sogar ab, der einzige Vorteil ist der Abzug vom Umsatz um das Vermögen einer kleinen Gruppe der Gesellschaft gegenüber dem Rest überproportional zu steigern.
Natürlich gibt es bei staatlichen Investitionen himmelschreiende Fehlleistung, die man am liebsten mit alten biblischen Strafen abgelten würde. Daraus aber populistisch zu vereinfachen, dass der Staat nur Mist macht, die „private Hand“ aber der Segen ist, erscheint mir ein Selbstbetrug zu sein.
Aus eigener Erfahrung: die deutschen Landesbanken waren die größten Kapitalvernichter, die Deutschland bisher gesehen hat. Sie sind das Musterbeispiel für staatliche Unternehmen mit privatem Antlitz, in denen sich die schlechtesten Aspekte beider Welten vereinten: private Gehälter mit Selbstbedienungsmentalität, nicht zu erfüllende Renditeanforderungen der staatlichen Gesellschafter mit dem Ergebnis, dass man unverstandene Risiken einging, völliges Unverständnis für das Geschäft seitens der von den Gesellschaftern entsandten Mitglieder der Kontrollorgane, Geschäftspolitik immer mit Blick darauf, dass man das Geld anderer Leute verzockt und nicht zuletzt Begeisterung der Gesellschafter für jede expansive Geschäftspolitik, bei der möglicherweise hier und dort ein Aufsichtsratsmandat - ggfs. noch in einem sonnenbeschienen Steuerparadies - heraussprang.
Ich habe alles gesehen: kleine, familiengeführte Unternehmen, große familiengeführte Unternehmen, große Familienunternehmen mit angestellter Geschäftsleitung, große Unternehmen mit am Kapitalmarkt platziertem Kapital und halt auch Unternehmen im kommunalen oder staatlichen Eigentum mit entsprechend entsandten Kontrolleuren aus Verwaltung und Politik. Staatlich kontrollierte Unternehmen sind ein Desaster. Es geht um Posten und Pöstchen, woher das Geld kommt, ist genauso egal wie die Frage, wo das Geld eigentlich geblieben ist.
Die einzige Ausnahme, aber auch nur in einer Hinsicht, sind die Stadtwerke.
Deren Vorteil ist, dass die im operativen Geschäft kaum etwas falsch machen können und dass denen immer die Kommunalaufsicht und der Wirtschaftsprüfer im Nacken sitzt. Sie können kaum (!) etwas falsch machen, weil sie in den meisten Fällen Händler sind bzw. die Entgelte politisch festgelegt werden. Gewinne entstehen dort quasi von selbst. Ob das am Ende für den Verbraucher alles anders billiger gegangen wäre (also z.B. Abfall- oder Abwasserentsorgung) wird man nie erfahren. Formal werden alle Kriterien eingehalten: Ausschreibungen, Entgelte nach billigem Ermessen mit entsprechenden Gremien dahinter, aber tatsächlich kann niemand durchschauen, ob das Geld der zwangsbeglückten Kunden am Ende gut angelegt war.
Das grundsätzliche Problem staatlichen Unternehmertums ist, dass es von Personen ausgeführt bzw. kontrolliert wird, die als Lebenseinstellung genau das Gegenteil aufweisen als das, was für Unternehmertum notwendig ist: eigenes Risiko, dessen Abwägung mit den Chancen, Innovation, Flexibilität, vorausschauendes Handeln.
Zum letzten Punkt noch eine Anekdote: als wir Anfang April 2020 eine Liste der Kollegen zusammenstellten, die prioritär fürs Homeoffice mit Laptops versorgt werden sollten, lag mir seit zwei Monaten eine Stellungnahme eines Großunternehmens in Familienhand vor, aus der hervorging, dass man Anfang Januar 2020 hunderte von Laptops für den Fall von Quarantäne- und Abstandsregelungen eingebunkert hatte, dass man Quarantäneregelungen für Produkte aus Chinas eingeführt, alle Dienstreisen untersagt sowie die Logistikketten komplett auf Luftfracht und Eisenbahn umgestellt hatte.
Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Staatliche Unternehmen sind nur so gut wie ihre Angestellten, Ihre Geschäftsleiter und ihre Kontrolleure - und irgendwo in der Aufzählung kommen Leute ins Spiel, die als Berufslaufbahn „Beamter“ gewählt haben und das ist der Grund, warum staatliche Unternehmen in den allermeisten Fällen versagen bzw. nur überleben können, wenn ihnen Kundschaft und Einkaufs- bzw. Verkaufspreis von politischer Seite garantiert werden.
Naja, das Wort „Systemrelevanz“ im Zusammenhang mit „muss mit staatlichen Geldern gerettet werden“ kenne ich eher aus dem Bereich von nicht-staatlichen Unternehmen.
Die Kreditinstitute, die im Zusammenhang mit der Finanzkrise in ernsthafte Schwierigkeiten kamen:
WestLB
SachsenLB
LBBW
BayernLB
HSH Nordbank
Alles Landesbanken im Eigentum von Bundesländern und/oder Sparkassen bzw. deren Verbänden.
Und dann waren da noch:
Hypo Real Estate
IKB
An der IKB war die staatliche Kfw seinerzeit mit knapp 40% beteiligt, der Aufsichtsrat mit einigen Politikern bestückt und auch sonst gab es eine enge Beziehung zwischen IKB einerseits und Kfw und Politik andererseits.
Die Hypo Real Estate hat es tatsächlich geschafft, sich ohne staatliche Beteiligung/Einflussnahme abzuschießen. Bei allen anderen ist hingegen der staatliche Einfluss maßgeblich. Was mich dann zu obenstehendem Urteil führte.
Nota Bene: Die NordLB hat zwar keine nennenswerten Beträge bei der Finanzkrise verloren, aber durch die nachfolgende Krise bei den Schiffsfinanzierungen. Halt schon doof, wenn man so stark auf ein Marktsegment setzt. Die Helaba (Landesbank Hessen-Thüringen) ist übrigens Europas größter Immobilienfinanzierer. Auch so eine Sache, die ich nicht begreife: wie man sein Geschäftsmodell ohne Not auf ein Segment fokussiert. Es ist zwangsläufig so, dass das bei Kreditinstituten über kurz oder lang zu Problemen führt. Immer. Denn ein Risikomanagement, dass für ein Produkt verantwortlich ist, schafft sich selber ab, wenn es irgendwann sagt „also die Sache mit den Schiffen wird uns jetzt zu heiß. Wir machen da drei Jahre lang gar nichts mehr.“ Also biegt man sich die Risiken zurecht und wundert sich dann, wenn das ganze ein paar Jahre später in die Grütze geht. Aber das nur nebenbei.
Mir fiele ja die Commerzbank ein, und die Dresdner, aber die hat sich ja mit der Commerzbank vorher verschmolzen, da musste nur eine Bank gerettet werden.
Naja, und die Deutsche Bank hat ihre halbseidenen und faulen Kredite schnell noch an eine andere Bank, die
outgesourct, die „musste“ dann halt gerettet werde.
Ausgangspunkt der Bankenkrise waren in meiner Erinnerung Banken in den USA und auch die waren eher nicht so sehr in Staateigentum. Ist schon klar, die Vergleichbarkeit ist nicht optimal, aber als Datenpunkt, dass der Markt immer alles so schön regelt (NICHT!) würde ich das schon gelten lassen.
Die waren alle mehrheitlich in öffentlicher Hand, zum Großteil sogar vollständig. Warum die Landesbank Berlin und die Helaba in der Liste fehlen, ist übrigens auch schnell erzählt: die Landesbank Berlin war nach dem Berliner Bankenskandal (der zum Rücktritt Diepgens führte) vor allem im Privatkundengeschäft tätig, aber nicht im Kapitalmarktbereich. Daher hat man sich am Immobilienmarkt in den USA nicht engagiert. Die Helaba lebt bis heute noch im Schatten des Skandals aus den 70ern, der zum Rücktritt von Herrn Osswald führte (Ministerpräsident Hessen) und aus zweifelhaften Immobiliengeschäften resultierte. Seitdem ist die Helaba am Markt als eher risikoavers bekannt, was - wie man hört - auch aus einigen Einschränkungen für die Entscheidungsfreiheit des Vorstandes resultiert (was die Bank nicht daran hinderte, ein riesengroßes Klumpenproblem namens Immobilienfinanzierungen zu erzeugen).
Das war nie meine Aussage.
Um noch auf die von Dir genannten Beispiele einzugehen:
Da musste niemand gerettet werden. Nur hätte die Commerzbank die Übernahme der Dresdner Bank abgesagt, die 2008 ordentliche Verluste aufgetürmt hatte. Da die Übernahme auch politisch „sehr erwünscht“ war, hat man die Commerzbank über den Soffin erheblich unterstützt.
Und dennoch geht die ganze Krise auf eine politische Entscheidung zurück, nämlich dass der Abschwung der frühen 2000er Jahre (Platzen der Dotcom-Blase mit desaströsen Folgen für die private Altersvorsorge von zigmillionen Menschen, weil die nämlich vielfach in Form von Aktien besteht (gerne auch Aktien am eigenen Arbeitgeber)) durch ganz viel billiges Geld seitens der Notenbank gebremst/abgemildert werden sollte und ganz bewusst auch dadurch, dass Immobilienkredite (Stichwort Altersvorsorge) billig und leicht zu haben sein sollten. Daraus entwickelte sich dann die bekannte prächtige Immobilienblase.
Ich habe Deine Aussage so verstanden, dass staatliche Eingriffe und Firmen in staatlicher Lenkung ineffizient sind. Der potenzielle Gegenentwurf, den ich bei Dir vernommen habe ist eben wenig staatliche Beteiligung, dafür Privatisierung und innovative Produkte, die vom Markt gefragt sind.
Ich kenne die Details ehrlich nicht, aber nur aus der Erinnerung waren eben auch Banken, die nicht nach den staatlichen Prinzipien der Risikoversion und Innovationsvermeidung in eine Schieflage gekommen und waren recht dankbar für die staatlichen Prinzipien der Risikoversion und Innovationsvermeidung, sofern sie sich als monetäre Stabilisierung eben jener Banken manifestierten.
Ja, klar.
Genau, da hat man die Altersvorsorge „dem Markt“ überlassen. Mutmaßlich sehr zur Freude der am Markt handelnden Teilnehmern. Als es dann nicht mehr gut lief, wurden die Verluste … verteilt.
Sorry, ich bin nicht wirklich Experte im Finanzwesen und arbeite wie Du weißt in einem Bereich, in dem ich die Privatisierung auch nicht endgeil finde.
Ich sehe nehme für mich nur wahr, dass es Bereich gibt, wo ein gesamtgesellschaftliches Interesse besteht, Dinge jenseits des Marktes am Laufen zu halten. Energieversorgung, Wasser, Feuerwehr, Militär, you name it … macht Sinn ohne Gewinnerzielungsabsicht. Ja, in den Bereichen wird nicht immer optimal mit den Mitteln umgegangen (aber in anderen Bereichen vermutlich auch nicht immer).
Ich sehe Privatisierung in diesen Bereichen nicht als gute Lösung, und generell hat das Mantra der Privatisierung massive Schwächen, insbesondere dann, wenn der langfristige Horizont verloren geht und Anreize bestehen allenfalls bis zum übernächsten Quartalsbereicht zu planen.
Ich fange mal so an:
Ist Privatisierung immer super? Nein.
Gehören manche Dienstleistungen eher in die Hände des Staates? Ja.
Werden diese dann effizient erbracht? Unwahrscheinlich.
Im Jahre 2006 kam mir eine Tabelle in die Hände, in der die 10 größten Akteure am amerikanischen Subprime-Markt aufgelistet waren. Darunter war so grob eine Handvoll deutscher Landesbanken sowie die IKB. Die restlichen drei, vier oder fünf waren Banken aus den USA, Großbritannien und (so meine ich mich zu erinnern) Frankreich. Die Tabelle entstand zu einem Zeitpunkt, an dem in den USA den meisten Marktteilnehmern klar war, dass das Ding vor die Wand fährt und genau aus diesem Grunde auch den ausländischen Instituten das Feld überließen.
Auch bei einzelnen Landesbanken vernahm man derartige Botschaften, aber sie wurden von den Kapitalmarktspezialisten, die man in den USA für teuer Geld angeworben worden waren, als kurzzeitige Marktstörungen abgetan. Als die Marktstörungen größer wurden und länger anhielten, waren die Teams dann auf einmal weg.
Aber das nur so als Anekdote.
In den USA läuft die Altersvorsorge in vielen Fällen über so eine Art Aktiensparplan. Das ging halt mit .com, Enron & Co. hässlich in die Grütze. Viele verloren einen Großteil ihrer Ersparnisse. Das war schon ein großes gesellschaftliches Thema und so ist der Gedanke, die Leute wenigstens vor Wohnungslosigkeit im Alter abzusichern, nicht ganz blöd.
Welche Verluste? Die aus den Alterssparplänen? Die sind schön bei den zukünftigen US-Rentnern angefallen. Falls Du die Verluste aus den Immobilienanleihen meinst: die wurden in den USA zunächst den entsprechenden Instituten bzw. deren Gesellschaftern überlassen. Ich meine, in der Zeit wären so ungefähr 500 Finanzdienstleister abgewickelt oder notverkauft worden.
Später gab es dann das TARP-Programm unter Obama, das viele schwierige Papiere aufkaufte und abwickelte. Zusammen mit den Anteilen an Banken und anderen Finanzdienstleistern hatte das Programm ein Volumen von rd. 420 Mrd. Dollar - und schloss am Ende mit einem Gewinn von rd. 20 Mrd. Dollar ab.
An dem Beispiel kann man ganz gut erkennen, dass eine staatliche Hilfe mitnichten heißt, dass die Kohle zwangsläufig weg ist oder dass damit große Verluste eingefahren werden. Ich meine mich zu erinnern, dass GB und auch Frankreich teilweise erhebliche Gewinne einfuhren. Das hat auch damit zu tun, dass die Papiere und Anteil zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Staat am Markt viel zu niedrig bewertet waren.
Völlig richtig. Aber die Ausgangsfrage war doch nicht, ob nun alles privatisiert werden soll, sondern ob die Energieversorger verstaatlicht werden sollten und da sehe ich aus mehreren Gründen keine Vorteile für die Kunden. Der wichtigste Grund ist, dass die meisten Energieversorger und vor allem die Grundversorger schon staatliche Unternehmen sind - nämlich die Stadtwerke.
Hinsichtlich der anderen Branchen, die angesprochen wurden, kann man halt in andere Länder schauen und die Schwächen und Fehler, die gemacht wurden, erkennen.
Tatsache ist doch, dass der Staat in allen diesen Branchen schon heute entweder als Anbieter oder als Regulierer auftritt. Wieso sollte sich die Leistungserbringung verbessern, wieso sollten die Preise sinken oder sich ansonsten irgendetwas verbessern, nur weil sich die Gesellschafterverhältnisse ändern, aber dahinter der gleiche Gesetzgeber, die gleiche Verwaltung und die gleichen Kontrolleure und Regulierer bestehen bleiben, die es jetzt schon nicht hinbekommen?
Es gibt so ein paar Branchen, die in den ersten volkswirtschaftlichen Vorlesungen genannt werden, wenn es darum geht, wo denn der Staat einspringen muss: Küstenschutz und Landesverteidigung. Ich mache gerade Bildungsurlaub auf einer Nordseeinsel. Zum dritten mal. Und jedes mal wurde da die Strategie der zuständigen Behörden kritisiert.
Wie z.B. die nötigen Deichhöhen ermittelt werden. Letzte große Flut plus 30% + 50 Zentimeter Klimaaufschlag. Oder so. Wie man bei uns Autobahnen baut: vier Spuren sind zu wenig, also erweitern wir auf sechs, reißen alle Brücken ab und bauen sie genauso wieder hin, dass sie breit genug für sechs Spuren sind. Wenn dann acht gebraucht werden, reißt man alle Brücken wieder ab und baut sie neu. Bei Brücken lästig und teuer, bei Deichen auch schon mal tödlich.
Die großen Hochwasser vor 15-20 Jahren führten zu hektischen Aktivitäten, weil man erkannte, dass die bisherige Vorgehensweise halt auch nicht so gut war. Also: beim Hochwasserschutz funktioniert Staat nur, wenn nichts passiert, womit die Verwaltung nicht gerechnet hat. Auf Experten wird so lange gehört, wie es ins Budget passt.
Kommen wir zur Landesverteidigung. Naja, da ist es zu offensichtlich, oder?
Zukunftsgerichtete staatliche Aktivitäten sind in ihrem Erfolg immer limitiert, weil es aus Politikersicht billiger ist, nach einem Großschaden viel Geld auszugeben als prophylaktisch, fakten- und datenbasiert und ohne konkreten Anlass. Baufällige Brücken, abgeranzte Schulen, kaputte Straßen, zweifelhafte Infrastruktur unter den Straßen und halt auch das Gesundheitssystem.
Das heißt jetzt nicht, dass ich die Privatisierung von alldem fordere oder begrüße. Beileibe nicht. Aber es ist z.B. schon beachtlich, wie gut bspw. Autobahnen in Schuss sind, für die man im Ausland Maut bezahlen muss. Privatisierung ist kein Teufelszeug, man muss es halt nur richtig machen und in Deutschland ist man halt im Richtigmachen auch nicht sooo gut. Das liegt vielleicht daran, dass der Staat auch nicht gut privatisieren kann.
OK, das reicht mir, danke.
Wo kann ich dich wählen?
Als der Scheffe von Ryanair vor kurzem gegen die Grufthansa wetterte, dass diese ja nur mit Hilfe von Neun Milliarden Euro Staatshilfe überleben konnte, habe ich kurz recherchiert:
Zugesagt waren bis zu 9 Milliarden, abegrufen wurden 3,8 Milliarden, davon zurückgezahlt 100%, zudem mit Zinsen - und die vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds wieder verkaufte Beteiligung hat satte Gewinne eingebracht.
Der Kreditrahmen ist stets entscheidend, und dieser betrug nun mal staatlich garantierte 9 Mrd. risikofreie Zusagen.
Und was den „Aktienerfolg“ des Staates anbelangt, konnten seinerzeit die Aktien zum Nominalwert gekauft werden. 2,irgendwas EUR im Gegenzug für die Kreditgewährung.
Das hätte alles auch anders laufen können.
Und es war wettbwerbsverzerrend.
will bis 2027 verlängern und ist seit den 90-er Jahren Chef. Und sehr erfolgreich. Er weiß, wovon er spricht.
Entscheidend? Risikofrei? Zusagen? Gibt es da irgendein Bingo, an dem ich mich noch beteiligen könnte?
Oh, cool. Magst Du mir verraten, wo ich Aktien z.B. von Apple, Meta und Google, aber auch Bayer, der Allianz und SAP zum Nominalwert erwerben kann? Da würde ich sofort zuschlagen, anstatt teilweise das zigfache von dem zu bezahlen, was an der Börse aufgerufen wird.
Es geht immer anders. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass Deutschland keine große Fluggesellschaft braucht und im Gegensatz zu praktisch allen anderen Ländern diese dann auch nicht unterstützen muss. Ist halt nur doof. Von etwaigen Gerichtsverfahren der LH gegen den Bund mal abgesehen.