Was waren die Auswirkungen der Finanzkrise der WR?

Ich würde gerne wissen, inwiefern sich dich Finanzkrise auf der Mentalität der Leute ausgewirkt hat. Warum konnten die extremistischen Parteien daraus ihren Vorteil ziehen?
Was waren andere Gründe für die Beliebtheit dieser Parteien und Idiologien?

Die Finanzkrise und das Unvermögen der etablierten Parteien, die wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen, machte die Bürger misstrauisch gegenüber Wirtschaft und Staat und empfänglicher für die Verschwörungstheorien und die Systemschelte der extremistischen Parteien. Dabei gewann die NSDAP Unterstützung von Landwirten und Kleinbürgern, während die KPD Arbeiter für sich gewinnen konnte.
Eine objektive und kritische Berichterstattung, umfassende Bildung, Toleranz und Respekt vor Grundrechten waren in Deutschland allenfalls in Ansätzen vorhanden. Antisemitische oder antikapitalistische Verschwörungstheorien konnten sich daher besser verbreiten, zumal die Politik (vor allem Brünings) keine besseren Erklärungen lieferte und kaum Rücksicht auf die sozialen Auswirkungen ihrer Reformen nahm.

Eine bank (die Danatbank) und mehrere konzerne (Nordwolle u.a.) sind zusammengebrochen, die Dresdner Bank stand auch damals schon kurz vorm zusammenbruch. Die wirkung war, dass viele handwerker und angestellte um ihre ersparnisse fürchteten. Viele machten jüdische spekulanten für die krise verantwortlich und wählten bei der nächsten Reichstagswahl, Juli 1932, die Nazis, die damals mit dem berühmten plakat „Unsere letzte Hoffnung: Hitler“ warben. Etliche sozialdemokratische arbeiter verloren das vertrauen in die Weimarer Republik und wählten bei der nächsten wahl die KPD.

Noch eine ergänzung: Die krise schadete vor allem den liberalen parteien, die im Juli 1932 so gut wie von der bildfläche verschwanden. Die leute assoziierten liberale mit kriselnden banken und konzernen.

Wie kommt es, dass die KPD 1932 weit weniger Stimmen hatte als die NSDAP? Waren nicht hauptsächlich die Arbeiter von der Krise betroffen?

Hallo,

Sie sollten erst einmal lernen, eine gescheite Frage zu stellen, auf die es sich zu antworten lohnt.

MfG Sho

Die Stammwählerschaft der KPD bestand ohnehin aus Arbeitern, auch den arbeitslosen, sodass sie nur wenig hinzugewinnen konnte. Die KPD verstand sich als Arbeiterpartei und war für andere Schichten wenig attraktiv. Die NSDAP dagegen gewann viele Stimmen von bisherigen Wählern der DNVP und der liberalen Parteien wie der DVP und DDP. Hinzu kamen scheinbar viele Erst- und Neuwähler.

Der Politikwissenschaftler Jürgen Falter hat ein Buch mit dem Titel „Hitlers Wähler“ geschrieben. Das dürfte Dir weiterhelfen.

Vorab ein paar Worte zur wirtschaftlichen Situation in der WR: Über die Gründe, woran die Weimarer Republik letztlich gescheitert ist, wird nur ungern gesprochen. Denn die Regierungsverantwortung lag damals in den Händen der gleichen politischen Kräfte, die auch in der Bundesrepublik tonangebend sind. Sozial- und Christdemokraten im Bunde mit den Liberalen erwiesen sich als unfähig, die wirtschaftlichen wie finanziellen Probleme der jungen Demokratie zu lösen. Millionen Deutsche gerieten in Existenznot – sie verloren ihre Arbeitsplätze, Ersparnisse und nicht zuletzt die Zukunftshoffnung. Unternehmen meldeten Insolvenz an, Banken krachten zusammen. Gleichzeitig bereicherte sich eine kleine Schicht von Spekulanten:

Kriegsgewinnler, im trauten Verein mit Bankstern, Börsianern und sonstigen Finanzjongleuren, die schon damals die Freiräume genutzt haben, die ihnen von der Politik geboten wurden.

Vor diesem Hintergrund wird nur allzu deutlich, warum die hierzulande Sprechbefugten keinen Wert darauf legen, geschichtliche Parallelen aufzuzeigen. Ansonsten müßte sich die herrschende Kaste mit dem Eingeständnis auseinandersetzen, daß die bis 1933 regierenden Parteien durch ihr Unvermögen eine wirtschaftsökonomische Katastrophe verursacht haben und demzufolge indirekt den Weg für Adolf Hitler ebneten. Am Ende blieb Hindenburg nichts Anderes übrig, als den von ihm als ‚böhmischen Gefreiten‘ Verlästerten zum Reichskanzler zu ernennen.

Seit Mai 1930 war Heinrich Brüning der von Hindenburg einfgesetzte neue Reichskanzler, der einem Präsidialkabinett vorstand. Der Historiker spricht in diesem Fall von einer latenten Diktatur. Brüning hatte dem deutschen Volk und den Arbeitslosen keinerlei Hoffnung zu bieten. Im Gegentum: Er verlangte noch mehr Opfer, Entbehrungen, Verzicht und noch mehr Sparsamkeit von denen, die ohnehin schon hungerten. Durchhalten, nicht verzagen, die Nerven behalten. Der Zentrümler ‚reformierte‘ das Gesundheitswesen, und zwar führte er den viel bekämpften Krankenschein ein. Vor jedem Arztbesuch hatte der Patient einen solchen für 50 Pfennig bei seiner Krankenkasse zu erwerben. An dieser Stelle wollen wir Gregor Straßer befragen, der in seiner Reichstagsrede vom 13. Oktober 1930 ausführte:

„Wenn man heute in der Notverordnung die unerhörte Maßnahme durchführen muß, daß man von den armen Krankenversicherten, von diesen armen Teufeln 50 Pfennig für den Krankenschein und 50 Pfennig für jedes Rezept verlangt – eine Maßnahme, die sich in den wenigen Wochen bis jetzt geradezu katastrophal ausgewirkt hat, eine Maßnahme, die auf der einen Seite dem Krankenversicherten nahezu die Möglichkeit nimmt, sich ärztlichen Schutz und die nötigen Arzneimittel beschaffen zu können, die aber andererseits den Stand der Ärzte und Apotheker bei den heutigen immer mehr gesteigerten Steuer- und sonstigen Ansprüchen geradezu ruiniert – wenn man also diese 50 Pfennig verlangt, weil die Krankenversicherung sonst nicht mehr rentabel wäre, dann müßte ein verantwortungsbewußter Führer eines Staates in der Sozialpolitik zuerst dort eingreifen, wo Millionen und noch mehr zu retten wären.“

Angesichts der katastrophalen Haushaltslage kam es in allen staatlichen Behörden zu einem drastischen Personalabbau, der erhebliche Wartezeiten und eine zunehmende Radikalisierung des Publikums zur Folge hatte. Die wenigen Neuanstellungen, die hier und da vorgenommen werden mußten, führten indes keineswegs zu einem Beamtenverhältnis, was wiederum den leeren Haushaltskassen geschuldet war. Aber auch die Staatsdiener blieben nicht von Brünings rigider Sparpolitik verschont. Im Dezember 1930 hatten die Beamten einen monatlichen Gehaltsraub von beachtlichen 21% hinzunehmen. Beförderungen, die mit einer Aufstockung der Bezüge verbunden waren, wurden auf ein Minimum heruntergefahren. Die meisten Beschäftigten steckten sozusagen im Beförderungsstau fest. Ministerpräsident Otto Braun konnte indes durchsetzen, daß die Gehaltskürzungen in den unteren Chargen der preußischen Beamtenschaft nicht vollständig realisiert wurden.

Doch selbst, als die Arbeitslosenzahl im Januar 1931 auf 4,7 Millionen klettert, weicht Brüning nicht von seinen konjunkturfeindlichen Sparmaßnahmen ab. Es werden fast keine öffentlichen Bauaufträge mehr vergeben, auch der Ausbau des Berliner U-Bahnnetzes muß eingestellt werden. Die flinken Hände des greisen Reichspräsidenten unterschrieben am laufenden Band Verordnungen zur Sicherung der Wirtschaft und Finanzen, die den Unternehmern nicht nur die Umsatz-, Grund- und Gewerbesteuern senkten, sondern sie überdies von den ‚lästigen‘ Tarifverträgen entband – dem Lohndumping Tür und Tor öffneten. Vergebens. 1931 meldeten in Berlin 1.798 mittelständische Betriebe Insolvenz an. Ein Jahr später waren es 1.414 und 1933 – die Krise war bereits im Rückgang – immer noch 841. Gut die Hälfte aller Konkurs-verfahren wurde wegen mangelnden Betriebskapitals gar nicht erst eröffnet. Innenpolitisch hatte dieser Deflationskurs verheerende Folgen. Millionen Menschen verarmten, Zigtausend wurden in den Selbstmord getrieben.

Ablauf und Ursache der Bankenkrise setze ich voraus, ansonsten mußte nochmal fragen. Deshalb zu den politischen Realitäten. Fest steht doch, daß ein weiteres Anwachsen der NSDAP nur durch außenpolitische Erfolge und Behebung der wirtschaftlichen Not hätte verhindert werden können. Damit war in den Jahren 1930 bis 1932 kaum zu rechnen, was Brüning als studiertem Finanzwissenschaftler bewußt war. Hatten die Nationalsozialisten nicht schon immer gesagt, daß das ganze ‚System‘ der ‚Novemberverbrecher‘ verrottet sei? Hatten sie nicht Recht mit der Behauptung, daß die Ursache für Deutschlands Misere im ‚Schandvertrag‘ von Versailles läge?

Besonders der Young-Plan, laut Goebbels ein „Teufelswerk“ und „Todesdokument des deutschen Volkes“, lieferte mit dem magischen Datum 1988 – bis zu dem Reparationen gezahlt werden sollten – eine bessere Propagandamunition, als die Hitler-Partei je hätte erfinden können. Solange die NS-Partei in der Opposition verblieb, mußte sie folglich weiteren Zulauf haben. Heinrich Brüning bringt es auf den Punkt:

„Die Nazis konnten das unsinnigste Zeug versprechen und eine Dummheit nach der anderen machen, ihre Anhängerschaft wuchs trotzdem von Woche zu Woche, auch bei den bürgerlichen Schichten, von denen man eine tiefere politische und wirtschaftliche Einsicht hätte erwarten können.“

Und jetzt kannste dir vielleicht vorstellen, warum die hierzulande Sprechbefugten so einen Schiß vor NPD und irgendwelchen Bürgerbewegungen haben, die natürlich auch gleich als ‚rechts‘ stigmatisiert werden.

Die Menschen waren von der Demokratie enttäuscht von der sie sowieso nie etwas gehalten hatten. Die einen wollten immer Sozialismus, die anderen immer einen Führer (ob nun Kaiser oder sonstiges war egal, hauptsache eine Person die das Sagen hatte). Die Finanzkrise zeigte, dass die junge Demokratie nichts zustande brachte (natürlich auch durch fehlende Unterstützung), daher suchten die Deutschen ihr Glück in den Versprechungen der Extremisten. Und Hitler hat sie ja anfangs auch nicht enttäuscht, oder? Mal Abgesehen von seinen Ideologien, aber die nahmen die Leute dafür in kauf, dass sie wieder ein gesundes, starkes Deutschland hatten, auf das sie stolz sein konnten.
mfg