Hallo fliegerbaer,
jetzt ist Zeit genug, detailliert zu antworten.
Ich trenne Religiösität von Religion. Religiösität steckt
meiner Meinung nach in jedem von uns (Sinn- und Diesseits- und
Jenseitsfragen,…), während die eigentliche Religion etwas
ist, das man in den meisten Fällen durch die Erziehung
vermittelt bekommt. Ich warte schon auf die Maßregelungen der
Gelehrten
Ich gebe Dir weitgehend recht, würde aber doch behaupten, dass es obendrein die Fraktion ohne Religösität gibt. Rechne mich dazu. Nicht, dass es keine entsprechenden Anwandlungen gibt / gab (in Notsituationen z.B.) aber an sich weiß ich, dass das nichts bringt, nehme also auch in solchen Situationen die Anwandlungen nicht ernst.
Evolutionsgeschichtlich lassen sich Bestattungen (als eine Art
der Religiösität/Spiritualität) seit etwa 100.000 Jahren beim
Homo Sapiens und beim Homo Neanderthalensis nachweisen (der
Homo Cro Magnon ist der anatomisch moderne Mensch, seine Zeit
endete aber vor ~12000 Jahren).
Später kommen Figuren- und
Höhlenkunst und dann schließlich Tempelstätten hinzu.
Dass könntest Du mir bei Gelegenheit genauer erklären. Ich bin bislang davon ausgegangen, dass die Anatomie Grundlage der Namensgebung für Gattungen, Arten und Rassen ist. Liege ich da falsch, da Du hier die Kultur ins Spiel bringst?
Wäre ja etwas schwierig, dieses Prinzip auch auf Neandertaler oder Homo Erectus anzuwenden, deren Kulturen uns ja weitgehend unbekannt ist.
Auch ob und wenn seit wann da Religiösität ins Spiel kam ist m.E. trotz Bestattungen nicht klar.
Nur weil man eine Leiche in der Erde vergräbt, muss man nicht religiös sein - was soll man sonst machen?
Essen geht nicht, den Tieren überlassen wäre möglich, kommt auch durchaus in religiösen Gemeinschaften vor, gefällt aber ev. nicht jedem oder es fehlt zeitweise an größeren Aasfressern.
Einfach vor sich hin stinken lassen ist keine gute Alternative, nicht, wenn man sich an dem Ort längere Zeit aufhalten will. Die Phase mit den Maden ist mehr als unangenehm. Von Maden stark besiedelte Leichen wirken fast wieder lebendig, kenne das von toten Katzen, Mäusen etc… Die Viecher wuseln so unter der Haut herum, dass auch äußerlich Bewegung zu sehen ist.
Ev. eine Erklärung für Geisterglauben??
Dass
sich religiöse Traditionen in vielerlei Form bis heute
gehalten haben, legt zumindest die Vermutung nahe, dass sie -
nach den Gesetzen der Evolutionstheorie - einen Vorteil
bringen.
So wird der Zusammenhalt gestärkt, und die Bereitschaft sich
für die Gemeinschaft einzusetzen ist bei religiösen Menschen
(statistisch gesehen) höher. Auch weisen im Vergleich mit
nicht Gläubigen, religiöse Menschen eine höhere Kinderzahl
auf.
Zu Punkt eins uneingeschränkte Zustimmung.
Was die Kinderzahl angeht: das ist heute so. Aber dies auf frühere Zeitalter zu übertragen finde ich gewagt.
Religion war früher oft die wesentliche Macht. Mächtige sind i.d.R. reicher und begeehrter, als Normale, zur Not können sie sich Sex schlicht erkaufen oder erzwingen.
Da die Mächtigen zudem überwiegend Männer waren, konnten sie, wie heute z.B. Stars, mächtige Politiker und Wirtschaftsgrößen die Finger nicht von den Frauen lassen (guck mal Berlusconi) und, ganz wichtig, es gab kaum Verhütungsmittel. Vieviele Kinder würde Berli ohne Verhütungsmöglichkeit wohl haben?
Mit zunehmendem Wohlstand, Bildung, Sicherheit sinkt die
Bereitschaft religiös zu Glauben. In Europa, Israel und USA
lässt sich beobachten, dass postreligiöse Bildungsschichten
mehr wissenschaftliche Argumente und Leistungen bringen, nur
die religiös aktiven aber ausreichend Kinder. Alles
statistisch gesehen wie gesagt.
Stimmt. Aber es gibt auch einige richtig Reiche, die denn doch hier eins und da zwei und dort noch drei eigene haben. Andere Adoptieren vie verrückt.
Aber wirtschaftliche Sicherheit scheint als Grund für weniger Kinder ein wesentlicher Punkt zu sein.
Solange es einer Gemeinschaft recht gut geht, macht evolutionär eine große Auswahl zur Selektion wenig Sinn - offenbar ist eine solche Gruppe gut an die Gegebenheiten angepasst und Kinder kosten schließlich Resourcen - und ohne Verhütungsmöglichkeiten hätten auch Gutsituierte heutzutage eher 3,5 als 1,8 Kinder pro Frau.
Wenn es einer Gemeinschaft schlecht geht, muss viel Variation in Form von vielen Kindern her, damit ein paar Angepasste dabei sind, die eine Überlebenschance haben (das ist jetzt nur eine Gedankenspiel meinerseits, nichts per Studien Belegtes).
Würde aber die Tatsache erklären, dass Kinderreichtum meist umgekehrt propotional zum finanziellen Reichtum ist. Außer bei den sehr Mächtigen, die zumindest teilweise das deutliche Bedürfniss haben, ihre Gene zu verbreiten (siehe auch Recht der ersten Nacht im Feudalsystem).
Und inzwischen auch bei den nur fast ganz Armen, wie den Näherinnen in Bangladesch, die schlicht fast immer arbeiten und schon Probleme genug haben, ein Kind zu erhähren. Und die wissen, dass die Chance nicht in der Anzahl der Kinder sondern in der Ausbildung liegt. Und die kostet.
Was ich darüber hinaus interessant finde die die Art auf die
unser Gehirn arbeitet: Unser Gehirn ist auf
Ursache->Wirkung-Denken ausgelegt. Unerklärliches mag unser
Gehirn nicht, unplanbare Abläufe machen uns Angst. Unser
Gehirn versucht dies durch Annahmen zu korrigieren, arbeitet
in diesem Fall dann auch „unscharf“. Das hilft bei der
Bewältigung des Alltages, aber es kann auch passieren, dass
nach und nach zuviele unscharfe Reize sich als Denkmuster
verfestigen.
Irrationale Denkmuster sind demzufolge als Versuch zu werten,
die eigentlich ungewisse Zukunft planbar/vorhersehbar zu
machen, Religion tut dies bis über den Tod hinaus.
Das mag so sein - ich vermute aus eigener Erfahrung eher, dass Religiösität weniger bei der Frage: warum gibt es Sterne als eher bei wann kommt der überlebenswichtige Regen / Sommer / Fischschwarm - oder in anderen hilflosen Situationen wie Krankheit von Nahestehenden oder einem selbst ins Spiel kommt. Also nicht, wenn man etwas nicht erklären kann, sondern eher, wenn man eine wirklich schlechte Situation nicht ändern / beeinflussen kann.
Aber das sind natürlich alles nur Spekulationen und Gedankenspiele.
Jedenfalls erfreulich, dass trotz all der Artikellöschungen (heute auch wieder eine) ein paar interessante, anregende Antworten in diesem Brett möglich waren.
Hat sich die viele Tipperei doch ein bißchen gelohnt.
Gruß, Paran