Hallo!
Dort wird kaltes Wasser in riesige Kochtöpfe gegeben mit der
Begründung, dass kaltes Wasser sich schneller erwärmen ließe
als warmes.
Achtung, hier werden wohl zwei unterschiedliche Fragen verstanden!
Frage 1) Das Wasser in welchem Topf wird schneller erwärmt?
Frage 2) Das Wasser in welchem Topf siedet eher?
Natürlich wird - gleiche Heizleistung vorausgesetzt - das wärmere Wasser eher sieden als das kalte. Das ist die Antwort auf die Frage 2.
Logisch ist das fast zu einfach, um es noch großartig erklären zu können. Sagen wir Du hast zwei Töpfe (A und B) mit Wasser, einen mit 30°C (A), den anderen mit 70°C (B) und willst beide zum Kochen bringen (100°C).
Topf B mit dem 70°C warmen Wasser braucht dazu eine bestimmte Zeit.
Wenn der andere Topf (A) erstmal die 70°C erreicht hat, dann unterscheidet ihn physikalisch nichts vom Topf B zu beginn des Versuchs. Ab dann braucht Topf A noch genausolange wie Topf B, nur dass Topf A vorher schon Zeit gebraucht hat, um von 30°C auf 70°C erwärmt zu werden.
Doch nun zu Frage 1:
Wasser hat, wie alle anderen Stoffe auch, eine Reihe physikalischer Eigenschaften, dazu gehört auch die sog. Wärmekapazität. Die sagt aus, wie viel Energie man benötigt, um eine bestimmte Menge des Stoffes um eine bestimmte Temperaturdifferenz zu erwärmen. Diese Eigenschaft ist nicht abhängig von der Temperatur. So braucht es zB. 4.18 Joule, um 1g Wasser von 30°C auf 31°C zu erwärmen und die gleiche Menge Energie braucht man auch, um 1g 90°C warmes Wasser auf 91°C zu erwärmen.
Nun kann man die nötige Energie nicht spontan und plötzlich zuführen. Der Vorgang braucht Zeit. Hier kommt die Heiz-Leistung ins Spiel: Je mehr Leistung, desto schneller wird der Energiebetrag ins Wasser „gepumpt“. Doch egal wie hoch die Leistung ist, es braucht immer eine endliche Zeit, das Wasser zu erwärmen. Und in dieser Zeit kann das Wasser einen Teil seiner Wärmeenergie an die Umgebung abgeben.
Diese Wärmeverluste sind jedoch abhängig von der Temperatur (bzw. der Temp.-Differenz von Wasser und Umgebung, außerdem von der phys. Eigenschaft der Wärmeleitfähigkeit der Töpfe und der Oberfläche - all das setzten wir aber für die gleichen Töpfe als gleich an, so dass Unterschiede zwischen den Töpfen nur durch die untersch. Temperaturen bedingt sind).
Berücksichtigt man nun die Wärmeverluste, so müssen diese durch die Energiezufuhr (Heizplatte) auch ausgeglichen werden. Ein Teil der Heizleistung versickert also alleine in der Erhaltung der Temperatur, und nur der Rest der Heizleistung bleibt übrig, um das Wasser weiter zu erwärmen.
Wie schon gesagt, ist der Wärmeverlust abh. von der Temp., d.h., das 91°C warme Wasser wird schneller auf 90°C abkühlen als das 31°C warme Wasser auf 30°C abkühlen wird. Andersherum geht beim Heizen des 30°C warmen Wassers weniger Heizleistung für die Temp.-Erhaltung drauf als beim 90°C warmen Wasser. Damit steht beim 30°C-Wasser mehr Heizleistung für die weitere Erwärmung zur Verfügung als beim 90°C-Wasser.
Wenn Wärmeverluste mit einbezogen werden, braucht es also weniger Zeit, um 30°C warmes Wasser auf 31°C zu erwärmen, als 90°C warmes Wasser auf 91°C zu erwärmen.
Um das klarzumachen, noch mal eine Grenzfall-Betrachtung: 1 Liter Wasser braucht 4.18 kJ für die Erwärmung um 1°C (richtiger: um 1 Kelvin). Mit einer Heizleistung von 500 Watt = 500 J/s braucht das 8.36s (Rechnung: 4180J / 500J/s = 8.36s). Wenn das Wasser nun schon so heiß ist, dass es - wenn es nicht aktiv warmgehalten wird - schon in 8.36s um ein Kelvin kälter würde, dann würde es unsere 500 Watt Heizplatte überhaupt nicht schaffen, das Wasser noch weiter zu erwärmen. Mit anderen Worten: es würde unendlich lange dauern, das Wasser weiter zu erwärmen.
Oder auch andersherum: Nehmen wir sehr kaltes Wasser, 1°C, in einer warmen Küche (30°C Raumtemperatur). Das kalte Wasser würde von der Umgebung schon gewärmt (d.h., es erwährt keinen Wärmeverlust, sondern einen Wärmegewinn). Wird dieses Wasser zusätzlich noch geheizt, geht es noch schneller bergauf mit der Temperatur.
Die Antwort auf die Frage 1 ist also: Das kältere Wasser erwärmt sich schneller als das wärmere.
Trotzdem: Der Topf mit dem kalten Wasser wird den Topf mit dem warmen Wasser niemals überholen! Der Topf mit dem warmen Wasser behält seinen Vorsprung.
Gedanklich kannst Du dir das vielleicht auch mit zwei Zügen klarmachen, die von Frankfurt (30°C) über Hannover (70°C) nach Hamburg (100°C) fahren. Die Zugstrecke ist so ausgebaut, dass Züge umso langsamer fahren müssen, je näher sie Hamburg kommen. So fährt der Zug in Frankfurt am schnellsten los. Zur selben Zeit startet der Zug in Hannover, aber langsamer. Die Züge behalten auf ihrem Weg ihre Geschwindigkeit nicht bei, sie werden beide langsamer. Wenn der Frankfurter Zug Hannover erreicht, ist er dort GENAUSO schnell wie der Hannoveraner Zug war, als er dort gestartet war. Nun ist aber der Hannoveraner Zug schon weiter, aktuell wiederum langsamer als der Frankfurter Zug, was im Prinzip das selbe ist wie das Anfangs-Szenario, nur schon etwas näher an Hamburg. Die Zeit, die der Frankfurter Zug von Frankfurt nach Hannover brauchte, wird er brauchen, um dorthin zu kommen, wo der Hannoveraner Zug jetzt ist. Ganz am Ende wird er auch genau diese Zeit länger brauchen, um in Hamburg anzukommen.
Am Schluss bleibt eigentlich nur diese Frage:
Warum geben die Köchinnen kaltes Wasser anstatt warmes Wasser
in den Kochtopf (wenn mit dem Kochen erst begonnen wird, wenn
das Wasser eine hohe Temperatur erreicht hat?)?
Weil sie die Frage 1 und 2 nicht auseinanderhalten können.
Es ist in der Bilanz übrigens energiesparender, warmes Wasser zum Kochen zu nehmen (wegen der besseren Energienutzung [Öl -> Wärme] der Zentralheizung anstatt Kohle/Öl -> Kraftwerk -> Strom -> Herd -> Wärme).
LG
Jochen
PS: War hoffentlich nicht zu lang 