Das Problem hast Du ja nicht nur beim Strom, sondern auch bei H2. Ich bin so frei, das Thema zuerst an dieser Stelle aufzudröseln.
Als Ausgangs-Hypothese gehe ich mal nur von Berlin aus. Des weiteren nehme ich an, dass die Leute nicht massiv auf den ÖPNV umsteigen und deshalb die derzeitigen Autos alle durch FCEV ersetzt werden.
In Berlin gibt es derzeit 1,2 Mio Pkw Quelle. Der durchschnittliche Pkw hat in D eine Laufleistung von 11 Tkm/a (für Berlin bzw. Großstädte im Allgemeinen fand ich keine Zahl) Quelle. Die Kapazität von FCEV wird mit 6-7 kg H2 angegeben, der Verbrauch mit etwa 1 kg H2/100km Quelle. Oder anders gesagt. Man kommt mit einem FCEV 700 km pro Tankung.
Ein durchschnittliches Berliner Auto müsste also 15,6 mal pro Jahr tanken. Alle Berliner Pkw müssten demnach 18,7 Tankungen pro Jahr durchführen, was 51,1 Tausend Tankungen pro Tag bedeutet.
Hier wird erwähnt, dass in Husum und Niebüll H2-Tankstellen aufgebaut wurden, die eine technische Kapazität von 120 Pkw-Tankungen pro Tag hat. Von solchen Tankstellen bräuchte man also in Berlin etwa 400. Leider konnte ich für diese Tankstellen keine konkreten Angaben zu den Kosten finden, im Netz schwanken die Angaben allgemein zwischen 1 und 2 Mio€.
Man hätte also allein für Berlin einen Bedarf von 400-800 Mio€, wollte man auf FCEV umrüsten. (Noch nicht mitgerechnet ist dabei wahrscheinlich die Gas-Leitungsstruktur durch die Stadt.)
Wenn man die selben Zahlen ansetzt, nur für BEV und man von den „langsamen“ 22 kW Doppelladesäulen ausgeht, ergibt sich folgendes Bild (ich gehe mal vom Tesla 3 aus, der in etwa die selbe Größe wie die bisherigen FCEV besitzt):
Reichweite mit vollem Akku: gut 400 km mit 60kWh-Akku. Quelle. Man müsste also 27,5 mal pro Jahr laden. Die Ladung an 22kW dauert theoretisch etwa 3 h (der Wagen unterstützt nur 11kW oder 150 kW am Supercharger). Also theoretisch 8 Ladungen pro Tag.
Alle Berliner Fahrzeuge benötigen also 33 Mio Ladungen pro Jahr bzw. 90,4 T Ladungen pro Tag. Man bräuchte theoretisch also 11,3 Tausend Ladepunkte bzw. 5.650 doppelte 22 kW-Ladestationen.
Die Kosten für so eine Station liegen bei 10-20 T€ Quelle. Man hätte also Kosten von 56 Mio € bis 112 Mio allein für Berlin.
Ich war so freundlich, bei beiden Tank-/Ladevarianten anzunehmen, dass diese 24 h/Tag optimal ausgenutzt werden. Ich gehe davon aus, wenn man die Bedienung beider Varianten auf 16 h/Tag beschränkt, steigt bei beiden der Bedarf linear.
Ich fasse nochmal die wichtigen Zahlen für die Kosten der Infrastruktur zusammen:
FCEV: 400-800 Mio€
BEV: 56-112 Mio€
Eine Umstellung auf H2 kostet also gut 7 mal so viel wie die Umstellung auf „Strom“.
Wichtig dürften auch die Kosten für den Anwender sein. Hier werden Kosten von 13,85 € pro kg H2 angegeben, was bei einem Verbrauch von 1kg/100km auch Kosten von 13,85€ entspricht. Hier werden verschiedene Preise für die kWh Strom an öffentlichen Säulen genannt, der Mittelwert liegt (bei grober Übersicht der Daten) bei 45 ct/kWh. Der oben genannte Tesla 3 nimmt 17 kWh/100 km. Das entspricht also 7,65 € pro 100 km.
Aber schauen wir uns die Kosten über die Laufzeit an. Gehen wir mal von 10 Jahren aus, was der durchschnittlichen Lebensdauer von Autos in Deutschland entspricht Quelle.
Der Toyota Mirai kostet derzeit 80.000 €. Die (durchschnittlichen) 110.000 km werden 15.235 € kosten. Der Tesla 3 kostet 55.000 € und die Laufleistung 8.415 €. Ich habe bei beiden mal alle Wartungskosten unterschlagen. Weil beide Fahrzeugarten in einigen, wichtigen Gesichtspunkten sehr ähnlich sind, denke ich mir, dass die Nebenkosten ebenfalls ähnlich sind. Wir haben in 10 Jahren beim Toyota also 95 T€ bezahlt, beim Tesla 64 T€.
Sowohl bei den Kosten für die Infrastruktur also auch beim Fahrzeug an sich kann eine komplette Umrüstung auf FCEV nicht mit BEV mithalten.
Ja, ich bin mir bewusst, dass ich mögliche, wahrscheinliche und sehr sichere Kostenentwicklungen der nächsten Jahre komplett unterschlagen habe.
Ich habe bei der H2-Variante das Verlegen von geeigneten Gasleitungen durch die Stadt unterschlagen, aber dafür auch den eventuellen Ausbau des Stromnetzes.
Ja, ich bin zu faul, das ganze nochmal für Schnellladestationen durchzurechnen.
Ja, ich habe auch die Varianten unterschlagen, bei denen Besitzern von Eigenheimen oder Mietern von Garagen ihr BEV an 230 V laden. Eine solche Ladung über Nacht soll für etwa 100 km reichen. Wenn man mal annimmt, dass der durchschnittliche 11 Tkm-Fahrer nur an den 220 Arbeitstagen im Jahr das Auto benutzt, sind das nur 50 km am Tag. Mit anderen Worten: jede Nacht geladen, hat man genug Energie für die tägliche Fahrt zur Arbeit und noch Reserve zum einkaufen. Diese Leute werden ihr Auto also nicht 27,5 mal pro Jahr an öffentlichen Säulen laden müssen. Für diese Leute braucht man keine Ladestationen. Die Bilanz verbessert sich nochmals zu Gunsten des BEV.
Und wenn wir dann noch annehmen, dass diese Leute ihr BEV auf Arbeit laden, kann es zu Hause an der Steckdose als Stromspeicher fungieren. Wenn man die Technik entsprechend gestaltet.
Und ja, ich habe den möglichen technischen Fortschritt komplett außen vor gelassen. Denn was der für beide Technologien bereit halten möge, lässt sich aus meiner Sicht nur schlecht vorher sagen.
Ich bin mir auch bewusst, dass es Menschen mit anderen Lebensumständen gibt: auf dem Land, Vertreter, Handwerker usw.
Aber wie ich schon weiter oben einmal schrieb: ich behaupte nicht, dass BEV der Weisheit letzter Schluss sind. Schon gar nicht verwende ich das Wort „alternativlos“. Ich sehe nur derzeit in der H2-Brennstoffzelle keine Alternative beim Einsatz in privaten Pkw. Bei Bussen im ÖPNV oder Lkw mag die Sache völlig anders aussehen.
Einen Vorteil hat eine H2-Basis bei den Netzen. Der Wasserstoff kann nach der Herstellung gespeichert werden und der Stromverbrauch ist zu großen Teilen nicht direkt von der Tankung abhängig. Für einen flächendeckenden Ausbau auf BEV müssen die Netze vorbereitet werden. Auch das Laden funktioniert dann nicht mehr beliebig zu jedem Zeitpunkt mit maximaler Leistung. Vielleicht werden die Autos selbst ein „intelligentes Netzwerk“ bilden. Die Menschen werden vorherbestimmen, wann sie das Auto benutzen wollen und die Technik entscheidet, ob sie das Auto langsam lädt, wenn der Strom preiswert ist oder ob schnell und teuer, weil man sich eben entschieden hat, von Berlin nach Hamburg zu fahren.
Vielleicht wird sich in der Zukunft eine zweigeteilte Entwicklung ergeben: die Menschen in urbanen Gebieten mit durchschnittlichen Fahrleistungen werden auf BEV wählen. Während vielleicht Bewohner ländlicher Gebiete Vorteile bei FCEV mit örtlicher, dezentraler Stromerzeugung und H2-Herstellung sehen werden.
Da mir die Einstiegskosten für den BEV-Ausbau geringer erscheinen, denke ich, dass die Politik und große Teile der Wirtschaft diesen Weg weiter bevorzugen werden. Die Probleme werden wir dann lösen, wenn sie akut werden - so wie wir es fast immer tun. Die Kosten dafür werden uns egal sein - auch wie fast immer.