Moin!
Es ist toll, finde ich, dass eine solche Frage nicht am Ende des Studiums auftaucht. Bevor ich mir erlaube, ein Rat zu geben, würde ich zu gern die Betonungen ein wenig verschieben. Ich halte nämlich folgende drei Gedankenmeilensteine für die aktuelle Entscheidung sehr wichtig:
AKZENTE bei der ENTSCHEIDUNG
- Die Hauptfrage, meiner Meinung nach ist immer dem Ziel zu widmen: in welcher Richtung möchte man nach dem Studium arbeiten? Was will man eigentlich nach dem Studium machen, in welchem Fachgebiet in Beruf einsteigen?
Medizintechnik umfasst eine ganze Welt: von der Laseroptik mit ihren speziellen Aufgaben, wie OCT, Chirurgie und verschieden bildgebenden Verfahren, über die Grätentwicklung bis zur Softwareentwicklung. An einer FH oder Uni werden fast nie spezielle Themen isoliert und gezielt, so zu sagen, unterrichtet: das Studium versucht alle greifbaren Fachfelder zu decken, sei es die Elektrotechnik, Strahlenschutz, Biophysik, Biomechanik, Biochemie oder Medizinproduktenrecht mit dem QM. Daher muss man sich dafür vorbereiten, dass der Student nur oberflächliches Wissen nach dem Studium behält, wenn er sich NUR mit obligatorischen Fächern beschränkt.
Hat man jedoch entschieden, in welchem Fachgebiet die ersten Berufsjahre genossen werden, ist es ratsam entweder an dem entsprechenden Fachbereich zu studieren (Z. Bsp. Maschinenbau, wenn man sich für die Konstruktion der Medizinprodukte interessiert, oder Kernphysik (Festkörperphysik), wenn man in der Entwicklung der Röntgentechnologie arbeiten will, oder Informatik, wenn man ein die Software für die Medizinprodukte gestalten würde, oder Elektrotechnik, wenn er als Entwickler in diesem Bereich arbeiten wird) und möglichst viele fakultative Fächer aus dem Fachbereich Medizintechnik zu nehmen, oder umgekehrt: man studiert ordentlich alles, was die Rahmen des Studiums am FB Medizintechnik vorsehen, und absolviert möglichst viel Fächer aus dem Gebiet, das Wissen in dem im Beruf gefragt wird (z. Bsp. aus dem FB Elektrotechnik oder Maschinenbau).
Der Vorteil liegt zuerst darin, dass man nach dem Studium viel besser vorbereitet ist, als andere Absolventen. Das erkennt man jedenfalls im Lebenslauf und selbstverständlich im Vorstellungsgespräch. Andererseits werden die Stellen viel gerner an die Fachleute mit allgemeinen Kenntnissen in der Medizintechnik (oder oft gar ohne solche) aber mit tiefem Fachwissen in einzelnem Gebiet vergeben, als an die Absolventen mit der Allgemeinbildung mit geringem und verstreutem Fachwissen.
FAZIT: Entscheiden, in welchem Fachbereich man nach dem Studium arbeiten will und dementsprechend die Fachbereiche und einzelne die Fächer auswählen.
- Nie, auf keinem Fall und gar nicht auf die Statistiken auf dem Arbeitsmarkt achten.
2.1 Die Wahrscheinlichkeit, eine gute Stelle zu bekommen, als werter Mitarbeiter geschätzt zu werden und einfach eine Arbeit gut zu leisten ist immer viel höher, wenn man in dem Fachgebiet arbeit WILL, wo man sich bewirbt, und wenn man sich mit dieser Stelle entsprechenden Aufgaben befassen MÖCHTE im Gegensatz zu Ingenieure, die eine Arbeit, sprich Einkommensquelle suchen. Das wird sehr wohl bei der Bewerbung und vor Allem in dem Vorstellungsgespräch erkannt und wahrgenommen. Sieht man, dass der Bewerber motiviert ist und der Inhalt seiner Motivation nicht in Finanzen oder bloßer Beschäftigung liegt, sondern bewusst in der Tätigkeit, die man gut kennt und die man sehr gern ausüben würde, wird er viel gerner empfangen als einer mit der Note 1, Ausländerpraxissemester und in einzelnen Fällen sogar mit der Berufserfahrung.
Die Motivation des Bewerbers wird von den Mitarbeitern der Personalleitung viel mehr geschätzt als andere Eigenschaften der Konkurrenten, denn ein Motivierter kann sich entwickeln, lernen, Erfahrungen sammeln, während einer, der neue Arbeit sucht – bloß die Aufgaben erfüllen.
2.2 Man muss machen das, was einem Spaß macht, was er mag, denn man kann gut machen eben nur das, was ihm gefällt, was ihn interessiert und Freude bringt. Andernfalls wird er irgendwann eine schlechte Arbeit leisten, was von dem Arbeitgeber bald erkannt wird.
Wenn ein Absolvent anfängt, eine Arbeit als Konstrukteur zu suchen, nur weil in diesem Jahr die Ingenieure den Statistiken nach sehr gefragt sind, und die Arbeit mit Solid Works ist ihm absolut langweilig, kann er zwar eventuell bald eine Stelle finden. Aber er wird jahrelang sich gequellt füllen, unmotiviert und ohne eigene Initiative eine Aufgabe nach der anderen Lösen und eines Tages landet neben ihm ein junger motivierte Absolvent, der sich in wenigen Tagen leidenschaftlich in das neue Arbeitfeld einarbeitet und nach wenigen Monaten schneller und mit wenigen Fehlern dieselben Projekte durchzieht. Die Geschichten aus der Betriebsküche sind überfüllt von Berichten darüber, wie die jungen Menschen den alten Schnecken die Arbeitsplätze ersetzen.
2.3 Die Statistiken haben nicht überall im Leben ihre Macht. Ich kenne persönlich Menschen mit Ausländerpraktikum in namenhaften Firmen und beste Note im Diplom, die erst nach zwei Jahren eine Arbeit in einer Branche gefunden haben, wo den Statistiken nach die Ingenieure damals sehr gefragt waren. Anderenfalls kenne ich auch Menschen mit unterdurchschnittlicher Note, die mehr als sieben Jahre studierten und noch mehr als ein Jahr nach dem Studium nichts gemacht haben, aber dann in einem Monat eine Stelle in einem Fachgebiet gefunden haben, wo der Arbeitsmarkt recht unattraktiv aussah. Egal, wie theoretisch und esoterisch es klingt, jeder Mensch hat eigene „Schicksalsrichtung“, die ihn unabhängig von dem Arbeitsmarkt und Statistiken durch das Leben führt, wobei erfahrungsgemäß erfolgreicher und schneller ist jener, der weiß, was er ihm Leben will.
FAZIT: Nicht auf den Arbeitsmarkt und Statistiken achten, sondern entscheiden, wo man arbeiten will (bzw. in welchem Gebiet der Medizintechnik) und festlegen, welche eindeutigen Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um eine Arbeit zu bekommen. Das sind vor Allem die Kenntnisse, die Themen in Praxissemester und Abschlussarbeit und die Abschlussnote(n).
- Bevor eine Fachrichtung gewählt wird, es enorm wichtig, diese kennen zu lernen. Es kommt immer wieder vor, dass die Stundenten erst in der Diplomarbeit erkennen, dass die Tätigkeit, die sie sich gewünscht haben, nicht ihrer Vorstellung entspricht. Man studiert z. Bsp. das QM für die Medizintechnik mit der Vorstellung, dass man die Unternehmenspolitik der ganzen Firmen regeln und Verbesserungen durch eine zielorientierter Führung durchziehen wird und erkennt erst an dem Arbeitsplatz, dass außer der ewigen Büroarbeit nur 10% Zeit der Arbeit mit den Mitarbeitern gewidmet wird. Oder stellt man sich als Optiker vor, dass er neuartige Laser entwickeln wird, mit Prismen und Linsen neue Geräte gestaltet. Aber in der Realität rennt er jahrelang zwischen dem dunklen Keller mit dem optischen Tisch und dem Rechner mit ewigen Berechnungen.
FAZIT: Bevor man entscheidet, wo und als wer man arbeiten möchte, ist es sehr ratsam, die Vorstellung über den Berufsalltag in diesem Fachgebiet zu gewinnen. Egal was es kostet, es wird immer günstiger als bittere Enttäuschungen.
DIE ENTSCHEIDUNG
Nun, nachdem man entschieden hat, ob man im Bereich (1) Prothesen, (2) Implantate, (3) Tissue Engineering, (4) Bio-/ Neurosensoren & -chips ODER (5) Diagnose- ODER (6) Behandlungsgeräte als Entwickler arbeiten will, ist es meiner Meinung nach einfach zwischen zwei Szenarien zu wählen: Studium an dem FB Medizintechnik und fakultative Fächer aus dem Gebiet, auf dem man beruflich tätig sein wird, oder an einem FB zu studieren, die vermittelten Kenntnisse von dem später im Beruf gefragt werden, und möglichst viele Fächer aus dem FB Medizintechnik nehmen.
Der Vorteil des ersten Wegs liegt sicherlich darin, dass man im Studium sehr viel Wissen aus allen wichtigen Richtungen der Medizintechnik bekommt. Nach diesem Studium kann man überall arbeiten (s. Punkte (1) bis (6) oben). Wenn man überhaupt nicht entscheiden kann, welchen Weg man gehen möchte und interessiert sich gleich für alles, dann ist FB Medizintechnik – die einzige Lösung und je schneller, desto besser.
Der zweite Vorteil liegt darin, dass viele Studenten auch nur mit obligatorischen Fächern gute Arbeit finden. Das absolvieren der Veranstaltungen aus anderen Fachbereichen ist zwar immer vorteilhaft, ist aber keine gnadelose Voraussetzung.
Der Nachteil liegt selbst verständlich in der Oberflächlichkeit, relativ schlechter Berufsvorbereitung und Notwendigkeit, sich länger in der neuen Firma einzuarbeiten.
Der Vorteil des zweiten Wegs ist erkennbar. Man bekommt mit viel höherer Wahrscheinlichkeit eine interessante Stelle dort, wo Mitarbeiter mit tiefen Fachkenntnissen gefragt sind, wo man keine Lust hat, die Zeit in die Absolventen zu investieren, wo die Einarbeitungsphase sehr gering ist, überall dort, wo nicht die Alleskönner gesucht werden, sondern Spezialisten, die selbständig Lösungen finden, im Arbeitsgebiet, wo sie sich bereits gut auskennen.
Der Nachteil ist auch erkennbar. Man ist in seiner Arbeitssuche sehr beschränkt und kann nicht mehr in die Suche der Stelle in der Entwicklung der Prothesen in die Suche der Arbeit mit Neurosensoren überspringen.
Der zweite Nachteil liegt darin, dass ein Student in diesem Fall viele Vorlesungen aus dem FB Medizintechnik besuchen müsste.
VORSPRUNG
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Man müsste die Messen wie http://www.konaktiva.de/ und http://www.konaktiva.de/ besuchen, um sich über die Fachgebiete der Medizintechnik besser informieren zu lassen. In Konaktiva gibt es die Möglichkeit, mit Mitarbeitern verschiedener Firmen zu sprechen, die erst vor Kurzem mit dem Studium aufgehört haben und sehr viel über die ersten Berufsjahre berichten können und sehr, sehr gute Hilfe bei der Wahl der Fächer anbieten können, die Kenntnisse von denen die im Beruf tatsächlich gefragt sind.
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Obwohl die Studenten gewöhnlicherweise erst kurz vor dem Praxissemester und Abschlussarbeit die Stellen suchen, ist es sehr ratsam, schon vor zwei Semestern mit der Suche anzufangen, denn in der Personalleitung wird sehr viel Wert dem Thema der Abschlussarbeit und Praxissemester gegeben. Das Thema ist in der Tat sehr wichtig und es ist möglichst so auszuwählen, dass die Aufgaben, mit denen man sich in der neuen Firma nach dem Studium befassen wird, am besten viele gemeinsame Punkte mit dem Thema der Abschlussarbeit und Praxissemester hat.
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Es ist ratsam, während des Studiums möglichst viele Zusatzleistungen zu sammeln, die nicht nur bei der Einstellung geschätzt werden, sondern auch im Beruf weiterhelfen. Für die Optiker ist es das Erwerben des Laserschutzscheins, für die Konstrukteure – die Erfahrung (keine Kenntnisse, sondern eben eine zumindest kurze Erfahrung) in einzelnen CAD-Programmen, für einen Elektrotechniker, der später die Medizingeräte entwickelt, - die Seminare in Bereich Hardwareentwicklung, Teilnahme an Stundentenprojekten, Erlernen, wie man mit unterschiedlichen Prozessoren arbeitet, für einen Fachmann in QM oder Risikoanalyse – die Studentenarbeiten, Teilnehme an einem Produktaudit, verschieden Seminare im Bereich Management und Projektleitung, für einen künftigen Ingenieur, der sich später mit bildgebenden Verfahren befassen wird, - Erwerben von dem Strahlenschutzschein usw…
FAZIT: Das wichtigste ist bei solcher Entscheidung, ein klares, festes Ziel zu definieren, das sehr konkret formuliert wird.
Was will ich machen?
Wo will ich arbeiten?
Welche Wege führen mich zu diesem Ziel?
Welche Wege führen mich weg von diesem Ziel?
Mit welcher Rüstung muss ich zu diesem Ziel kommen?
Wer hilft mir auf dem Weg zu diesem Ziel und wer stört mich dabei?
Was weiß ich über dieses Ziel?
Ich hoffe, dass ich trotz langem Text eine gute Information geben konnte, die zumindest ein wenig weiterhelfen kann, denn die Entscheidung, die vorgenommen wurde, ist sehr wichtig und kann das Leben entweder destruktiv oder konstruktiv verändern.