Aufgeben kannst du immer noch
Hallo,
wenn du dir deine eigenen Aussagen mal anschaust, findest du vermutlich selbst die Antwort auf deine Probleme
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Ich war bisher minimal 2 Wochen von meiner Familie getrennt. Trotzdem hätte ich irgendwie nicht erwartet, dass ich Heimweh bekomme, bzw. keine Lust mehr auf das ganze habe. Manchmal denke ich mir schon, warum ich das alles hier mache.
Es ist nicht allein die Tatsache, dass du nun schon deutlich länger und weiter von deinen Lieben weg bist, als jemals zuvor in deinem Leben. Du fühlst dich im Augenblick krank und schwach und vermisst aus diesem Grund die familiäre Geborgenheit und Sicherheit doppelt so stark. Und auch, wenn es dich vielleicht nicht tröstet: Das ist völlig normal.
Aber es stimmt auch, dass ich mir mega den Druck mache, sei es so schnell wie möglich die Sprache zu lernen oder auch meine Gastfamilie nicht zu enttäuschen
Das könnte ein grundsätzliches und tiefer liegendes Problem sein. Du hast anscheinend hohe Ansprüche an dich selbst und gestehst dir nicht zu, nicht perfekt zu funktionieren. Du nimmst dir vor, schnell die Sprache zu beherrschen, an Gewicht zuzunehmen und das Ganze unter dem Zwang: „Ich muss mich verdammt noch mal wohl fühlen!“
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Hinter all dem stehen Ängste, die sich auf die Verantwortlichkeit gegenüber anderen Menschen beziehen:
…habe ein sehr enges Verhältnis zu meiner Familie vor allem zu meiner Mutter, ich habe auch das Gefühl sie alleine zurückgelassen zu haben
Du kannst nicht alle Menschen gleichzeitig glücklich machen: Deine Mutter aus ihrer (von dir vermuteten!) Einsamkeit retten, deine Gastfamilie durch Sprachfähigkeiten und Unternehmungslust beeindrucken und selbst eine so gravierende Veränderung in deinem Leben ohne Wimpernzucken wegstecken
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Allerdings hat niemand von ihnen mit den gleichen Problemen zu kämpfen - das gibt mir das Gefühl, dass ich hierfür einfach nciht gemacht bin.
Menschen sind verschieden. Und: Ich habe viele Leute erlebt, bei denen der Einbruch erst nach einigen Wochen oder Monaten kam. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die, die am Anfang gelitten haben, längst mit sich und ihrem Leben im Reinen waren.
Wenn ich mit anderen unterwegs bin, dann bin ich auch eigentlich glücklich nur wenn ich in meinem Zimmer bin dann ist es schon nicht so toll und ich fühle so - iwie als hätte ich damit eben einen Fehler begangen
Auch das ist ganz typisch für Heimweh. Alleine im stillen (fremden, nicht so schönen…) Kämmerlein, wird einem plötzlich bewusst, dass man nicht mehr zuhause ist und man stellt die eigene Entscheidung in Frage.
ich finde Chile irgendwie gerade garnicht toll, dabei habe ich es mir so toll vorgestellt.
Traum und Realität sind zwei verschiedene Dinge. Was du gerade erlebst ist, die beiden miteinander abzugleichen. Das geht logischerweise erst mal zu Lasten des Traums. Es ist ein bisschen wie wenn man einen Film sieht, nachdem man das Buch gelesen hat. Meist findet man zumindest den Film doof, manchmal auch die ganze Geschichte - obwohl bzw. gerade weil das Buch so toll war.
Ich kann dir versichern, dass du Chile in dem Augenblick anfangen wirst zu lieben, in dem du zulassen kannst, den Menschen dort nahe zu kommen. Nicht nur oberflächlich freundlich, sondern persönlich nah. Das scheint dir jetzt vielleicht unmöglich, wird sich aber ändern, wenn du bleibst.
Im Augenblick fragst du dich vermutlich, warum zum Teufel du deine geliebte Mom verlassen hast, um bei fremden Leuten zu leben, die du nicht nur sprachlich nicht wirklich verstehst
. Nach nur vier Wochen ein vergleichbares Gefühl von Nähe und Vertrautheit entwickelt zu haben, ist aber schlicht und ergreifend nicht möglich. Deshalb: Gib euch Zeit. Deine Mom geht dir doch nicht verloren und du nimmst ihr auch nichts weg, wenn du deiner Gastfamilie ein bisschen was von deinem Herzen öffnest.
Alle meine Kinder waren längere Zeit im Ausland. Am besten hat es die Älteste weggesteckt. Sie hatte nach 4 Monaten mal zwei Wochen Krise und das war’s dann auch. Obwohl sie mal ziemlich krank wurde und viel Leid gesehen hat. Meine Jüngste musste ich zum Bleiben zwingen. Sie hasste mich spontan ein paar Wochen dafür:smile:. Irgendwann wurde es besser. Und als sie zurück kam, war sie in jeder Beziehung unglaublich gewachsen und sehr stolz und glücklich über die hinter ihr liegende Zeit samt aller Herausforderungen.
Du machst das schon 
Schöne Grüße,
Jule