Welche Bestattung entspricht christl. Menschenbild

Hallo Tobias,

Damit wirfst Du die Antrhopologie aus dem Fenster, was für die
christliche Weltsicht doch überaus schwer zu verkraften wäre.

mag sein :smile: vielleicht bin ich ja ein neuer Galilei

Indem Du die Anthropologie als ungültig erklärst? Hmmm…

Wenn nur der Intellekt unsterblich ist, was ist mit denen die
Alzheimer haben oder dumm geboren wurden (oder wurden *gg*)
etc.?

Deine beiden Beispiele Deines Einwands entsprechen sich nicht. Bei einem Alzheimer muss man von einem ‚voll entwickelten‘ Gehirn ausgehen, dass degenrativ Erinnerungen, Erfahrungen und somit Teile seiner Selbst verliert. Je nach der Definition von personaler Identität, die man annehmen möchte, geht dabei die persönliche Individualität verloren.
Ein solcher Fall lässt sich also kaum auf dieselbe Ebene, wie ein von Anfang an minderer IQ oder limitierter EQ o.Ä. (was Du als ‚dumm geboren‘ umschreibst) setzen.

Bitte informiere Dich über die Unterschiede zwischen intellekt und Intelligenz, denn Deine Antwort geht komplett an meinem Einwand vorbei.

Herzliche Grüsse
Y.-

Moin Ralf,

Genau so
suggeriert „Bewusstsein“ einen Geisteszustand, auf den wir
tatsächlich bewusst „zugreifen“ können. Auch das ist ja nicht
der Fall. Nenn mir ein besseres Wort :smile:

Richtig - natürlich umfasst der Vijnana-skandha nicht nur des
Bewusste, sondern auch Un- und Vorbewusstes.

Ich hatte doch weiter oben bereits geschrieben, dass es nicht um den Teil des Bewussten geht, der üblicherweise den Skandhas zugeordnet wird. Ich hab jetzt mal etwas in den Sanskrit-Bezeichnungen gekramt und es geht um das hier: „patisandhi“

http://www.palikanon.de/wtb/patisandhi.html

Auch hier wird durchaus der Begriff „Bewusstsein“ verwendet, und wir befinden uns hier mitten im Abidhamma. Das meine ich mit der Anmerkung, dass Berzin mit seinen Bezeichnungen und Vergleichen eher am Abidhamma ist, als ich mit meinen Billardkugeln.

Bhavanga-citta oder Bhavango-sota, was du am Ende deines Postings erwähnst, ist hier explizit nicht gemeint.

Siehe auch diese Aufstellung:
http://www.palikanon.de/visuddhi/vis14_02.html#bhavanga

Müssen sie ja auch nicht. Man könnte sagen, diese Texte sind
Versuche in einer bestimmten Philosophischen Schule die Fragen
zu beantworten, die aus dem Text im Samyutta Nikaya entstehen,
also meinetwegen nenne es „Geist-Kontinuum“ wenn dir mit dem
Begriff „Geist“ wohler ist, als mit dem Begriff „Bewusstsein“.

Den Begriff ‚geistiges Kontinuum‘ benutzt Berzin … :wink:

Und welchen Begriff nutzt du?

Geht es doch. Diese Wirkungskraft (ich hab es „gestaltende
Faktoren“ genann) ist in der Tat unpersönlich, weil zu einer
Person eben noch mehr dazu gehört, nämmlich
die Skandhas. Aber es ist dennoch
individuell.

Eben da ist, glaube ich, unser Dissenz. Die ‚gestaltenden
Faktoren‘, also die karmisch wirksamen samskara, sind gesetzte
Ursachen und Bedingungen, die unter entsprechenden
Voraussetzungen (weiteren Bedingungen) ihnen entsprechende
Früchte erzeugen. Sie sind das willentliche Wirken eines
‚Individuums‘

Einverstanden

(einer ephemeren Konstellation von skandhas) und

sie sind ein Teil der Ursachen und
Bedingungen (hetupratyaya), die andere ‚Individuen‘ bedingen.
Ich sehe da keine karmische 1:1 Beziehung zwischen
aufeinanderfolgenden ‚Individuen‘ (was nun wiederum, wie ich
einräume, keine theravadische Auffassung ist).

Grundsätzlich auch einverstanden. von einer karmischen 1:1 Beziehung zwischen aufeinander folgenden Individuen war auch nicht die Rede, bzw. dies wurde bereits verneint. Ebenfalls wurde aber verneint, dass es keinerlei Beziehung zwischen aufeinsnder folgenden Individuen gibt.

Die Menschen kommen aber nunmal nicht mit „Null Karma“ auf die
Welt. Auch Säuglingen oder Kleinkinder müssen teilweise
furchtbar leiden und ich kann mir beim besten Willen nicht
vorstellen, wie man nach dem was du schreibst, dieses Leiden
erklären will.

Es ist bedingt. Die Säuglinge oder Kleinkinder (als
‚Individuen‘) haben mit diesen Bedingungen allerdings
lediglich insofern etwas zu tun, als sie deren Produkt sind.

Moooment, das würde ja bedeuten, dass es zweierlei Leiden gibt. Zum einen das Leiden, für das man selbst karmische Ursachen gelegt hat, zum anderen das Leiden als Produkt der Handlungen anderer. Dies widerspricht aber nun ganz klar der zweiten Edlen Wahrheit, die ja die Ursachen für Leiden genau spezifiziert. Wenn man sich diese Ursachen genau anschaut, dann wird deutlich, dass hier eigentlich nur „tanha“ als Ursache in Frage kommt, die Gier oder der Durst nach Leben. Dies Gier muss aber nun vor der eigentlichen Geburt des Säuglings stattgefunden haben. Wo wir dann also bei der Frage wären, wessen Gier nach Leben ist es, die dazu führt, dass ein weiters Leben im Daseinskreislauf entsteht?

Gruß
Marion

Moin Marion,

Richtig - natürlich umfasst der Vijnana-skandha nicht nur des
Bewusste, sondern auch Un- und Vorbewusstes.

Ich hatte doch weiter oben bereits geschrieben, dass es nicht
um den Teil des Bewussten geht, der üblicherweise den Skandhas
zugeordnet wird.

Und eben eine solche Möglichkeit wird im Theravada bestritten. Ich hatte die Stelle schon zitiert:

Wenn nun, ihr Mönche, einer sagt: ‚Außerhalb von Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen will ich des Bewußtseins Kommen oder Gehen, Schwinden oder Entstehen, Wachstum, Entwicklung, Fülle verkünden‘ - so besteht keine Möglichkeit dafür.
(S.22.53.)

Ich hab jetzt mal etwas in den
Sanskrit-Bezeichnungen gekramt und es geht um das hier:
„patisandhi“

‚Patisandhi‘ ist der zeitlich erste Bewustseinsmoment des vijnana-skandha, so wie ‚cuticitta‘ sein letzter ist. Die Kontinuität zwischen ihnen stellt der ‚Werdensstrom‘ bhavanga-citta her - die subtile Bewusstseinsschicht, auf die der vijnana-skandha in Zeiten tiefen Schlafes oder der Bewusstlosigkeit’ reduziert ist. Patisandhi, bhavanga-sota, cuti-citta - das sind alles Formen des vijnana-skandha, nichts außerhalb davon Existierendes.

Auch hier wird durchaus der Begriff „Bewusstsein“ verwendet,
und wir befinden uns hier mitten im Abidhamma. Das meine ich
mit der Anmerkung, dass Berzin mit seinen Bezeichnungen und
Vergleichen eher am Abidhamma ist, als ich mit meinen
Billardkugeln.

Das sehe ich anders - Berzin ist mit seinem überzeitlichen geistigen Kontinuum im Gegenteil sehr weit vom theravadischen Abhidhamma entfernt. Dein Billardkugelmodell veranschaulicht hingegen recht treffend die Beziehung zwischen dem Sterbebewusstsein (cuti-citta, 1. Billardkugel) einer Existenz und dem ‚Verknüpfungsbewusstsein‘ (patisandhi-citta, 2. Billardkugel) einer anderen, darauf folgenden.

Bhavanga-citta oder Bhavango-sota, was du am Ende deines
Postings erwähnst, ist hier explizit nicht
gemeint.

Schon klar - eben darauf hatte ich Wert gelegt, dass das Bewusstseinskontinuum des Abhidhamma (bhavanga-citta oder bhavanga-sota) zwar ein individuelles Kontinuum ist, aber anders als das von Berzin geschilderte zeitlich begrenzt. An eine ephemere und unwiederholbare Kombination von skandhas gebunden.

Den Begriff ‚geistiges Kontinuum‘ benutzt Berzin … :wink:

Und welchen Begriff nutzt du?

Wie schon erwähnt habe ich in ähnlichen Diskussionen von ‚Tibetern‘ auch die Begriffe ‚Bewusstseinskontinuum‘ oder ‚Bewusstseinsstrom‘ gehört, mit denen offenbar dasselbe gemeint war. Ich persönlich kann mich mit diesem Konzept nicht anfreunden, es schmeckt mir zu sehr nach ‚atman‘.

Für mich sind geistige Kontinua entweder individuell und als tiefste Schicht des vijnana-skandha zeitlich begrenzt oder aber es handelt sich um den ‚alaya‘, den ‚Speicher‘ - wobei dieser alaya nicht mehr als das Medium der samskara ist. Nichts Individuelles. Das nun wiederum (ich schreibe dies für die Mitlesenden) ist das Modell der Yogacara-Schule; es wird von den Theravadin als ‚atman-verdächtig‘ abgelehnt.

Wobei ich diese Modelle durchaus im wissenschaftlichen Sinn verstehe - als reines Erklärungsmodell für eine begrenzten Menge von Phänomenen. Grundsätzlich sehe ich mich eher als Madhyamika :wink:

Grundsätzlich auch einverstanden. von einer karmischen 1:1
Beziehung zwischen aufeinander folgenden Individuen war auch
nicht die Rede, bzw. dies wurde bereits verneint. Ebenfalls
wurde aber verneint, dass es keinerlei
Beziehung zwischen aufeinsnder folgenden Individuen gibt.

Richtig - diese karmische Beziehung besteht in von Individuum A erzeugten samskara, die einen Teil der Ursachen und Bedingungen darstellen, aus denen heraus Individuum B existiert. Simpel gesagt: unser Tun hat Folgen - nicht nur für uns, auch für andere bis weit in die Zukunft hinein.

Moooment, das würde ja bedeuten, dass es zweierlei Leiden
gibt. Zum einen das Leiden, für das man selbst karmische
Ursachen gelegt hat, zum anderen das Leiden als Produkt der
Handlungen anderer.

Der Knoten liegt hier im Dualismus „selbst“ und „anderer“ (anderer „Selbste“). Im Postulieren von Tätern zu Taten, von Leidenden zu Leiden. Im Voraussetzen eines atman. Auch hier möchte ich nochmals ein Zitat wiederholen:

Das Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da. Die Taten gibt es, doch kein Täter findet sich. Erlösung gibt es, doch nicht den erlösten Mann. Den Pfad gibt es, doch keinen Wanderer sieht man da.
(Visuddhimagga XVI.4)

Dies widerspricht aber nun ganz klar der
zweiten Edlen Wahrheit, die ja die Ursachen für Leiden genau
spezifiziert.

Nun - die zweite Wahrheit besagt, dass Leiden aus Verblendung, Gier und Hass (Unwissen, Lust und Unlust) entstehen, da eben diese Antriebe zum ‚Ergreifen‘ (upadana) mittels der skandhas führt.

Dies Gier muss aber nun
vor der eigentlichen Geburt des Säuglings
stattgefunden haben. Wo wir dann also bei der Frage wären,
wessen Gier nach Leben ist es, die dazu führt, dass ein
weiters Leben im Daseinskreislauf entsteht?

Auch hier liegt der Knoten bei „wessen“. Das ist die Frage nach einem atman. Auf diese Frage kann ich Dir keine Antwort geben.

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin Ralf,

‚Patisandhi‘ ist der zeitlich erste Bewustseinsmoment des
vijnana-skandha, so wie ‚cuticitta‘ sein letzter ist. Die
Kontinuität zwischen ihnen stellt der ‚Werdensstrom‘
bhavanga-citta her - die subtile Bewusstseinsschicht, auf die
der vijnana-skandha in Zeiten tiefen Schlafes oder der
Bewusstlosigkeit’ reduziert ist. Patisandhi, bhavanga-sota,
cuti-citta - das sind alles Formen des vijnana-skandha, nichts
außerhalb davon Existierendes.

Ich denke, hier irrst du. Deshalb hatte ich ja extra den Link zum Visuddhi Magga gesetzt:

http://www.palikanon.de/visuddhi/vis14_02.html

(ich hoffe du hast etwas gescrollt, der entscheidende Passus stand nämlich etwas höher als die Stelle, die durch meinen Link im letzten Posting angezeigt wurde:

_Die 14 Bewußtseinsfunktionen eines Bewußtseinmomentes

Somit gibt es insgesamt 89 Bewußtseinszustände: -

21 karmisch heilsame (kusala),
12 karmisch-unheilsame (akusala),
36 karmagewirkte (vipāka) und
20 funktionelle (kiriya).

Und diese entstehen bei 14 Anlässen: -

  1. bei Wiedergeburt (patisandhi),
  2. im Unterbewußtsein (bhavanga),
  3. beim Aufmerken (āvajjana),
  4. Sehen,
  5. Hören,
  6. Riechen,
  7. Schmecken,
  8. körperlichen Fühlen,
  9. Rezipieren (des Sinnenobjektes) (sampaticchana),
  10. Prüfen (santīrana),
  11. Feststellen (votthapana),
  12. im Impulsivprozesse (javana),
  13. beim Registrieren (tad-ārammana) und
  14. beim Sterben (cuti).

[Ein normaler Bewusstseinsprozess oder einfacher ausgedrückt ein Gedanke beginnt bei 2 und endet bei 13. Der darauf folgende Bewusstseinsprozess beginnt wieder bei 2 und so reiht sich Bewusstseinsmoment an Bewusstseinmoment, Gedanke an Gedanke seit unendlichen Zeiten. Nur bei der Geburt und beim Tod steigen zusätzlich die beiden Bewusstseinsmomente 1 und 14 auf. Von 4 bis 8 kann allerdings nur eins zur Zeit aufsteigen. Auch läuft ein Bewusstseinsprozess nicht immer bis Ende. Z.B. während des Schlafs steigt nur 2 (bhavanga) unzählige Male auf. Ausführlich erklärt weiter unten.WG]

Und in welcher Weise?

Wiedergeburtsprozeß: patisandhi

Werden z.B. kraft der 8 karmisch-heilsamen Bewußtseinszustände der Sinnensphäre (1 bis 8) die Wesen unter Menschen und Himmelswesen wiedergeboren, **so steigt bei ihrer Wiedergeburt (im Empfängnismomente) einer von 9 karmagewirkten Bewußtseinszuständen auf -

mit einem im Sterbemomente jener Wesen anwesend gewesenen Objekte,**
als wie

* einer (früher begangenen) Tat (kamma) oder
* einem Erkennungszeichen der Tat (kamma-nimitta) oder
* einem Erkennungszeichen der (neuen) Daseinsfährte (gati-nimitta), -
nämlich:_
etc.

Hier ist ganz eindeutig von den Objekten die Rede, die im Sterbemoment eines Wesens (also individuell ) Anwesend sind, die im Moment der Zeugung den entscheidenden Impuls lifern (patisandhi). Ich weiß wirklich nicht, wo du bei diesem Prozess irgend etwas anderes erkennen möchtest, als einen individuellen Prozess oder „Strom“. Und dieser Text ist nun wirklich zweifelsfrei Theravada.

Somit finde ich deine Kritik an Berzin, er würde mit einem individuellen Prozess lediglich die tibetisch-buddhistische Sichtweise wiedergeben, widerlegt.

Zudem ist hier ebenfalls von einem Wiedergebutsbewusstsein (oder „Verknüpfungsbewusstsein“, wie du es weiter unten nennst) die Rede, somit sehe ich auch deine Kritik an der Verwendung des Wortes „Bewusstsein“ bei Berzin als tibetisch-buddhistisch oder gar eine Eigenschöpfung entkräftet.

Das sehe ich anders - Berzin ist mit seinem überzeitlichen
geistigen Kontinuum im Gegenteil sehr weit vom theravadischen
Abhidhamma entfernt.

Das siehst du nur deshalb anders, weil du nicht akzeptieren willst, dass das entsprechende Kontinuum als geistiger Prozess oder ein wie auch immer zu verstehendes „Bewusstsein“ beschrieben wird. Ich würde sagen, dass hier eher du derjenige bisst, der sich vom theravadischen Abhidamma entfernt, wie mein Verweis auf „patisandhi“ und die Visuddi Magga meiner Meinung nach zweifelsfrei belegen.

Dein Billardkugelmodell veranschaulicht
hingegen recht treffend die Beziehung zwischen dem
Sterbebewusstsein (cuti-citta, 1. Billardkugel) einer Existenz
und dem ‚Verknüpfungsbewusstsein‘ (patisandhi-citta, 2.
Billardkugel) einer anderen, darauf folgenden.

Ja richtig, und auch das Billardkugelmodell beschreibt einen individuellen Vorgang. Die (individuelle) vorlaufende Billardkugel bedingt durch den Anstoß ganz individuell den Lauf der angestoßenen Billardkugel, und zwar den Lauf nur dieser Kugel, keiner anderen. Das wird dir jeder Billardspieler bestätigen können.

Bhavanga-citta oder Bhavango-sota, was du am Ende deines
Postings erwähnst, ist hier explizit nicht
gemeint.

Schon klar - eben darauf hatte ich Wert gelegt, dass das
Bewusstseinskontinuum des Abhidhamma (bhavanga-citta oder
bhavanga-sota) zwar ein individuelles Kontinuum ist, aber
anders als das von Berzin geschilderte zeitlich begrenzt. An
eine ephemere und unwiederholbare Kombination von skandhas
gebunden.

Das war ja gar nicht der Streitpunkt. Es ging darum, ob das Bewusstsein eines Individuums insgesamt zeitlich begrenzt ist, und das wäre es nur, wenn du das „Verknüfungsbewusstsein“ (patisandhi) unterschlägst.

Wie schon erwähnt habe ich in ähnlichen Diskussionen von
‚Tibetern‘ auch die Begriffe ‚Bewusstseinskontinuum‘ oder
‚Bewusstseinsstrom‘ gehört, mit denen offenbar dasselbe
gemeint war. Ich persönlich kann mich mit diesem Konzept nicht
anfreunden, es schmeckt mir zu sehr nach ‚atman‘.

Diese Meinung kann ich als deine persönliche Meinung durchaus akzeptieren, nicht aber vor dem Hintergrund des Abhidhamma im Theravada. Ich kann auch durchaus akzeptieren, wenn du spezielle Begriffsverwendungen von tibetischen Buddhisten kritisierst oder als ungenau wahrnimmst. Nur kann dieser Vorwurf meiner Meinung nach nur an die Übersetzer gerichtet sein, und nicht an die Inhalte des tibetischen Buddhismus, solange nicht geklärt ist, auf welche tibetischen Wörter und ihren jeweiligen Entsprechungen im Sanskrit sich eine inhaltliche Aussage eigentlich bezieht.

Für mich sind geistige Kontinua entweder individuell und als
tiefste Schicht des vijnana-skandha zeitlich begrenzt oder
aber es handelt sich um den ‚alaya‘, den ‚Speicher‘ - wobei
dieser alaya nicht mehr als das Medium der samskara ist.
Nichts Individuelles. Das nun wiederum (ich schreibe dies für
die Mitlesenden) ist das Modell der Yogacara-Schule; es wird
von den Theravadin als ‚atman-verdächtig‘ abgelehnt.

Richtig, und aus tibetisch-buddhistischer Sicht würde ich diese „Speicher“-Idee ebenfalls als „atman-verdächtig“, oder eher noch „brahman-verdächtig“.

Wobei ich diese Modelle durchaus im wissenschaftlichen Sinn
verstehe - als reines Erklärungsmodell für eine begrenzten
Menge von Phänomenen. Grundsätzlich sehe ich mich eher als
Madhyamika :wink:

Nun ja, die Buddhisten standen damals wie heute vor dem Problem, Menschen zu erklären, wie „anatman“ eigentlich funktionieren soll. Es ist ja nicht so, dass Buddha mal eben so salopp in die Runde geworfen hat, dass er nun einfach so das Konzept von „atman“ durch „anatman“ ersetzt und wer das glauben möchte ist gut und wer nicht ist auch gut. Wir reden hier ja über einen Prozess tiefgründiger Introspektion an dessen Ende u.a. das Ergebnis „anatman“ stand und welches für die damalige Zeit revolutionär war. Die tibetischen Buddhisten haben nun in der Tradition der nordindischen Buddhisten und z.B. der buddhistischen Hochschulen wie Nalanda nichts weiter getan, als diesesn Erkenntnissprozess im Detail nachzuverfolgen und immer wieder zu hinterfragen, beziehungseise gegen jede bestehende und aufkommende Beobachtung und Erkenntnis gegenzuhalten und auf Widersprüche abzuklopfen. Nur so kann man meiner Meinung nach auch von einem „Glauben an anatman“ zu einer „Erkenntnis von anatman“ gelangen.

Grundsätzlich auch einverstanden. von einer karmischen 1:1
Beziehung zwischen aufeinander folgenden Individuen war auch
nicht die Rede, bzw. dies wurde bereits verneint. Ebenfalls
wurde aber verneint, dass es keinerlei
Beziehung zwischen aufeinsnder folgenden Individuen gibt.

Richtig - diese karmische Beziehung besteht in von Individuum
A erzeugten samskara, die einen Teil der Ursachen und
Bedingungen darstellen, aus denen heraus Individuum B
existiert. Simpel gesagt: unser Tun hat Folgen - nicht nur für
uns, auch für andere bis weit in die Zukunft hinein.

Jajaja :smile:
Von Individuum A zu Individuum B. Das ist mit „individueller“ Prozess gemeint. Es gibt hier einen Verknüpfungspunkt zwischen zwei ganz bestimmten Individuen, die aber nicht identisch sind. Das ist es doch. „Individueller Prozess“ war nie so gemeint, dass es hier nur um ein Individuum geht, das sich wie ein Köfferchen auf dem Laufband fortsetzt (mir scheint, hier hatten wir ein Missverständnis um die Verwendung der Bezeichnung „individueller“ Prozess).

Moooment, das würde ja bedeuten, dass es zweierlei Leiden
gibt. Zum einen das Leiden, für das man selbst karmische
Ursachen gelegt hat, zum anderen das Leiden als Produkt der
Handlungen anderer.

Der Knoten liegt hier im Dualismus „selbst“ und „anderer“
(anderer „Selbste“). Im Postulieren von Tätern zu Taten, von
Leidenden zu Leiden. Im Voraussetzen eines atman. Auch hier
möchte ich nochmals ein Zitat wiederholen:

Das Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da. Die
Taten gibt es, doch kein Täter findet sich. Erlösung gibt es,
doch nicht den erlösten Mann. Den Pfad gibt es, doch keinen
Wanderer sieht man da.
(Visuddhimagga XVI.4)

Diesen Knoten kann ich hier erhlich gesagt nicht erkennen. Es ging hier ja nicht um das Hinterfragen dessen, wer (der Säugling) nun leidet und ob einer (der Säugling) leidet etc., sondern es ging hier um die Ursache des Leides , manifest durch zum Beispiel „das Schreien“ oder „die Vorgänge zwischen Nervenzellen und Gehirn“ etc.

Dies widerspricht aber nun ganz klar der
zweiten Edlen Wahrheit, die ja die Ursachen für Leiden genau
spezifiziert.

Nun - die zweite Wahrheit besagt, dass Leiden aus Verblendung,
Gier und Hass (Unwissen, Lust und Unlust) entstehen, da eben
diese Antriebe zum ‚Ergreifen‘ (upadana) mittels der skandhas
führt.

Dies Gier muss aber nun
vor der eigentlichen Geburt des Säuglings
stattgefunden haben. Wo wir dann also bei der Frage wären,
wessen Gier nach Leben ist es, die dazu führt, dass ein
weiters Leben im Daseinskreislauf entsteht?

Auch hier liegt der Knoten bei „wessen“. Das ist die Frage
nach einem atman. Auf diese Frage kann ich Dir keine Antwort
geben.

Also wirklich. Man kann diese Mechanismen von karma und kleshas sehr wohl ohne „atman“ erläutern. Genau das macht ja den Buddhismus aus. Und ja, da darf man dann auch das Wort „wessen“ verwnden, genau wie man im Buddhismus das Wort „Buddha“ oder „Ralf“ verwendet darf, ohne gleich ein atman zu postulieren. Mir scheint hier eher ein Problem der Zen-Buddhisten zu liegen, dass sie nicht klar unterscheiden, ob sie sich nun auf der Ebene der Konvention bewegen wollen oder nicht. Ich kenne da eine sehr schöne Geschichte über einen Zen-Meister und eine Apfelsine :smile:

Gruß
Marion

Also erstmal moechte ich mich bedanken fuer eure vielen Antworten, sie waren auf jeden Fall schon mal sehr hilfreich!!

Nun ist es so, dass ich mich nochmal mit meinem Lehrer auseinandergesetzt habe ( ich hab Pruefungskurs kath. Religion) und der meinte es bezieht sich auf das Liebesgebot und dass es etwas mit der Gemeinschaft innerhalb der Kirche zu tun haette.Von Toten wie von lebenden.

Ich fand das schwierig umzusetzen und habe geschrieben, dass dadurch dass jede Mensch eine eigene Identitaet hat, er/sie mit einem Grab nicht in Vergessenheit geraten soll.

Jedoch kommt mir dass sehr schwammig und irgendwie auch nicht christlich genug vor.

Moin Marion,

‚Patisandhi‘ ist der zeitlich erste Bewustseinsmoment des
vijnana-skandha, so wie ‚cuticitta‘ sein letzter ist. Die
Kontinuität zwischen ihnen stellt der ‚Werdensstrom‘
bhavanga-citta her - die subtile Bewusstseinsschicht, auf die
der vijnana-skandha in Zeiten tiefen Schlafes oder der
Bewusstlosigkeit’ reduziert ist. Patisandhi, bhavanga-sota,
cuti-citta - das sind alles Formen des vijnana-skandha, nichts
außerhalb davon Existierendes.

Ich denke, hier irrst du. Deshalb hatte ich ja extra den Link
zum Visuddhi Magga gesetzt:

http://www.palikanon.de/visuddhi/vis14_02.html

sehr freundlich, aber der Tatsache, dass ich in diesem Thread schon mehrfach diesen Text zitiert habe hättest Du entnehmen können, dass mir der Text vorliegt.

(ich hoffe du hast etwas gescrollt, der entscheidende Passus
stand nämlich etwas höher als die Stelle, die durch meinen
Link im letzten Posting angezeigt wurde:

Entscheidend ist zunächst einmal die Überschrift des Kapitels - es geht um eine Analyse des Bewusstseins, Vijnana-skandha. Nicht weniger und auch nicht mehr.

_Die 14 Bewußtseinsfunktionen eines Bewußtseinmomentes
[…]
Somit gibt es insgesamt 89 Bewußtseinszustände: -
[…]
Und diese entstehen bei 14 Anlässen: -

  1. bei Wiedergeburt (patisandhi),
  2. im Unterbewußtsein (bhavanga),
  3. beim Aufmerken (āvajjana),
  4. Sehen,
  5. Hören,
  6. Riechen,
  7. Schmecken,
  8. körperlichen Fühlen,
  9. Rezipieren (des Sinnenobjektes) (sampaticchana),
  10. Prüfen (santīrana),
  11. Feststellen (votthapana),
  12. im Impulsivprozesse (javana),
  13. beim Registrieren (tad-ārammana) und
  14. beim Sterben (cuti)._

Halten wir einmal fest - es geht um Bewusstseinsmomente und ihre Funktionen.

Hier ist ganz eindeutig von den Objekten die Rede, die im
Sterbemoment eines Wesens (also
individuell ) Anwesend sind, die im Moment
der Zeugung den entscheidenden Impuls lifern (patisandhi). Ich
weiß wirklich nicht, wo du bei diesem Prozess irgend etwas
anderes erkennen möchtest, als einen
individuellen Prozess oder „Strom“. Und
dieser Text ist nun wirklich zweifelsfrei Theravada.

Die Verknüpfung patisandhi wird über ein karmisch gestaltetes Bewusstseinsobjekt hergestellt. Das Subjekt dieses Bewusstseinsobjektes ist zunächst ein Sterbebewusstsein, cuti-citta. „Der allerletzte Unterbewußtseinsmoment in einem Dasein nämlich wird wegen seines Schwindens als das ‚Abscheiden‘ (cuti, Sterben) bezeichnet.“. Mit diesem „Schwinden“ ist die Kontinuität eines Bewusstseins beendet, der Vijnana-skandha nicht mehr existent. Das Bewusstseinsobjekt wird nun als initialisierendes Objekt eines anderen Subjektes, eines neu entstehenden Bewusstseins, ergriffen. Eben dies ist patisandhi, der erste Bewusstseinsmoment eines neuen Vijnana-skandha.

_Ein bloßes Phänomen ist’s, ein bedingtes Ding,
Was da ins Leben tritt im spätern Dasein.
Nicht wandert es aus früh’rem Dasein dort hinüber,
Und doch ist’s nicht entstanden ohne früh’ren Grund.

[…]
Hierbei nun wird das frühere Bewußtsein wegen seines Abscheidens als das ‚Sterben‘ (cuti) bezeichnet, das spätere Bewußtsein aber wegen seines Sichwiederverbindens mit dem Anfang eines neuen Daseins als die ‚Wiedergeburt‘ (patisandhi, wörtl. ‚Wiederverbindung‘). Nicht aber ist dieses Bewußtsein aus dem früheren Dasein in dieses herübergewandert , noch auch ist es entstanden ohne solche Anlässe wie Karma, Karmaformationen, Neigung, Objekt usw., wie man wissen sollte._

Das findest Du im 17. Kapitel des Visuddhimagga, bei der Erörterung bedingten Entstehens.

Unmittelbar auf patisandhi („Sobald aber das Wiedergeburtsbewußtsein geschwunden ist“) folgt nun das ‚Unterbewusstsein‘ bhavanga mit demselben Bewusstseinsobjekt. Das bhavanga ist nicht präexistent, es entsteht erst mit dem „Schwinden“ des patisandhi-vinnana. Dieses bhavanga liegt sämtlichen folgenden Bewusstseinsprozessen zugrunde; die es konstituierenden Bewusstseinsmomente bilden nun eben das einzige „geistige Kontinuum“, das im Theravada gelehrt wird, bhavanga-santana.

Somit finde ich deine Kritik an Berzin, er würde mit einem
individuellen Prozess lediglich die tibetisch-buddhistische
Sichtweise wiedergeben, widerlegt.

Das ist sie nicht. Berzin schreibt von einem „geistigen Kontinuum“, das anfangs- und endlos ist, er bestreitet sogar kategorisch die Möglichkeit, geistige Kontinua könnten zeitlich begrenzt sein. Greifen wir einmal einen Abschnitt seiner Argumentation heraus:

„Erinnern wir uns daran, dass das physische Kontinuum eines Körpers oder eine gewisse subtile Energie, wie wir sie im Zustand zwischen zwei Lebzeiten finden lediglich eine notwendige unterstützende Bedingung für ein geistiges Kontinuum ist, und nichts weiter. Nun mögen die Funktionen eines spezifischen Körpers ein geistiges Kontinuum für eine gewisse Zeit unterstützen. Aber wenn dieser spezifische Körper aufhört zu funktionieren und das bestimmte geistige Kontinuum nicht mehr genügend unterstützen kann, dann, so wird es im Buddhismus erklärt, wird sich dieses geistige Kontinuum mit einer anderen physischen Grundlage fortsetzen zuerst mit einem subtiler Körper und später dann mit einem anderen groben Körper.“

Im Theravada weiss man schlicht nichts von solch einem „geistigen Kontinuum“, das „wenn dieser spezifische Körper aufhört zu funktionieren“ auf der Grundlage einer „gewissen subtilen Energie“ oder mit Hilfe eines „subtilen Körpers“ weiterexistiert, bis es sich mit einem neuen physischen Körper verbindet. Da ist nur die Rede von einem Bewusstseinsobjekt, das von einem schwindenden Bewusstseinskontinuum in ein neu entstehendes wechselt.

Die Yogacara-Schule hingegen hat ein solches Kontinuum postuliert - eben um das Problem zu lösen, wie ein Bewusstseinsobjekt von einem Bewusstsein in anderes wechseln kann, ohne dass dafür ein Medium existiert. Dieses Medium oder Kontinuum ist der alaya.

Dharmakirti und die Autoren des Anuttara-Yoga-Tantra und des Uttara-tantra-shastra - deren Ideen Berzin in seinem Artikel darstellt - gingen nun noch einen Schritt weiter, indem sie aus dem alaya einen individuellen Bewusstseinstrom machten. D.h. jedem Wesen wird ein eigenes, isoliertes „geistiges Kontinuum“ zugeordnet, das ohne Anfang und Ende ist, das nach dem Tod dieses Wesens auf Grundlage einer „subtilen Energie“ oder eines „subtilen Körpers“ weiterexistiert bis es sich „mit einer anderen physischen Grundlage fortsetzt“. Würde ich um eine Definition von ‚atman‘ oder ‚Seele‘ gebeten, dann würde sie sich ziemlich genau so anhören.

Zudem ist hier ebenfalls von einem Wiedergebutsbewusstsein
(oder „Verknüpfungsbewusstsein“, wie du es weiter unten
nennst)

Nyanatiloka gibt in seiner Übersetzung ‚patisandhi‘ bzw. ‚patisandhi-vinnana‘ mit ‚Wiedergeburt‘ und ‚Wiedergeburtsbewusstsein‘ wieder, was vielleicht seine eigenen Ideen wiedergibt, aber nicht den Text. ‚Patisandhi‘ heisst nun einmal ‚Wiederverknüpfung‘, ‚Regruppierung‘. Was das wieder verknüpft wird, sind skandhas.

die Rede, somit sehe ich auch deine Kritik an der
Verwendung des Wortes „Bewusstsein“ bei Berzin als
tibetisch-buddhistisch oder gar eine Eigenschöpfung
entkräftet.

… mir nicht erinnerlich, dass ich das kritiisert hätte. Ich habe lediglich auf die uneinheitliche deutsche Terminologie hingewiesen, in der dieses Konzept mal als „geistiges Kontinuum“ (bei Berzin), mal als ‚Bewusstseinskontinuum‘ oder als ‚Bewustseinsstrom‘ bezeichnet wird.

Ja richtig, und auch das Billardkugelmodell beschreibt einen
individuellen Vorgang. Die (individuelle)
vorlaufende Billardkugel bedingt durch den Anstoß ganz
individuell den Lauf der angestoßenen Billardkugel, und zwar
den Lauf nur dieser Kugel, keiner anderen.
Das wird dir jeder Billardspieler bestätigen können.

Nur sind beide Billardkugeln eben nicht verschiedene Momente eines Kontinuums - auch nicht im Moment des Kontaktes, in dem die eine Kugel an die andere ihren Impuls weitergibt.

Das war ja gar nicht der Streitpunkt. Es ging darum, ob das
Bewusstsein eines Individuums insgesamt zeitlich begrenzt ist,
und das wäre es nur, wenn du das „Verknüfungsbewusstsein“
(patisandhi) unterschlägst.

Nochmals - patisandhi ist der Moment, in dem ein neu entstehendes („aufsteigendes“) Bewusstsein, das als patisandhi-vinnana bezeichnet wird, ein Bewusstseinsobjekt ergreift, das vorher Objekt eines nicht mehr existenten (geschwundenen) Bewusstseins (cuti-vinnana) war. Zwischen cuti-vinnana und patisandhi-vinnana ist eine ‚Nullstelle‘ (um den Begriff ‚Kontinuum‘ physikalisch zu gebrauchen), ist die Grenze zwischen zwei individuellen geistigen Kontinua, die als bhavanga-santana bezeichnet werden. An dieser ‚Nullstelle‘ existiert kein Bewusstsein, es existiert lediglich das Bewusstseinsobjekt.

Man kann diese Mechanismen von karma und
kleshas sehr wohl ohne „atman“ erläutern. Genau das macht ja
den Buddhismus aus.

Eben.

Und ja, da darf man dann auch das Wort
„wessen“ verwnden, genau wie man im Buddhismus das Wort
„Buddha“ oder „Ralf“ verwendet darf, ohne gleich ein atman zu
postulieren.

Da ist die Frage, in welchem Kontext Du das anwendest. Wenn der Kontext die Frage nach karma und phala ist - nach einem Täter der Tat und einem Erleidenden des Leidens und ob sie identisch sind oder nicht, dann ist das im buddhistischen Kontext sinnlos. Ein Kategoriefehler.

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin Ralf,

http://www.palikanon.de/visuddhi/vis14_02.html

sehr freundlich, aber der Tatsache, dass ich in diesem Thread
schon mehrfach diesen Text zitiert habe hättest Du entnehmen
können, dass mir der Text vorliegt.

Dann verstehe ich deine Einwände noch weniger.

Entscheidend ist zunächst einmal die Überschrift des Kapitels

  • es geht um eine Analyse des Bewusstseins, Vijnana-skandha.
    Nicht weniger und auch nicht mehr.

Korrekt. Deshalb kann man Berzin auch wohl kaum kritisieren, wenn er ebenfalls den Begriff „Bewusstsein“ verwendet.

_Die 14 Bewußtseinsfunktionen eines Bewußtseinmomentes
[…]
Somit gibt es insgesamt 89 Bewußtseinszustände: -
[…]
Und diese entstehen bei 14 Anlässen: -

  1. bei Wiedergeburt (patisandhi),
  2. im Unterbewußtsein (bhavanga),
  3. beim Aufmerken (āvajjana),
  4. Sehen,
  5. Hören,
  6. Riechen,
  7. Schmecken,
  8. körperlichen Fühlen,
  9. Rezipieren (des Sinnenobjektes) (sampaticchana),
  10. Prüfen (santīrana),
  11. Feststellen (votthapana),
  12. im Impulsivprozesse (javana),
  13. beim Registrieren (tad-ārammana) und
  14. beim Sterben (cuti)._

Halten wir einmal fest - es geht um Bewusstseinsmomente und
ihre Funktionen.

Genau. Somit ist auch patisandhi ein Bewusstseinsmoment und hat eine bestimmte Funktion. Bleibt die Frage zu klären, was ist die Ursache dieses Bewusstseinsmoments und was ist seine Funktion.

Hier ist ganz eindeutig von den Objekten die Rede, die im
Sterbemoment eines Wesens (also
individuell ) Anwesend sind, die im Moment
der Zeugung den entscheidenden Impuls lifern (patisandhi). Ich
weiß wirklich nicht, wo du bei diesem Prozess irgend etwas
anderes erkennen möchtest, als einen
individuellen Prozess oder „Strom“. Und
dieser Text ist nun wirklich zweifelsfrei Theravada.

Die Verknüpfung patisandhi wird über ein karmisch gestaltetes
Bewusstseinsobjekt hergestellt. Das Subjekt
dieses Bewusstseinsobjektes ist zunächst ein
Sterbebewusstsein, cuti-citta.

Korrekt. Genau das sagt auch Berzin.

"_Der allerletzte

Unterbewußtseinsmoment in einem Dasein nämlich wird wegen
seines Schwindens als das ‚Abscheiden‘ (cuti, Sterben)
bezeichnet._

". Mit diesem „Schwinden“ ist die
Kontinuität eines Bewusstseins beendet, der Vijnana-skandha
nicht mehr existent. Das Bewusstseinsobjekt wird nun als
initialisierendes Objekt eines anderen Subjektes, eines neu
entstehenden Bewusstseins, ergriffen. Eben dies ist
patisandhi, der erste Bewusstseinsmoment eines neuen
Vijnana-skandha.

Und genau hier ist meiner Meinung nach dein Denkfehler. Was soll denn dieses „andere Subjekt eines neu entstehenden Bewusstseins“ sein? Wo soll es herkommen? Was ist deiner Meinung nach die Ursache für dieses „Ergreifen“? Nach buddhistischer Vorstellung hat alls eine Ursache. Nichts geschieht ohne Ursache. Das ist die Kontinuität.

Wenn eine endlose Kette von Billiardkugeln immer wieder die nächste zum Laufen bringt, dann ist das Kontinuität, und zwar eine sehr individuelle Kontinuität, die sich vom Lauf jeder anderen Kette mit Sicherheit unterscheidet. So ist auch der Begriff Kontnuität bei Berzin zu verstehen. Eine andere Argumentation ist aus buddhistischer Sicht meiner Meinung nach auch gar nicht möglich, da jedes Bewusstsein nur eine Aneinanderreihung von Bewusstseinsmomenten ist. Auch in der Zeit zwischen Geburt und Tod reist ein Bewusstsein nicht an die Skandhas gebunden wie ein Koffer durch die Weltgeschichte.

Ein bloßes Phänomen ist’s, ein bedingtes Ding,
Was da ins Leben tritt im spätern Dasein.
Nicht wandert es aus früh’rem Dasein dort hinüber,
Und doch ist’s nicht entstanden ohne früh’ren Grund.

Korrekt. Und über den „früh’ren Grund“ reden wir gerade, bzw. versuchen herauszufinden, was das konkret sein mag.

[…]
Hierbei nun wird das frühere Bewußtsein wegen seines
Abscheidens als das ‚Sterben‘ (cuti) bezeichnet, das spätere
Bewußtsein aber wegen seines Sichwiederverbindens mit dem
Anfang eines neuen Daseins als die ‚Wiedergeburt‘ (patisandhi,
wörtl. ‚Wiederverbindung‘). Nicht aber ist dieses
Bewußtsein aus dem früheren Dasein in dieses
herübergewandert
, noch auch ist es entstanden ohne
solche Anlässe wie Karma, Karmaformationen, Neigung, Objekt
usw., wie man wissen sollte.

Das findest Du im 17. Kapitel des Visuddhimagga, bei der
Erörterung bedingten Entstehens.

Korrekt. Nicht das „Bewusstsein ist herübergewandert aus einem früheren Dasein“ (was hier auch niemand behauptet hat) sondern die (individuellen) karmischen Ursachen eben dieses (individuellen) karmischen Prozesses der kontinuierlich die Ursache für neue Bewusstseinsmoment liefert.

http://www.palikanon.de/visuddhi/vis17_03.htm

Somit finde ich deine Kritik an Berzin, er würde mit einem
individuellen Prozess lediglich die tibetisch-buddhistische
Sichtweise wiedergeben, widerlegt.

Das ist sie nicht. Berzin schreibt von einem „geistigen
Kontinuum“, das anfangs- und endlos ist, er bestreitet sogar
kategorisch die Möglichkeit, geistige Kontinua könnten
zeitlich begrenzt sein. Greifen wir einmal einen Abschnitt
seiner Argumentation heraus:

Natürlich bestreitet er das. Er vertritt hier ja auch einen buddhistischen Standpnkt. „Patisandhi“ kann nicht „einfach so“ aus „nichts“ heraus entstehen. Das ist nach buddhistischer Vorstellung einfach unmöglich. Es muss eine Ursache für „patisandhi“ geben, und die kann nur karmisch sein. Karmische Ursachen sind aber ihrerseits immer die Folge karmischer Handlungen. Du könntest jetzt höchstens noch argumentieren, dass Karma deiner Meinung nach nichts „geistiges“ ist.

„Erinnern wir uns daran, dass das physische Kontinuum
eines Körpers oder eine gewisse subtile Energie, wie wir sie
im Zustand zwischen zwei Lebzeiten finden lediglich eine
notwendige unterstützende Bedingung für ein geistiges
Kontinuum ist, und nichts weiter. Nun mögen die Funktionen
eines spezifischen Körpers ein geistiges Kontinuum für eine
gewisse Zeit unterstützen. Aber wenn dieser spezifische Körper
aufhört zu funktionieren und das bestimmte geistige Kontinuum
nicht mehr genügend unterstützen kann, dann, so wird es im
Buddhismus erklärt, wird sich dieses geistige Kontinuum mit
einer anderen physischen Grundlage fortsetzen zuerst mit einem
subtiler Körper und später dann mit einem anderen groben
Körper.“

Im Theravada weiss man schlicht nichts von solch einem
„geistigen Kontinuum“,

Du meinst, im Theravada hat man noch nie von Karma gehört? Das bezweifel ich jetzt einfach mal :smile:

das „wenn dieser spezifische Körper
aufhört zu funktionieren“ auf der Grundlage einer „gewissen
subtilen Energie“ oder mit Hilfe eines „subtilen Körpers“
weiterexistiert, bis es sich mit einem neuen physischen Körper
verbindet. Da ist nur die Rede von einem Bewusstseinsobjekt,
das von einem schwindenden Bewusstseinskontinuum in ein neu
entstehendes wechselt.

Das ist die Rede von einem „geistigen Kontinuum“, nicht von einem „Bewusstseinsobjekt“. Den Begriff „Bewusstseinsobjekt“ hast du erst hier rein gebracht (Berzin verwendet ihn nicht). Bliebe zu klären, was Berzin denn eigentlich mit „geistigem Kontinuum“ mein? Auch das geht aus dem Text hervor:

Gemäß der buddhistischen Erläuterung, veranlassen drei Arten des Erlebens von etwas ein individuelles geistiges Kontinuum dazu, den nächsten Moment seiner samsarischen Phase zu erzeugen; und zwar geschieht das entweder ganz allgemein oder zum Zeitpunkt des Todes im Besonderen. Diese sind (1) Begierde, (2) ein herbeiführende störende Emotion oder Geisteshaltung und (3) ein karmischer Impuls oder Drang, aus der sich die weitere Existenz ergibt normalerweise übersetzt als „Begierde“, „Greifen“ und „Werden“. Hierbei handelt es sich um drei der zwölf Glieder des abhängen Entstehens, einem tiefgründigen Thema, das den Mechanismus von Samsara erklärt, d. h. die sich unkontrollierbar wiederholende Wiedergeburt.

Ich sehe nicht, was dies mit „alaya“ zutun haben soll.

Dharmakirti und die Autoren des Anuttara-Yoga-Tantra und des
Uttara-tantra-shastra - deren Ideen Berzin in seinem Artikel
darstellt - gingen nun noch einen Schritt weiter, indem sie
aus dem alaya einen individuellen
Bewusstseinstrom machten. D.h. jedem Wesen wird ein eigenes,
isoliertes „geistiges Kontinuum“ zugeordnet, das ohne Anfang
und Ende ist, das nach dem Tod dieses Wesens auf Grundlage
einer „subtilen Energie“ oder eines „subtilen Körpers“
weiterexistiert bis es sich „mit einer anderen physischen
Grundlage fortsetzt“. Würde ich um eine Definition von ‚atman‘
oder ‚Seele‘ gebeten, dann würde sie sich ziemlich genau so
anhören.

Dharmakirti redete von einem „Bewusstseinsstrom“ (Santana). Wenn du hier eine Definition dessen anführen kannst, was Dharmakirti mit diesen Bewusstseinsstrom gemeint hat, dann können wir ja leicht überprüfen, ob diese mit mit der Definition von Berzin vom „geistigen Bewusstsein“ übereinstimmt. Soweit ich mich an Dharmakirti erinnere, düften diese beiden Definitionen jedoch kaum etwas gemein haben. Bei Dharmakirti geht es vornehmlich um „Bewusstsein“ als kognitiver Vorgang oder als „erkenntnistheoretisches“ Modell des Geistes, während Berzin über ein (ein besseres Wort fällt mir nicht ein) „psychologisches“ Modell des Geistes redet. Falls dir diese Unterscheidung im buddhistischen Kontext nicht geläufig ist, empfehle ich „Der Geist und seine Funktionen“ von Geshe Rabten, ISBN: 3905497476 Buch anschauen

Nyanatiloka gibt in seiner Übersetzung ‚patisandhi‘ bzw.
‚patisandhi-vinnana‘ mit ‚Wiedergeburt‘ und
‚Wiedergeburtsbewusstsein‘ wieder, was vielleicht seine
eigenen Ideen wiedergibt, aber nicht den Text.

Ich befürchte, mit dieser Meinung stehst du ziemlich alleine da. Es lassen sich selbst im Internet zahlreiche Übersetzungen des Worts „vinnana“ mit „Bewusstsein“ finden. Da scheint schon eher der Begriff „patisandhi“ umstritten, als der Begriff „vinnana“

http://www.buddhistisches-haus.de/dhamma_viewer.php?..

(nein, ich will jetzt nicht Paul Dahlke diskutieren :smile:)

‚Patisandhi‘
heisst nun einmal ‚Wiederverknüpfung‘, ‚Regruppierung‘.
Was das wieder verknüpft wird, sind
skandhas.

Ja, und „vinnana“ heißt nunmal „Bewusstsein“ und die Verknüfung zwischen patisandhi und Bewusstsein findest du wiederum bei der List 1-14 oben.

… mir nicht erinnerlich, dass ich das kritiisert hätte. Ich
habe lediglich auf die uneinheitliche deutsche Terminologie
hingewiesen, in der dieses Konzept mal als „geistiges
Kontinuum“ (bei Berzin), mal als ‚Bewusstseinskontinuum‘ oder
als ‚Bewustseinsstrom‘ bezeichnet wird.

Nun, vielleicht sollte man dann doch auch einmal näher hinschauen, welches Konzept denn eigentlich genau mit diesen unterschiedlichen Begriffen bezeichnet wird und ob es sich hier tatsächlich um die gleichen Konzepte handelt.

Und ja, da darf man dann auch das Wort
„wessen“ verwnden, genau wie man im Buddhismus das Wort
„Buddha“ oder „Ralf“ verwendet darf, ohne gleich ein atman zu
postulieren.

Da ist die Frage, in welchem Kontext Du das anwendest. Wenn
der Kontext die Frage nach karma und phala ist - nach einem
Täter der Tat und einem Erleidenden des Leidens und ob sie
identisch sind oder nicht, dann ist das im buddhistischen
Kontext sinnlos. Ein Kategoriefehler.

Nun denn, ich formuliere meine Frage auch gerne um:

Moooment, das würde ja bedeuten, dass es zweierlei Leiden gibt. Zum einen das Leiden, für das man selbst karmische Ursachen gelegt hat, zum anderen das Leiden als Produkt der Handlungen anderer. Dies widerspricht aber nun ganz klar der zweiten Edlen Wahrheit, die ja die Ursachen für Leiden genau spezifiziert. Wenn man sich diese Ursachen genau anschaut, dann wird deutlich, dass hier eigentlich nur „tanha“ als Ursache in Frage kommt, die Gier oder der Durst nach Leben. Diese Gier muss aber nun vor der eigentlichen Geburt des Säuglings stattgefunden haben. Wo wir dann also bei der Frage wären, was ist die Ursache für die Gier nach Leben, die dazu führt, dass ein weiters Leben im Daseinskreislauf entsteht?

Und noch ein Gedicht:

_»Nicht findet man der Taten ‘Täter’,
Kein ‘Wesen’, das die Wirkung trifft
Nur leere Dinge zieh’n vorüber:
Wer so erkennt, hat rechten Blick.

»Und während so die Tat und Wirkung
Im Gange sind, wurzelbedingt,
Kann, wie beim Samen und beim Baume,
Man keinen Anfang je erspäh’n.« (Vis. XIX).-_

lieben Gruß,
Marion