Welche Bestattung entspricht christl. Menschenbild

Hallo , ich möchte gerne wissen welche Art von Bestattung am ehesten dem christlichen Menschenbild entspricht.

Natürlich komme ich auch selber auf die Erdbestattung aber WARUM ist meine Frage?

Menschenbild; Gemeinschaft mit Gott, Gottes Ebenbild etc.
Aber warum dann Erdbestattung??

Verglichen mit dem Buddhismus, z.B. in Tibet, ist es Brauch die Leiche zu zerstückeln und den Geiern vorzuwerfen, damit die Seele schnell wiedergeboren wird.

Aber warum ist es Brauch im Christentum eine Erdbestattung durchzuführen?
Oder wie ist das z.B. mit Feuerbestattung; erlaubt oder nicht?
(asche zu Asche etc…) ???

Hallo,

wirf mal ein Auge hierhin: http://www.schweiz-lebenshilfe.ch/www.schweiz-lebens… - da sind einige Bibelstellen genannt, die evtl. aufschlussreich sein könnten.

Grüße
Renee

Hallo,
um hier einem groben Missverständnis entgegenzutreten:

Verglichen mit dem Buddhismus, z.B. in Tibet, ist es Brauch
die Leiche zu zerstückeln und den Geiern vorzuwerfen, damit
die Seele schnell wiedergeboren wird.

  • das „damit“ ist völliger Unsinn. Im Buddhismus wird keine Seele gelehrt, sondern im Gegenteil die Nichtexistenz einer Seele oder sonst eines den Tod überdauernden ‚Wesenskerns‘.

_Es ist da […] ein unerfahrener Weltmensch […]. Der betrachtet die Körperlichkeit [=rupaskandha] als das Selbst oder das Selbst als Körperlichkeit besitzend oder die Körperlichkeit als im Selbst oder das Selbst als in der Körperlichkeit: ‚Ich bin die Körperlichkeit! Mein ist die Körperlichkeit!‘ In solch vorgefaßter Meinung verharrt er. Ihm, der in solch vorgefaßter Meinung verharrt, ‚Ich bin die Körperlichkeit! Mein ist die Körperlichkeit!‘, wandelt sich nun, verändert sich diese Körperlichkeit. Durch Wandel und Veränderung dieser Körperlichkeit entstehen ihm Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung.

(Samyutta Nikaya 22.1)_

Diese Formel vier unzutreffender Ansichten über den Körper / die Körperlichkeit (sie ist identisch mit dem Selbst - sie ist ‚Organ‘ des Selbst - sie ist Bestandteil des Selbst - das Selbst ist Bestandteil der Körperlichkeit) wird in dem zitierten Sutra anschließend identisch für die anderen Komponenten (skandhas) der empirischen Person wiederholt: Gefühl/Empfindung (vedana), Wahrnehmung (samjna), Willensabsichten (samskara), Bewusstsein (vijnana). Nach buddhistischer Lehre besteht die empirische Person (pudgala) ausschließlich und restlos aus diesen fünf skandhas. Die vierfache Negation auf die fünf skandhas angewandt ergibt die zwanzig Formen falscher Sicht in Bezug auf die Existenz eines Selbst /einer ‚Seele‘ (sakkâya ditthi). Diese falsche Sicht wiederum ist die erste der zehn geistigen Fesseln (samyojana), die auf dem Weg zur Befreiung abgeworfen werden müssen. Logischerweise kann es nach buddhistischer Lehre also auch nicht das geben, was z.B. von abendländischen Esoterikern oder Hindus usw. unter ‚Wiedergeburt‘ verstanden wird.

Die sog. ‚Luftbestattung‘ (die es ähnlich auch bei den Parsen gibt) hat ebenfalls nichts mit Buddhismus zu tun, es ist vielmehr eine ethnische/kulturelle Eigenheit der Tibeter. Wer schon einmal versucht hat, in felsigem Boden eine Grube auszuheben versteht ohne größere Probleme, warum in Tibet die Erdbestattung eher eine Ausnahme ist.

‚Normalfall‘ in buddhistisch geprägten Kulturen ist die Feuerbestattung. Was allerdings ebenfalls nichts mit speziell religiösen Vorstellungen zu tun hat. Die nach dem Tod verbleibenden Überreste (der rupaskandha) sind kein Gegenstand religiöser Spekulationen - es gibt daher keine ‚vorgeschriebene‘ Form der Bestattung.

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin Eulalja,

die Erdbestattung war lange Zeit üblich und für Katholiken bis vor kurzem sogar verbindlich vorgeschrieben.

177 n. Chr. wurden in Lyon die Märtyrer verbrannt und ihre Asche in die Rhone gestreut, um die Auferstehungshoffnung der Christen zu verhöhnen.
Im 17./18. Jh begannen die Aufklärer, um sich von der Kirche und ihren Vorstellungen zu emanzipieren, für die Feeuerbestattung zu werben, und 1797 versuchten die Revolutionäre in Frankreich, sie verbindlich für alle zu machen.
Im 19. Jhdt gab es in Frankreich und Iralien entspechende Versuche, und nachdem Siemes in den 70er Jahren einen Ofen fü die Feeuerbesattung konstruiert hatte, wurde 1876 in Gotha das erste Krematorium in Deutschland gebaut.

Freidenken und Marxisten forderten Anfang des 20. Jhdts Kirchenaustritt **Feuerbestattung. Die Kremation wurde überhaupt die gängige Forderung der krchengegner.

Die kath. Kirche hat, wie gesagt, in ihrem Coanon 1203,I des Codes Iuris Canonici bis vor wenigen Jahrzehnten die Feuerbesstattung verboten; für die evangelische Kirche war sie immer eine Frage, die ganz und gar nicht über Heil oder Seligkeit entschied (Das nennt man dann „Adiapohoron“).

Hintergrund ar die Vorstellung von der „Auferstehung des Fleisches“ am Jüngsten Tag; da durfte man das „Fleisch“ nicht muwillig und vorsätzich durch die Kremation zerstören.
Nun waren allerdings viele Märtyrer zum Feuertod verurteilt worden - sollten deren Leiber also nicht auferstehen können?
Inzwischen ist man auch in der katholischen Theologie von dieser massiv „fleischgebundenen“ Vorstellung abgerückt. Die „Auferstehung des Leibes“ enthält eine andere Vorstellung, nämlich die, dass entscheidend die Identität des Menschen ist. Die ist unsterblich. Ob Du das nun mit dem Begriff „Seele“ belegst, ist in Dein Belieben gesatellt.
Oder, um es mit den Worten meines alten Neutestamentlers zu sagen: „Die Auferstehungmuss auch in den Krematorien gepredigt werden.“

Insofern gibt es also keine bestimmte Bestattungsform, die einem wie immer gearteten christlichen Menschenbild entspricht.

Gruß - Rolf**

Hallo,

ich denke, daß folgender Vers hauptverantwortlich für eine Erdbestattung ist:

1Mo 3,19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du [dein] Brot essen, bis du wieder zurückkehrst zum Erdboden; denn von ihm bist du genommen. Denn du bist Staub, und zum Staub wirst du wieder zurückkehren!

Natürlich kehrt auch die Asche einer Feuerbestattung wieder zurück.

Gruß
M.

Hallo , ich möchte gerne wissen welche Art von Bestattung am
ehesten dem christlichen Menschenbild entspricht.

Hallo Eulalja,

nun, die vorangegangenden Postings beziehen sich eigentlich IMMER auf a) das ALTE Testament oder b) explizit auf den Messias (der einige Verheißungen „zu erfüllen hatte“).
Aber das hat nichts unbedingt mit „christlich“ zu tun.

Klar: aus Erde bist du und zu Erde wirst du wieder werden. Aber alles wird irgendwie wieder Erde. Ob ich Erdbestattung mache, mich verbrennen lasse oder eine Seebestattung wünsche.

Man sollte noch anmerken:

  1. es gibt kein „christliches Menschenbild“. Wenn (was ich überzeugt bin) den Gott gibt dann gibt es nur ein göttliches Menschenbild (egal wie wir uns selbst sehen).
  2. Der Mensch ist Geist, hat eine Seele und lebt in einem Körper. Der Körper ist dem irdischen Verfall preisgegeben, aber das „ich“ ist nicht mein Körper sondern mein Geist (mit der Seele). Und die ist unsterblich - egal wie mein Körper hier auf Erden „vernichtet“ wird.

LG

Hallo,

der Mensch hat von Gott aus in der Regel die Freiheit die Bestattungsart zu wählen.

Welche Bestattungsart für die Seele aber besser ist, diese Frage möchte ich beantworten.

Wenn der Leib unbrauchbar geworden ist, um von der Seele weiterhin geleitet zu werden, dann entsteigt die Seele dem Leib und ist dann sofort im Jenseits. Lk 23,43

Der Leib aber ist dann leblos, da er nur ein Mitleben mit der Seele hatte, so wie auch z. B. die Kleidung nur ein Mitleben mit dem Leib hat.

Wird nun der Leichnam in die Erde gelegt, so verwest er langsam in etwa zwanzig Jahren.

Die noch im Leib verbliebenen und beim Scheiden der Seele noch nicht freigewordenen Seelenbestandteile, werden dann der Seele nach und nach zugefügt.

Bei der Feuerbestattung erfolgt die Auflösung des Leichnams jedoch in sehr kurzer Zeit von etwa einer Stunde.

Die noch im Leib verbliebenen und beim Scheiden der Seele noch nicht freigewordenen Seelenbestandteile, werden dann der Seele s c h l a g a r t i g zugefügt. Das kann für die Seele eine Überladung und daher schmerzhaft sein.

Es ist deshalb empfehlenswert, das Heil der Seele vor den Kostenvorteil der Feuerbestattung zu stellen und den Leichnam nach alter guter Sitte zu begraben.

Helmut

Hallo Tobias,

Man sollte noch anmerken:

  1. es gibt kein „christliches Menschenbild“. Wenn (was ich
    überzeugt bin) den Gott gibt dann gibt es nur ein göttliches
    Menschenbild (egal wie wir uns selbst sehen).

Weil Menschen sich kein Bild vom Menschen als Menschen machen? Und Christen auch nicht?

Damit wirfst Du die Antrhopologie aus dem Fenster, was für die christliche Weltsicht doch überaus schwer zu verkraften wäre.

http://de.wikipedia.org/wiki/Anthropologie

  1. Der Mensch ist Geist, hat eine Seele und lebt in einem
    Körper. Der Körper ist dem irdischen Verfall preisgegeben,
    aber das „ich“ ist nicht mein Körper sondern mein Geist (mit
    der Seele). Und die ist unsterblich - egal wie mein Körper
    hier auf Erden „vernichtet“ wird.

Das ist eine Sicht der Dinge. Die Platonische. Die Aristotelische geht anders. (Beide sind im Übrigen zu bestimmten Zeitpunkten in der christlichen Kirchengeschichte (sic!) diskutiert.) Da bin ich Mensch, und als solches bin ich Körper (Materie) und Seele (Form). Unsterblich ist dabei nur der Intellekt, der Individualität und die persönlichen Erinnerungen trägt.

Gruss
Y.-

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Hallo Ralf,

Im Buddhismus wird keine
Seele gelehrt, sondern im Gegenteil die Nichtexistenz einer
Seele oder sonst eines den Tod überdauernden ‚Wesenskerns‘.

wie werden dann Reinkarnationen, wie z.B. des Dalei Lama erklärt?

Gandalf

Hallo Gandalf,

wie werden dann Reinkarnationen, wie z.B. des Dalei Lama
erklärt?

gar nicht - weil es keine Reinkarnationen sind, auch wenn dies hartnäckig in westlichen Medien so dargestellt wird. Es handelt sich um eine spezifisch tibetische bzw. spätbuddhistische Auffassung, die nicht im Sinne einer Reinkarnationslehre, sondern doketisch zu deuten ist. Und die im übrigen außerhalb der tibetischen buddhistischen Tradition wenig Akzeptanz bei Buddhisten findet.

Die Dalai Lamas (alle 14) werden im tibetischen Buddhismus als materielle Erscheinungsform / Emanation (nirmanakaya) des ‚transzendenten‘ Bodhisattva Avalokitesvara, der einer überzeitlichen Existenzebene (sambhogakaya) angehört, angesehen. Der jetzige (14.) Dalai Lama ist gemäß dieser Auffassung also wie alle seine Vorgänger eine Inkarnation Avalokitevaras, aber nicht eine Re inkarnation des 13. Dalai Lama.

Im tibetischen spricht man auch nicht von einer ‚Reinkarnation‘ oder ‚Wiedergeburt‘, sondern von einem Tulku (sPrul sku), was wiederum lediglich das tibetische Wort für skrt. nirmanakaya ist. Ein anderer bekannter Tulku ist etwa der Panchen Lama, der jeweilige ‚Amtsinhaber‘ gilt als Inkarnation des ‚transzendenten‘ Buddha Amitabha.

Die Tulku-Tradition (genauer: die Auffassung, dass die Träger eines bestimmten geistlichen Titels Emanationen des jeweils gleichen personifizierten geistigen Prinzips sind) entstand, soweit ich es überblicke, im 12. Jahrhundert u.Z. mit Dusum Khyenpa, dem ersten Karmapa. Jedenfalls scheint dies die erste, historisch fassbare Person zu sein, die eine solche Tulku-Linie begründete.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Ralf,

wie werden dann Reinkarnationen, wie z.B. des Dalei Lama
erklärt?

gar nicht - …

danke für die Erklärung

Gandalf

Hi,

Unsterblich ist dabei nur
der Intellekt, der Individualität und die persönlichen
Erinnerungen trägt.

Die Erinnerungen sind aber doch stofflich gebunden, ohne Körper bzw. ohne Gehirn oder bei einem defekten Gehirn also verloren, wie etwa bei Alzheimer-Kranken.

Viele Grüße
WoDi

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Hallo Tobias,

Man sollte noch anmerken:

  1. es gibt kein „christliches Menschenbild“. Wenn (was ich
    überzeugt bin) den Gott gibt dann gibt es nur ein göttliches
    Menschenbild (egal wie wir uns selbst sehen).

Weil Menschen sich kein Bild vom Menschen als Menschen machen?
Und Christen auch nicht?

habs hinterher bemerkt dass es ne falsche Formulierung war. Klar macht sich jeder Mensch sein „bild“ (egal ob Christ oder Moslem). Aber es gibt nur ein Bild was wahr ist.

Damit wirfst Du die Antrhopologie aus dem Fenster, was für die
christliche Weltsicht doch überaus schwer zu verkraften wäre.

mag sein :smile: vielleicht bin ich ja ein neuer Galilei

http://de.wikipedia.org/wiki/Anthropologie

  1. Der Mensch ist Geist, hat eine Seele und lebt in einem
    Körper. Der Körper ist dem irdischen Verfall preisgegeben,
    aber das „ich“ ist nicht mein Körper sondern mein Geist (mit
    der Seele). Und die ist unsterblich - egal wie mein Körper
    hier auf Erden „vernichtet“ wird.

Das ist eine Sicht der Dinge. Die Platonische. Die
Aristotelische geht anders. (Beide sind im Übrigen zu
bestimmten Zeitpunkten in der christlichen
Kirchengeschichte (sic!) diskutiert.) Da bin ich Mensch, und
als solches bin ich Körper (Materie)
und Seele (Form). Unsterblich ist dabei nur
der Intellekt, der Individualität und die persönlichen
Erinnerungen trägt.

Wenn nur der Intellekt unsterblich ist, was ist mit denen die Alzheimer haben oder dumm geboren wurden (oder wurden *gg*) etc.?

Wiedergeburt im Buddhismus
Moin Gandalf,

Im Buddhismus wird keine
Seele gelehrt, sondern im Gegenteil die Nichtexistenz einer
Seele oder sonst eines den Tod überdauernden ‚Wesenskerns‘.

wie werden dann Reinkarnationen, wie z.B. des Dalei Lama
erklärt?

Willst du die lange Erklärung, oder die kurze? :smile:

Die lange wäre das hier:
http://www.berzinarchives.com/web/de/archives/sutra/…

Die beste kurze Erklärung, die ich bislang gehört habe, war der Vergleich mit zwei Billardkugeln, die zusammenstoßen. Der Lauf der zweiten Kugel wird durch den Lauf der ersten Kugel „verursacht“. Hier gibt es somit ein individuelles Kontinuum, aber die zweite Billardkugel ist nicht die erste Billardkugel. Der Impuls der ersten Billardkugel, welche die zweite Billardkugel anstößt, wäre im konkreten Fall ein „karmischer Impuls“.

Diese Prozess ist bei allen Wesen gleich. Das einzige, was uns von hochgradig verwirklichten Meditierenden unnterscheidet ist, dass letztere Zugang zu sehr subtilen Bewußtseinsstufen haben, und der Prozess dort nicht so unkontrolliert abläuft, wie bei unsereiner.

Dies ist auch keineswegs eine Spezialität des tibetischen Buddhismus, sondern hat seine Wurzlen in den Sutren

http://www.palikanon.de/samyutta/sam12_20.html#s12_17

Ich verweise insbesondere auf S. 12.17, S. 12.18 und S 12.19 und diesen Kommentar dazu:

Das Leiden, von dem in § 7 ff. unseres Sutta gesprochen wird, ist das Leiden der Wiedergeburten, des samsāra (Komm.: vattadukhham). Die Fragestellung ist also die, ob die Wiedergeburt eine selbstverschuldete ist, oder die Folge der Taten, des kamma, irgend eines anderen. Der Tathāgata lehnt diese Alternative ab. Durch sie würden nur zwei Extreme zum Ausdruck gebracht, die Wahrheit liegt in der Mitte. Bei Annahme der ersteren Alternative - dies ist Sinn von § 14 - käme man zu dem Schluß, daß ein bleibendes Ich von Existenz zu Existenz fortdauert; ein solches Ich gibt es aber nicht. Bei Annahme der zweiten Möglichkeit würde jeder Zusammenhang zwischen den einzelnen Existenzen aufgehoben. Ein solcher Zusammenhang besteht aber immerhin. Er wird hergestellt nicht durch ein dauerndes Ich, sondern nur durch die Bindeglieder, die in der Nidānakette aufgezählt sind, also durch die aus der früheren Existenz zurückbleibenden „Gestaltungen“, die zu „Bewußtsein“, „Name und Form“ usw. hinüberleiten. Über die beiden Theorien der sassata- und der ucchedaditthi s. N. zu 12. 48. 3 ff.

„Gestaltungen“ ist nun das, was ich oben als „Karmischen Impuls“ bezeichnet habe.

und den Erkenntnissen nordindischer Tantriker wie dem Bardo Thödröl von Padmasmbhava. Ich kann eigentlich nur jedem, der sich ernsthaft für diese Thematik interessiert, sich (auf der Grundlage fundierter Kenntnisse des Abidhamma) hiermit zu beschäftigen. Ich empfehle die Ausgabe von Robert Thurman, ISBN 3596151503 Buch anschauen (Der Titel „Tibetisches Totenbuch“ gibt den Inhalt nicht wirklich wieder. Weder ist es vom Ursprung her tibetisch, noch ein Todenbuch, das mal am Rande :smile:). Ein weiteres meiner Meinung nach empfehlenswertes Buch als Einführung in diese Thematik ist das Buch „Die Buddha-Natur. Tod und Unsterblichkeit im Buddhismus“ vom Dalai Lama; ISBN 3894270799 Buch anschauen.

Dem was Ralf zur tibetischen „Himmelsbestattung“ geschrieben hat, würde ich hingegen soweit zustimmen.

Lieben Gruß
Marion

Hö?

der Mensch hat von Gott aus in der Regel die Freiheit die Bestattungsart zu wählen.

Soweit noch akzeptabel.

Bisher dachte ich immer, das bezieht sich auf ein „Aus Erde geworden, zu Erde geworden“, frei nach Genesis.

Im Übrigen, wenn das Christentum eine spezielle Form der Behandlung der sterblichen Überreste nach dem Ableben verlangt hätte, wäre es sicher im Keim erstickt, da sich die christlichen Gefangenen in den Kolosseen nicht aussuchen konnten, dass der Löwe sie wieder ausspuckt oder die Fackel rechtzeitig ausgemacht wird!

Die noch im Leib verbliebenen und beim Scheiden der Seele noch nicht freigewordenen Seelenbestandteile, werden dann der Seele nach und nach zugefügt.

Interessante Lehre, die sich aber in keinster Weise mit dem Empfinden des Christentums deckt, denn dort ist die „Seele“ eine Entität und kein Flickenteppich.

Bei der Feuerbestattung erfolgt die Auflösung des Leichnams jedoch in sehr kurzer Zeit von etwa einer Stunde.

Also ähnlich wie bei den frühen Christen, die verbrannt wurden.

Die noch im Leib verbliebenen und beim Scheiden der Seele noch nicht freigewordenen Seelenbestandteile, werden dann der Seele s c h l a g a r t i g zugefügt. Das kann für die Seele eine Überladung und daher schmerzhaft sein.

Oha, dann hat die Inquisition ja den „durch das Feuer geläuterten“ sogar im Jenseits noch Schaden zugefügt!

Hast Du für diese These eine christlich basierte, also am besten biblische oder päpstlich abgesegnete Grundlage?

Es ist deshalb empfehlenswert, das Heil der Seele vor den Kostenvorteil der Feuerbestattung zu stellen und den Leichnam nach alter guter Sitte zu begraben.

Und bloß nicht von einer Bombe zerfetzt zu werden oder in einem Flugzeugabsturz zu verbrennen.
Wie ist das dann eigentlich mit Leichen, die in Säure aufgelöst werden? O.o

Sorry, das christliche „Seelenheil“ hatte weder vor 2000 Jahren noch heute etwas mit den sterblichen Überresten zu tun.

Gruß,
Michael

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Hallo Marion,

Dies ist auch keineswegs eine Spezialität des tibetischen
Buddhismus, sondern hat seine Wurzlen in den Sutren

soweit sich Dein Posting auf wechselseitig bedingtes Entstehen (pratityasamutpada) bezieht ist das schon richtig - das nidana ‚samskara‘ ist gewissermaßen der ‚karmische Motor‘ von Samsara. Für dieses karma gilt nach buddhistischem Verständnis:

Die in der Vergangenheit durch Karma bedingt entstandenen Daseinsgruppen [= skandhas, also Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, Wille und Bewusstsein], die sind eben dort erloschen. Durch das vergangene Karma aber bedingt , sind in diesem Dasein andere Gruppen entstanden; doch ist aus dem vergangenen Dasein nichts in dieses Dasein übergegangen. Auch die in diesem Dasein durch Karma bedingt entstandenen Gruppen [skandhas] _werden erlöschen; doch wird aus diesem Dasein nichts in das künftige Dasein übergehen.

(Visuddhimagga XIX.8)_

Was freilich die Identifikation von Kindern mit Epiphanien des sambhoghakaya und die Einsetzung dieser Kinder in geistliche Ämter angeht, so ist dies unzweifelhaft eine tibetische Spezialität. Jedenfalls, soweit es den Buddhismus angeht.

Gleichermaßen ist das, was Alexander Berzin in dem von Dir verlinkten Artikel erläutert, keineswegs eine allgemein buddhistische Auffassung. Hier wird über pratityasamutpada hinaus noch ein ‚Bewusstseinskontinuum‘ bemüht. Eben diese Lehre ist eine (in Nordindien entstandene) tibetische Spezialität; ihre frühesten Wurzeln finden sich nach meiner Kenntnis im Pramanavarttika des Dharmakirti (7. Jahrhundert u.Z.) sowie im von Berzin ja auch erwähnten Anuttara-Yoga-Tantra (nicht vor dem 8. Jahrhundert u.Z. entstanden). Die Kagyupa (eine der vier tibetischen buddhistischen ‚Sekten‘) führen außerdem noch gerne das Uttaratantra-Shastra an, das Asanga von dem zukunftigen Buddha Maitreya persönlich diktiert worden sein soll. Was natürlich ein krasser Anachronismus ist, wenn man es mit anderen Schriften des Yogacara-Begründers Asanga (geb. um 300) vergleicht. ‚Entdeckt‘ wurde der Text von Maitripa, im 11. Jahrhundert u.Z… Diese ‚Bewusstseinskontinuum-Theorie‘ ist also über ein Jahrtausend nach Buddha Shakyamuni und ein halbes Jahrtausend nach Nagarjuna (dem bedeutendsten Lehrer des Mahayana) entwickelt worden. Sie hat keinen Eingang in den fernöstlichen Buddhismus (China, Korea, Japan, Vietnam) gefunden und auch nicht in den Theravada-Buddhismus Sri Lankas und Südostasiens (Burma, Thailand, Siam, Kambodscha).

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin Ralf,

Dies ist auch keineswegs eine Spezialität des tibetischen
Buddhismus, sondern hat seine Wurzlen in den Sutren

soweit sich Dein Posting auf wechselseitig bedingtes Entstehen

Nein, ich beziehe mich ganz konkret auf das Samyutta Nikaya, wie ich es ja auch in meinem Posting verlinkt habe.

Auch die in diesem Dasein durch Karma
bedingt entstandenen Gruppen [skandhas]
werden erlöschen; doch wird aus diesem Dasein nichts in das
künftige Dasein übergehen.

(Visuddhimagga XIX.8)

Das ist korrekt, widerspricht aber auch nicht meiner Textquelle oder dem, was ich geschrieben habe. Hier wird ja auch zwischen Karma (gestaltender Faktor) und Skandhas unterschieden.

Was freilich die Identifikation von Kindern mit Epiphanien des
sambhoghakaya und die Einsetzung dieser Kinder in geistliche
Ämter angeht, so ist dies unzweifelhaft eine tibetische
Spezialität. Jedenfalls, soweit es den Buddhismus angeht.

Ich merke schon, dass du dich nicht sonderlich mit dem Phänomen der Tulkus beschäftigt hast. Hier werden z.B. keine Kinder in geistliche Ämter eingesetzt, sondern die Übernehme des jeweils „geistigen Amts“ findet erst nach bestandenen Prüfungen im Erwachsenenalter statt. Soviel nur dazu.

Dass es ein individuelles Kontinuum der gestaltenden Faktoren (Karma) gibt, hab ich ja mit der Stelle im Samyutta Nikaya belegt. Bleibt die Frage offen, ob es grundsätzlich möglich ist, bei seinem Tod Einfluss auf den Verbleib dieser gestaltenden Faktoren zu nehmen. Auch dies muss vor dem Hintergrund allgemeiner buddhistischer Lehre bejaht werden, da, wie aus der verlinkten Textstelle hervorgeht, die Beseitigung der Unwissenheit den gestaltenden Faktoren die Kontrolle nimmt. Mensche Buddhisten nennen diesen Zustand dann Erleuchtung oder Erwachen :smile:

Die einzige Frage, die letztendlich offen bleibt ist, ob sich nun diese individuellen gestaltenden Faktoren, wenn sie sich mit einem neuen „Skandha-Bausatz“ verbinden, tatsächlich auch erkannt werden können (theoretisch ist diese Möglichkeit eh zu bejahen). Hier sagen nun die Tibeter, dass sie dies in bestimmten Einzelfällen können. Das kann man nun glauben oder nicht, aber hier ging es ja nicht um die Frage, was du glaubst, sondern um die Frage, ob dieses Phänomen aus der buddhistischen Lehre heraus erklärt werden kann. Und das kann es.

Ich glaube zum Beispiel auch nicht, dass man mit „Koans“ irgend sowas wie Erleuchtung erlangen kann. Dennoch würde ich mich hier nicht hinstellen und verlauten lassen, dass „Koans“ nicht durch buddhistische Lehre gedeckt sind und so eine Art japanische Folklore darstellen.

Gleichermaßen ist das, was Alexander Berzin in dem von Dir
verlinkten Artikel erläutert, keineswegs eine allgemein
buddhistische Auffassung. Hier wird über pratityasamutpada
hinaus noch ein ‚Bewusstseinskontinuum‘ bemüht.

Es geht um die gestaltenden Faktoren, also das Karma. Ein Buddha hat vollständige Einsicht in die karmischen Zusammenhänge, somit muss es sich dabei um einen Teil des Bewusstseins handeln, sonst könnte sich nämlich auch ein Buddha nicht dieser Zusammenhänge bewusst werden. Allerdings befindet sich dieses Bewusstsein auf einer so subtilen Stufe, dass der normale Durchschnittsmeditierende darauf keinen Zugriff hat.

Eben diese
Lehre ist eine (in Nordindien entstandene) tibetische
Spezialität;

Nun, du musst mir schon konkret sagen, was du für eine „tibetische Spezialität“ hältst. Das Prinzip der gestaltenden Faktoren oder Karma kann es ja wohl nicht sein, genau so wenig wie die Lehre, dass Karma und Skandhas nicht das gleiche sind oder Karma Teil der Skandhas ist.

ihre frühesten Wurzeln finden sich nach meiner
Kenntnis

Wenn du spezifizierst, was genau dau mit „ihre“ meinst, dann können wir gerne diskutieren. Das Prinzip der Gestaltenden Faktoren und ihre Eigenschaften, um die es hier geht, wird es jedenfalls wohl nicht sein.

Deine weiteren Hinweise sind ja ganz schön, allerdings wüsste ich gerne, was du mit „Bewusstseinstheorie“ bezeichnest. Ich bin auch gerne bereit, mit dir Asanga, Nagarjuna oder andere buddhistische philosophische Richtungen zu diskutieren, sofern du diese Namen auch mit etwas Inhalt füllst und mir verrätst, was genau du eigentlich diskutieren möchtest.

Ansonsten weiß jeder, der sich eigehend mit dem Buddhismus beschäftigt hat, dass sich sehr früh unterschiedliche Buddhistische Strömungen entwickelt haben, die sich teilweise auch ganz schön widersprechen, und zumindest die unterschiedlichen Sichtweisen der Schulen, die im tibetischen Buddhismus angekommen sind, werden hier gerne und mit Freuden diskutiert.

In diesem Sinn frage ich dich dann mal, was denn sie Zen-Buddhisten annehmen, was mit den gestaltenden Faktoren passiert, wenn die Skandhas zerfallen?

Diese ‚Bewusstseinskontinuum-Theorie‘ ist also über ein Jahrtausend :nach Buddha Shakyamuni und ein halbes Jahrtausend nach Nagarjuna (dem :bedeutendsten Lehrer des Mahayana) entwickelt worden. Sie hat keinen :Eingang in den fernöstlichen Buddhismus (China, Korea, Japan, :Vietnam) gefunden und auch nicht in den Theravada-Buddhismus Sri :Lankas und Südostasiens (Burma, Thailand, Siam, Kambodscha).

Hier irrst du übrigens schon wieder. Selbsverständlich geht man im Theravada von einem nicht endenden Daseinskreislauf aus. Schließlich ist es das vornehmlichste Ziel im Theravada, diesen Daseinskreislauf zu verlassen. Der Grundlegende Unterschied zum Mahayana besteht lediglich darin, dass es im Theravada nach Erreichen der Buddhaschaft kein freiwilliges Verweilen im Daseinskreislauf gibt. Aber auch im Theravada geht man davon aus, dass „man“ bis zur Erleuchtung immer und immer weiter im Daseinkreislauf gefangen ist, was natürlich nichts anderes ist, als ein Kontinuum bis zum „Ausstieg“ durch Erreichen der Buddhaschaft.

Wäre es nicht so, würden, mit Verlaub, alle Anstrengungen auch gar keinen Sinn machen. Dann wechselt man eben ins Lager der Materialisten über und postuliert, mit dem Tod ist alles aus und es gibt keinen immerwährenden Daseinskreislauf. Aber dann wäre man auch kein Buddhist mehr.

Gruß
Marion

Hallo Marion

Ich merke schon, dass du dich nicht sonderlich mit dem
Phänomen der Tulkus beschäftigt hast. Hier werden z.B. keine
Kinder in geistliche Ämter eingesetzt, sondern die Übernehme
des jeweils „geistigen Amts“ findet erst nach bestandenen
Prüfungen im Erwachsenenalter statt. Soviel nur dazu.

geschenkt. Hältst Du das in diesem Zusammenhang für tatsächlich für ein wesentliches Argument, in welchem Alter die offizielle Einsetzung stattfindet? Mal abgesehen davon, dass mw wohl noch keiner dieser Tulkus durch die Prüfungen gefallen ist … Der Punkt ist, dass es Vergleichbares in anderen buddhistischen Traditionen nicht gibt.

Dass es ein individuelles Kontinuum der gestaltenden Faktoren
(Karma) gibt, hab ich ja mit der Stelle im Samyutta Nikaya
belegt.

Das war ja auch überhaupt nicht strittig - es ging darum, ob ein ‚Bewusstseinskontinuum‘ oder ‚geistiges Kontinuum‘ über den Tod hinaus besteht. Ein „individuelles“ sogar - so steht es nämlich in dem Text von Alexander Berzin. Und eben dies kannst Du mit dieser oder irgendeiner anderen Stelle aus dem Palikanon nicht belegen. Schau dir z.B. mal Samyutta Nikaya 22.49 an:

18. „Ist das Bewußtsein unvergänglich oder vergänglich?“ - „Vergänglich, o Herr.“ - „Was aber vergänglich ist, ist das leidig oder freudig?“ - „Leidig, o Herr.“ - „Was nun vergänglich, leidig, wandelbar ist, kann man dies mit Recht so ansehen: ‚Dies ist mein, das bin ich, das ist mein Selbst‘?“ - „Gewiß nicht, o Herr.“
[…]
23. "Daher, o Sona, was es irgend an Bewußtsein gibt, vergangen, künftig, gegenwärtig, eigen oder fremd, grob oder fein, gewöhnlich oder edel, fern oder nahe: von jedem Bewußtsein gilt: ‚Dies ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‘. - So hat man dies der Wirklichkeit gemäß mit rechter Weisheit zu betrachten.

  • diese Aussage über das Bewusstsein (vijnana-skandha) wird für sämtliche weiteren skandhas wiederholt. Darüber hinaus existiert nichts weiter, auch kein „geistiges Kontinuum“:

Wenn nun, ihr Mönche, einer sagt: ‚Außerhalb von Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen will ich des Bewußtseins Kommen oder Gehen, Schwinden oder Entstehen, Wachstum, Entwicklung, Fülle verkünden‘ - so besteht keine Möglichkeit dafür.
(S.22.53.)

So weit jedenfalls der Palikanon. Die Lehre von einem anfangs- und endlosen Bewusstseinkontinuum oder geistigen Kontinuum - also das, was Berzin da referiert - steht eindeutig in krassem Widerspruch zu den Sutren des Palikanon, da beisst die Maus keinen Faden ab.

Vielleicht magst Du Dir zur theravadischen Position einmal Visuddhimagga XIV anschauen - dort ist von einem individuellem ‚Bewusstseinstrom‘ oder ‚Bewusstseinskontinuum‘ (bhavanga sota) die Rede. Allerdings keinem anfangs- und endlosen, sondern einem, das mit der Geburt ins Dasein tritt (patisandhi citta) und mit dem Sterben endet (cuti citta).

Bleibt die Frage offen, ob es grundsätzlich möglich
ist, bei seinem Tod Einfluss auf den Verbleib dieser
gestaltenden Faktoren zu nehmen. Auch dies muss vor dem
Hintergrund allgemeiner buddhistischer Lehre bejaht werden,
da, wie aus der verlinkten Textstelle hervorgeht,

Die Frage selbst will ich einmal offen lassen aber Dich darauf hinweisen, dass du den Grund meines Einwandes offenbar nicht verstanden hast. Herr Berzin mag in "der verlinkten Textstelle " sehr beredt die tibetische Position darstellen, das heisst noch lange nicht, dass dies „vor dem Hintergrund allgemeiner buddhistischer Lehre bejaht werden“ muss. Wirklich nicht.

Nun, du musst mir schon konkret sagen, was du für eine
„tibetische Spezialität“ hältst.

Das habe ich sehr deutlich - einschließlich Verweis auf die Herkunft dieses Konzeptes. Nochmals: das Postulieren eines individuellen anfangs- und endlosen ‚geistigen Kontinuums‘ (wie bei Berzin) oder ‚Bewusstseinskontinuums‘ bzw. ‚Bewusstseinsstroms‘ (diese Begriffe findet man in anderen erläuternden Texten) findet sich im Buddhismus außerhalb der tibetischen Tradition nicht.

Das Prinzip der Gestaltenden
Faktoren und ihre Eigenschaften, um die es hier geht, wird es
jedenfalls wohl nicht sein.

Das hast Du richtig erkannt.

Deine weiteren Hinweise sind ja ganz schön, allerdings wüsste
ich gerne, was du mit „Bewusstseinstheorie“ bezeichnest.

Das wüsste ich jetzt aber auch gerne - mir ist nämlich nicht erinnerlich, dass ich eine solche Bezeichnung gebraucht hätte. Ich habe vielmehr von „dieser Bewusstseinskontinuum-Theorie“ geschrieben und was damit gemeint war, kannst Du den unmittelbar vorangehenden sechs Sätzen unschwer entnehmen.

Ich
bin auch gerne bereit, mit dir Asanga, Nagarjuna oder andere
buddhistische philosophische Richtungen zu diskutieren, sofern
du diese Namen auch mit etwas Inhalt füllst und mir verrätst,
was genau du eigentlich diskutieren möchtest.

Mir ging es nicht eine Diskussion dieses Konzeptes eines ‚geistigen Kontinuums‘ (das wäre ein Thema für buddhistisches Spezialforum) - nur um die Klarstellung, dass es sich nicht um eine allgemein anerkannte buddhistische Lehre handelt, wie in dem von Dir verlinkten Text unterstellt. Die meisten Buddhisten haben mit Texten wie dem Anuttara Yogatantra oder dem Uttara Tantra Shastra nämlich absolut nichts am Hut.

In diesem Sinn frage ich dich dann mal, was denn sie
Zen-Buddhisten annehmen, was mit den gestaltenden Faktoren
passiert, wenn die Skandhas zerfallen?

Ist jetzt zwar völlig offtopic - aber Du wirst Dich vielleicht erinnern, dass ich vor einer Weile die Thematik ‚punarbhava‘ anhand des Mahayana Shraddhotpada Shastra und des alaya-vijnana erläutert habe: /t/kritische-frage-zum-thema-wiedergeburt/3869705/44

… mit deutlichen Hinweis darauf, dass es sich um die Sicht einer speziellen Schule des Buddhismus (Vijnaptimatra / Yogacara) handelt. Nicht wie Berzin: " Der Buddhismus erklärt …". „… gemäß der buddhistischen Erläuterung …“ usw. usf. So etwas ist schlicht irreführend und eine ungerechtfertigte Vereinnahmung.

Hier irrst du übrigens schon wieder. Selbsverständlich geht
man im Theravada von einem nicht endenden Daseinskreislauf
aus. Schließlich ist es das vornehmlichste Ziel im Theravada,
diesen Daseinskreislauf zu verlassen. Der Grundlegende
Unterschied zum Mahayana besteht lediglich darin, dass es im
Theravada nach Erreichen der Buddhaschaft kein
freiwilliges Verweilen im Daseinskreislauf
gibt. Aber auch im Theravada geht man davon aus, dass „man“
bis zur Erleuchtung immer und immer weiter im Daseinkreislauf
gefangen ist, was natürlich nichts anderes ist, als ein
Kontinuum bis zum „Ausstieg“ durch Erreichen der Buddhaschaft.

Ich irre mich da durchaus nicht. Hier kommen genau zu dem Punkt, wo der Hund begraben liegt. Dieses „man“ existiert so nach Auffassung der Theravadin (und btw auch der Madhyamika) nämlich nicht, es ist maya, leidhafte Täuschung. Da ist nichts Substanzielles „im Daseinskreislauf gefangen“, auch kein in Anführungsstriche gesetztes „man“. Vgl. die Zitate oben aus S.22. Über die empirische Existenz einer vergänglichen Zusammensetzung von skandhas (eines Individuums) hinaus gibt es keine Kontinuität, lediglich karmische Früchte.

Das Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da. Die Taten gibt es, doch kein Täter findet sich. Erlösung gibt es, doch nicht den erlösten Mann. Den Pfad gibt es, doch keinen Wanderer sieht man da.
(Visuddhimagga XVI.4)

Deswegen erlischt nach Auffassung der Theravadin das individuelle ‚geistige Kontinuum‘ (bhavanga sota) mit dem Sterbebewusstsein, s.o. Was das alaya-vijnana der Yogacarin angeht - das ist zwar ein anfangs- und endloses (überzeitliches) Kontinuum, aber eben kein individuelles.

Das „man“, das da in den „subtilsten“ Schichten des Bewusstseins herumgeistern soll und dem eine überzeitliche Existenz als individuelles „geistiges Kontinuum“ zugebilligt wird, ist nichts anderes als ein ‚atman‘. Das ist der begrabene Hund.

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin,

geschenkt. Hältst Du das in diesem Zusammenhang für
tatsächlich für ein wesentliches Argument, in welchem Alter
die offizielle Einsetzung stattfindet?

Ja. Ich gehe nämlich davon aus, dass der Mensch in 15-20 Jahren eine Menge lernen kann. Auch ein kleiner Tulku muss lernen wie alle anderen auch.

Mal abgesehen davon,
dass mw wohl noch keiner dieser Tulkus durch die Prüfungen
gefallen ist …

Ich möchte gerne auf ein in buddhistischen Kreisen bekanntes Beispiel des 6. Dalai Lama Tsangyang Gyatso vertweisen, der nicht nur niemals ein geistiges Amt ausübte, sondern sogar seine Mönschgelübte zurückgab und das Leben eines Laien führte.

Sicher hat ein kleiner Tulkus vermutlich größere Chancen, glatt durch die jahrzehntelange buddhistische Schulung zu kommen, schlichtweg weil der Zugang zur feinsten Ausbildung und den fähigsten Lehrern hat, die der tibetische Buddhismus zu seiner jeweiligen Zeit aufbieten kann, aber eine Garantie gibt es trotzdem nicht. Bestimmte „geistige Ämter“ sind sowieso mit den wenigstens Tulkus verknüpft. Irgendwann muss jeder Tulku zeigen, wo seine Fähigkeiten sind.

Der Punkt ist, dass es Vergleichbares in
anderen buddhistischen Traditionen nicht gibt.

Was ich ja auch eingeräumt habe.

Dass es ein individuelles Kontinuum der gestaltenden Faktoren
(Karma) gibt, hab ich ja mit der Stelle im Samyutta Nikaya
belegt.

Das war ja auch überhaupt nicht strittig - es ging darum, ob
ein ‚Bewusstseinskontinuum‘ oder ‚geistiges Kontinuum‘ über
den Tod hinaus besteht. Ein „individuelles“ sogar - so steht
es nämlich in dem Text von Alexander Berzin. Und eben dies
kannst Du mit dieser oder irgendeiner anderen Stelle aus dem
Palikanon nicht belegen. Schau dir z.B. mal Samyutta Nikaya
22.49 an:

18. „Ist das Bewußtsein unvergänglich oder
vergänglich?“ - „Vergänglich, o Herr.“ - „Was aber vergänglich
ist, ist das leidig oder freudig?“ - „Leidig, o Herr.“ - „Was
nun vergänglich, leidig, wandelbar ist, kann man dies mit
Recht so ansehen: ‚Dies ist mein, das bin ich, das ist mein
Selbst‘?“ - „Gewiß nicht, o Herr.“
[…]
23. "Daher, o Sona, was es irgend an Bewußtsein gibt,
vergangen, künftig, gegenwärtig, eigen oder fremd, grob oder
fein, gewöhnlich oder edel, fern oder nahe: von jedem
Bewußtsein gilt: ‚Dies ist nicht mein, das bin ich nicht, das
ist nicht mein Selbst‘. - So hat man dies der Wirklichkeit
gemäß mit rechter Weisheit zu betrachten.

Das ist ja auch richtig. Bitte vesteh mich nicht falsch. Es war keinesfalls meine Absicht, die gestaltenden Faktoren, die eben dieses Kontinuum bilden, nun als neues „Selbst“ oder gar nicht wandelbares, nicht vergängliches Selbst zu postulieren, das quasi wie ein Koffer durch die verschiedenen Leben reist. Das wäre das eine Extrem, dass zu verneinen ist, wie ja ach im Text von Berin beschrieben. Die andere Vorstellung hingegen, die ebenfalls zu verneinen ist, wäre das andere Extrem, nämlich die Vorstellung, dass diese „gestaltenden Faktoren“ nun etwas vom Individuum völllig unabhängiges sind und quasi ein „Eigenleben“ führen. Auch diese Vorstellung wird im Samyutta Nikaya verneint. Die „Wahhrheit“ muss also irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegen und hier wird es einfach schwierig mit der Beschreibung.

Ich würde mich letztendlich auch damit zufriedengeben, wenn wir als Ergebnis dieser Diskussion festhalten, dass wir uns einig sind, dass diese beiden Extreme abzulehnen sind, uns aber nicht darüber einig sind, wie jetzt dass zu beschreiben ist, was eben den mittleren Weg zwischen diesen beiden Extremen kennzeichnet.

  • diese Aussage über das Bewusstsein (vijnana-skandha) wird
    für sämtliche weiteren skandhas wiederholt. Darüber hinaus
    existiert nichts weiter, auch kein „geistiges Kontinuum“:

Wenn nun, ihr Mönche, einer sagt: ‚Außerhalb von
Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen will ich des
Bewußtseins Kommen oder Gehen, Schwinden oder Entstehen,
Wachstum, Entwicklung, Fülle verkünden‘ - so besteht keine
Möglichkeit dafür.
(S.22.53.)

Korrekt. Das wäre nämlich das andere Extrem, dass z.B. die „gestaltenden Faktoren“ als außerhalb und unabhängig vom Individuum stehend angesehen werden.

So weit jedenfalls der Palikanon. Die Lehre von einem anfangs-
und endlosen Bewusstseinkontinuum oder geistigen Kontinuum -
also das, was Berzin da referiert - steht eindeutig in krassem
Widerspruch zu den Sutren des Palikanon, da beisst die Maus
keinen Faden ab.

Das sehe ich anders. Berzin macht ja gerade in seinem Text deutlich, dass dieses Kontinuum der gestaltenden Faktoren weder auf die eine Weise (Fließbandbeispiel), noch auf die andere Weise (es gibt Kontinuum der gestaltenden Faktoren, die völlig unabhängig vom Individuum existieren). Ich weiß nicht, ob sein Beispiel vom Kinofilm gut gewählt ist, ich hatte einige Schwierigkeiten, es anfangs überhaupt zu verstehen. Mir ist da der Vergleich mit den Billardkugeln „eingängiger“, aber Berzin ist mit seinem Beispiel sicher näher am Abidhamma und den Aussagen darüber, was Bewusstsein eigentlich ist.

Vielleicht magst Du Dir zur theravadischen Position einmal
Visuddhimagga XIV anschauen - dort ist von einem individuellem
‚Bewusstseinstrom‘ oder ‚Bewusstseinskontinuum‘ (bhavanga
sota) die Rede. Allerdings keinem anfangs- und endlosen,
sondern einem, das mit der Geburt ins Dasein tritt (patisandhi
citta) und mit dem Sterben endet (cuti citta).

Ja, korrekt. Das würde ich mit dem gleichsetzen, was man heutzutage als „Hirntod“ beschreibt, also das Bewusstsein, das mit den Hirnaktivitäten verknüpft ist. Dieses erlischt tatsächlich zusammen mit dem Gehirn. Dies ist auch das, was die meisten Menschen als ihr „geistiges Selbst“ bezeichnen würden, und ja, davon bleibt nichts.

Das habe ich sehr deutlich - einschließlich
Verweis auf die Herkunft dieses Konzeptes. Nochmals: das
Postulieren eines individuellen anfangs- und endlosen
‚geistigen Kontinuums‘ (wie bei Berzin) oder
‚Bewusstseinskontinuums‘ bzw. ‚Bewusstseinsstroms‘ (diese
Begriffe findet man in anderen erläuternden Texten) findet
sich im Buddhismus außerhalb der tibetischen Tradition nicht.

Ok, aber das läuft doch letztendlich dann auf eine Diskussion hinaus, als was man die „gestaltenden Faktoren“, also die karmischen Anlagen, karmische Samen oder was auch immer ansehen will. Streng genommen ist der Begriff „Same“ hier gennau so falsch, weil er eine gewisse Körperlichkeit suggeriert, die diese Faktoren sicher nicht haben. Genau so suggeriert „Bewusstsein“ einen Geisteszustand, auf den wir tatsächlich bewusst „zugreifen“ können. Auch das ist ja nicht der Fall. Nenn mir ein besseres Wort :smile:
(Ich will auch gerne nochmal nachschauen, welches Wort die Tibeter nun tatsächlich verwendet haben und was hier so unterschiedlich übersetzt wird und dann hoffen, dass es in meine Tibetisch/Sanskrit-Lexikon drinsteht, damit wir wiederum nachvollziehen können, worauf sich die Tibeter nun wiederum in den Sutras beziehen.) Es kann aber sein, dass ich danach einen meiner tibetisch Dozenten fragen muss, und davon sehe ich erst frühestens Montag wieder eine. Ich bitte also in dieser Frage um etwas Geduld.

Mir ging es nicht eine Diskussion dieses Konzeptes eines
‚geistigen Kontinuums‘ (das wäre ein Thema für buddhistisches
Spezialforum) - nur um die Klarstellung, dass es sich nicht um
eine allgemein anerkannte buddhistische Lehre handelt, wie in
dem von Dir verlinkten Text unterstellt. Die meisten
Buddhisten haben mit Texten wie dem Anuttara Yogatantra oder
dem Uttara Tantra Shastra nämlich absolut nichts am Hut.

Müssen sie ja auch nicht. Man könnte sagen, diese Texte sind Versuche in einer bestimmten Philosophischen Schule die Fragen zu beantworten, die aus dem Text im Samyutta Nikaya entstehen, also meinetwegen nenne es „Geist-Kontinuum“ wenn dir mit dem Begriff „Geist“ wohler ist, als mit dem Begriff „Bewusstsein“.

In diesem Sinn frage ich dich dann mal, was denn sie
Zen-Buddhisten annehmen, was mit den gestaltenden Faktoren
passiert, wenn die Skandhas zerfallen?

Ist jetzt zwar völlig offtopic - aber Du wirst Dich vielleicht
erinnern, dass ich vor einer Weile die Thematik ‚punarbhava‘
anhand des Mahayana Shraddhotpada Shastra und des
alaya-vijnana erläutert habe:
/t/kritische-frage-zum-thema-wiedergeburt/3869705/44

Ich finde das überhaupt nicht off-topic. Ganz im Gegenteil, ich finde, dass du in dem Posting den Standpunkt des Buddhismus hervorragend erklärst und auch den unterschiedlichen Standpunkten diesbezügilch innerhalb des Buddhismus durchaus gerecht wirst. Deshalb verstehe ich auch nicht, wieso wir hier nicht auf einen Nenner kommen.

Genau darum (ich zitiere mal aus deinem Posting)

_Das, was diesem Wandern Zusammenhang gibt, was es zu einem Wandern über unzählige Existenzen hinweg macht, ist nicht eine Seele, ein fester personaler ‚Kern‘, der die Existenzform wandelt, sondern eine unpersönliche Wirkungskraft – karma.

Geht es doch. Diese Wirkungskraft (ich hab es „gestaltende Faktoren“ genann) ist in der Tat unpersönlich, weil zu einer Person eben noch mehr dazu gehört, nämmlich die Skandhas. Aber es ist dennoch individuell.

Hier irrst du übrigens schon wieder. Selbsverständlich geht
man im Theravada von einem nicht endenden Daseinskreislauf
aus. Schließlich ist es das vornehmlichste Ziel im Theravada,
diesen Daseinskreislauf zu verlassen. Der Grundlegende
Unterschied zum Mahayana besteht lediglich darin, dass es im
Theravada nach Erreichen der Buddhaschaft kein
freiwilliges Verweilen im Daseinskreislauf
gibt. Aber auch im Theravada geht man davon aus, dass „man“
bis zur Erleuchtung immer und immer weiter im Daseinkreislauf
gefangen ist, was natürlich nichts anderes ist, als ein
Kontinuum bis zum „Ausstieg“ durch Erreichen der Buddhaschaft.

Ich irre mich da durchaus nicht. Hier kommen genau zu dem
Punkt, wo der Hund begraben liegt. Dieses „man“ existiert
so nach Auffassung der Theravadin (und btw
auch der Madhyamika) nämlich nicht, es ist maya, leidhafte
Täuschung. Da ist nichts Substanzielles „im Daseinskreislauf
gefangen“, auch kein in Anführungsstriche gesetztes „man“.
Vgl. die Zitate oben aus S.22. Über die empirische Existenz
einer vergänglichen Zusammensetzung von skandhas (eines
Individuums) hinaus gibt es keine Kontinuität, lediglich
karmische Früchte.

Also wenn du meinst, dass „karmische Früchte“ nun irgendwie eine bessere Umschreibung ist als „gestaltende Faktoren“ oder „man“, dann bitte, nennen wir die Kontinuität meinetwegen „karmische Früchte“. Wenn ich jetzt deine Wortwahl so zerpflücken würde wie du meine, dann könnte ich auch sagen, was hat das jetzt mit Obst und Gemüse zutun, aber so bin ich ja nicht :smile:

Das Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da. Die
Taten gibt es, doch kein Täter findet sich. Erlösung gibt es,
doch nicht den erlösten Mann. Den Pfad gibt es, doch keinen
Wanderer sieht man da.
(Visuddhimagga XVI.4)

Deswegen erlischt nach Auffassung der Theravadin das
individuelle ‚geistige Kontinuum‘ (bhavanga sota) mit dem
Sterbebewusstsein, s.o. Was das alaya-vijnana der Yogacarin
angeht - das ist zwar ein anfangs- und endloses
(überzeitliches) Kontinuum, aber eben kein individuelles.

Die Menschen kommen aber nunmal nicht mit „Null Karma“ auf die Welt. Auch Säuglingen oder Kleinkinder müssen teilweise furchtbar leiden und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man nach dem was du schreibst, dieses Leiden erklären will. Wenn es kein individuelles Kontinuum diesbezüglich gibt, was bleibt dann? Zufall? Dies wird vom Buddha ausdrücklich verneint. Ich zitiere nochmal aus dem Samyutta Nikaya:

Auf die Frage ,ist etwa Lust und Leiden, Herr Gotama, selbstverursacht?’ antwortest du: ,nicht so (sollst du sprechen), Timbaruka’. - Auf die Frage ,oder aber ist Lust und Leiden, Herr Gotama, von einem anderen verursacht?’ antwortest du: ,nicht so (sollst du sprechen), Timbaruka’ (*f49). - Auf die Frage ,ist etwa Lust und Leiden, Herr Gotama, sowohl selbstverursacht als auch von einem anderen verursacht?’ antwortest du: ,nicht so (sollst du sprechen), Timbaruka.’ - Auf die Frage ,oder aber ist Lust und Leiden, Herr Gotama, nicht selbstbewirkt und auch nicht von einem anderen bewirkt, sondern durch Zufall entstanden?’ antwortest du: ,nicht so (sollst du sprechen), Timbaruka.’ - Auf die Frage ,gibt es also, Herr Gotama, überhaupt keine Lust und kein Leiden?’ antwortest du: ,es ist nicht so, Timbaruka, daß es keine Lust und kein Leiden gibt; es gibt wohl Lust und Leiden, Timbaruka.’ - Auf die Frage ,kennt also der Herr Gotama Lust und Leiden nicht und sieht es nicht?’ antwortest du: ,es ist nicht so, Timbaruka, daß ich Lust und Leiden nicht kenne und nicht sehe; ich kenne Lust und Leiden wohl, Timbaruka, ich sehe Lust und Leiden wohl, Timbaruka.’ - Es soll mir der Herr Gotama Lust und Leiden darlegen, es soll mir der Herr Gotama Lust und Leiden verkündigen."

  1. "Behauptet man ,die nämliche Empfindung ist es, die (wieder) empfindet,’ so gibt es einen, der von Anbeginn da ist und seine Lust und sein Leiden ist selbstverursacht: so aber lehre ich nicht.

  2. Behauptet man ,eine andere Empfindung ist es, die (wieder) empfindet, so ist für den, der von Empfindung betroffen ist, Lust und Leiden von einem anderen verursacht: so aber lehre ich nicht.

  3. Diese beiden Enden vermeidend, Timbaruka, verkündet in der Mitte der Tathāgata die wahre Lehre: "Aus dem Nichtwissen als Ursache entstehen die Gestaltungen; aus den Gestaltungen als Ursache entsteht das Bewußtsein usw. usw. (= 1. 3). Auf solche Art kommt der Ursprung der ganzen Masse des Leidens zu stande. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung des Nichtwissens folgt Aufhebung der Gestaltungen; aus der Aufhebung der Gestaltungen folgt Aufhebung des Bewußtseins usw. usw. (= 1. 4). Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zu stande. "

Das „man“, das da in den „subtilsten“ Schichten des
Bewusstseins herumgeistern soll und dem eine überzeitliche
Existenz als individuelles „geistiges Kontinuum“ zugebilligt
wird, ist nichts anderes als ein ‚atman‘. Das ist der
begrabene Hund.

Nein, das ist Quark. Das es unterschiedlich subtile Formen des Bewusstseins gibt, ist heutzutage selbst unter nicht Buddhisten eine anerkannte Feststellung. Wenn du schläfst, dann schaltet sich dein Gehirn nicht ab. Dennoch hast du im allgemeinen keinen Zugriff darauf, was sich in deinem „Geist“ oder Bewusstsein abspielt. Wer es nun tatsächlich schafft, z.B. durch Training in diese Geistesebene vorzudringen oder sich zufällig an einen Traum erinnert, wenn er gerade aufwacht, der hat lediglich Zugang zu einer subtileren Schicht des Bewusstseins (was es in dem Moment ja ist, wenn man es sich bewusst mach). Auch dieses substilen und subtilste Schichten sind unbeständig, wandelbar, haben keinen inhärenten Kern etc. und sind mitnichten irgendwas wie „atman“.

Gruß
Marion_

Hallo Marion,
ich möchte diese Diskussion, die mit dem eigentlichen Thread ja nichts zu tun hat nicht übermäßig auswalzen. Wie schon geschrieben ging es mir vorrangig darum, dem Missverständnis entgegenzuwirken, der Artikel von Berzin stelle eine im Buddhismus allgemein akzeptierte und vertretene Position dar.

Ich möchte gerne auf ein in buddhistischen Kreisen bekanntes
Beispiel des 6. Dalai Lama Tsangyang Gyatso vertweisen, der
nicht nur niemals ein geistiges Amt ausübte, sondern sogar
seine Mönschgelübte zurückgab und das Leben eines Laien
führte.

Ja sicher - was nichts daran änderte, dass er weiterhin den Titel des Dalai Lama führte. Wie Du richtig schreibst, übte er die damit verbunden Befugnisse und Aufgaben nicht aus. Übrigens sprach ich von ‚geistlichen Ämtern‘ - sicher ein Ausdruck, der auf Titel wie Dalai Lama, Panchen Rinpoche, Karmapa usw. nur bedingt passt. Andererseits - nur von einem ‚Titel‘ zu sprechen, trifft es ja auch nicht. Aber verzetteln wir uns hier nicht.

Der Punkt ist, dass es Vergleichbares in
anderen buddhistischen Traditionen nicht gibt.

Was ich ja auch eingeräumt habe.

So weit, so gut.

Ich würde mich letztendlich auch damit zufriedengeben, wenn
wir als Ergebnis dieser Diskussion festhalten, dass wir uns
einig sind, dass diese beiden Extreme abzulehnen sind, uns
aber nicht darüber einig sind, wie jetzt dass zu beschreiben
ist, was eben den mittleren Weg zwischen diesen beiden
Extremen kennzeichnet.

Völlig d’accord.

Das sehe ich anders. Berzin macht ja gerade in seinem Text
deutlich,

Ich halte Berzins Handhabung des Kontinuumsbegriffes für in mehrerer Hinsicht angreifbar. Vor allem wäre da seine Unterscheidung materieller Kontinua und geistiger Kontinua zu nennen; dieser Geist/Materie-Dualismus steht z.B. im Gegensatz zur monistischen Vijnaptimatra-Auffassung. Das wäre ein Ansatzpunkt für eine Kritik vom Yogacara-Standpunkt her - die ich hier freilich inhaltlich nicht führen möchte, das wäre eine recht einsame Angelegenheit zwischen uns beiden und dürfte für ein Publikum ohne tiefere Sachkenntnis kaum nachvollziehbar sein. Ein anderer problematischer Punkt ist die These der Isoliertheit individueller geistiger Kontinua - konkret ignoriert dies die Rolle der Kommunikation; theoretisch sehe ich damit sogar die Bedingtheit dieser Kontinua (ihr samskrta) in Frage gestellt. Dies wäre ein Ansatzpunkt für eine Kritik vom (Prasanghika-) Madhyamaka-Standpunkt aus.

Wie gesagt, ich halte diese inhaltliche Diskussion hier nicht für sinnvoll. Du (und die meisten tibetischen Buddhisten mit Dir) siehst das anders als z.B. ich. Ich denke, es kann uns genügen, hier festzustellen, dass es da keinen allgemeinen buddhistischen Konsens gibt.

Ok, aber das läuft doch letztendlich dann auf eine Diskussion
hinaus, als was man die „gestaltenden Faktoren“, also die
karmischen Anlagen, karmische Samen oder was auch immer
ansehen will. Streng genommen ist der Begriff „Same“ hier
gennau so falsch, weil er eine gewisse Körperlichkeit
suggeriert, die diese Faktoren sicher nicht haben.

Richtig, der Begriff ‚bija‘ (Same) ist hier eine durchaus problematische Metapher. Passend ist das Bild insofern, als der Baum, der aus einem Samen wächst, mit dem Baum, der den Samen erzeugt hat, nichts gemeinsam hat außer dem ‚Programm‘ (in diesem Fall dem genetischen), das der Same überträgt und dass dieser Same zusätzliche Bedingungen (einen fruchtbaren Boden) benötigt, um zu reifen. Der Alternativbegriff (im Yogacara) ‚vasana‘ (Gewohnheitsenergieen, Konditionierungen) hat wiederum den Nachteil, dass er ein Etwas suggeriert, das konditioniert wird und entsprechend handelt - während lediglich Handeln als solches konditioniert wird

Genau so
suggeriert „Bewusstsein“ einen Geisteszustand, auf den wir
tatsächlich bewusst „zugreifen“ können. Auch das ist ja nicht
der Fall. Nenn mir ein besseres Wort :smile:

Richtig - natürlich umfasst der Vijnana-skandha nicht nur des Bewusste, sondern auch Un- und Vorbewusstes.

Die meisten
Buddhisten haben mit Texten wie dem Anuttara Yogatantra oder
dem Uttara Tantra Shastra nämlich absolut nichts am Hut.

Müssen sie ja auch nicht. Man könnte sagen, diese Texte sind
Versuche in einer bestimmten Philosophischen Schule die Fragen
zu beantworten, die aus dem Text im Samyutta Nikaya entstehen,
also meinetwegen nenne es „Geist-Kontinuum“ wenn dir mit dem
Begriff „Geist“ wohler ist, als mit dem Begriff „Bewusstsein“.

Den Begriff ‚geistiges Kontinuum‘ benutzt Berzin … :wink:

Genau darum (ich zitiere mal aus deinem Posting)

_Das, was diesem Wandern Zusammenhang gibt, was es zu
einem Wandern über unzählige Existenzen hinweg macht, ist
nicht eine Seele, ein fester personaler ‚Kern‘, der die
Existenzform wandelt, sondern eine unpersönliche Wirkungskraft
– karma.

Geht es doch. Diese Wirkungskraft (ich hab es „gestaltende
Faktoren“ genann) ist in der Tat unpersönlich, weil zu einer
Person eben noch mehr dazu gehört, nämmlich
die Skandhas. Aber es ist dennoch
individuell._

Eben da ist, glaube ich, unser Dissenz. Die ‚gestaltenden Faktoren‘, also die karmisch wirksamen samskara, sind gesetzte Ursachen und Bedingungen, die unter entsprechenden Voraussetzungen (weiteren Bedingungen) ihnen entsprechende Früchte erzeugen. Sie sind das willentliche Wirken eines ‚Individuums‘ (einer ephemeren Konstellation von skandhas) und sie sind ein Teil der Ursachen und Bedingungen (hetupratyaya), die andere ‚Individuen‘ bedingen. Ich sehe da keine karmische 1:1 Beziehung zwischen aufeinanderfolgenden ‚Individuen‘ (was nun wiederum, wie ich einräume, keine theravadische Auffassung ist).

Die Menschen kommen aber nunmal nicht mit „Null Karma“ auf die
Welt. Auch Säuglingen oder Kleinkinder müssen teilweise
furchtbar leiden und ich kann mir beim besten Willen nicht
vorstellen, wie man nach dem was du schreibst, dieses Leiden
erklären will.

Es ist bedingt. Die Säuglinge oder Kleinkinder (als ‚Individuen‘) haben mit diesen Bedingungen allerdings lediglich insofern etwas zu tun, als sie deren Produkt sind.

Das es unterschiedlich subtile Formen des
Bewusstseins gibt, ist heutzutage selbst unter nicht
Buddhisten eine anerkannte Feststellung. Wenn du schläfst,
dann schaltet sich dein Gehirn nicht ab. Dennoch hast du im
allgemeinen keinen Zugriff darauf, was sich in deinem „Geist“
oder Bewusstsein abspielt.

Das ist genau das, was im Theravada als ‚bhavanga sota‘ gelehrt wird, als subtilste Form des Bewusstseins - und das wie alles Bedingte anitya, vergänglich ist.

Freundliche Grüße,
Ralf