Hallo Matador,
du scheinst ein sehr aufmerksamer und vorausdenkender Leser zu sein. Das sind genau die Eigenschaften die man braucht wenn man mit Gesetzen arbeitet!
Zuerst möchte ich einmal ein paar Begriffe klären:
abstrakte Gefahr
Eine abstrakte Gefahr ist noch sehr unbestimmt und man kann nicht sagen WANN und WO sie sich verwirklichen wird. Zum Beispiel besteht auf einem überfüllten Weihnachtsmarkt immer die abstrakte Gefahr, dass Taschendiebe nach Beute suchen.
konkrete Gefahr
Eine konkrete Gefahr liegt immer dann vor, wenn man schon sagen kann, WANN und WO etwas passieren wird. Zum Beispiel liegt eine konkrete Gefahr für das Eigentum des Herrn Müller vor, wenn ein Dieb unbemerkt im Rucksack des Herrn Müller wühlt.
Herrschende Meinung (h.M)
Die herrschende Meinung wird mit h.M. abgekürzt und bedeutet, dass sie Mehrzahl der Juristen und die Rechtssprechung diese Meinung vertritt.
Andere Ansicht (a.A.)
Die andere Ansicht wird mit a.A. abgekürzt und ist die Meinung die eine Minderheit der Juristen vertritt.
Aufbau von Polizei- und Ordnungsgesetzen
Solche Gesetze sind meistens folgendermaßen aufgebaut: Zuerst wird die ZUSTÄNDIGKEIT geklärt. Damit jede Behörde weiß, was überhaupt die Aufgaben sind. Dies sind aber noch keine Befugnisse.
Anschließend werden die BEFUGNISSE geregelt. Erst hieraus kann man erkennen was die Polizei oder das Ordnungsamt tatsächlich DARF. Meistens kommt hier zuerst eine Generalermächtigung und dann die speziellen Ermächtigungen.
So, nun zu deiner eigentlichen Frage:
§1 PolG NRW und §1 OBG NRW sind Zuständigkeitsnormen. Hier soll festgelegt werden, das die Behörden für Sicherheit sorgen sollen. Wenn eine KONKRETE Gefahr vorliegt, sollen die Behörden auf jeden Fall etwas machen, aber der Gesetzgeber wollte, dass die Behörden auch schon zuständig sind, wenn nur eine abstrakte Gefahr vorliegt. So können die Behörden um ganz allgemein Taschendiebstahl auf Weihnachtsmärkten zu verhindern Fußstreifen gehen und Warnschilder aufhängen.
Hier möchte man den Behörden viel Spielraum geben und lässt sie deshalb schon bei ABSTRAKTEN GEFAHREN tätig werden, solange hierfür keine Grundrechte eingeschränkt werden.
§8 PolG NRW und §14 OBG NRW enthalten dagegen schon Befugnisse. Mit diesen dürfen schon ganz gezielt die Grundrechte der Bürger eingeschränkt werden. Der Polizei ist es durch diese Befugnisse zum Beispiel erlaubt jemanden zu durchsuchen oder jemandem einen Platzverweis zu erteilen.
Bevor so etwas aber stattfinden kann, verlangt der Gesetzgeber eine konkrete Gefahr. Man müsste also schon Hinweise darauf haben WER WEM WO WANN etwas klauen will.
Im PolG NRW steht deutlich drin, dass eine „konkrete Gefahr“ erforderlich ist. Das OBG NRW nennt „eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr“, meint damit aber, meiner Meinung nach, genau das gleiche.
Würde man den Begriff im OBG NRW als abstrakte Gefahr verstehen, würde das bedeuten, dass das Ordnungsamt zum Beispiel alle Personen auf dem Weihnachtsmarkt durchsuchen dürfte, nur weil möglicherweise Taschendiebe unter ihnen sind. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.
Wie schon oben angedeutet: Es gibt unter Juristen nie nur EINE richtige Meinung. Ich habe hier meine Ansicht dargelegt. Wenn du tatsächlich der Meinung bist, dass der Gesetzgeber hier nicht nur einfach anders formuliert hat, sondern etwas wichtiges aussagen wollte, kannst du in deiner nächsten Unibibliothek den Kommentar zum OBG NRW aus dem Regal holen und nachlesen was andere Juristen zu diesem Problem meinen.
Bei Rückfragen stehe ich dir gerne zur Verfügung.
Liebe Grüße
Elitebook