Welche Lebewesen könnten die mittelalterliche Furcht vor Drachen geschürt haben?

Hallo zusammen. Irgendwo muss ja die Vorstellung von Drachen,ihrer Große, ihrer Physiognomie…herkommen. Mir würde jetzt aber kein Tier im mittelalterlichen Europa einfallen, dass der Vorstellung eines Drachen entspricht oder auch nur ähnelt. Habt ihr Ideen?

Gruß und ein angenehmes Wochenende!

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Servus,

im Mittelalter gab es in Europa keine anderen Tiere als heute.

Das würde aber auch keinen Unterschied machen, weil mythische Mischwesen aus Schlangen und Raubtieren viel älter sind als das Mittelalter - Drachendarstellungen sind seit mindestens 2.600 Jahren belegt.

Wenn Du sagst, irgendwo müsse die Vorstellung herkommen, sagst Du damit nicht, dass es Drachen oder drachenähnliche Tiere jemals gegeben hat. Hat es auch nicht.

Schöne Grüße

MM

Hallo

Wie sah denn der mittelalterliche europäische Drache genau aus?
Meiner Meinung nach ist uns in erster Linie der Drache geläufig, der im 19. Jahrhundert als mittelalterlicher Drache dargestellt wurde, und der kann ohne weiteres vom chinesischen Drachen oder vom Krokodil beeinflusst gewesen sein.

Nach meinem recht oberflächlichen Eindruck ist der mittelalterliche europäische Drache entweder eine große Riesenschlange, oder eine Mischung aus allen möglichen Tieren, die man damals als gruselig oder gefährlich einstufte, also Schlange, Fledermaus, Löwe. Es kann aber sein, dass diese Bilder, die ich dazu im Kopf habe, eher in der Neuzeit (ca. 16. Jahrhundert) entstanden sind.

Also, zunächst müsste man sich damit beschäftigen, was denn tatsächlich im Mittelalter für Vorstellungen herrschten, im Gegensatz zu den Vorstellungen, die man sich im Laufe der Zeit vom Mittelalter gemacht hat, die sind nämlich oft reichlich unzutreffend.

Viele Grüße

Das erinnert dann an Rasselböcke und Wolpertinger, die man ja verschiedentlich noch ausgestopft antrifft.

Servus,

es ist allerdings beim Drachen (übrigens unabhängig von Ort und Zeit der Darstellung) immer ein Element von Schlange dabei, das z.B. Wolpertinger und Elwedritsche nicht haben.

Schöne Grüße

MM

Sklette und Abdrücke von Dinosaurieren sehen Drachen sehr ähnlich und sind riesig, könnten also das Bild beeinflusst haben.

Zudem wird heute der Lindwurm sehr viel drachenähnlicher dargestellt, bzw. sogar Drache genannt (Siegfried/Niebelungen).

Hallo

es gibt keinen Hinweis darauf, woher die Drachensagen wirklich kommen (von denen es ja seit mehr als 4500 Jahren Aufzeichnungen gibt, das Mittelalter war also nur das letzte Aufbäumen, bevor die sog. „Vernunft“ den Glauben an Drachen in Europa besiegte).

Drachenähnliche Tiere hat es im Zeitalter des Menschen nie und nirgends gegeben - selbst der Komodowaran oder Krokodile sind zu mickrig, um wirklich als Vorbilder der Drachen zu gelten.

Aber Mischwesen hat es in den Sagen immer schon gegeben - Minotaurus, Pegasus, Sphinxen - seit der Steinzeit kennt man Darstellungen von Mischwesen und frühe „Drachen“ waren z. B. Chimären aus Schlange und Löwe. Der Glaube an etwas, das man zwar nie selber sieht, aber an deren Existenz man glaubt - ist also wohl so alt, wie die Menschheit. Das Tor von Ischtar zeigt z, B. auch solche Chimären.
Bei Tageslicht betrachtet sind sogar unsere Engel (Menschen mit Adlerflügeln) auch noch mitten in dieser Tradition der Mischwesen - zumindest gibt es auch heute noch genug Menschen, die daran glauben.

Ich weiss, das Forum heisst wer-weiss-was, aber in diesem Fall spekuliere ich:

In wieweit Dinosaurierfossilien (die früher sicher gefunden wurden, aber nicht konserviert werden konnten) die Phantasie der Menschen beflügelten, wird wohl nie geklärt werden können - denn es gibt meines Wissens keine historischen Aufzeichnungen darüber, dass man ein Drachenskelett gefunden hätte. Und man hat sie garantiert gefunden und vermutlich durchaus als Echse erkannt und dann braucht es nicht viel, um ein Geschöpf darum zu bauen, das wie ein Drache aussieht.
Dinosaurierskelette findet man übrigens gehäuft in China - und der Drache ist dort ein dominierendes Fabeltier - ich mag deshalb wirklich nicht an einen Zufall glauben.

Gruss, Sama

(die in einer Stadt lebt, in der auch eine Drachenart - ein sog. Basilisk - heimisch gewesen sein soll und 1474 wurde sogar ein Hahn hingerichtet: Er hat Eier gelegt und bekanntlich schlüpfen aus Hahneneiern Basilisken…)

In dem Zusammenhang ist mir die eigentliche Frage aufgefallen, die ja in der Überschrift versteckt ist: Welche Lebewesen könnten die mittelalterliche Furcht vor Drachen geschürt haben?
Man fürchtet sich ja vor allem vor Dingen, die man nicht kennt, nicht sieht, und die es vorzugsweise gar nicht gibt. Die Furcht ist ja in der Dunkelheit am größten, wann man also gar nicht sieht, sich aber viel einbilden kann. Es ist also sehr passend, wenn die Furcht vor dem Lebewesen am größten ist, das noch nie einer zu Gesicht bekommen hat.

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Servus,

Skelette und Abdrücke von Dinosauriern wurden erst im 18. Jahrhundert als Skelette und Abdrücke von Dinosauriern verstanden; die mehr oder weniger phantasievollen Rekonstruktionen von Sauriern auf der Grundlage von Skeletten und Knochen stammen aus dem 20. Jahrhundert.

Wie es noch Anfang des 18. Jahrhunderts um die Deutung von Versteinerungen bestellt war, kannst Du in der Geschichte von Johann Beringer und den „Würzburger Lügensteinen“ sehen.

Schöne Grüße

MM

Hallo Sama,

mit der These, Dinosaurierskelette seien als Echsen erkannt worden, setzt Du im Mittelalter naturwissenschaftliche Kenntnisse des 19. Jahrhunderts voraus.

Schöne Güße

MM

richtig, aber: es gab gefährliche Tiere an deutlich mehr Stellen … Zum Beispiel waren die Schlangen, insbesondere auch die Giftschlangen, weiter verbreitet, als sie es heute sind (die meisten Deutschen wissen gar nicht mehr, wie die einheimischen Schlangen aussehen, geschweige denn, ob sie gefährlich werden können). Und auch meine Lieblingstiere waren weiter verbreitet und häufiger in Häusern anzutreffen als heute.

Gruß
HH

Hi,

nehme ich verschiedene Dinos, kann ich mir aus denen einen tollen Drachen bauen.

Nun meine gewagte These:
Vor über 65 Mio. Jahren waren für unsere Vorfahren die Saurier ware Schrecken auf 2(4) Beinen, vor denen die sich viele Millionen Jahre lang verkriechen mußten. Dadurch haben sich die Dinos unauslöschbar in unser Kleinhirn eingebrannt.
So kommt es, daß die Schrecklichen Echsen bis heute unterbewußt in unserer Vorstellung nie vergessen wurden.

Na? Ist das nicht lustig?

Eva,
mit Grüßen

Die Vorstellung von Drachen geht auf die Vorstellung von Schlangen als übernatürliche Wesen zurück, denen man göttliche Kräfte zuschrieb. Belegt ist diese Vorstellung am frühesten in Mesopotamien und Ägypten.

Die mittelalterliche Furcht vor Drachen ist psychoanalytisch betrachtet ein Symptom der männlichen Furcht vor dem Weiblichen, die im Mittelalter als Effekt der sexualfeindlichen katholischen Ideologie sehr ausgeprägt war und in den sadistischen Praktiken der ´Hexen´-Verfolgung ihren unübertrefflichen Höhepunkt erreichte.

Es spricht vieles dafür, dass die Vorstellung des „bösen Drachen“ ein Resultat des historischen Unterdrückungs- und Entwertungsprozesses der Frau durch den Mann ist. Bevor es dazu kam, wurden Schlangen mit Erd- und Muttergöttinnen assoziiert, die in den Jahrtausenden vor dem 4. Jt. BCE, als der Unterdrückungsprozess einsetzte, im Glauben der Menschen einen höheren Stellenwert hatten als männliche Götter, denn ihnen wurde ursprünglich die parthenogenetische Schöpfung aller Lebewesen, auch der männlichen Götter, zugeschrieben.

Hinweise darauf ergeben sich z.B. aus den Merkmalen der griechischen Urgöttin Gaia, die auch eine Schlangengöttin war. Im Tempel von Delphi, ursprünglich ein Heiligtum der Gaia, verkündete eine Schlangenpriesterin (Pythia) die Orakel.

Die ägyptische Kobragöttin Wadjet galt als Beschützerin des Pharao und damit des ganzen Landes und wurde als feuerspeiende Schlange dargestellt.

Auch die indische Göttin Kali galt ursprünglich als allesgebärende Ur- und Schlangengöttin und als Verkörperung der Kundalini, der spirituell-sexuellen Schlangenkraft.

Da die Schlangengöttinnen als Trägerinnen von Heilkraft galten, konnte sich die Schlange auch als Symbol dieser Kraft etablieren, nämlich in der Schlange des Äskulapstabes.

Die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden.

Im Zuge der sozialen und religiösen Entwertung des Weiblichen kam es in Mesopotamien, genauer: in Babylonien, Ende des 2. Jt. BCE zur ersten mythologischen Darstellung des bösen weiblichen Drachen in Gestalt der Tiamat, die ursprünglich eine gute Mutter- und Schlangengöttin war, dann aber von Priesterautoren des Marduk-Tempels im Epos „Enuma Elish“ zum Symbol des Chaotischen umfunktioniert wurde. Der Kriegergott Marduk, der Hauptgott des babylonischen Königtums, macht in dieser Story der „bösen“ Tiamat den Garaus und erschafft aus ihrem zerrissenen Leib Himmel und Erde. Die Tötung der „bösen weiblichen Schlange“ wird hier ideologisch zum notwendigen Ursprung der Welt verklärt.

Das Bild des Drachen wird in diesem Mythos zum ersten Mal vorgezeichnet, weil Tiamat nicht nur als (Riesen-)Schlange dargestellt wrid, sondern auch über Beine verfügt (siehe unten in der zitierten Passage).

Das Epos „Enuma Elish“ war ein bedeutender „heiliger Text“, der vemutlich um 1200 BCE in Babylon entstand und jährlich auszugsweise beim wichtigsten religiösen Fest Babylons, dem Aikutu (Neujahrsfest), im Marduk-Tempel rezitiert wurde. Der Text schildert u.a. die brutale Tötung der Urmutter-Göttin Tiamat durch den Kriegergott Marduk, die aus den beiden Hälften der von ihm zerrissenen Tiamat Himmel und Erde erschafft.

Auffallend ist, dass Tiamat, eine Ableitung der alten sumerischen Muttergöttin Nammu, als schlangenartiges Monster charakterisiert wird, also definitiv als Ungeheuer, dabei aber ihre Züge als Mutter aller Götter beibehält (die sie tötende Marduk gehört zu ihren Nachkommen). Die Grundaussage besteht darin, dass die Muttergöttin (als Schlange wohlgemerkt) das Chaos repräsentiert, das vernichtet werden muss, damit eine Welt- bzw. Staatsordnung hergestellt werden kann. Diese Aufgabe erledigt Marduk, der Herrschergott, des neubabylonischen Pantheons, mithilfe seiner Keule und kräftiger Fußtritte.

Alle historisch jüngeren Drachendarstellungen in religiösen Mythologien gehen, soweit es den altorientalischen und daran anschließenden okzidentalen Kulturkreis betrifft, auf diesen Mythos um Tiamat und Marduk zurück.

Dass irgendwelche Fossilienfunde die Drachenidee befeuert haben, halte ich für ganz unwahrscheinlich. Vielmehr geht die Idee von Mischwesen sowohl auf steinzeitliche schamanistische Vorstellungen zurück als auch auf ebenso alte totemistische Vorstellungen.

Hier sind Beispiele für göttliche Mischwesen aus der ägyptischen Religion:

Sonnengott Re = selten völlig anthropomorph, meist theriomorph (Scarabäus, Kater) oder gemischt (Falkenkopf/Widderkopf-Menschenleib) oder als Sonnenscheibe.

Himmelsgott Horus = der klassische Falkengott in Falken- oder Mischgestalt (Falkenkopf). Erst ab der 22. Dynastie als Sohn von Isis auch anthropomorph dargestellt.

Magie- und Mondgott Thot = Mischgestalt aus Mensch und Ibis(kopf) oder theriomorph als Pavian. Einer der ältesten Götter des ägyptischen Pantheons.

Um sich ein drachenartiges Monster vorzustellen, bedurfte es vor 4-5.000 Jahren also einfach nur gängiger Methoden des phantasievollen Vermischens unterschiedlicher Gattungen.

Chan

PS. Hier ist die Passage aus dem Enum Elish, in der historisch zum ersten Mal ein „Drache“ (Tiamat = Riesenschlange mit Beinen) in Erscheinung tritt:

Als Tiâmat dies hörte,
Geriet sie außer sich, verlor den Verstand.
Sie stieß gegen ihn ein solches Gebrüll aus,
90 Daß ihre Beine von oben bis unten gegeneinander schlotterten.
Sie sagte eine Beschwörung und warf einen Zauberspruch aus,
Indes die Götter des Kampfes ihre Waffen schärften.
Da traten zusammen Tiâmat und Marduk, der weiseste der Götter,
Stürzten sich aufeinander und begegneten sich im Kampf.
95 Es breitete der Herr sein Netz aus, fing sie darin,
Er ließ vor ihr los den schlimmen Wind, den er aufbewahrt hatte,
Als Tiâmat das Maul auftat, um ihn zu verschlingen,
Warf er den Sturm hinein, damit sie ihre Lippen nicht wieder schließen könne.
Die grimmigen Winde füllten ihren Leib.
100 Ihr Leib blähte sich auf, und ihr Maul blieb offen.
Er schoß einen Pfeil ab, zerriß ihr den Bauch,
Ihr Inneres zerriß er und durchbohrte ihr Herz.
Als er sie bezwungen hatte, tilgte er ihr Leben aus,
Ihren Leichnam warf er zu Boden und stellte sich darauf.
105 Als er Tiâmat, die Anführerin, erschlagen hatte,
Zerbrach er ihre Rotte, ihr Heer zerstreute sich.

Servus,

nein, das ist nicht lustig, weil Leser, für die alles, was vor 1955 stattgefunden hat, „irgendwie Mittelalter“ ist, beim Lesen glauben könnten, es hätte vor über 65 Mio. Jahren Vorfahren von Menschen gegeben, die auch nur entfernt Menschen oder Menschenaffen ähnelten.

Auch wenn Du es selber wahrscheinlich als Witzlein betrachtest, wird das Witzlein dem unbedarften Leser nicht ausreichend deutlich.

Schöne Grüße

MM

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Hallo

richtig und im Mittelalter sagte man ja auch Lindwurm und nicht Drache.

Zahlreiche Städte in D und im Deutschsprachigen Ausland führen diesen ja auch als Wappentier in ihrem Stadtwappen.

Hallöchen,

es hätte vor über 65 Mio. Jahren Vorfahren von Menschen gegeben …

Na da schau her:


These: Die den Menschen einschließenden Primaten entstanden bereits vor etwa 90 Millionen Jahren. Demnach lebten die Urahnen von Gorilla, Schimpanse und Mensch Seite an Seite mit den Dinosauriern

Seite an Seite - wie herrlich :smile:

Gruß Eva

Servus,

jaja, es ist schon erstaunlich, was für „Ur-Erinnerungen“ mit dem Kleinhirn vererbt werden. Hier sieht man einen unserer Urahnen, als er grade den Evolutionarismus als eine Art Hilfsreligion erfunden und im Detail konzipiert hatte:

https://img.posterlounge.de/images/wbig/poster-koboldmaki-isst-eine-kakerlake-156559.jpg

Seine Bachelor-Thesis ist beim Lehrstuhl für Werberhetorik der Dualen Universität Gütersloh hinterlegt.

Schöne Grüße

MM

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Genau. Die Frage ist ja, als was es die Menschen in Europa oder Asien Menschen vorher verstanden haben. Ein Sklett von einem T’Rex ist einem Lindwurm schon sehr ähnlich.

Also ich persönlich finde die Theorie von @eval über Ur-Erinnerungen im Kleinhirn (oder müsste es nicht eher das Großhirn sein? Aber ich kenn mich da wohl zu wenig aus um fundierte Aussagen treffen zu können) gar nicht so abwegig. Immerhin haben wir na auch Urinstinkte…

Genau!

und hast du schonmal Menschen beobachtet, die Abends um ein Lager-Feuer herumsitzen?
Jeder blickt schweigend ins Feuer, man kann seinen Blick kaum vom Feuer abwenden, das Ganze hat schon fast etwas Andächtiges.
Oder warum stehen wir bis heute auf den Anblick von Flüssen und Seen. Wildromantisch geht jedem Menschen dabei einer ab - warum nur?

Ich behaupte: da das über Äonen für unsere Vorfahren zentrale Bedeutung hatte, sowohl das Lagerfeuer als auch den Siedlungsraum am Wasser, hat sich das dermaßen eingebrannt in unser Kleinhirn, daß wir da gar nicht mehr wegkommen von.

Jetzt bräuchten wir einen Experten mit für Hirn, der uns das bestätigt. Doch leider gibt es solche hier bei w-w-w kaum noch.
Oder etwas doch? :wink:

Eva,
mit Grüßen