Welche Rolle spielt Erziehung und Förderung für die Entwicklung?

Meine Kinder hat zwei Söhne mit großem Altersabstand. Den ersten gab sie mit 18 Monaten in die Kita, weil sie wollte dass er gut deutsch kann. Wir haben Migrationshintergrund. Meine Schwester spricht deutsch mit einem Akzent und macht manchmal grammatikalische Fehler. Ihr Mann wuchs im Ausland auf und spricht zwar deutsch aber mit sehr vielen Fehlern und starkem Akzent.
Nach der Kita ging der Junge in eine Ganztagsschule und damals gab es nur das Modell „ganz oder gar nicht“, so dass er bis 16:30 Uhr in der Schule sein musste, wenn er sie ihn nicht schon um 12:30 Uhr zuhause haben wollte. Er wuchs die erste Zeit als Einzelkind auf. Meine Schwester ging mit ihm zu allen möglichen Kursen musikalischer und sportlicher Art.

Weil sie mit der Kita unzufrieden war, plante sie ihr zweites Kind erst später in die Kita zu geben. Er wurde von einer Verwandten aufgezogen, die selbst zwei junge Kinder hatte. Er war kurz in der Kita. Dann kam Corona und die Kita war ständig zu. Er ging danach zu einer Schule, bei der die früheste Abholzeit im Ganztag schon um 14:00 Uhr war. Sie waren auf unterschiedlichen Grundschulen. Die Schülerschaft der Schule ihres älteres Sohnes gilt als eher sozial schwach, die des zweiten als gutbürgerlich. Nach der Schule war er oft bei Verwandten. Wegen Corona war er bei weit weniger sportlichen und musikalischen Kursen.

Man sollte eigentlich große Unterschiede zwischen den beiden Jungen erwarten, aber sind beide extrem ähnlich. Der jüngere benimmt sich ganz ähnlich, wie sich der ältere in dem Alter verhalten hat. Sie haben beide im schulischen Bereich die gleichen Stärken und Schwächen, haben die gleichen Hobbys. Sie hatten beide zum Beispiel eine längere Judo-Phase, obwohl sich keiner ihrer Eltern dafür interessiert. Sie sprechen beide ähnlich gut deutsch. Keiner von beiden hat einen Akzent, obwohl beide Eltern einen Akzent haben. Sie sind beide in Sprachen gut und schlecht in Mathe. Sie machen (soweit ich es beurteilen kann) wenig grammatikalische Fehler und interessanterweise beide die gleichen, die aber nicht mit den Fehlern in der Sprache ihrer Eltern zusammenhängen. Beide sprechen auch die Muttersprache unserer Familie perfekt und wechseln zwischen den Sprachen hin und her, wenn sie untereinander reden.

Wir erwarten gerade ein Kind… und ich frage mich jetzt: wie viel bringt frühkindliche Förderung eigentlich? Ist es normal, dass sie so ähnlich sind, obwohl es so große Unterschiede gab, wie so aufwuchsen? Macht es tatsächlich einen Unterschied, ob die Schule bis 14:00 Uhr oder bis 16:30 geht und ob die Schülerschaft als gutbürgerlich oder als schwierig gilt?

Ja.

Schau Dir mal die soziale Kompetenz adoleszenter Engländer oder Franzosen im Vergleich mit der ihrer deutschen Altersgenossen an, und überleg Dir, wo die das denn gelernt haben könnten.

Im (West-)deutschen Schulwesen wird immer noch ein romantisierendes Bild von der Familie als Keimzelle von Glück, Bildung und Wohlstand gepflegt, obwohl dieses seit etwa 60 Jahren nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Es gibt zweifellos Familien, die das leisten wollen und können, was deutsche Schulen nicht können oder wollen, aber die sind in verschwindend kleiner Minderheit und tragen damit, so gut das für ihre Kinder auch ist, zur Erhaltung und Verstärkung der bestehenden Trennung verschiedener sozialer Gruppen und Schichten bei.

In meiner früheren Heimat gibt es eine ziemliche Konzentration von Internatsschulen: Salem, Kloster Wald, St. Blasien und noch eine Reihe mehr. Was schätzt Du, aus welchem sozialen Kontext die Schüler an diesen Instituten zum größten Teil stammen?

  • Richtig geraten! Diese Internate sind die Kaderschmieden für künftige Industriekapitäne und Finanzlotsen. Wie die Eltern nur darauf kommen, ihre Kinder so schnöde aus dem trauten Familienkreis zu verbannen?

Schöne Grüße

MM

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Eliteinternat ist für uns sowieso nicht drin… und auch nicht erwünscht. Ich habe einen Bekannten, der auf einem solchen war und der hat eigentlich überhaupt keine soziale Kompetenzen, sondern behandelt all seine Mitmenschen wie Untergebene, die ihm zu Diensten sein müssen. Ich sage nicht, dass das am Internat liegt. Vielleicht war er schon vorher so oder sogar noch schlimmer, wer weiß.

Bei meinen Neffen beobachte ich, dass sie ganz ähnlich sind, obwohl der eine viel mehr in der Kita und in der Schule betreut wurde. Es wundert mich ja selbst. Aber beide sind extrovertiert, etwas vorwitzig, mitteilsam und haben ziemlich viel Selbstbewusstsein.

Beim einen (dem, der auch länger in Kita und viel mehr Stunden im schulischen Ganztag war) hat meine Schwester :euro: :euro: :euro: für musikalische und sportliche Förderung ausgegeben, beim anderen viel weniger.

Sie hat sich, als der erste klein war, finanziell einschränken müssen, um ihm musikalische Frühförderung und (teils private) Sportangebote zu bezahlen und viele Stunden damit verbracht, um ihn von einen Angebot zu anderen zu fahren. Mir persönlich stellt sich die Frage, ob es das wert war.

Es kann ja Zufall sein, dass sie trotzdem so ähnlich sind. Deswegen interessiert mich einfach, ob es Studien zu diesem Thema gibt. Langzeiteffekte von früher Kita, langem Ganztag, frühere Förderung durch Musik und Sport.