Das ist richtig - soweit es ‚Gerechtigkeit‘ als soziale Norm betrifft. Da stellt sich dann immer die Frage, wer mit welcher (bewussten oder unbewussten) Intention solche Normen setzt - und ggf. gegen andere Normierungen durchsetzt. Beim letzterem wird’s schnell problematisch.
Etwas anders sieht es aus, wenn der Begriff lediglich auf das eigene Handeln angewandt wird, also unter Verzicht darauf, die Maximen des eigenen Handelns zu einer allgemeingültigen Norm zu erheben (was das Kant’sche Kriterium der Eignung dazu ja nicht aufhebt).
Lesenswerter Artikel von Thanissaro Bhikku dazu: https://www.lionsroar.com/wisdom-over-justice/ - notfalls ist die Google-Übersetzung ins Deutsche halbwegs brauchbar.
„Gerechtigkeitsempfinden“ ist nicht wirklich ein Empfinden, sondern ein Urteil - wogegen nichts einzuwenden ist, wenn dieses Urteil das eigene Handeln betrifft. Wenn Handeln beurteilt wird, löst dieses gewöhnlich beim Urteilenden Empfindungen/Emotionen aus. Wut ist nur eine solche mögliche Reaktion; andere denkbare wären Scham, Befriedigung, Neid usw. usf. …
Aus buddhistischer Sicht ist ein geeignetes Kriterium für die Beurteilung von Handlungen deren Heilsamkeit bzw. Unheilsamkeit. Anders gesagt: die Frage, ob sie geeignet sind, Leid zu erzeugen oder aufzuheben. Was voraussetzt, dass man sich über die Natur von Leid, seine Ursachen und deren Vermeidung sowie der Methode der Vermeidung (entsprechend den aryasatya, den vier ‚edlen Wahrheiten‘) einigermaßen klar ist.
Ich finde „Meditationen“, die man „hört“ (vermutlich eine sog. „geführte Meditation“), auch recht fragwürdig. Grundsätzlich aber ist es buddhistische Achtsamkeitspraxis (7. Aspekt des edlen achtfachen Pfades), u.a. seine Emotionen (z.B. Wut) wahrzunehmen - wobei die Betrachtung zum Erkennen ihrer (subjektiven!) Ursachen führt und in Folge die Vermeidung unheilsamer (im o.g. Sinn) Emotionen ermöglicht - optimalerweise deren Ersetzung durch heilsame Emotionen, insbesondere die vier sog. brahmavihāra oder apramana : Liebende Güte (maitrī), Mitgefühl (karuṇā), Mitfreude (muditā) und Gleichmut (upekṣā). Insbesonde Letzteres wird als eine heilsamere emotionale Reaktion auf ein gestörtes Gerechtigkeitsempfinden angesehen als Wut.
Diese Übung in Achtsamkeit auf die eigenen Emotionen ‚funktioniert‘ natürlich nur dann, wenn man diese nicht auslebt, nicht in diesem Sinn darauf „reagiert“. Wobei es natürlich - wie schon weiter oben umrissen - nicht alleine bei der bloßen Betrachtung bleiben sollte. Hinzu tritt die Analyse. Das ist dann die klassische Methode des vipashyana / vipassana.
Freundliche Grüße,
Ralf (aka ‚Sudhana‘)
P.S.: es ist nicht unbedingt hilfreich, die Frage in möglichst vielen Foren zu stellen …