schon Altkanzler Schmidt hatte sich einmal zu der Aussage hinreißen lassen, dass die Demokratie zwar die beste Staatsform in Europa wäre, man aber auch anerkennen müsse, dass z.B. in Asien dies nicht gelten müsse.
Nun meine Frage (wie oben auch ersichtlich): Welche Staatsform wäre für den nahen und mittleren Osten ideal?
Demokratie (zumindest in westlicher Form) scheint ja einfach nicht zu funktionieren.
Demokratur bzw. „gemässsigte Diktatur“.
Dem Volk glauiben machen, dass es mitbestimmt und dann per „Machtwort“ bestimmen wo es lang geht.
Mache Kulturkreise „brauchen“ das scheinbar so.
Erdogan macht es gerade vor und der macht es Putin nach…
Nur wenn dann der Diktator zu einseitig Partei ergreift, kippt die Sache um, wie gerade in Syrien geschehen.
Dass es auch mit einem König geht, zeigt uns Saudi-Arabien.
Das funktioniert dort aber auch nur noch wegen der Petrodollars, die man dort als Herrscher verteilen kann…
die Staaten sind unfähig, eine Demokratie zu erschaffen, die die Inhalte einer modernen Demokratie ausfüllt. Vorstellbar wären Formen der (nicht absolutistischen) Monarchie oder autoritäre Demokratien. Leider ist und kann beides keinerlei Garant für ein friedliches Zusammenleben innerhalb des Staates oder mit den Nachbarn sein. Jeder Staat hat seine eigenen sozialen Probleme und müsste separat betrachtet werden.
Schrittweise wäre ein Übergang zu Demokratieformen westlichen Zuschnitts (sind ja auch nicht alle gleich) vorstellbar. Aber hierzu wäre eine massive Begrenzung der Geburtsrate und eine möglichst weitgehende Alphabetisierung nötig. Die Staaten haben sich selbst wohl schon an den sozialen Abgrund fortgepflanzt. Die Zukunft sieht trübe aus. Auf jeden Fall muss die Religion in ihrer pol. Macht begrenzt bleiben und „der Klerus“ unter der Kontrolle der Sicherheitsorgane stehen, um ihn im Zaum zu halten.
Nur: Wird zu unseren Lebzeiten flächendeckend alles nicht passieren. Eher wird die Anzahl von failed states zunehmen und die Spannungen zu Europa massiv zunehmen, weil die Masse Verführbarer bereits zu groß geworden ist.
Ja, solange ein Herrscher zum allgemeinen Wohl des Landes agiert und sich nicht all zu sehr daneben benimmt, ist das für viele „Untertanen“ durchaus erstrebenswert.
Hallo,
das kann man wohl kaum mit Wunschdenken beantworten.
Die wenigen demokratisch halbwegs stabilen Systeme sind ehemalige Kolonien, die bis weit in die 1950er Jahre Bestand hatten und sich entsprechend emanzipiert und einen großen Teil der Bildungkultur der westlichen Staaten übernommen haben (Algerien, Ägypten, Pakistan, ggf. noch Indien). Wie schwach die sind, kannst Du am Scheitern des arabischen Frühlings sehen, in dem in allen Ländern der Islamismus der herausragende Gewinner war.
Die einzigen Staatsformen, die langanhaltend dort funktionieren, sind Monarchien (Saudi Arabien, die Emirate am Golf) und selbst die sind (bei allzu viel „Verwestlichung“) nicht sicher vor dem Zerfall (siehe Iran).
Der maßgebliche Einfluss des Islam in seinen zudem verschiedenen und zutiefst verfeindeten Strömungen macht jedwede auf Selbstbestimmung basierende Staatsform zunichte. Solange hier nicht ein Reinigungs- oder Reformationsprozess (wie zB bei den Christen des Mittelalters) eintritt, der zudem massiv mit Bildung untermauert wird, wird da gar nix passieren, was in irgendeiner Weise eine einem westlichen „Leitbild“ genügende Staatsform entspricht. Selbst die Türkei, die mit einem sehr sekulären Demokratieverständnis gestartet war, driftet hier mehr und mehr ab. Eine Lösung könnte totale Seggregation lauten, aber wer will die doch zum Teil sehr gewalttätigen Strömungen in ihrem „Bekehrungsdrang“ dann im Zaum halten? Die UN? Das einstige Bollwerk dieser Seggregation waren mal örtlich starke Militärdiktaturen wie im Irak oder Lybien und ausgerechnet die hat der Westen aus sehr fadenscheinigen Gründen „abgeschafft“ und wollte sie nicht dauerhaft ersetzen. Die Lücke füllt nun wieder der Islamismus.
Demokratie mag passabel sein, aber ideal ist sie nicht, schließlich ist sich das Volk stets uneinig. Und Mehrheitsbeschlüsse sind immer auch ungerecht.
Diktatur dagegen beherrscht zumindest die Regeln der Macht und Hierarchie. In der Demokratie werden beide übrigens auch höchst geschätzt.
Wenn nun „Demokraten“ anmaßend meinen,… anderen (Staaten) eine ideale Staatsform aufpressen zu müssen, dann handeln sie doch diktatorisch?!
Das Thema einer idealen Staatsform reduziert sich immer auf Machtausübung. Also Diktatur.
das Problem ist nicht die Region, sondern die Gesellschaft und diese wird im Nahen und Mittleren Osten (von wenigen Ausnahmen abgesehen) vom Islam geprägt. Dieser wiederum ist nicht unbedingt der fruchtbarste Boden für Demokratie, denn in dieser Religion geht nun einmal alle Macht vom einzigen Gott aus und damit ist jeder, der irdische Macht ohne göttliche Legitimation beansprucht eben kein rechtmäßiger Regent. Darüber hinaus maßt sich auch kein Gläubiger an, selber über das Recht oder die Macht zu verfügen, einen Herrscher (mit)zubestimmen.
Demokratie funktioniert also in beide Richtungen per se nicht - so lange nicht das islamische Pendent der Aufklärung Einzug hält. Bis dahin ist die Diktatur mit scheinbar göttlicher Legitimation die beste, weil einzig akzeptierte, Regierungsform.
Schmidt kleidete in eigene Worte, was J. M. de Maistre https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Marie_de_Maistre schon vor 200 Jahren formulierte: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Oder mit meinen Worten: Jede Regierung und Staatsform existiert nur, so lange sie von wesentlichen Teilen der Bevölkerung getragen wird. Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, bemerkt man den Unfug, wenn Leute von außen Demokratie bringen wollen. Geht nicht.
Eine jede Staatsform entspricht den gesellschaftlichen Realitäten, den Traditionen und dem Willen eines beträchtlichen Bevölkerungsteils. Von außen machen es sich manche Betrachter einfach, indem sie vorhandene Zustände am jeweiligen Regime festmachen und irrigerweise glauben, mit der Beseitigung eines unappetitlichen Regimes würden plötzlich Menschenrechte und Demokratie ausbrechen.
Ich gab den Bericht eines Fernsehreporters von vor einigen Jahren schon einmal wieder: Ein junger afrikanischer Mann freute sich über endlich bevorstehende Wahlen und wurde vom Reporter gefragt, was passiert, wenn seine bevorzugte Partei die Wahl verliert. Antwort: Dann greifen wir wieder zu den Waffen.
In Deutschland zur Zeit der Weimarer Republik gingen Wahlen mit Straßenschlachten und Toten einher. Der Staat war formal eine Demokratie, aber demokratische Werte gab es in den Köpfen zu vieler Menschen nicht.
In vielen Ländern findet ein Machtwechsel entweder durch Vererbung statt oder dadurch, dass an die Macht strebende Leute die aktuellen Machthaber umbringen. Geht schließlich nicht anders, wenn Wahlen und ihre Akzeptanz im gesellschaftlichen Alltag nicht vorkommen. Dann regelt man die Sache, wie es hierzulande früher unter den als „Halbstarke“ titulierten jungen Bengel üblich war: „Komm’ mal eben mit vor die Tür!“ Es folgte eine Prügelei. Sodann war klar, wo es lang ging. Ganze Gesellschaften sind nach ähnlichem Strickmuster geprägt. Veränderungen sind ein langwieriger Vorgang über Generationen, zuweilen Jahrhunderte. Von außen ist nichts zu wollen, schon gar nicht unter Zwang oder womöglich mit militärischer Gewalt.
Das alles sind keine neuen Erkenntnisse, sondern schon Jahrhunderte alte Hüte. Wer wie Schröder, Fischer und Struck vor dem Afghanistan-Einsatz der BW fabulierte, Demokratie bringen zu wollen, hat sich disqualifiziert und demonstriert, von Staatswesen nicht wirklich viel zu verstehen. Das waren dumme Jungs. Es war erkennbar und ich schrieb es in diesem Forum bereits, bevor der erste Soldat Richtung Hindukusch unterwegs war.
Schade, aus Fehlern wird nichts gelernt. Herr Bush meinte, im Irak durch Beseitigung des Machthabers irgendwas ändern zu können. Führte in die Anarchie, was vorhersehbar war. Ebenso die Aktion in Syrien. Irgendwann müssten Menschen doch schlauer werden … werden sie aber nicht. Auch in Syrien streben die USA den Regime-Change an, ohne zu erkennen, dass damit der einzige Stabilitätsfaktor mit funktionierender Verwaltung abgeschafft würde und alle Nachfolger egal aus welcher Ecke keinen Deut besser sind. Am Rande ein weiterer bitterer Sachverhalt: Die aus Syrien flüchtenden Menschen haben vermutlich von den schwierigen Lebensumständen die Nase voll, aber demokratisch geprägte und entsprechend denkende Menschen sind es mehrheitlich gewiss nicht - eine vorhersehbar schwierige Klientel, auch wenn diese Aussage als politisch nicht korrekt empfunden wird. Dafür hat sie den Vorzug, nahe an der Realität zu liegen.
Um auf Deine Frage zu antworten, welche Staatsform für z. B. Syrien geeignet wäre: Eine Diktatur mit einem Diktator, der den Laden nötigenfalls mit Gewalt, gelegentlich mit unfeinen Mitteln regierbar hält und im günstigen Fall behutsam für Liberalisierungen sorgt. Genau das hat Syrien mit dem Assad-Clan, hatte der Irak mit Saddam Hussein und hatte Libyen mit Gaddafi. Was wären wir heute froh, hätten Libyen und der Irak noch ihre alten Herrschaftsstrukturen statt Anarchie. Das waren nicht unbedingt Leute nach hiesigem Geschmack, aber geradezu liebenswerte Jungs im Vergleich mit dem Gesindel, das heute im Kampf um die Macht meuchelt.
Es ist hierzulande noch gar nicht so lange her, als lokale Fürsten Meinungsverschiedenheiten und Machtansprüche kriegerisch austrugen. Neben den Fürsten und ihren Schranzen hatten Kirchenleute etwas zu sagen. Niemand kommt auf die Idee zu fragen, warum die Mägde und Knechte nicht einfach gewählt hatten, statt vor Honoratioren zu bückeln. Ähnlich naiv ist es, mit Regime-Chance und Bombern in Nahost irgendwas verbessern zu wollen, damit die Menschen der Region zukünftig wählen.
Auch dem IS kommt man mit Bombern und westlichen Vorstellungen, wie man zu leben hat, nicht bei. Für den IS gilt ebenfalls der o. g. Zusammenhang: Er braucht Unterstützung von einem nennenswerten Teil der Bevölkerung. Andernfalls würde sich der recht kleine Haufen spinnerter Grünschnäbel (Schätzungen gehen von 10.000 bis höchsten 50.000 Kämpfern aus) in riesigen Gebieten zwischen Libyen, Syrien und Irak verlieren. Ereignisse in Paris hin oder her, der IS ist aber nicht das Problem, sondern nur die Folge eines von Natomitgliedern geschaffenen Machtvakuums. Dabei sind deutsche Waffenlieferungen (ach, was sind wir vertragstreu) an Saudi-Arabien als IS-Finanzier nur eine pikante Idiotie am Rande. Die Jungs und Mädchen in unseren Behörden und ihre zuständigen Minister sind offenkundig mit Verstand nicht besonders gesegnet. Wie Dieter Nuhr im Zusammenhang mit Organspenden kürzlich bedauerte, gibt es keine Hirntransplantationen, obwohl nichts dringender als Hirn gebraucht wird.
Demokratie bedeutet eine Art Korridor zu allen Bereichen der Gesellschaft (wirtschaftlich, kulturell, sozial, ökologisch). Sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Demokratie garantiert nahezu jedem Menschen, wenigstens einmal in seimem Leben in ungeahnte Lebensbereiche zu gelangen.
Demokratie ist und bleibt ein Idealmodell. Alle existierenden Staatstheorien und real existierenden Staaten (einschließlich die BRD und die EU) bilden davon von nur einen Abzug. Staatslehren und Praxisbeispiele stehen zur Demokraite mehr, weniger nah oder gar konträr.