Das mag Deine private, unterkomplexe Definition sein. Allein bei Wikipedia geht man das Thema deutlich differenzierter an:
Propaganda (von lateinisch propagare‚ „weiter ausbreiten“, „ausbreiten“, „verbreiten“) bezeichnet in seiner modernen Bedeutung zielgerichtete Versuche, politische Meinungen oder öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in eine vom Propagandisten oder Herrscher erwünschte Richtung zu steuern. Die verschiedenen Seiten einer Thematik nicht darzulegen sowie die Vermischung von Information und Meinung charakterisieren dabei die Propagandatechniken.
Quelle
Demnach kann also jeder ein Propagandist werden, jede einzelne Äußerung einer Person Propaganda. Jeder Journalist kann zum Propagandisten werden, jede Redaktion, jedes Medium, jeder Medienkonzern. Und wenn es üblich wird, dass sich Medienkonzerne und Journalisten auf gemeinsam auf bestimmte bestimmte Kampagnen einlassen …
Vielleicht sollte man sich zur Abgrenzung fragen: was ist keine Propaganda?
Nach dem Auszug der Definition von Wikipedia kann das dann nur eine Verbreitung von Tatsachen sein. So ungefärbt, so uneingeschränkt wie möglich - mit einer deutlichen Trennung von Berichterstattung und Meinungsäußerung.
Nun gut. Dafür muss man die Bevölkerung nicht so vereinfachend diskriminieren, wie Du es in letzter Zeit immer öfter und vehementer tust. Es gibt ein Dokument der Bundesregierung mit dem Namen „Laufende Aktivitäten der Ressorts und Behörden gegen Desinformation im Zusammenhang mit RUS Krieg gegen UKR“. Daraus lässt sich durchaus der Schluss ziehen, dass sich die Regierung, verschiedene Ministerien und Organisationen, die Geld von eben diesen Stellen bekommen, auf eine gemeinsame Deutung der Ereignisse geeinigt haben und Kontakte in die Medienlandschaft halten, um diese entsprechend zu beeinflussen. Quelle, Fortsetzung
In dem kurzen Statement der Regierung (Quelle, Frage 86) wird dieser Vorgang bestätigt. Ja, dort spricht man von Maßnahmen „um der gezielten Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen insbesondere im Kontext von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine entgegenzuwirken.“ Doch weg legt fest, was irreführend ist, was falsch? Macht sich nicht schon der der Diskriminierung von Meinungen verdächtig, der von sich behauptet, immer zu wissen, was richtig und was falsch ist? Währe es nicht demokratischer, wenn „irreführende“ Meinungen richtig gestellt werden würden, statt diese zu unterdrücken oder zu diskreditieren?
Wie kann der Bürger sich selbst ein Bild machen, wenn nur noch die Meinung einer Seite gezeigt wird, der anderen Seite jede Meinungsverbreitung von oberster Stelle untersagt wird (Quelle) und der Bürger nur noch selektierte Ausschnitte der Gegenseite vorgesetzt bekommt?
Mich erinnert das an die Propaganda der DDR. Man versuchte, den Empfang westlichen Fernsehens und Radios so weit wie möglich zu erschweren und zu diskreditieren und setzte den Bürgern dann im Schwarzen Kanal Versatzstücke der westlichen Medien vor, über die man sich lustig machte.
Da die DDR recht klein war, war es für genügend Menschen kein großes Problem, sich aus den Medien beider Seiten eine eigene Meinung zu bilden. Das dürfte einer der Gründe für die Demonstrationen in Berlin am späten 7.10.89 in Berlin gewesen sein, die in den Montagsdemos in Leipzig weiter geführt wurden. Wie hätte sich wohl die DDR entwickelt, wenn es nicht den direkten Kontakt Ost/West gegeben hätte? Egal, das gehört hier nicht her, können wir gern in einem anderen Thread diskutieren.
Das interessante an diesem Argument ist, wie viele Menschen, wie viele Redaktionen, die sich selbst „in der Mitte“ sehen, die Medien an den Rändern geißeln. So gibt es die „Gegneranalyse“ des „Zentrum der liberalen Moderne“, gegründet von ehemaligen Grünen Politikern, finanziert vom Bund. (Quelle). Telepolis nahm sich mal einer der so genannten Fallstudien dieses Organs an und konstatiert ihr, kurz gesagt, Propaganda aus politischen Gründen. (Quelle)
Also uneingeschränkt zu behaupten, in Deutschland gäbe es keine Propaganda, keine Bevorzugung bestimmter Meinungen und Deutungen, keine Diskreditierung von abweichenden Meinungen, ist aus meiner Sicht falsch. Der Unterschied der heutigen deutschen Propaganda zur DDR und zu Russland? Bei allen drei wurde bzw. wird durch eine recht kleine Kaste aus Politikern und Medienschaffenden die offizielle Linie der Auswahl und Deutung von Ereignissen vorgegeben. Im heutigen Deutschland stehen abweichende Meinungen allerdings, und das ist ganz wichtig, nicht unter Strafe und können, wenn man ein Medium findet, frei verbreitet werden. Allerdings beobachte ich seit Corona und nochmal verstärkt seit dem Überfall auf die Ukraine Versuche von Seiten der EU und der Bundesrepublik, „Desinformation“ unterbinden und auch bestrafen zu wollen - aus meiner Sicht kann das recht schnell in einer umfassenden Kontrolle der Medien und damit der Meinungen enden, wie wir sie in den letzten Jahren in der Türkei erlebt haben. Und nein, die Augen zu verschließen und zu behaupten, so was kann bei uns nicht passieren, kann eine solche Fehlentwicklung nicht aufhalten. Man muss aus meiner Sicht Propaganda, auch unsere Version, erkennen und anprangern.
Grüße
Pierre